Das Evangelium dieses Sonntags (Lk 13,22-30) setzt die Auftritte eines sehr
anstrengenden Jesus fort.
Zwar geht es jetzt nicht
mehr um Spaltung und Streit wie am letzten Sonntag, dafür frustriert
Jesus jetzt diejenigen, die glaubten, nahe bei ihm zu sein und
enttäuscht sie stattdessen.
Drei Gedanken zu diesem
Text:
1. „Da
fragte ihn einer: Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?"
(v23)
Wen interessiert diese Frage denn überhaupt noch?
Glaubt irgendjemand, er
müsse von etwas errettet werden?
Vielleicht gibt es noch
einige, die so denken.
Aber mein Eindruck ist
doch, dass die meisten Zeitgenossen andere Fragen im Kopf haben:
Bekommt die Menschheit die Klimakatastrophe noch in den Griff? Lassen
sich friedliche Formen des Miteinanders in einer multikulturellen
Gesellschaft wie der unseren finden? Wie habe ich am Monatsende genug
Geld übrig, um mir auch mal was zu leisten?
Das sind doch, je nach
persönlichem Hintergrund, die vorherrschenden Fragen. Der Ernst von
Umweltzerstörung, Gesellschaftsentwicklung, finaniellem Überleben
liegt schließlich auf der Hand.
Interessant ist nun, was wir mit diesen Fragen anfangen.
Auf dem Weg zu den Antworten. Angermünde, 2019. |
Entweder überlegen wir uns selbst
Lösungen oder wir suchen nach Expertenmeinungen. Wir schauen also,
wo wir sparen können, um uns auch mal was zu gönnen. Oder wir
schauen uns die Ergebnisse der Forscher an und überlegen, ob wir
selbst etwas tun können, das umweltfreundlichere Folgen hat als
unser bisheriger Lebensstil.
Im Evangelium wendet sich
der Mann aus der Menge an Jesus.
Jesus wird als Experte
angesehen und gefragt.
Nun wird niemand
behaupten, Jesus könne als Experte für einen ausgeglichenen
Privathaushalt herhalten oder hätte die maßgeblichen
wissenschaftlichen Studien zur Klimakrise geschrieben.
Wenn ich nun hier stehe
und trotzdem lieber über Jesus spreche als über
Gesellschaftspolitik, Umweltstandards und Privatfinanzen, dann hat
das einen einfachen Grund:
Jesus mag nämlich kein
Experte für unsere einzelnen Lebensbereiche sein.
Aber Jesus zeigt uns eine
Lebenshaltung, die uns Gott näher bringt. Das mag manchmal
anstrengend sein und der eine oder die andere wird sich fragen, ob
das überhaupt erstrebenswert ist – aber ein Leben mit Gott ist ein
erfülltes Leben.
Es kann tiefer befriedigen
als das Fernsehprogramm oder die Bilder mit nackten Frauen an der Tür
oder ein gutes Steak oder ein abendlicher Joint.
Aber das erfordert von
uns, dass wir uns ernsthaft auf den Weg mit ihm machen. Dass wir Gott
mit unseren tiefsten Fragen bedrängen. Dass wir uns auf ihn
einlassen.
Denn Jesus ist der Experte
für das Leben mit Gott.
Und wenn wir uns nun die
Frage nach der Rettung der Vielen noch einmal anschauen, dann spricht
daraus das ernsthafte Interesse, was im Leben wirklich zählt und was
uns wirklich mit Gott verbindet. Es spricht daraus das Interesse an
den Anderen.
Dieses Evangelium lädt
uns also zunächst einmal ein, mit unseren existenziellen Fragen zu
Jesus zu kommen (auch wenn das nicht jedes einzelne Problem löst)
und dabei auch die Anderen nicht aus dem Blick zu verlieren.
Nun aber zur Antwort Jesu.
2. „Ich weiß
nicht, woher ihr seid …" (v25)
Der Ernsthaftigkeit der
Frage entspricht die Härte der Antwort.
Jesus beginnt: "Bemüht
euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen"
(v24), um zu betonen, dass es nicht leicht werden wird.
Und er fährt fort, dass
eine Menge Leute sich irren, wenn sie meinen, es sei doch ganz
einfach und problemlos, in der Herrschaft Gottes (oder in seinem
Reich) zu leben (vv25-28).
Mich persönlich schmerzt
das richtig, wenn ich hören muss, wie abweisend Jesus hier klingt.
Will ich so einen
kleinlichen und miesen Messias verkündigen und Andere auffordern,
sich mit ihm einzulassen?
Provokant. Gründheide, 2019. |
Seine ganze Rede ist eine
einzige Provokation derer, die meinen, doch schon genug getan zu
haben.
Sind wir denn keine guten
Christen, wenn wir in seiner Nähe sind, ihm zuhören, mit ihm
Gemeinschaft pflegen?
Oder übersetzt: Reicht es
nicht zu teilen, ab und zu mal zu beten oder zum Gottesdienst zu
gehen, niemanden anzuschreien und sonst in Ruhe sein Ding zu machen?
Jesu Antwort darauf: Viele
irren sich, wenn sie meinen, es wäre so leicht. Ihnen sagt er gleich
zweimal: „Ich weiß nicht, woher ihr seid." (v25)
Was er wahrscheinlich
meint, ist: Genug Menschen sind nur äußerlich dabei, wenn es um
Glauben geht und beruhigen sich selbst damit, doch keine so schlimmen
Arschlöcher zu sein.
Worum es aber eigentlich
geht, ist Jesus zu kennen.
Und wer nur äußerlich
dabei ist, kennt Jesus gar nicht.
Es ist wie die berühmte
körperliche Anwesenheit in der Schule. Die Gedanken des
pubertierenden Schülers sind bei den Abenteuern des Wochenendes oder
bei dem netten Mädchen eine Reihe weiter vorn – aber ganz sicher
nicht dort, wo die Lehrerin seine Aufmerksamkeit haben will. Auf die
Frage nach dem richtigen Lösungsweg hin, wacht er auf und
erschrickt, dass er immer noch im Matheunterricht sitzt – und in
seinem Kopf kein Schimmer von dem, was die Aufgabe von ihm will.
Es geht hier wie dort um
Ernsthaftigkeit. Wer eine gute Note haben will, muss ganz anwesend
sein. Wer unter der Herrschaft Gottes leben möchte, muss dort
anwesend sein.
Und Gott liebt dich so sehr, dass er dich ganz bei sich haben will!
Und Gott liebt dich so sehr, dass er dich ganz bei sich haben will!
Aber wenn jemand unter
Gottes Herrschaft leben will, muss er auch in einer Weise leben, dass
er zu Gottes Herrschaft passt.
Die daraus resultierende
Frage lautet also: Wie passe ich Jesus? Wie passe ich in die
Herrschaft Gottes?
Sicher nicht, indem ich
nur am Sonntag in die Kirche gehe, frei nach dem Bonmot von Albert
Schweitzer: "Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die
Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in
eine Garage geht." – Anwesende natürlich ausgenommen!
In Gottes Herrschaft passen wir, wenn er in unserem Leben tatsächlich etwas zu sagen hat – das macht Herrschaft nämlich aus. Und was er uns sagt, wird für jede Person zwar sehr verschieden sein, aber es kommt doch in einem Punkt zusammen: Dass wir uns verhalten wie Menschen, die geliebt werden und ihr Leben aus dieser Liebe gestalten. Es handelt sich dabei um eine ernstzunehmende Sache, die man nicht so nebenbei abhaken kann und dann zu etwas anderem übergeht.
Alle anderen Gebote und
kirchlichen Vorschriften und Gebetsanleitungen und Ratschläge für
ein gelingendes Leben leiten sich von dieser einen Sache ab: Uns
selbst als von Gott geliebte Menschen ansehen und diese Liebe
weiterzugeben.
3. „… da
sind Letzte, die werden Erste sein, und da sind Erste, die werden
Letzte sein." (v30)
Was Jesus als Letztes
sagt, lässt ihn wie einen Umstürzler klingen. Nicht die, die nach
außen hin toll wirken und glänzen, sondern die, bei denen man es erstmal gar nicht erwartet, sind besonders nah dran: „… da
sind Letzte, die werden Erste sein, und da sind Erste, die werden
Letzte sein." (v30).
Ich begegne hier im Knast
beispielsweise immer mal Leuten, die ich nie in der Kirche sehe, bei
denen ich aber feststelle, dass sie sehr religiös sind, wenn ich mit
ihnen näher ins Gespräch komme. Erst ärgere ich mich natürlich
etwas, dass die Chance des Gottesdienstes nicht genutzt wird, aber
dann denke ich manchmal – ja, vielleicht ist das genauso ein Fall
von den umgedrehten Ersten und Letzten.
Kurz gesagt: Jesus predigt
eine Umkehrung der gewohnten Hierarchien.
Für die Juden, die damals
seine Zuhörer waren, muss es anmaßend geklungen haben, wenn er
sagte, dass alle möglichen Leute „von Osten und Westen und von
Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen."
(v29)
Also nicht nur die, die
zum auserwählten Volk gehören, sondern einfach alle.
Auch die Fremden, von
denen sie es gar nicht erwartet hätten, dürfen kommen.
Wir dürfen uns selbst
ausmalen, wen wir dafür einsetzen würden: Wen erwarte ich nicht im
Reich Gottes – und wer könnte vielleicht trotzdem dort sein?
Zellennachbarn, Beamte,
Freunde, Verwandtschaft...
Und dann: Eine frohe
Botschaft ist diese Aussage Jesu vor allem für jene, die sich jetzt
nicht unter den Bevorzugten, den Großen, eben den „Ersten"
befinden.
Hier im Gefängnis wird
das besonders anschaulich:
Denn unter uns sitzen ja
auch Personen, die versucht haben, die „Ersten" zu sein, indem
sie das Recht brechen – mit Gewalt oder Betrug oder durch
Diebstahl…
Dafür befinden sie und
Sie alle sich jetzt ganz hinten. Vielleicht ist das Gefängnis dann
ein guter Ort, um mit Jesus in Kontakt zu kommen.
Vielleicht können gerade
Sie vom Umstürzler Jesus profitieren und hier beginnen, unter Gottes
Herrschaft zu leben.
Aber nicht vergessen: In
ernsthafter Weise, indem wir mit den Dingen, die uns bewegen, zu
Jesus kommen. Und mit dem Herzen – als geliebte und liebende
Menschen.
Amen.
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