Viele Millionen Muslime feiern derzeit
das Opferfest. Sei es bei der Hadsch
in Mekka, sei es am jeweiligen Wohnort: sie erinnern sich an
Abrahams Bereitschaft, seinen Sohn zu opfern und feiern darin "den
Ausdruck maximalen Gehorsams und absoluter Aufrichtigkeit",
wie es die Islamische
Zeitung traditionell beschreibt. In dieser Interpretation steht
Ibraham, wie ihn der Koran nennt, als der ideale Muslim da. Er hat
nicht gezögert, sich dem Willen Gottes sofort und gänzlich zu
unterwerfen.
Aus christlicher Perspektive schaue ich
auf diesen Festanlass, der sich als Text ja auch in der hebräischen
Bibel findet, mit einigen Fragen.
Keine Moschee! Bethanien in Kreuzberg, Berlin, 2018. |
Zunächst finde ich es spannend, dass
es sich hier, beim höchsten Fest des Islams, im Kern um einen Vater
handelt, der seinen einzigen Sohn nicht opfern muss, während sich
das Christentum als die Religion versteht, in der der ewige Vater
selbst seinen einzigen Sohn opfert.
Oder von der anderen Seite her
formuliert: der, den wir Christen als den Sohn bekennen, gibt
sein Leben selbst am Kreuz hin, ähnlich dem Sohn Abrahams, der
in der koranischen Lesart der Geschichte selbst das Wort ergreift und
seinen Vater bestärkt: "Oh mein Vater! Tu, was dir
befohlen wird. Du wirst mich, so Allah will, standhaft finden."
(Sure 37)
Nur kommt es hier am Ende nicht zum
Opfer des Sohnes.
(Diese Verschiebung ist allerdings
aufgeladen mit all den kontroversen Fragen, ob Gott einen Sohn haben
kann und als wer Jesus angesehen wird, inwieweit die Bereitschaft zum
Sohnesopfer als Vorausbild für die Christusgeschichte dienen kann
und welche Rolle der Gehorsam dabei spielt.)
An dieser Stelle wird das Verhältnis
von Christentum und Islam extrem hell ausgeleuchtet: größte Nähe
und stärkste Abgrenzung werden gleichzeitig deutlich.
Für Muslime steht im Mittelpunkt die
gehorsame Hingabebereitschaft des Abraham, die in seiner innigen
Gottesbeziehung wurzelte.
Die Frage nach einem offensichtlich
blinden Gehorsam ohne Rücksicht auf (eigene) Verluste lässt
kritisch-aufgeklärte Herzen natürlich schneller schlagen. Wie kann
so etwas sein? Die muslimische
Ausschmückung der Geschichte kennt zusätzlich noch den
dreimaligen Auftritt des Satans, der Abraham von seinem Vorhaben,
Gott gehorsam zu sein, abbringen will. Nicht die Sittlichkeit, nicht
die Vernunft, nicht einmal das Vaterherz, nein, der Satan selbst will
Abraham zum Ungehorsam bringen. Doch sollte Gott wirklich gewollt
haben, dass der Stammvater seiner Gläubigen bereit ist, einen
Menschen zu ermorden, noch dazu den eigenen Sohn, wenn er es nur
befiehlt?
Diese Frage, hinter der ja ein ganzes
Gottes- und Menschenbild steht, kann ich an dieser Stelle nicht
abschließend besprechen, zumal sie sich jüdischen und christlichen
Gläubigen im Anschluss an Gen
22 ja genauso stellt.
Unbedingter Gehorsam und eine aus
diesem Gehorsam folgende Hingabe des Liebsten sind Werte, die mich an
den Rand meines Glaubens führen. Bei diesen Werten knirscht es.
Für Muslime gehören sie (auch durch
dieses Fest) zum Kernbestand dessen, was ihre Religion ausmacht. So
rufen die Mekka-Pilger, wie auch Abraham gerufen haben könnte, immer
wieder aus:
„Labbaik, Allahumma labbaik,
labbaik, la Scharika laka, labbaik (Oh Allah, hier bin ich. Ich
ergebe mich Deinem Willen und bin Dir gehorsam. Du hast keinen
Teilhaber)."
Ich tue mich als Christ schwer, so zu rufen (auch wenn das Christentum und insbesondere die ignatianische Spiritualität ähnliche Gebete und Rufe kennen).
Aber wie kann ich den Kern dieses Festes
also so verstehen, dass er auch mir etwas sagt?
Die interreligiös verantwortete Seite
"Religionen
entdecken" formuliert beispielsweise so:
Das Opferfest "erinnert Muslime
daran, dass sie Gott grenzenlos vertrauen dürfen, und ruft sie zur
Hilfsbereitschaft auf."
Das könnte ein Ansatzpunkt sein.
Vielleicht versuche ich es also so:
Die Hingabe Abrahams erfolgt aus dem Vertrauen darauf, dass
dieser Gott seine Zusage, Abraham wirklich zu einem "Vater der
Menge" zu machen, einhält, dass er es wirklich gut meint und
macht.
Nachdem Abraham lange Jahre warten
musste, bis Gott seine Verheißung eines Stammhalters wahr machte,
bekam Sarah in einem Alter, das weit jenseits der natürlichen
Fruchtbarkeit lag, doch noch ein Kind. Abraham wusste also: Diesem
Gott kann ich trauen. Er tut, was er verspricht, auch wenn ich seine
Wege nicht verstehe.
Dieses Vertrauen aufzubringen, ist die
krasseste Herausforderung im Leben Abrahams, als Gott ihn schließlich
zum Opfern schickt (auch wenn die Frage, welcher
Sohn nun tatsächlich geopfert werden soll, im Koran unklar
bleibt).
Für mich als Christen tritt natürlich
noch der Kern des Christseins hinzu, der in der Liebe besteht. Jesu
Kreuzestod ist, so meine primäre Deutung, ein Tod aus Liebe, nicht
aus Gehorsam. In dieser Sicht braucht es die Liebe, damit Hingabe
wachsen kann.
Das steht dem muslimischen Glauben sicher nicht
entgegen.
Was ich wiederum lernen kann: Abrahams
Gehorsam wächst aus solch einem Gottvertrauen, das ich mir auch
wünsche. Und vielleicht wächst dann auch bei mir etwas.
Allen Muslimen aber: Eid Mubarak! -
Frohes Opferfest!
Im Sonnenlicht. Schoss Schwante, 2018. |