Donnerstag, 15. August 2019

Vorsicht: Frau mit Krone. Mariä Himmelfahrt in der Kritik

In einer feministisch sensibel gewordenen Gesellschaft kann dieses Bild bestenfalls peinlich wirken. Eher noch wird es – noch schlimmer – wie eine paternalistische Geste wirken: Es zeigt die Mutter Jesu als die im Himmel Gekrönte und ist eine der häufigsten Darstellungen Marias im Mittelalter und darüber hinaus. Die "Krönung Mariens" – das Bild zum Fest Mariä Himmelfahrt.

Heute würden bei einem solchen Motiv sofort alle roten Lampen angehen: Ein Mann setzt einer hübschen jungen Frau eine Krone auf.
Das Motiv ist altbekannt: Schmuck und Geld, Macht und Scheinwerferlicht ersetzen bei reichen weißen (und meistens alten) Männern oft genug andere Formen der Beziehungsgestaltung oder gar der Männlichkeit.
Ihr Glanz ist die junge Frau, mit der sie sich schmücken.
Das öffentlichkeitswirksame Überreichen von goldenem Schmuck ist eine Variante, um dies sinnenhaft manifest zu machen.

Krönung, undeutlich.
Schattenbild, 2017
Auch in der kirchlichen und theologischen Präsentation Maria wurde Paralleles festgestellt: Hier wird eine junge Frau auf ihre Reinheit reduziert, als passiv, demütig und duldsam hingestellt und unter der Überschrift "makellose Jungfrau" zum Vorbild erhoben.

Nun lassen sich die biblischen Befunde sachgemäß nur schwerlich dahingehend interpretieren, dass am Ende eine emanzipiert-aktive Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt, mithin das Idealbild unserer Tage, herauskommt.

Aber das muss auch gar nicht sein. Und es muss weder das Marienbild vergangener Jahrhunderte reaktiviert werden noch muss die Rede von der Krönung Mariens vollkommen aus der Zeit gefallen rüberkommen.
Allerdings ist zu konstatieren, dass gerade die Krönung Mariens etwas ist, das sie nicht selber tut, sondern das an ihr geschieht. Sie ist nicht aktiv, nicht selbstmächtig, nicht groß aus sich. Das steht quer zum heutigen Empfinden von Größe und Ehre. Die Krönung ist Geschenk (s. andererseits hier).

Entscheidend für eine positive Interpretation dieses Bildmotivs sind meines Ermessens drei Dinge:

Zum Einen stellt sich die Frage, wer hier etwas tut. Und da stellt sich heraus, dass es kein reicher alter Knacker ist, sondern ihr eigener Sohn, der sie krönt, manchmal zusammen mit dem ewig-alten Gott-Vater.
Der ewige Sohn ehrt die Mutter – er, der sie am besten kennt und sowohl ihre Schwächen und Grenzen als auch ihre Stärken und Talente kennt, macht sie zur Ersten derer, die bei ihm sein sollen.

Denn das ist das Zweite: die Intention des Gegenübers – wird eine Frau hier benutzt und zum Objekt degradiert, dient sie der Aufwertung eines Anderen? Oder geht es wirklich um ihre "Erhöhung"?
Ein Mann, der durch den Schmuck der Frau nur sein Geld zur Schau stellen oder (in der alternden Version) seine Macht über die attraktive Lady zeigen will, disqualifiziert sich selbst, denn nicht er selbst, sondern sein Status wird entscheidend für die Beziehung.
Hier aber ist es die Anerkennung, dass sie in die Runde dieser gekrönten Häupter des Himmels passt. Bei allen übertriebenen Anthropomorphismen in den künstlerischen Darstellungen geht es also darum, wer eine himmelsgemäße Person ist.
Also: Es geht um Maria selbst, nicht darum, dass Jesus ihretwegen gut dasteht.

Zugleich aber, und das ist der dritte Punkt, handelt es sich um eine stellvertretende Krönung, stellvertretend für die ganze Schöpfung, die auf Erlösung und „Krönung“ wartet. Das monarchische Motiv, ebenfalls angreifbar und deutlich über seine Haltbarkeitsdauer hinaus in Gebrauch, wird hier zur Vorbereitung einer Demokratisierung des Himmels.

Das mag nicht alle kritischen Fragen beantworten – mir aber reicht's erstmal...

Krone, überdeutlich.
Aufgeblasen, 2019.