Samstag, 25. Dezember 2021

Brücken-Gott?! – Eine Weihnachtsbetrachtung


Die Geburt des heiligen Kindes im Stall von Betlehem ist ein Brückenschlag. Denn seit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus existiert eine Brücke zwischen den beiden Seiten, zwischen Menschen und Gott.

Dieses Sprachbild jedenfalls passt gut in eine landläufige Vorstellung des Gott-Welt-Verhältnisses. Gott auf der einen, die Welt mit den Menschen auf der anderen Seite eines großen Grabens, metaphysisch getrennt durch den Spalt von Schöpfer und Schöpfung, Geist und Materie, Grenzenlosigkeit und Begrenztheit.

Wohin führt die Brücke?
Am Ufer von Frankfurt (Oder), 2021.
Doch ist es auch so?
Haben nicht vielmehr schon immer religiös spürende Menschen Gott in ihrem Inneren erfahren können?
Mystikerinnen und Mystiker zu allen Zeiten und in vielen Religionen konnten Gottes Nähe spüren und haben seine Spuren tief in sich und in den Dingen dieser Welt gesehen.

So beschreibt es auch Etty Hillesum, die niederländische Jüdin, die in ihren Tagebüchern im besetzten Amsterdam eine unglaubliche spirituelle Tiefe offenbart:
Es genügt nicht, nur von dir zu predigen, mein Gott, man muß dich in den Herzen der anderen erst aufspüren. Man muß den Weg zu dir im anderen freilegen, mein Gott, und dazu muß man das menschliche Gemüt genau kennen.1

Gott, ist dann der immer schon Anwesende. Der in den Herzen Verborgene.

Wäre Jesus in diesem Sinne nicht vielmehr ein Gottaufdecker in dieser Welt? Einer der sich in seinem öffentlichen Wirken nun wirklich als Brückenbauer betätigt hat: Er hat Menschen näher zu Gott gebracht, hat Ausgeschlossene wieder hereingeholt, hat Fremde befreundet und in seinem Jüngerkreis unterschiedlichste Menschen zusammengeführt.

Was aber hieße das nun für Weihnachten?
Nicht das Kind in der Krippe, nicht ein Ereignis vor mehr als 2000 Jahren wäre dann entscheidend.
Sondern, ganz im Sinne von Angelus Silesius, reichte es nicht, dass Christus in Betlehem geboren wäre, vielmehr will er in uns geboren sein.

Die eigentliche Brücke von Weihnachten führt nach innen, in die eigene Tiefe.
Ich wünsche euch, dass ihr Gott dort findet.
Frohe Weihnachten!

 

 

1   J.G. Gaarlandt (Hg.), Das denkende Herz. Die Tagebücher der Etty Hillesum 1941-1943. Reinbek bei Hamburg 1985, 176.

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