Samstag, 9. November 2013

Auferstehungsaugen

Nach Tod und Leben fragen heißt für Christen auch nach der Auferstehung zu fragen.
Doch wie fragt man so, dass man nicht das Fettnäpfchen erwischt, in das die Sadduzäer tappen, als sie Jesus der Unsinnigkeit seines Glaubens an die Auferstehung überführen wollen? Beim Streitgespräch im Evangelium des Sonntags (Lk 20,27-38) referieren sie die Gesetzesvorgabe, dass die Frau eines Verstorbenen seinem Bruder zur Frau gegeben werden muss. Und sie fragen: wessen Frau würde sie im Himmel sein, wenn sie nun sieben Brüder nacheinander in dieser Weise geheiratet hätte?1

Zwei Gedanken dazu:

1
Die Sadduzäer stellen ihre Frage so, dass Jesus mit seiner Antwort dumm dastehen soll. Sie legen einen Maßstab an, der Jesu Glauben als unlogisch markieren soll: Ihre Frage liegt auf der Ebene des Gesetzes, während Jesus vom Reich Gottes spricht.
Das erinnert mich an die beiden Erkenntnisweisen, die wir „Glauben“ und „Wissen“ nennen und die oft in Konflikt zueinander gestellt werden. 
Hausöffnungen vor Himmel, Kreuzberg, Berlin
Es ist heutzutage nicht leicht, die so normale naturwissenschaftliche Perspektive zu wechseln und sich darauf einzulassen, dass bestimmte Fragen keine Antworten aus einer gänzlich anderen Art von Wirklichkeitsbeschreibung finden können.
Eine Frage nach einem biologischen Sachverhalt beispielsweise in einem theologischen Kontext zu stellen, ist absurd. Der Glaube ist nicht dafür da, naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu liefern und die Theologie beantwortet eben nicht die Fragen der Biologie. Genauso wenig wie andersrum die Naturwissenschaften mit ihren Methoden und Fragestellungen Aussagen über die Existenz Gottes machen können. Die Fragen gehören verschiedenen Bereichen der Welterschließung an.
Nach der Auferstehung fragend muss der Biologe als Biologe das Ganze für Nonsens halten. Es ist geradezu lächerlich, vom biologischen Standpunkt aus eine qualifizierte Aussage über Auferstehung machen zu wollen. Denn es geht Christen eben nicht darum, dass unbelebte Materie wieder lebendig wird und eine biologische Antwort sinnvoll möglich wäre.

Auch die Gesetzesfrage der Sadduzäer gehört nicht in den Kontext des Reiches Gottes, von dem Jesus spricht. (Vielleicht ist das für uns Katholiken manchmal eine gute Perspektivverschiebung.)
Wer in der falschen Weise fragt oder Fragen auf einer Ebene stellt, wo sie nicht mehr sinnvoll sind, der erwartet eigentlich gar keine Antwort. Und doch antwortet Jesus.
Allerdings nur sehr zurückhaltend mit dem Hinweis, dass die allgemeinen menschlichen Kategorien bezüglich der Verstorbenen nicht mehr in Wirkung sind. Es wird dann nicht mehr gestorben, es wird nicht mehr geheiratet. Es ist ganz anders.2
Schließlich sind auch Gott und sein Wirken nicht in adäquate menschliche Worte zu fassen. Er ist größer als die Möglichkeiten der menschlichen Sprache. Wer versucht, Gott letztgültig zur Sprache zu bringen, der wird scheitern, der kann Gott letztlich nur kleiner machen.

2
Kann dann aber nicht mehr gesagt werden zur Frage nach Auferstehung?
Mir persönlich ist eine Sache wichtig geworden: Menschen sind verschieden und leben in den verschiedensten Beziehungen. Jene, die neben und in ihren vielen Beziehungen zu anderen Menschen auch noch eine Beziehung zu Gott suchen, werden auch diese Beziehung auf je unterschiedliche Weise leben.
Der eine riecht gern Weihrauch, die andere meditiert in Stille; manche loben Gott mit Gesang, manche mit Arbeit, Pilger beten mit den Füßen, andere mit den Fingern.
Jeder Mensch wird Gott anders kennenlernen, ihm anders begegnen, anders loben.
Und ich frage mich: Wird auch das im Himmel aufhören? So wie das Heiraten aufhört und das Sterben, wird auch der je individuelle Blick auf Gott aufhören?

Klingelschilder, Tiergarten, Berlin
Mit Verlaub – ich glaube nicht! Singen denn die Chöre des Himmels nur einstimmig? Jeder schaut Gott anders an – hier wie dort. „Wir werden ihn sehen, wie er ist.“, heißt es im ersten Johannesbrief (3,2). Aber jeder wird Gott auf seine je eigene Weise schauen, wie er ist.3
Das macht die Menschen vielleicht gleich in ihrer letzten Vollkommenheit, ihrer Ganzheit und Heiligkeit. Sie sind alle Gotteskinder - aber das nivelliert nicht die Unterschiede zwischen ihnen.

Ein auferstandener reuiger Mörder wird Gott wohl nicht in derselben Weise schauen wie es sein Opfer tut. Die jahrzehntelang treue Kirchgängerin, die ihren Mann bis zu dessen Tod gepflegt hat, wird Gott mit anderen Auferstehungsaugen ansehen als der frisch getaufte Junge, der bei einem Autounfall stirbt.
Gott wischt die Verschiedenheiten der jeweiligen Lebensläufe doch nicht fort!

Die Frage wäre dann also nicht, welche Frau jemand im Himmel haben wird – sondern: Mit welchen Augen wird jemand auf Gott schauen? Mit welchen Augen werde ich Gott anschauen?



1 Zu diesem Thema und seiner Handhabung im heutigen Judentum gibt es auch einen interessanten Spielfilm – "Fill the Void"
2 Mit Paulus: „Was gesät wird, ist armselig, was auferweckt wird, herrlich. Was gesät wird, ist schwach, was auferweckt wird, ist stark.“ (1Kor 15,43)
3 Paulus meint dazu im Bild: Gott gibt [jedem] die Gestalt, die er vorgesehen hat, jedem Samen eine andere.“ (1Kor 15,37-38)