Sonntag, 17. November 2013

"When it all comes down to dust"

Die letzten Strophen in Leonard Cohens "Story of Isaac" von 1969 weiten die Nacherzählung der Versuchung Abrahams aus der Sicht Isaaks ins Allgemeine und werden zur Deutung eines Generationenkonfliktes. Da heißt es dann etwas verstörend:

When it all comes down to dust 
I will kill you if I must, 
I will help you if I can. 
When it all comes down to dust 
I will help you if I must, 
I will kill you if I can.” 

In Krisenzeiten radikalisieren sich Haltungen und Handlungen. Gerade zwischenmenschliche Beziehungen im engsten Umfeld können dann kippen. Auch Jesus kennt das und erwartet nichts anderes, wenn sich Menschen zu ihm bekennen: „Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern“ (Lk 21,16). Krise und Bekenntnis zu Jesus – detailliertere Gründe werden nicht genannt.
Das lyrische Ich Cohens spricht nicht mit besonders hochsteigenden Emotionen, sondern vielmehr mit einem gewissen Maß an Fatalismus und Abgestumpftheit – er werde tun, was sich nicht verhindern lässt, was nötig ist, nicht weil er es will, sondern weil es dann eben so ist. Ob das Töten letztlich gemäß Befehl oder aus Gnade geschieht, wird angesichts des Untergangs keine große Rolle mehr spielen. 

Anderes gilt für die Opfer.
Am 16.11.1989 wurden in El Salvador acht Personen von Milizen der damaligen Machthaber auf dem Gelände der Zentralamerikanischen Universität (UCA) liquidiert: sechs Jesuiten, darunter der Rektor Ignacío Ellacuria, ihre Haushälterin und deren Tochter. Wegen ihres Einsatzes für die Armen und Bedrängten und aufgrund politisch-sozialen Engagements auf der Basis des Evangeliums in einer Zeit aufgeheizter ideologischer Kämpfe haben diese Jesuiten ihr Leben gelassen. Die politischen Nachwehen dauerten Jahrzehnte und bis heute wurden die Täter und ihre Hintermänner aufgrund von Amnestieerlassen nach dem Bürgerkrieg nicht belangt. Allerdings wurde den Jesuiten 2009 der "Orden Nacional José Matías Delgado” verliehen.

Butter, Dielen, Neukölln, 2013.
Sie hatten sich durch ihr Bekenntnis und ihre fortgesetzte Arbeit in Widerspruch zu den Herrschern gestellt und so dem möglichen Tod ausgesetzt. Sie wussten um ihre Gefährdung und blieben trotzdem vor Ort.
Jesus mahnt in seinen Endzeitkommentaren (Lk 21,5-19) für die Zeit, in der „kein Stein mehr auf dem anderen bleibt“ (v 6) – also mit Blick auf Krieg, Katastrophe und Krise – zu Besonnenheit und Vertrauen. Die dadurch mögliche Gelassenheit ist ebenfalls vor einem größeren Hintergrund zu verstehen – aber nicht der sowieso kommende Untergang relativiert die Dinge, sondern Gottes Kraft. 

Lasst Euch nicht erschrecken“ (v 9), ruft Jesus dann den Seinen zu. „Ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden“ (v 17). Weltgestaltendes Engagement um Gottes Willen ist logischerweise politisch. In Zeiten scheinbar klarer Machtverhältnisse wird daraus leicht ein lebensgefährliches Risiko. Denn der Anspruch, im Namen einer anderen Macht als der der weltlichen Herrscher tätig zu sein, birgt das nicht unwahrscheinliche Risiko anderer Perspektiven und Schwerpunkte. Angesichts dieser Konflikte ruft Jesus zu klarer Unterscheidung: „Gebt acht, dass man euch nicht irreführt!“ (v 8) Gottes Botschaft von Gerechtigkeit und Liebe, von gleicher Würde aller Menschen und vergebender Annahme der Sünder unterscheidet sich nur zu oft von menschlichen Beziehungsstrukturen.

Die Herausforderung heißt dann: When it all comes down to dust - i will love you if i can.“