Eine weitere Erfahrung mit der evangelischen Kirchengeschichte, ähnlich wie im letzten Post - und doch ganz anders: Dieser Tage habe ich
nämlich das Deutsche Historische Museum mal wieder besucht. Neben der
Aussicht auf die tolle Architektur des Pei-Baus wollte
ich einen ökumenisch interessierten Blick in die Ausstellung "Leben nach Luther" über
die "Kulturgeschichte des evangelischen Pfarrhauses"
werfen, die in vielen Zeitungen überwiegend positiv
beschrieben wurde (vgl. z.B. Tagesspiegel, Berliner Zeitung und DieWelt).
Darin sollen mit
Unterstützung der evangelischen Kirche und in Vorbereitung auf das
Reformationsjubiläum 2017 die Lebenswirklichkeiten protestantischer
Pastoren und ihrer Familien durch die Zeit hin angeschaut und einige
Klischees zur Seite geräumt werden.
Piranesi-Anmutung, Pei-Bau im DHM, Berlin Mitte, 2013. |
Die Ausstellungskonzeption
in Themenräumen ist auch für einigermaßen Vorgebildete wie mich
eine gute Möglichkeit, nicht chronologisch, sondern anhand einiger
inhaltlicher Schlaglichter interessante Neuigkeiten zu erfahren.
Neben Ausführungen über Bildungsstand und Forschergeist der Pfarrer
gibt es da Einblicke in die Arbeitszimmer, sind verschiedenste
Amtstrachten und Alltagsgeräte zu sehen, Amt und Habitus werden
thematisiert und kurze Einblicke in exemplarische Ausbildungsverläufe
sowie die Finanzierung eines pfarrlichen Hausstandes im 19.
Jahrhundert geboten. Angereichert durch Perspektiven auf die
skandinavischen Länder und auf die britischen Inseln kommen kurz
auch die deutschen Kolonial-Missionen in den Blick. Die Ausstellung
gipfelt in den zwei kritisch aufgearbeiteten Drucksituationen des 20.
Jahrhunderts (Nationalsozialismus und DDR).
Aus all dem ergibt sich
ein interessantes Potpourri des deutschen Protestantismus mit
Fokussierung auf sein Leitungspersonal. Bemerkenswert ist eben dieser
Gesamteindruck – konkrete Themen wie die Stellung der „Frau
Pfarrer“, das Bewirtschaften von Feldern zur Unterhaltssicherung
oder die verklärte Außensicht der Verhältnisse erscheinen eher als
Beiwerk zu einer Kulturgeschichte des Protestantismus an sich. Das
hat mich doch verwundert – mit einiger Konzentration auf Haushalt
und Familie eines evangelischen Pfarrers (bzw. Pfarrerin) hätte man
sich die unter anderen Überschriften durchaus interessanten Beiträge
zu Altargeschirr, Kirchenbänken, schwedischen „Hausverhören“
oder Missionsbildchen durchaus sparen können. Das hätte meiner
Meinung nach eine Verschlankung bezüglich der dargebotenen
Objektzahlen ermöglicht und die Thematisierung von einigen mir nun
weiterhin bleibenden Fragen ermöglicht.
Wie sah es denn, über den
Hinweis auf das ausgeschmückte Lutherbild hinaus, mit
frühprotestantischen Auseinandersetzungen in Abgrenzung zu
katholischer Zölibatsorientierung aus? Was bedeutete die
sittenstrenge Erziehung im Pfarrhaus des Kaiserreichs außer dem
Drei-Minuten-Ausschnitt aus „Das weiße Band“? Welche Zeugnisse
des ehelichen Zusammenlebens gibt es neben den ausgestellten Tugendtafeln? Und was
haben die Dia-Vorläufer mit Bildern vom Heiligen Land mit der
dürftig beschriebenen Lebenswirklichkeit der Pfarrersfamilien in der
Fremde zu tun?
Ehrlich gesagt bin ich
etwas enttäuscht von dergestalt mangelnder Tiefe beim selbst
gestellten Thema gerade angesichts der großen
Materialsammlung. Aufgeboten werden eine Unmenge von Ölbildern vom
16. bis ins 20. Jahrhundert, vielerlei Bücher, Briefe und andere Schriftstücke,
auch Objekte wie die Beamtenuniform eines preußischen Pfarrers,
eine selbst entwickelte Waschmaschine und ein Beispielfahrrad, das
die Frage nach der Vereinbarkeit des Radfahrens mit der Würde des
Pfarrers anzeigt.
In einer Ausstellung mit
dem Thema „Der evangelische Pfarrer und die Geschichte des
Protestantismus“ hätte ich all das gut gefunden, so aber kann ich
nur hoffen, dass der Audio-Guide entsprechende Zusatzinformationen
gibt - und lese ein Chrismon-Interview mit Heinrich Bedford-Strohm und Katharina Saalfrank zum Thema (Ausgabe 11/2013, S.30-33).