Ich gebe zu, dass es nicht ganz so
leicht eingängig ist: als katholischer Seelsorger feiere ich eine
Andacht zum evangelischen Buß- und Bettag. Aber andererseits: Warum
auch nicht? Im Berliner Justizvollzugskrankenhaus hat sich der
Mittwoch für meine kleinen Wortgottesdienste eingebürgert und wenn
der Termin nun einmal auf diesen Tag fällt, muss ich es ja nicht
ignorieren.
Nur darum also.
Aber auch bei der Suche nach einem
passenden Bibeltext bin ich ziemlich herausgefordert gewesen. Am Text
aus dem Matthäusevangelium, den ich meinen Gedanken dann zugrunde
gelegt habe, habe ich mir die Zähne ziemlich ausgebissen für mein
Publikum.
Nichtsdestotrotz: Drei Gedanken zur
vorgeschlagenen Perikope aus Mt 12,33-37 (in der revidierten
Einheitsübersetzung).
Die Frucht ist gut. Birnenturm, Neukölln, Berlin, 2017. |
1
"Entweder: Der Baum ist gut -
dann sind auch seine Früchte gut. Oder: Der Baum ist schlecht - dann
sind auch seine Früchte schlecht. An der Frucht also erkennt man den
Baum." (v33)
Um es ganz klar zu sagen: Ich glaube,
dass Gott jeden Menschen gut gemacht hat.
Auch die Taten, wegen denen Sie
verurteilt wurden, sind ja nicht Ihre einzigen Früchte – und auch
die Tatsache, dass ich einen Schlüssel habe und wieder gehen kann,
bedeutet nicht, dass ich nur gute Dinge tun würde.
Es ist also ein bisschen komplizierter,
als der Text es gern hätte.
Die Tatsache, dass wir uns hier und
heute im Justizvollzug befinden, zeigt auch, dass es ein paar faule
Früchte gibt. Manchmal muss man die guten Früchte erst suchen
gehen.
Genau dazu möchte ich Sie ermutigen:
das Gute in Ihrem Leben zu suchen.
Nicht nur auf das, was Sie selber getan
haben oder tun, sondern auf alles, wo es Gutes gibt – eine
stärkende Beziehung, ein gutes Wort, eine hilfreiche Geste, eine
Gelegenheit Kraft zu schöpfen oder oder...
Schau auf das Gute in Deinem Leben!
Es ist da. Gott bietet es Ihnen an.
Denn er will, dass Sie gute Früchte
tragen.
Manchmal neigen wir dazu, genau das
Gute zu übersehen und uns lieber an den schlechten Dingen
hochzuziehen. Tun Sie das nicht!
Aus dem Guten soll etwas wachsen –
und aus nichts anderem. Konzentrieren Sie sich nicht auf das
Schlechte und ziehen Sie Ihre Kraft nicht aus dem, was Sie kaputt
macht, sondern aus dem Guten, das auch da ist.
2
"Denn wovon das Herz
überfließt, davon spricht der Mund." (v34)
Sie kennen sich selbst am besten und
wissen, ob Sie eher aufbauende und froh machende Sachen sagen oder
eher niederdrückende und destruktive.
Wenn Sie sich als jemanden kennen, aus
dessen Mund oft Frust oder Ärger oder Wut zu hören sind, dann hier
meine Aufforderung: Füll Dein Herz mit Gutem!
Also: Ich suche in meinem ganz
konkreten (und sicher oft frustrierenden und nervenden Alltag hier in
Haft) das, wofür ich dankbar bin, das, was mir Kraft gibt, das, wo
ich anderen Freude machen kann, das, was mich stärkt.
Gut gefüllter Bauch und kreativer Schatten. Pfirsichkern, Neukölln, Berlin, 2016. |
Und ich kann aktiv werden. Wohlwollend
und nicht misstrauisch auf jemanden zugehen. Misstrauen gibt es hier
genug. Freundlich antworten und nicht patzig. Herablassung und
Unfreundlichkeit gibt es auch genug. Und wie eben gesagt: das Gute
suchen. Die schlechten Eigenschaften von Menschen sieht man meistens
sowieso schnell.
Wenn ich das alles suche und tue, dann
füllt sich mein Herz mit Gutem.
Und es kommt mehr und mehr eine Dynamik
in Gang, die das Gegenteil eines Teufelskreises ist – ein Kreislauf
des Guten, das sich gegenseitig verstärkt.
3
"Aufgrund deiner Worte wirst du
freigesprochen und aufgrund deiner Worte wirst du verurteilt werden."
(v37)
Das wissen sicher die meisten hier –
unbedachte und vorschnelle Worte können uns ganz schön tief in
etwas hineinreiten. Vor Gericht oder im Kontakt mit Beamten aller Art
gilt das sowieso, aber auch in unseren persönlichen Beziehungen.
Ich selbst habe auch manchmal das
Problem, dass ich zu schnell und zu impulsiv reagiere und dann den
Schlamassel habe.
In der Bibel gibt es vielfache Hinweise
auf die Macht der Zunge und des Wortes:
"Wer seine Lippen hütet,
bewahrt sein Leben" (Spr 13,3)
oder:
"Denn jede Art von Tieren, auf
dem Land und in der Luft, was am Boden kriecht und was im Meer
schwimmt, lässt sich zähmen und ist vom Menschen auch gezähmt
worden; doch die Zunge kann kein Mensch zähmen, dieses ruhelose
Übel, voll von tödlichem Gift. Mit ihr preisen wir den Herrn und
Vater und mit ihr verfluchen wir die Menschen, die nach dem Bilde
Gottes geschaffen sind.
Aus
ein und demselben Mund kommen Segen und Fluch. Meine Brüder und
Schwestern, so darf es nicht sein." (Jak 3,7-10)
oder:
"HERR, stelle eine Wache vor
meinen Mund, behüte das Tor meiner Lippen!" (Ps 141,3)
Diese letzte Bitte des Psalmisten
möchte ich Ihnen ebenso ans Herz legen.
Denn behutsam und überlegt sprechen ist der
erste Schritt zu einem verantwortungsvollen und guten Leben.
Drei Dinge also, die ich Ihnen gern
mitgeben möchte:
Schau auf das Gute in Deinem Leben!
Füll Dein Herz mit Gutem!
Lass den Mund im Zweifel lieber einmal
mehr zu!
Jetzt aber Mund zu lassen! Apfelrest, Seddin, 2017. |