Dienstag, 21. November 2017

Füll Dein Herz mit Gutem! Eine Andacht am Buß- und Bettag

Ich gebe zu, dass es nicht ganz so leicht eingängig ist: als katholischer Seelsorger feiere ich eine Andacht zum evangelischen Buß- und Bettag. Aber andererseits: Warum auch nicht? Im Berliner Justizvollzugskrankenhaus hat sich der Mittwoch für meine kleinen Wortgottesdienste eingebürgert und wenn der Termin nun einmal auf diesen Tag fällt, muss ich es ja nicht ignorieren.
Nur darum also.
Aber auch bei der Suche nach einem passenden Bibeltext bin ich ziemlich herausgefordert gewesen. Am Text aus dem Matthäusevangelium, den ich meinen Gedanken dann zugrunde gelegt habe, habe ich mir die Zähne ziemlich ausgebissen für mein Publikum.

Nichtsdestotrotz: Drei Gedanken zur vorgeschlagenen Perikope aus Mt 12,33-37 (in der revidierten Einheitsübersetzung).  

Die Frucht ist gut.
Birnenturm, Neukölln, Berlin, 2017.
1
"Entweder: Der Baum ist gut - dann sind auch seine Früchte gut. Oder: Der Baum ist schlecht - dann sind auch seine Früchte schlecht. An der Frucht also erkennt man den Baum." (v33)

Um es ganz klar zu sagen: Ich glaube, dass Gott jeden Menschen gut gemacht hat.
Auch die Taten, wegen denen Sie verurteilt wurden, sind ja nicht Ihre einzigen Früchte – und auch die Tatsache, dass ich einen Schlüssel habe und wieder gehen kann, bedeutet nicht, dass ich nur gute Dinge tun würde.
Es ist also ein bisschen komplizierter, als der Text es gern hätte.
Die Tatsache, dass wir uns hier und heute im Justizvollzug befinden, zeigt auch, dass es ein paar faule Früchte gibt. Manchmal muss man die guten Früchte erst suchen gehen.
Genau dazu möchte ich Sie ermutigen: das Gute in Ihrem Leben zu suchen.
Nicht nur auf das, was Sie selber getan haben oder tun, sondern auf alles, wo es Gutes gibt – eine stärkende Beziehung, ein gutes Wort, eine hilfreiche Geste, eine Gelegenheit Kraft zu schöpfen oder oder...
Schau auf das Gute in Deinem Leben!
Es ist da. Gott bietet es Ihnen an.
Denn er will, dass Sie gute Früchte tragen.
Manchmal neigen wir dazu, genau das Gute zu übersehen und uns lieber an den schlechten Dingen hochzuziehen. Tun Sie das nicht!
Aus dem Guten soll etwas wachsen – und aus nichts anderem. Konzentrieren Sie sich nicht auf das Schlechte und ziehen Sie Ihre Kraft nicht aus dem, was Sie kaputt macht, sondern aus dem Guten, das auch da ist.

2
"Denn wovon das Herz überfließt, davon spricht der Mund." (v34)
Sie kennen sich selbst am besten und wissen, ob Sie eher aufbauende und froh machende Sachen sagen oder eher niederdrückende und destruktive.
Wenn Sie sich als jemanden kennen, aus dessen Mund oft Frust oder Ärger oder Wut zu hören sind, dann hier meine Aufforderung: Füll Dein Herz mit Gutem!
Also: Ich suche in meinem ganz konkreten (und sicher oft frustrierenden und nervenden Alltag hier in Haft) das, wofür ich dankbar bin, das, was mir Kraft gibt, das, wo ich anderen Freude machen kann, das, was mich stärkt.
Gut gefüllter Bauch und kreativer Schatten.
Pfirsichkern, Neukölln, Berlin, 2016.
Und ich kann aktiv werden. Wohlwollend und nicht misstrauisch auf jemanden zugehen. Misstrauen gibt es hier genug. Freundlich antworten und nicht patzig. Herablassung und Unfreundlichkeit gibt es auch genug. Und wie eben gesagt: das Gute suchen. Die schlechten Eigenschaften von Menschen sieht man meistens sowieso schnell.
Wenn ich das alles suche und tue, dann füllt sich mein Herz mit Gutem.
Und es kommt mehr und mehr eine Dynamik in Gang, die das Gegenteil eines Teufelskreises ist – ein Kreislauf des Guten, das sich gegenseitig verstärkt.

3
"Aufgrund deiner Worte wirst du freigesprochen und aufgrund deiner Worte wirst du verurteilt werden." (v37)
Das wissen sicher die meisten hier – unbedachte und vorschnelle Worte können uns ganz schön tief in etwas hineinreiten. Vor Gericht oder im Kontakt mit Beamten aller Art gilt das sowieso, aber auch in unseren persönlichen Beziehungen.
Ich selbst habe auch manchmal das Problem, dass ich zu schnell und zu impulsiv reagiere und dann den Schlamassel habe.
In der Bibel gibt es vielfache Hinweise auf die Macht der Zunge und des Wortes:
"Wer seine Lippen hütet, bewahrt sein Leben" (Spr 13,3)
oder:
"Denn jede Art von Tieren, auf dem Land und in der Luft, was am Boden kriecht und was im Meer schwimmt, lässt sich zähmen und ist vom Menschen auch gezähmt worden; doch die Zunge kann kein Mensch zähmen, dieses ruhelose Übel, voll von tödlichem Gift. Mit ihr preisen wir den Herrn und Vater und mit ihr verfluchen wir die Menschen, die nach dem Bilde Gottes geschaffen sind.
Aus ein und demselben Mund kommen Segen und Fluch. Meine Brüder und Schwestern, so darf es nicht sein." (Jak 3,7-10)
oder:
"HERR, stelle eine Wache vor meinen Mund, behüte das Tor meiner Lippen!" (Ps 141,3)
Diese letzte Bitte des Psalmisten möchte ich Ihnen ebenso ans Herz legen.
Denn behutsam und überlegt sprechen ist der erste Schritt zu einem verantwortungsvollen und guten Leben.

Drei Dinge also, die ich Ihnen gern mitgeben möchte:
Schau auf das Gute in Deinem Leben!
Füll Dein Herz mit Gutem!
Lass den Mund im Zweifel lieber einmal mehr zu!

Jetzt aber Mund zu lassen!
Apfelrest, Seddin, 2017.