Samstag, 20. April 2019

Karsamstag: Blick in den Abgrund mit Andrea Mantegna

Die aktuelle Ausstellung "Mantegna und Bellini – Meister der Renaissance" in der Berliner Gemäldegalerie zeigt einige eindrucksvolle Karsamstagsbilder. Unter dem Titel "Der Abstieg Christi in die Vorhölle" hat Andrea Mantegna ein bemerkenswertes Motiv kreiert und in vielen Variationen ausgeführt, das der heute gängigen Betonung der karsamstäglichen Grabesruhe entgegensteht.

Vielmehr zeigt der oberitalienische Künstler, was die theologische Spekulation hinter den Kulissen des Todes vermutet: Christus steigt zu den Toten hinunter. Er, der am Karfreitag als Mensch gestorben war, hat nun die erlösende Aufgabe, zu all den anderen Toten hinunterzusteigen und sie teilhaben zu lassen an der kommenden Auferstehung.

Andreas Mantegna, Der Abstieg Christi in die Vorhölle.
Kupferstich, um 1480/1485.
(Foto: R. Pachmann, Gemäldegalerie Berlin, 2019)
(Das ist für unser Denken insofern paradox, als dass er in diesem theologischen Konstrukt seine eigene Auferstehung vorwegnimmt und als Toter die Toten aus dem Abgrund des Todes befreit, noch bevor er selbst den Tod überwunden hat.)

So sehen wir auf diesem Kupferstich, wie Christus die sprichwörtlichen Pforten des Todes schon zerbrochen hat und sich hinunterneigt in Richtung des Abgrundes, von dem sich die Umstehenden grausend abwenden. Dahinter steht die Vorstellung einer Zwischenwelt, die man sich als metaphsyischen Warteraum zu denken hat: Die titelgebende "Vorhölle" bedeutet also nicht bewegungslose Ruhe, sondern kann zugleich ein "Vorhimmel" sein, in den hinein die Ahnen nun befreit werden.

Bildlich ist dabei besonders bemerkenswert, dass wir den schon mit der Standarte des Lebens ausgestatteten Erlöser zwar im Bildmittelpunkt, aber nur von hinten sehen können. Nicht um die Betrachter geht es also, sondern um jene, die sonst den Blicken entschwunden sind und die auch hier nur aus den Schatten heraus schemenhaft sichtbar werden. Sie, die im Abgrund von Tod und Vergangenheit verschwunden sind, werden von Christus angeschaut und heraufgezogen.

Oder, für die persönliche Betrachtung: All das in mir und meinem Leben schon Vergessene und Abgestürzte, alles das, was ich für tot halte, sei es gut oder schlecht gewesen, sei es absichtsvoll versenkt worden oder mir entglitten, alles gerät in den Blick Christi und soll befreit werden zu einem Leben in göttlicher Fülle.