Samstag, 23. November 2019

Herrschaftskritik. Eine Predigt am Christkönigssonntag

Gute Herrschaft lebt davon, dass sie anerkannt wird. Sonst wird sie zum Zwang.

Am Christkönigsfest geht es darum, was für eine Art von Herrschaft Gott in dieser Welt aufbauen will. Die Lesungen, die zu diesem Fest ausgewählt werden, weisen meistens darauf hin, dass Jesus im Unterschied zu den gängigen Herrschaftsmethoden ein Königtum von Gewaltfreiheit verkörpert.
Aber auch dies ist eine Herrschaft, und auch sie muss anerkannt werden, um eine gute Herrschaft zu sein. Aus Unzufriedenheit kann nichts wachsen.

Darum soll es in dieser Predigt gehen.

Dienstag, 19. November 2019

Fremd durch Armut. Gedanken zu Elisabeth von Thüringen

Es war einmal eine Königstochter aus einem fernen Land, die schon früh einem Grafen versprochen worden war. Sie verließ in jungen Jahren ihre Heimat, um bei ihm zu leben. In seinem Lande wohnte sie in feinen Gemächern auf den verschiedenen Burgen des Grafen und kleidete sich in Samt und Seide...

So könnte die beschauliche Geschichte der ungarischen Prinzessin beginnen, die als Elisabeth von Thüringen (1207-1231) bekannt wurde. Doch wie in vielen Märchen endet die romantisch-beschauliche Phase recht bald. Denn Elisabeth fühlte sich angezogen vom Armutsideal ihres Zeitgenossen Franz von Assisi (ca. 1182-1226).

Freitag, 15. November 2019

Trauriges Auseinanderfallen – Andreas Knapp und der Weltuntergang

Jesus verkündet den Evangelien am Ende des Kirchenjahres eine Zeit, in der alles endet.
Vom Tempel, der wichtigsten Stätte der Gottesanbetung für Israel über die Beziehungen zwischen den Völkern und diverse Klimakatastrophen auf der Erde bis hin zu den traditionellen Familiengefügen – alles wird auseinanderfallen (Lk 21,5-19).
Die Endlichkeit gilt für alles, nicht nur für den Menschen!

Andreas Knapp sieht die Schöpfung angesichts ihres Vergehens selber trauern.

Samstag, 9. November 2019

In Freude und Bitterkeit: Die Erinnerung an den 09. November 1989.

Die Erinnerung an das große Ereignis von 1989 ist in diesem Jahr von Enttäuschung durchsetzt.

Enttäuscht sind die Ossis über jahrelang fehlende Wertschätzung, enttäuscht sind die Wessis über die Undankbarkeit nach massiven Investitionen in die marode Infrastruktur. Und drei Viertel der ganzen Republik sind 2019 enttäuscht über die Wahlergebnisse im scheinbar abgerutschten Osten.

Dabei begann alles so hoffnungsfroh.
Die nach Massenfluchten und Massendemonstrationen unter größtem inneren Druck vollzogene Öffnung der Grenzen, "sofort, unverzüglich", sie gab der DDR den Todesstoß.
Freiheit konnte neu beginnen.

Sonntag, 3. November 2019

Jesus begegnet Donald Trump

Wir lesen die Geschichte von Zachäus (Lk 19,1-10) ja immer aus der Sicht von danach. Wissend, dass er sich bekehrt, sein Geld verschenkt und sein Leben ändert.
Aber die eigentliche Herausforderung liegt doch vorher, als noch nicht klar ist, wie sich dieser Typ, der sich so oft als mieses Arschloch erwiesen hat, benehmen wird!
Kurzes Gedankenexperiment: Angenommen, Jesus würde sich mit einem Donald Trump, inzwischen weltweit ein Symbol für Lüge, Brutalität und Korruption, gemeinsam an einen Tisch setzen und mit ihm schwatzen. Einzige Voraussetzung: Er muss vorher aus seinem Haus kommen und interessiert sein.

Donnerstag, 31. Oktober 2019

Alles heiligen. Oder: Wo sind die heiligen Familien?

Es ist zum Haareraufen:
Wenn ich auf den Heiligenkalender der katholischen Kirche schaue, muss ich feststellen, dass dort viele Mönche, Bischöfe, Pfarrer, Missionare, Prediger, Päpste, Nonnen und heilige Jungfrauen zu finden sind.
Aber fast keine Heiligen, die eine Familie außer ihrer Herkunftsfamilie hatten – mithin fast keine heiligen Väter oder Mütter.

Während für die frühe Kirche noch das Martyrium, und damit der Tod, die wichtigste Basis der Heiligkeit war, wurde mit der Zeit auch das heiligmäßige Leben bedeutsamer – und das schien sich vor allem in den heiligen Kirchenlehrern, Eremiten, Wüstenvätern Jungfrauen und Bischöfen zu finden.

Dienstag, 29. Oktober 2019

Wankt der Zölibat?

Die gerade zu Ende gegangene Bischofssynode schlägt in ihrem Abschlussdokument "die Erarbeitung von Kriterien und Verfügungen durch die kompetente Behörde vor, um geeignete Männer, die in der Gemeinschaft anerkannt sind, zu Priestern zu weihen, wobei sie auch eine legitim gebildete, stabile Familie haben können, um das Leben der christlichen Gemeinschaft durch die Verkündigung des Wortes und die Feier der Sakramente in den entlegensten Gebieten der Amazonasregion zu unterstützen." (hier in einer Arbeitsübersetzung von vaticannews.va)

Samstag, 26. Oktober 2019

Alles richtig machen reicht nicht. Predigt am 30. Sonntag im Jahreskreis

1. Der Pharisäer

Die kommen doch alle nur wegen dem Kuchen“ ist der Satz, der mir zu diesem Evangelium (Lk 18,9-14) als erstes einfällt.
Manchmal sagt ein Inhaftierter diesen Satz zu mir über diejenigen, die hier im Gottesdienst sitzen – aber der das sagt, kommt selbst nicht. Möglicherweise betet er tatsächlich selbst, wie mancher das behauptet. Möglicherweise ist er wirklich ein frommer Mensch.
Aber trotzdem habe ich ein ungutes Gefühl dabei. Das hängt auch mit diesem Evangelium zusammen – denn selbst wenn einer alles richtig macht, was man an religiösen Übungen so probieren kann, so wertet er doch einen anderen durch diese Aussage ab.

Ich weiß weder, ob die Einen nur wegen des Kuchens hier sind, noch ob der Andere tatsächlich betet. Und das ist auch nur begrenzt wichtig.

Dienstag, 22. Oktober 2019

Überraschungsgott und Fürsorgemensch. Predigt zu Lk 12,39-48

Wenn Gott zu uns kommt, dann schleicht er sich an uns heran wie ein Dieb in der Nacht (vgl. Lk 12,39f).

So predigte es jedenfalls Jesus.
Diesen Gott, der wie ein Dieb kommt, sollten wir tunlichst erwischen. Denn so wie der Dieb uns etwas entwenden will, würde uns auch eine Menge entgehen, wenn wir Gott davonkommen ließen.

Wachsamkeit heißt also das Gebot der Stunde. Denn Gott ist ein Überraschungsgott. Immerhin das hat er mit dem Brexit gemeinsam.

Und es ist die erste Einsicht dieses Evangeliums. Es ist eine Einsicht über Gott. Denn Gott überrascht uns nicht nur zu einem Zeitpunkt, den wir nicht kennen, sondern auch an Stellen in dieser Welt, die wir nicht für möglich gehalten hätten.

Samstag, 19. Oktober 2019

Der Gott des Rechts und die menschliche Beharrlichkeit 

Zwei ungewöhnliche Schlaglichter auf Mensch und Gott zeigen sich im Evangelium des Sonntags (Lk 18,1-8), in dem Jesus mit der Geschichte einer auf ihr Recht drängenden Witwe und dem endlich nachgebenden Richter operiert:

Nicht Liebe, nicht Begeisterung, nicht Wohltaten - nein: Beharrlichkeit wird vom Menschen erwartet.

Mittwoch, 16. Oktober 2019

"Wie ein Baum am Wasser gepflanzt" Meine Kraftquellen und meine Früchte

Vor ein paar Tagen habe ich einen geistlichen Impuls für die Mitarbeiterinnen (und einen Mitarbeiter) eines Berliner Altenheims der Caritas gehalten. Das ging ungefähr so:


Das Bild des Baumes als Symbol des Lebens und der Kraft ist in vielen Religionen und auch im Christentum bekannt.
Menschen sind zwar keine Bäume – aber auch sie brauchen Wurzeln und auch sie bringen Früchte. Ein prominentes Bild aus der Bibel findet sich beim Propheten Jeremia:
Gesegnet der Mensch, der auf den HERRN vertraut und dessen Hoffnung der HERR ist. Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und zum Bach seine Wurzeln ausstreckt: Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, er hört nicht auf, Frucht zu tragen." (Jer 17,7f)

Samstag, 12. Oktober 2019

Jesu miese Erfolgsquote. Von Heilung und Dank und Glaube und Liebe

Im Vordergrund des Evangeliums vom Sonntag (Lk 17,11-19) steht Jesus als Heiler. 
Jedenfalls auf den ersten Blick. 
Denn schnell schiebt sich etwas ganz anderes in den Vordergrund – nämlich die Tatsache, dass da einer der Geheilten zu Jesus zurückkehrt, um ihm zu danken. Doch auch daran schließt sich in der Lesung noch ein weiteres Thema an: Die Frage, was für Jesus ein Erfolg gewesen wäre – die Heilung all dieser Kranken oder ihre dankbare Umkehr.
Es wird also in meiner Predigt drei Punkte geben: 1. Aussatz und Heilung, 2. Dankbarkeit und Glaube, 3. Erfolg und Misserfolg.

Samstag, 5. Oktober 2019

Gottes Großzügigkeit stärkt den Glauben

Ich habe gerade eine Woche Wanderexerzitien, das heißt eine Woche Wandern in Gebet und Schweigen, hinter mir. 
In den Bergen Österreichs klappt das (trotz wechselndem Wetter) ganz wunderbar. 
Dort wurde mir in gewisser Weise auch die Bitte erfüllt, die die Jünger im heutigen Evangelium vor Jesus bringen (Lk 17,5-10): „Stärke unseren Glauben." (v5)

Ich habe gespürt: Die Welt ist so voll von der Großzügigkeit Gottes. Wer sehenden Auges und offenen Herzens durch die Natur geht, kann erfahren: Gott teilt seine Gaben im Überfluss aus und wer sich diesem Reichtum öffnet (so wie ich es versucht habe), fühlt sich beschenkt. Dann wird Dankbarkeit sich ausbreiten. So jedenfalls war es bei mir. 

Einen Teil dieser Überfülle der Natur möchte ich hier mit Fotos andeuten.

Samstag, 28. September 2019

"Lauft so, dass ihr den Siegespreis gewinnt!" (1Kor 9,24). Vom Üben und Trainieren.

So ähnlich bin ich am Sonntag, dem 29.09.2019, gegen zehn vor 6 Uhr auf Radio rbb 88,8 zu hören:

Wie habe ich es gehasst!
Immer dieses Üben, jeden Tag musste ich wenigstens ein paar Minuten an dieser blöden Gitarre sitzen. Und trotz des Übens war kein wirklicher Fortschritt spürbar. Auf eventuelle Auftritte hatte ich deshalb erst Recht keine Lust.
Alles andere in meinem Leben funktionierte doch auch so einigermaßen, warum also hier diese ganze überflüssige Anstrengung?
Ich konnte also lange Zeit nicht viel anfangen mit dem Thema Üben.
Aus Anlass des heutigen Berlin-Marathons aber möchte ich noch einmal einen neuen Anlauf wagen.

Dienstag, 24. September 2019

Welcher Ruf? Welche Heilung? Welcher Staub?

Am 25. September feiern wir einen Heiligen, der es in sich hat: den heiligen Nikolaus von Flüe. Er ist der Nationalheilige der Schweiz und wird als Einsiedler, als Visionär, als Friedensstifter verehrt.

Ich beziehe mich in meiner Predigt im Berliner Haftkrankenhaus auf das Evangelium vom Tage (Lk 9,1-6).

1. Jesus ruft und sendet
"Jesus rief die Zwölf zu sich" und gab ihnen "Kraft" und "Vollmacht" (v1).
Wenn katholische Christen von den Aposteln (denn das sind die "Zwölf") sprechen, dann geht es ihnen in der Regel darum, auf Menschen hinzuweisen, die etwas besonderes sind.
Aber wenn wir uns anschauen, wen Jesus da zu sich ruft, können wir uns leicht wieder erkennen: da sind Betrüger, Aufschneider, Vordrängler, Angsthasen, Vorlaute, Spätzünder, Jähzornige und Lachnummern aller Art dabei. Man denke nur den mit den römischen Besatzern kollaborierenden Zöllner Matthäus, an den Petrus, der Jesus belehren will und zurechtgewiesen wird, an die beiden Söhne des Zebedäus, die sich an den anderen vorbei den besten Platz bei Jesus sichern wollen und so fort.