"... das Wort vom Kreuz ist
denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden,
ist es Gottes Kraft. ... Die Juden fordern Zeichen, die Griechen
suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus als den
Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine
Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus,
Gottes Kraft und Gottes Weisheit.
Denn das Törichte an Gott ist
weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die
Menschen. ... das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die
Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott
erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der
Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um
das, was etwas ist, zu vernichten, damit kein Mensch sich rühmen
kann vor Gott."
(1Kor 1,18.22-25.27-29)
1
In unserer Kultur sind Kreuzabbildungen
immer noch an vielen Stellen gegenwärtig. Auf Kirchtürmen und
Friedhöfen, als Tätowierung und Kettenanhänger, beim Roten Kreuz
und in manchen Gerichtssälen.
Ich persönlich finde das einerseits
gut, weil es die überlieferte christliche Kultur markiert,
andererseits halte ich es für problematisch, dass das Kreuz so
präsent ist, wenn gleichzeitig kein inneres Verständnis für seinen
Inhalt vorhanden ist.
Kreuz im Gezweig und über dem Berliner Dom. Berlin-Mitte, 2018. |
Denn vergessen wird zumeist, was das
Kreuz in erster Linie war, als Paulus seinen Brief an die Gemeinde in
Korinth schrieb: ein Zeichen einer Schande.
Der christliche Glaube an einen
hingerichteten Verbrecher wurde in der Antike vielfach als lächerlich
empfunden. Eine der ältesten Darstellungen des Gekreuzigten ist
beispielsweise eine Karikatur mit einem Eselskopf. Dementsprechend
zurückhaltend waren die Gläubigen mit der Verwendung dieses
Symbols. Das änderte sich nach der Einsetzung des Christentums als
Staatsreligion des Römischen Reiches bekanntlich grundlegend.
Heute wird das das Kreuz vielleicht
dann noch zum Ärgernis, wenn diskutiert wird, ob es auf das
wiederaufgebaute Berliner Stadtschloss gehört – und auch dann geht
es um das Symbol einer Religion und gar nicht um die theologische
Botschaft.
Aber der eigentliche Skandal liegt bis
heute darin, dass entgegen der wie in der griechisch-römischen
Antike auch heute herrschenden Ideologie, nicht der Stärkere
gewinnt. Paulus betont Gottes Handeln im Kreuz. Und das kann man nach
menschlichen Maßstäben entweder ärgerlich und Gottes nicht würdig
finden oder einfach nur dumm. Mit diesen beiden Meinungen stehen die
von Paulus genannten Juden und Griechen für zwei menschliche
Grundhaltungen, denen die Logik Gottes nicht behagt.
Aber genau in diesem Skandal besteht
der christliche Kreuzesglaube in seinem Kern: In Schwachheit kommt
Gott zur Welt. Darum gewinnen bei Gott die Schwachen, weil sie Gott
am ähnlichsten sind. Ärgerlich ist das vor allem für die Starken.
Kreuz in der Mitte. St. Hedwig, Berlin, 2018 |
2
So ist diese skandalöse Seite des
Kreuzes zugleich ein Lichtblick.
Das gilt besonders auch deshalb, weil
das Kreuz als Hinrichtungswerkzeug natürlich ein Zeichen des Todes
ist – aber im Blick auf die ganze Geschichte Jesu auch ein Symbol
der Auferstehung. Und vor allem ist es ein Zeichen der Liebe. Denn
nicht Jesu Leiden, sondern seine Liebeshingabe steht theologisch im
Vordergrund.
Aus ebendiesem Grund finde ich die
aktuelle Arbeit des Künstlers Ludger Hinse in der Berliner
Hedwigskathedrale so spannend, obwohl ich vielen Formen der
künstlerischen Ästhetisierung des Kreuzes gegenüber skeptisch bin.
In die Kuppel des Rundbaus hat Hinse
ein großes Glaskreuz gehängt, nicht zu weit entfernt vom
Betrachter, aber auch nicht zum Greifen nah. Es wird angestrahlt und
leuchtet je nach Lichteinfall von außen und Drehung unterschiedlich.
Der Künstler hat schon eine ganze
Reihe solcher Arbeiten angefertigt und sagt selbst über sie:
"Meine Lichtkreuze sind keine
Kreuze, die niederdrücken, sondern der Versuch das himmlische Licht
einzufangen."
Ein schöner Gedanke: Das Kreuz zeigt
uns etwas vom Himmel, es zeigt uns das himmlische Licht – seinen
Ernst und seine Freude, seine Fragilität und sein Leuchten. Es
zeigt, wie Paulus sagt, "Gottes Kraft und Gottes Weisheit."
(v24)
Gerade das Kreuz von Ludger Hinse lädt
dazu ein, nicht nur bedrückende Gedanken vor das Kreuz Jesu zu
legen, sondern auch frohe Erinnerungen und Gedanken, die aufrichten
noch einmal in das Leuchten des Kreuzes zu halten.
Ludger Hinses Lichtkreuz in St. Hedwig, Berlin-Mitte, 2018. |