Dienstag, 20. März 2018

Das Kreuz: Schande und Lichtblick zugleich.

"... das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft. ... Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.
Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen. ... das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten, damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott."
(1Kor 1,18.22-25.27-29)

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In unserer Kultur sind Kreuzabbildungen immer noch an vielen Stellen gegenwärtig. Auf Kirchtürmen und Friedhöfen, als Tätowierung und Kettenanhänger, beim Roten Kreuz und in manchen Gerichtssälen.
Ich persönlich finde das einerseits gut, weil es die überlieferte christliche Kultur markiert, andererseits halte ich es für problematisch, dass das Kreuz so präsent ist, wenn gleichzeitig kein inneres Verständnis für seinen Inhalt vorhanden ist.

Kreuz im Gezweig und über dem Berliner Dom.
Berlin-Mitte, 2018.
Denn vergessen wird zumeist, was das Kreuz in erster Linie war, als Paulus seinen Brief an die Gemeinde in Korinth schrieb: ein Zeichen einer Schande.
Der christliche Glaube an einen hingerichteten Verbrecher wurde in der Antike vielfach als lächerlich empfunden. Eine der ältesten Darstellungen des Gekreuzigten ist beispielsweise eine Karikatur mit einem Eselskopf. Dementsprechend zurückhaltend waren die Gläubigen mit der Verwendung dieses Symbols. Das änderte sich nach der Einsetzung des Christentums als Staatsreligion des Römischen Reiches bekanntlich grundlegend.
Heute wird das das Kreuz vielleicht dann noch zum Ärgernis, wenn diskutiert wird, ob es auf das wiederaufgebaute Berliner Stadtschloss gehört – und auch dann geht es um das Symbol einer Religion und gar nicht um die theologische Botschaft.

Aber der eigentliche Skandal liegt bis heute darin, dass entgegen der wie in der griechisch-römischen Antike auch heute herrschenden Ideologie, nicht der Stärkere gewinnt. Paulus betont Gottes Handeln im Kreuz. Und das kann man nach menschlichen Maßstäben entweder ärgerlich und Gottes nicht würdig finden oder einfach nur dumm. Mit diesen beiden Meinungen stehen die von Paulus genannten Juden und Griechen für zwei menschliche Grundhaltungen, denen die Logik Gottes nicht behagt.
Aber genau in diesem Skandal besteht der christliche Kreuzesglaube in seinem Kern: In Schwachheit kommt Gott zur Welt. Darum gewinnen bei Gott die Schwachen, weil sie Gott am ähnlichsten sind. Ärgerlich ist das vor allem für die Starken.

Kreuz in der Mitte.
St. Hedwig, Berlin, 2018
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So ist diese skandalöse Seite des Kreuzes zugleich ein Lichtblick.
Das gilt besonders auch deshalb, weil das Kreuz als Hinrichtungswerkzeug natürlich ein Zeichen des Todes ist – aber im Blick auf die ganze Geschichte Jesu auch ein Symbol der Auferstehung. Und vor allem ist es ein Zeichen der Liebe. Denn nicht Jesu Leiden, sondern seine Liebeshingabe steht theologisch im Vordergrund.

Aus ebendiesem Grund finde ich die aktuelle Arbeit des Künstlers Ludger Hinse in der Berliner Hedwigskathedrale so spannend, obwohl ich vielen Formen der künstlerischen Ästhetisierung des Kreuzes gegenüber skeptisch bin.

In die Kuppel des Rundbaus hat Hinse ein großes Glaskreuz gehängt, nicht zu weit entfernt vom Betrachter, aber auch nicht zum Greifen nah. Es wird angestrahlt und leuchtet je nach Lichteinfall von außen und Drehung unterschiedlich.
Der Künstler hat schon eine ganze Reihe solcher Arbeiten angefertigt und sagt selbst über sie:
"Meine Lichtkreuze sind keine Kreuze, die niederdrücken, sondern der Versuch das himmlische Licht einzufangen.

Ein schöner Gedanke: Das Kreuz zeigt uns etwas vom Himmel, es zeigt uns das himmlische Licht – seinen Ernst und seine Freude, seine Fragilität und sein Leuchten. Es zeigt, wie Paulus sagt, "Gottes Kraft und Gottes Weisheit." (v24)

Gerade das Kreuz von Ludger Hinse lädt dazu ein, nicht nur bedrückende Gedanken vor das Kreuz Jesu zu legen, sondern auch frohe Erinnerungen und Gedanken, die aufrichten noch einmal in das Leuchten des Kreuzes zu halten. 

Ludger Hinses Lichtkreuz in St. Hedwig, Berlin-Mitte, 2018.