Samstag, 31. März 2018

Liebe bis zum Tod – Liebe bis ins Leben. Ostergedanken

"Warum guckst du zu mir?"
So fragte meine Tochter neulich, als ich sie nach dem Zu-Bett-Bringen noch anschaute.
"Weil ich dich liebhabe", habe ich geantwortet.

Und vielleicht ist in einem solchen Satz auch etwas zum Verständnis des Osterfestes ausgesagt. Denn wie ein liebevoller Vater (und ein solcher bemühe auch ich mich zu sein), so schaut Gott voller Liebe auf uns, egal wo und in welchem Zustand wir uns gerade befinden.

Was heißt es aber, wenn jemand einen anderen liebt? Es gibt einen wundervollen Satz von dem Philosophen Gabriel Marcel, der das expliziert: „Einen Menschen lieben heißt sagen: Du wirst nicht sterben.
Genau das ist es ja, was Liebe will: dass es dem Anderen gut geht, dass er lebt und nicht sterben muss.

Buntes Leuchten über dem Todeszeichen
St. Ignatius, Frankfurt a.M., 2018.
Allerdings hört sich dieser Satz ein bisschen zu schön an, denn was liegt denn tatsächlich in der Macht eines Liebenden? Wir können unsere geliebten Menschen vielleicht ein wenig schützen, wir können sie umsorgen, ihnen in der Not helfen, vielleicht ihr Leben mit medizinischer Hilfe verlängern, aber das war es dann auch schon.

Der einzige Liebende, der diesen Satz tatsächlich sinnvoll sagen könnte, wäre Gott.
Wenn wir aber die Ostergeschichte anschauen, dann sehen wir vor allem, dass auch Jesus, den wir Christen ja als Gottes Sohn verehren, sterben muss. Hat Gott seinen Sohn also nicht geliebt? Hat er nicht auf ihn geschaut, weil er Besseres zu tun hatte? Oder konnte er ihn nicht retten?

Um dies zu beantworten, hilft es, noch weiter zu schauen.
Denn da sticht in der beginnenden Ostergeschichte noch ein zweiter Satz ins Auge, der auch von der Liebe und vom Leben handelt, allerdings ganz anders.
Jesus sagt ihn zu seinen Freunden in den so genannten Abschiedsreden im Johannesevangelium, am Abend bevor er stirbt:
"Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt." (Joh 15,13).

Das, so glauben wir Christen, war Jesu persönliche Deutung seines eigenen Todes. Er nimmt die Last des Menschseins auf sich, trägt die menschliche Schuld und stirbt seinenTod für die Freunde. Und noch mehr: seine Liebe ist nicht nur radikal gegenüber seinen Freunden, sondern sogar den Feinden (also vor allem seinen Mördern) gegenüber (vgl. Röm 5,10).

Diese Liebe also führt zum Tod, während der andere Satz ja sagte, dass Liebe eben nicht zum Tod führen würde.
Was denn nun?

Eine mögliche Antwort liegt im Verständnis des Sterbens. Wenn die Liebe es ganz ernst meint, dann setzt sie im äußersten Fall wohl auch ihr Leben für die geliebte Person ein. Aber aus christlicher Perspektive kann dieses Sterben nicht das Letzte sein.
Wenn Gott uns sagt, dass wir nicht sterben müssen, dann meint dass, das der Tod unseres Körpers nicht das letzte Wort hat, sondern er uns über dieses biologische Leben hinaus Leben schenkt. "Du wirst nicht sterben" meint dann: "Ich schenke dir neues Leben. Mein Leben."
Bunter Blick ins Helle.
St. Nikolaus, Wittenau, 2017.

Das ist die frohe Botschaft von Ostern. Egal, ob wir wachen oder schlafen. Ob wir leben oder sterben. Ob wir an Gott glauben oder nicht. Er will uns neues Leben schenken. Und dieses neue und ewige Leben beginnt nicht erst nach dem irdischen Tod, sondern schon jetzt, wenn wir uns Gottes Liebe anvertrauen, nicht mehr uns selbst in den Blick nehmen und aus seinem Geist leben. Paulus sagt klipp und klar, was für jeden Getauften gilt: "Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir." (Gal 2,20)

Der erste Johannesbrief überträgt diesen Gedanken auf unser jetziges Leben und macht die Konsequenzen klar. Denn zu behaupten, das ewige Leben des auferstandenen Christus in sich zu haben, ist reichlich vermessen.
Deswegen nennt er ein Kriterium:
"Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder lieben. Wer nicht liebt, bleibt im Tod." (1Joh 3,14)

Hier schließt sich der Kreis: Jesu Liebe ging bis in den Tod. Gottes Liebe aber ließ ihn nicht im Tod, sondern beschenkte ihn neu mit Leben. Alles, was Gott tut, geschieht aus Liebe. Sei es Tod oder sei es Leben. Dieses neue Leben ist uns allen verheißen. Schon jetzt. Unsere Liebe ist das Zeichen dafür, dass wir aus diesem neuen Leben der Auferstehung leben.

Das gilt hoffentlich auch für meine unvollkommene Vaterliebe.

Kleiner Bonus aus dem Osterevangelium:

Die Frauen, die am Ostersonntagmorgen mit dem Salböl zum Grab gehen, fügen noch eine weitere Komponente hinzu: Sie lieben Jesus sogar im Tod. Nur deshalb gehen sie zur Grabstätte dieses Hingerichteten: Weil sie in ihrer Trauer wenigstens etwas für den von ihnen verehrten Rabbi tun wollen. Ihre Liebe macht ihn zwar nicht lebendig, aber sie sorgt dafür, dass sie die ersten Zeuginnen der Auferstehung werden. Auch diese erste Verkündigung also ist Frucht einer Liebe.

Bunte Zukunft im Himmelsfenster.
Christian-Schreiber-Haus Alt-Buchhorst, Grünheide, 2016.