1. Auf der Suche
Die Geschichte ist
altbekannt: Nach dem Matthäusevangelium
(Mt 2,1-12) machen sich Weise aus einem fernen Land auf den Weg, um
den neugeborenen König der Juden zu finden. Sie werden als "Magoi"
bezeichnet und kennen sich mit Sternenkonstellationen aus, so dass
sie in den deutschen Übersetzungen mal als Magier, mal als
Sterndeuter, mal einfach als Weise bezeichnet werden. Von den alten
Völkern des Ostens (im heutigen Irak und Iran) war bekannt, dass sie
sich mit den Sternen beschäftigten, deshalb lag die Herkunftsbezeichnung nahe. Es waren also keine gläubigen
Juden und trotzdem hatten sie Interesse daran, was in Israel an
wichtigen Ereignissen passieren würde, wenn schon so besondere
Sternenkonstellationen zu sehen waren. Ihre Daten aus den Sternen
glichen sie darum bei den Schriftgelehrten Jerusalems mit den Angaben
aus der Bibel ab (vv4-6).
Suche nach dem Richtigen. Comenius-Garten, Neukölln, Berlin, 2018. |
Die Sterndeuter bemerkten
etwas Besonderes, das sie in ihrer Lebenswelt (Sternbeobachtung)
anspricht. Sie deuten dieses Besondere als das Zeichen eines neuen
Königs.
Und nun kommt das
Entscheidende: Als sie das Zeichen für die Ankunft des neuen Königs
gesehen haben, bleiben sie nicht in ihren Sesseln sitzen, sondern
machen sich auf den Weg und suchen ihn.
Erst gehen sie dafür ins
Zentrum der Macht dieses kleinen Landes, in den Königspalast nach
Jerusalem – aber dort finden sie den neugeborenen König nicht.
Also lassen sie sich beraten und gehen weiter.
Mir gefällt das: Losgehen
auf ein Zeichen hin, das mir was sagt. Suchen. Mich nicht irre machen
lassen, wenn ich nicht sofort am ersten Ort was finde. Und
schließlich gut beraten weiter gehen.
Gott sagt ja im Alten Testament von sich: "Ihr werdet mich
suchen und ihr werdet mich finden, wenn ihr nach mir fragt von ganzem
Herzen. Und ich lasse mich von euch finden" (Jer 29,13f.).
Jesus bestätigt das
später im Neuen Testament: "Bittet und es wird euch gegeben;
sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet!
Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer
anklopft, dem wird geöffnet." (Mt 7,7f)
Das ist auch an uns
gerichtet: Wenn wir uns auf den Weg machen und Gott suchen, dann
finden wir ihn. Nur müssen wir losgehen; manchmal jeden Tag neu.
Aber wie macht man das,
werden manche sich fragen. Hier im Gefängnis würden ja viele sehr
gern losgehen, egal wohin.
Der Theologe Karl Rahner
hat die Antwort darauf kurz auf den Punkt gebracht: "Das Herz
muss sich bewegen!" Auch wenn viele andere "mit der
verdrossenen Lebensklugheit ihrer engen Herzen zu Haus sitzen bleiben
und solche abenteuerliche Reisen des Herzens für Kindereien halten"1
– unser Herz soll sich auf den Weg machen und Gott suchen. Die
Leute aus dem Osten haben das vorgemacht, während diejenigen, die
nah dran waren, in Jerusalem sitzen geblieben sind.
Als Hinweis diente ihnen
auf ihrer Suche zuerst der Stern ihrer Sehnsucht, dem auch wir folgen
können – der Sehnsucht unseres Herzens nach Mehr, nach einem neuen
Anfang, nach Gerechtigkeit, nach der großen Umarmung Gottes.
Dazu tritt die Heilige
Schrift mit den Schriftkundigen, die sie ihnen auslegten. Und auch
das können wir, lesen und uns die schwierigen Stellen auslegen
lassen – angesprochen sein durch das Wort Gottes in der Bibel.
Für uns kommt nun noch
das Wissen dazu, dass Gott nicht dort zu finden ist, wo die weltliche
Macht ist, sondern dass wir uns einfach nur dem kleinen Kind in der
Krippe zuwenden müssen. Dort ist Gott zu finden – in der Unschuld,
im Kleinen, und in der Einfachheit.
2. Geschenke dabei
Die Anzahl der Suchenden
bleibt uns der Evangelist schuldig, immerhin wird erwähnt, dass sie
drei Geschenke mitbringen (v11), so dass wir getrost von drei
Personen sprechen können. Dann hat jeder was in der Hand gehabt.
Vielleicht hatten auch sie
das Problem, was man denn diesem Kind sinnvollerweise schenken kann.
Was sie letztlich
mitbringen, wird von den Theologen traditionell so gedeutet, dass die
Gaben für drei Funktionen Christi stehen. Sie weisen hin auf Jesus
als Priester, König und Propheten. Der Weihrauch für das
Priestersein mit seiner liturgisch-kultischen Aufgabe im Tempel, das
Gold für das Königtum und seine Assoziation mit Macht und Reichtum,
die Myrrhe, das "Bitterkraut" auf das bittere Schicksal des
Propheten.
All das sah in Jesu Leben natürlich anders aus als die Bibel
es für Priester, Könige und Propheten des Volkes Israel berichtet, aber das ist eine andere Geschichte.
Sie bringen also etwas
mit, das etwas aussagt über den Beschenkten.
Geschenke!? Alt-Buchhorst, 2018. |
Das ist aus zwei Gründen
interessant.
Einmal: Die wollen nix
haben, sondern die wollen was bringen. Wenn sie den neuen König
besuchen und schon so einen langen Weg auf sich nehmen, hätte es ja
durchaus sein können, dass wenigstens etwas für sie dabei
herausspringen soll. Aber nein, sie bringen lieber etwas mit.
Und dann: Sie schenken
nicht sinnlos etwas, das überall und zu jeder Zeit geschenkt werden
könnte. Sondern sie haben sich Gedanken gemacht, was das für einer
ist, zu dem sie kommen.
Sie wollen etwas schenken,
was zu ihm passt und was ausdrückt, was ihnen an ihm wichtig ist.
Für unser
Gottesverhältnis kann das heißen: Anstatt immer nur zu bitten und
nur dann zu Gott zu kommen, wenn wir etwas haben wollen, könnten wir
ihm etwas bringen.
Und zwar etwas, das etwas
aussagt darüber, was uns an Gott wichtig ist.
Das kann eine Übung sein, so wie sie auch bei manchen längeren Gebets- und Meditationsübungen angedacht sind – wer ist Gott für mich und finde ich dementsprechend einen Namen für ihn. Bei seinen "Exerzitien auf der Straße" nennt der Jesuit Christian Herwartz das Beispiel einer Frau, die Gott als den erfahren hat, der sie schön ansieht – und ihn eben auch so benennt: "Du, die du mich schön ansiehst".2
Das kann eine Übung sein, so wie sie auch bei manchen längeren Gebets- und Meditationsübungen angedacht sind – wer ist Gott für mich und finde ich dementsprechend einen Namen für ihn. Bei seinen "Exerzitien auf der Straße" nennt der Jesuit Christian Herwartz das Beispiel einer Frau, die Gott als den erfahren hat, der sie schön ansieht – und ihn eben auch so benennt: "Du, die du mich schön ansiehst".2
Andere werden völlig
andere Erfahrungen mit Gott machen:
Vielleicht fällt es mir
nicht immer leicht, so wie oben beschrieben auf die Suche zu gehen
und mich immer wieder neu nach Gott auszustrecken. Das ist so mühsam
und ich bin so schwach. Dann passt als symbolisches Geschenk
vielleicht eine Batterie, die mich ausdauernd genug macht. Oder ein
Jojo, das immer wieder losgeht, wenn es ganz unten angekommen ist.
Vielleicht entdecke ich
Gottes Spuren einfach nicht in meinem Leben, weil so vieles schief
gegangen ist. Zu viele Scherben, zu viel Misslungenes und zu viel
Enttäuschung. Dann kann ich Gott vielleicht eine Lupe bringen, damit
ich ihn besser entdecken kann.
Oder vielleicht bin ich
froh über etwas, das ich gelernt habe und dankbar für Dinge, die
gelungen sind. Dann kann ich mein Lächeln bringen.
Das sind die Gaben, die
wir vor Gott bringen können. Gaben, die sich durchaus auch verändern
können auf dem Weg. Gaben, die zu uns und zu ihm passen.
3. Anders zurückkehren
Die weisen Männer waren
wirklich sehr weise. Entweder hatten sie alle denselben Traum und
fanden das so überzeugend, dass sie nicht mehr zu Herodes
zurückgingen. Oder einer überzeugte die anderen von seinem Traum.
Oder es wurde ihnen klar,
dass ihre Frage nach dem neuen König und das Erschrecken, das sie
damit ausgelöst hatten (v2f), nichts Gutes bedeutete. Vielleicht
wurden sie dann weise durch ihre Unvorsichtigkeit.
Wie dem auch sei, sie
gingen jedenfalls auf einem anderen Weg zurück als sie gekommen
waren.
Nachdem ich gerade aus
einem Urlaub wiedergekommen bin, kann ich nur bestätigen, dass das
besonders dann Sinn macht, wenn man die Umgebung näher kennenlernen
will.
Aber auch darüber hinaus
scheint eine Reise gut dafür zu sein, Veränderungen herbeizuführen.
Verändert. Rudow, Berlin, 2018. |
Wenn wir uns auf die Suche
nach Gott machen und ihm das mitbringen, was wir ihm schon immer
einmal geben wollten, dann werden vielleicht auch wir dadurch
verändert.
Gerade wenn es, wie
hier im Gefängnis ja nicht anders möglich, eine innere
Reise, eben die Reise des Herzens sein wird, von der Karl Rahner sprach,
dann werden wir nicht mehr genauso auf die Welt schauen wie zuvor.
Wer beim Besuch des Kindes in der Krippe mit Gott in Berührung
kommt, wird mehr lieben und mehr verzeihen. Und er wird von Gott
nicht mehr schweigen können.
Zwar werden die
Sterndeuter in der Bibel nie wieder erwähnt, doch das muss nichts
bedeuten. Auch wir werden in der Weltgeschichte vielleicht nie wieder
erwähnt. Aber auch wir können von unserer Suche nach Gott sprechen
und davon, was er für uns bedeutet, was wir ihm also bringen können.
Das macht uns zu anderen
Menschen – und es verändert die Welt.
1 K.
Rahner, Von der seligen Reise des gottsuchenden Menschen. Gedanken
zum Fest der Erscheinung des Herrn, in: Geist und Leben 22 (1949)
405-409, hier: 409. – Zu finden auch unter
https://www.geist-und-leben.de/component/docman/doc_download/954-22-1949-6-405-409-rahner-0.html
und https://www.jesuiten.org/news/der-stern-leuchtet/.
2 C.
Herwartz, Brennende Gegenwart. Exerzitien auf der Straße. Würzburg
2011, 21.