Die Geschichte von der
Hochzeit in Kana (Joh 2,1-10), bei der Jesus Wasser zu Wein wandelt,
wird oft gedeutet als ein Zeugnis von Jesu Kraft, aus dem normalen
Alltagsbestand (das zum Waschen, Trinken, Reinigen bestimmte Wasser)
einen Genuss (der tolle Wein) zu machen.
Seit ich mich vor diesem
Sonntag mit dem Text auseinandersetze, frage ich mich, ob ich dazu
etwas schreiben kann.
Denn seit der Rückkehr
aus dem Silvesterurlaub trudeln die Tage nur so an mir vorbei, ohne
dass ich einen klaren Gedanken finden kann. Also auch keinen klaren
dazu!?
Leere Rahmen - Bilder wie immer irgendwie dazu. Rudow, Berlin, 2018. |
Verstärkt wird dieses
Gefühl, nichts zu sagen zu haben, durch die eher grundsätzlich
Frage, ob ich in diesem Blog noch etwas schreiben will. Religiöse
Themen muss ich gerade eher mit Gewalt an mich heranziehen,
literarische Entdeckungen mache ich in den gerade gelesenen Büchern
auch nicht wirklich.
Und überhaupt – wie
bisher aus jedem biblischen Text eine Weisheit an den Haaren ziehen,
das ist mir selbst ein bisschen suspekt, und doch weiß ich keine
andere Art zu schreiben, keine andere zu denken vielleicht.
Im Endeffekt ist die
Stimmung diesbezüglich: Lustlos, ausgelaugt, resigniert. Der Wein ist alle.
Beste Voraussetzungen
also, um nach der Verwandlung Ausschau zu halten, die das Evangelium
verheißt...?!
Was ist also das Normale,
das rangeschafft wird, damit Jesus etwas daraus macht?
In der Berliner Nasskälte
bin ich dauerkränkelnd nach der Rückkehr aus der Toskana, wo alles
sonnig, schön und auch ein wenig (aber wirklich nur ein wenig) kalt
war.
Jetzt dagegen: Viel Grau,
kein weiter Blick mehr, drückende Luft, Schmutz und Ekel in den
Straßen.
Die Bücher, die ich
gerade lese bzw. gelesen habe, sind nicht schlecht, aber auch nicht
umwerfend, was ich vor allem daran merke, dass ich mir keine Notizen
mache und keine Seiten merke, aber auch nicht hinwerfe. Na gut,
letzteres liegt mir sowieso nicht.
Das Humboldt-Buch von
Andreas Wulf war zwar anregend und spannend, aber irgendwann viel zu
lang und sich in Neben- und Nachgeschichten verheddernd, außerdem
voller Wiederholungen in enervierend immer gleicher Wortwahl.
Dann schleife ich immer
noch Esther Kinskys „Hain" hinter mir her. Mein Eindruck,
dass es keine Geschichte ist, die eine Entwicklung erzählt, sondern
Miniaturen, die manchmal gar nicht schlecht sind, aber auch die sind
nervtötend langsam und lang. Der Grundton der Trauer, der das Buch
durchzieht, verbessert die Sache nicht.
Weiterhin die Einsicht,
dass ich nicht viel zu sagen habe und auch keine ausreichend guten
Worte, um das dann wenigstens gut zu präsentieren.
Die Arbeitsstellen könnten
dissonanter nicht sein: Einmal fühle ich mich weitgehend
überflüssig, einmal bin ich so gefragt, dass ich nur noch hinterher
hetze und kein Gefühl für die Qualität meines Tuns mehr habe. Und
viele Leute enttäuschen muss.
Die Kinder kränkeln auch,
meine Frau arbeitet, wir sehen uns abends, reden etwas, gehen zu
Bett.
Politische Ereignisse
(Datenleck, Brexit-Chaos, Flüchtlingsschiffe, AfD-Querelen,
US-Shutdown, Dauer-Klima-Krise) ziehen eher so neben mir vorbei, ohne
dass ich den Eindruck habe, dass mich davon irgendetwas tiefer
berühren kann.
Bei all dem fühle ich
mich an einer belanglosen Oberfläche festgenagelt, matt, nutzlos und
ohne Antrieb. „Bis zum Rand" gefüllte Wasser-Tage (vgl. v7).
Also suche ich mal die
Perlen.
Kleines Glück. Trotz allem. Toskana, 2018. |
Was mich beglückt hat in
diesen letzten Tagen:
Die Facebook-Einträge
eines ehemaligen Mitstudenten mit zeitversetzten Logbuch-Notizen über
einen Aufenthalt in der Psychiatrie: knapp, eindrücklich, offen.
Die Stimme von SabineDevieilhe (zugegebenermaßen entdeckt, weil von youtube empfohlen),
die wirklich eine grandiose Offenbarung ist.
Das Schreib- und
Lesebedürfnis meiner vierjährigen Tochter.
Der Lesungstext vom
Donnerstag, dem 17. Januar, meinem Tauftag – ein Aussätziger kommt
zu Jesus und wird geheilt (Mk 1,40-45).
Ein paar kurze Begegnungen
mit Kiezbekanntschaften auf der Straße.
Die Umarmungen meiner
eineinhalbjährigen kranken Tochter.
Ein Foto, das ich am
Mittwoch, 16.01., auf dem Weg zum Gefängnis aufgenommen habe.
Und schließlich der Stil
der Essays von David Foster Wallace in „Der Spaß an der Sache",
der mich einerseits deprimiert, weil auf den Boden der Realität
holt, andererseits aber beflügelt, jetzt überhaupt wieder zu
schreiben.
Wahrscheinlich ist es diese Sammlung schon. Ein Wein-Wunder.
Aufschreiben als Therapie
und Weg zum Genuss.
Jedenfalls für mich. Jedenfalls ein wenig.