Im fiktiven Dorf
Unterleuten in der Prignitz beobachtet Juli Zeh die kleinsten Ebenen
der Gesellschaft und ihre Konflikte. Durch klare Beschreibungen und
schnörkellose Sprache entsteht ein vielschichtiges Panorama des
Dorfalltags. Ein Teil davon ist das von ihrem Großvater
vergötterte Krönchen:
Sonntag, 1. Dezember 2019
Freitag, 29. November 2019
"Geliebt" – Ein spirituell-literarischer Adventskalender
"Papa, gib mir deine Hand"
sagt meine Zweijährige manchmal beim Zu-Bett-Bringen zu mir. Dann
lege ich meine Hand auf ihr Kissen und sie schmiegt ihre Wange
hinein. Oder sie ergreift meine Hand und hält sie fest.
Sie weiß dann, dass ich da bin,fühlt
sich aufgehoben und geborgen.
Auch wenn sie es nicht so formulieren
könnte – sie weiß sich von mir geliebt.
Samstag, 23. November 2019
Herrschaftskritik. Eine Predigt am Christkönigssonntag
Gute Herrschaft lebt
davon, dass sie anerkannt wird. Sonst wird sie zum Zwang.
Am Christkönigsfest geht
es darum, was für eine Art von Herrschaft Gott in dieser Welt
aufbauen will. Die Lesungen, die zu diesem Fest ausgewählt werden,
weisen meistens darauf hin, dass Jesus im Unterschied zu den gängigen
Herrschaftsmethoden ein Königtum von Gewaltfreiheit verkörpert.
Aber auch dies ist eine
Herrschaft, und auch sie muss anerkannt werden, um eine gute
Herrschaft zu sein. Aus Unzufriedenheit kann nichts wachsen.
Darum soll es in dieser
Predigt gehen.
Dienstag, 19. November 2019
Fremd durch Armut. Gedanken zu Elisabeth von Thüringen
Es war einmal eine
Königstochter aus einem fernen Land, die schon früh einem Grafen
versprochen worden war. Sie verließ in jungen Jahren ihre Heimat, um
bei ihm zu leben. In seinem Lande wohnte sie in feinen Gemächern auf
den verschiedenen Burgen des Grafen und kleidete sich in Samt und
Seide...
So könnte die
beschauliche Geschichte der ungarischen Prinzessin beginnen, die als
Elisabeth von Thüringen (1207-1231) bekannt wurde. Doch wie in
vielen Märchen endet die romantisch-beschauliche Phase recht bald.
Denn Elisabeth fühlte sich angezogen vom Armutsideal ihres
Zeitgenossen Franz von Assisi (ca. 1182-1226).
Freitag, 15. November 2019
Trauriges Auseinanderfallen – Andreas Knapp und der Weltuntergang
Jesus verkündet den Evangelien am Ende
des Kirchenjahres eine Zeit, in der alles endet.
Vom Tempel, der wichtigsten Stätte der
Gottesanbetung für Israel über die Beziehungen zwischen den Völkern
und diverse Klimakatastrophen auf der Erde bis hin zu den
traditionellen Familiengefügen – alles wird auseinanderfallen (Lk
21,5-19).
Die Endlichkeit gilt für alles, nicht
nur für den Menschen!
Andreas Knapp sieht die Schöpfung
angesichts ihres Vergehens selber trauern.
Samstag, 9. November 2019
In Freude und Bitterkeit: Die Erinnerung an den 09. November 1989.
Die Erinnerung an das große Ereignis
von 1989 ist in diesem Jahr von Enttäuschung durchsetzt.
Enttäuscht sind die Ossis über
jahrelang fehlende Wertschätzung, enttäuscht sind die Wessis über
die Undankbarkeit nach massiven Investitionen in die marode
Infrastruktur. Und drei Viertel der ganzen Republik sind 2019
enttäuscht über die Wahlergebnisse im scheinbar abgerutschten
Osten.
Dabei begann alles so hoffnungsfroh.
Die nach Massenfluchten und
Massendemonstrationen unter größtem inneren Druck vollzogene
Öffnung der Grenzen, "sofort, unverzüglich", sie
gab der DDR den Todesstoß.
Freiheit konnte neu beginnen.
Sonntag, 3. November 2019
Jesus begegnet Donald Trump
Wir lesen die Geschichte von Zachäus
(Lk
19,1-10) ja immer aus der Sicht von danach. Wissend, dass er sich
bekehrt, sein Geld verschenkt und sein Leben ändert.
Aber die eigentliche Herausforderung
liegt doch vorher, als noch nicht klar ist, wie sich dieser Typ, der
sich so oft als mieses Arschloch erwiesen hat, benehmen wird!
Kurzes Gedankenexperiment: Angenommen,
Jesus würde sich mit einem Donald Trump, inzwischen weltweit ein
Symbol für Lüge, Brutalität und Korruption, gemeinsam an einen
Tisch setzen und mit ihm schwatzen. Einzige Voraussetzung: Er muss vorher
aus seinem Haus kommen und interessiert sein.
Donnerstag, 31. Oktober 2019
Alles heiligen. Oder: Wo sind die heiligen Familien?
Es ist zum Haareraufen:
Wenn ich auf den Heiligenkalender der
katholischen Kirche schaue, muss ich feststellen, dass dort viele
Mönche, Bischöfe, Pfarrer, Missionare, Prediger, Päpste, Nonnen
und heilige Jungfrauen zu finden sind.
Aber fast keine Heiligen, die eine
Familie außer ihrer Herkunftsfamilie hatten – mithin fast keine
heiligen Väter oder Mütter.
Während für die frühe Kirche noch
das Martyrium, und damit der Tod, die wichtigste Basis der Heiligkeit
war, wurde mit der Zeit auch das heiligmäßige Leben bedeutsamer –
und das schien sich vor allem in den heiligen Kirchenlehrern,
Eremiten, Wüstenvätern Jungfrauen und Bischöfen zu finden.
Dienstag, 29. Oktober 2019
Wankt der Zölibat?
Die gerade zu Ende gegangene
Bischofssynode schlägt in ihrem Abschlussdokument "die
Erarbeitung von Kriterien und Verfügungen durch die kompetente
Behörde vor, um geeignete Männer, die in der Gemeinschaft anerkannt
sind, zu Priestern zu weihen, wobei sie auch eine legitim gebildete,
stabile Familie haben können, um das Leben der christlichen
Gemeinschaft durch die Verkündigung des Wortes und die Feier der
Sakramente in den entlegensten Gebieten der Amazonasregion zu
unterstützen." (hier in einer Arbeitsübersetzung von
vaticannews.va)
Samstag, 26. Oktober 2019
Alles richtig machen reicht nicht. Predigt am 30. Sonntag im Jahreskreis
1. Der Pharisäer
„Die kommen
doch alle nur wegen dem Kuchen“ ist
der Satz, der mir zu diesem Evangelium (Lk
18,9-14) als erstes einfällt.
Manchmal sagt ein
Inhaftierter diesen Satz zu mir über diejenigen, die hier im
Gottesdienst sitzen – aber der das sagt, kommt selbst nicht.
Möglicherweise betet er tatsächlich selbst, wie mancher das
behauptet. Möglicherweise ist er wirklich ein frommer Mensch.
Aber trotzdem habe ich ein
ungutes Gefühl dabei. Das hängt auch mit diesem Evangelium zusammen
– denn selbst wenn einer alles richtig macht, was man an religiösen
Übungen so probieren kann, so wertet er doch einen anderen durch
diese Aussage ab.
Ich weiß weder, ob die
Einen nur wegen des Kuchens hier sind, noch ob der Andere tatsächlich
betet. Und das ist auch nur begrenzt wichtig.
Dienstag, 22. Oktober 2019
Überraschungsgott und Fürsorgemensch. Predigt zu Lk 12,39-48
Wenn Gott zu uns kommt, dann schleicht
er sich an uns heran wie ein Dieb in der Nacht (vgl. Lk 12,39f).
So predigte es jedenfalls Jesus.
Diesen Gott, der wie ein Dieb kommt,
sollten wir tunlichst erwischen. Denn so wie der Dieb uns etwas
entwenden will, würde uns auch eine Menge entgehen, wenn wir Gott
davonkommen ließen.
Wachsamkeit heißt also das Gebot der
Stunde. Denn Gott ist ein Überraschungsgott. Immerhin das hat er mit
dem Brexit gemeinsam.
Und es ist die erste Einsicht dieses
Evangeliums. Es ist eine Einsicht über Gott. Denn Gott überrascht
uns nicht nur zu einem Zeitpunkt, den wir nicht kennen, sondern auch
an Stellen in dieser Welt, die wir nicht für möglich gehalten
hätten.
Samstag, 19. Oktober 2019
Der Gott des Rechts und die menschliche Beharrlichkeit
Zwei ungewöhnliche Schlaglichter auf Mensch und Gott zeigen sich im Evangelium des Sonntags (Lk 18,1-8), in dem Jesus mit der Geschichte einer auf ihr Recht drängenden Witwe und dem endlich nachgebenden Richter operiert:
Nicht Liebe, nicht Begeisterung, nicht Wohltaten - nein: Beharrlichkeit wird vom Menschen erwartet.
Nicht Liebe, nicht Begeisterung, nicht Wohltaten - nein: Beharrlichkeit wird vom Menschen erwartet.
Mittwoch, 16. Oktober 2019
"Wie ein Baum am Wasser gepflanzt" Meine Kraftquellen und meine Früchte
Vor ein paar Tagen habe ich einen
geistlichen Impuls für die Mitarbeiterinnen (und einen Mitarbeiter)
eines Berliner Altenheims der Caritas gehalten. Das ging ungefähr so:
Das Bild des Baumes
als Symbol des Lebens und der Kraft ist in vielen Religionen und auch
im Christentum bekannt.
Menschen sind zwar
keine Bäume – aber auch sie brauchen Wurzeln und auch sie bringen
Früchte. Ein prominentes Bild aus der Bibel findet sich beim
Propheten Jeremia:
„Gesegnet der Mensch, der auf den
HERRN vertraut und dessen Hoffnung der HERR ist. Er
ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und zum Bach seine
Wurzeln ausstreckt: Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt;
seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen
Jahr ist er ohne Sorge, er hört nicht auf, Frucht zu tragen."
(Jer 17,7f)
Samstag, 12. Oktober 2019
Jesu miese Erfolgsquote. Von Heilung und Dank und Glaube und Liebe
Im Vordergrund des Evangeliums vom Sonntag (Lk
17,11-19) steht Jesus als Heiler.
Jedenfalls auf den ersten Blick.
Denn schnell schiebt
sich etwas ganz anderes in den Vordergrund – nämlich die Tatsache,
dass da einer der Geheilten zu Jesus zurückkehrt, um ihm zu danken.
Doch auch daran schließt sich in der Lesung noch ein weiteres Thema
an: Die Frage, was für Jesus ein Erfolg gewesen wäre – die
Heilung all dieser Kranken oder ihre dankbare Umkehr.
Es wird also in meiner
Predigt drei Punkte geben: 1. Aussatz und Heilung, 2. Dankbarkeit und
Glaube, 3. Erfolg und Misserfolg.
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Samstag, 5. Oktober 2019
Gottes Großzügigkeit stärkt den Glauben
Ich habe gerade eine Woche Wanderexerzitien, das heißt eine Woche Wandern in Gebet und Schweigen, hinter mir.
In den Bergen Österreichs klappt das (trotz wechselndem Wetter) ganz wunderbar.
Dort wurde mir in gewisser Weise auch die Bitte erfüllt, die die Jünger im heutigen Evangelium vor Jesus bringen (Lk 17,5-10): „Stärke unseren Glauben." (v5)
Ich habe gespürt: Die Welt ist so voll von der Großzügigkeit Gottes. Wer sehenden Auges und offenen Herzens durch die Natur geht, kann erfahren: Gott teilt seine Gaben im Überfluss aus und wer sich diesem Reichtum öffnet (so wie ich es versucht habe), fühlt sich beschenkt. Dann wird Dankbarkeit sich ausbreiten. So jedenfalls war es bei mir.
Einen Teil dieser Überfülle der Natur möchte ich hier mit Fotos andeuten.
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