"Der Tod ist tot – das Leben
lebt. Halleluja!"1
Gott hat den Tod selbst vernichtet, das
Ende jedes lebendigen Wesens ist nicht mehr sein wirkliches Ende,
sondern der Eingang in neues Leben, das nicht mehr an der irdischen
Materie hängt. Im Altgriechischen gibt es dafür zum Glück zwei
verschiedene Worte – das biologische Leben ist βíος (bios) und
das eigentliche (göttliche) Leben ist ζωή (zoe). Das Deutsche
verfügt nicht über diese Differenzierungsmöglichkeiten – und
lädt darum zu Fehldeutungen ein.
Licht erscheint. Grünheide, 2016. |
Joseph Ratzinger entgegnet deshalb dem
Fehlurteil, dass es bei der Auferstehung um eine Art Wiederbelebung
Jesu gehe, folgerndermaßen:
"Die Auferstehung Jesu ist
nicht so etwas wie die nochmalige Überwindung des klinischen Todes,
die wir auch heute kennen und die irgendwann dann doch mit einem
nicht mehr zurückzunehmenden klinischen Tod endet. Daß es so nicht
steht, machen nicht nur die Evangelisten klar, sondern unser Credo
selbst, indem es das Auftreten des Auferstandenen anschließend mit
dem griechischen Wort ώφϑη
beschreibt,
das wir im Deutschen gewöhnlich übersetzen: Er erschien; richtiger
müßten wir vielleicht sagen: Er gab sich zu sehen. Diese Formel
macht deutlich, daß hier etwas anderes ist. Daß Jesus nach der
Auferstehung einem Bereich der Wirklichkeit zugehört, der sich
normalerweise unseren Sinnen entzieht."2
Auferstehung reicht tiefer in die
Wirklichkeit hinein als wir fassen können. So tief, dass unsere
Sinnlichkeit keinen adäquaten Haltepunkt mehr findet, wenn es um den
Auferstandenen geht. Nur von Gott her ist zu denken, was hier
geschieht. Menschen können es nicht fassen, Er allein kann sich
zeigen.
Doch bei der Auferstehung des toten
Jesus aus Nazareth geht es nicht nur um diesen einen Menschen in Jerusalem,
sondern es geht um mehr. Um viel mehr.
Dem christlichen Glauben geht es hier
um alles, nicht nur um Jerusalem, sondern um die ganze Welt. In der Auferstehung wird die ganze Welt von innen
verwandelt. Das neue Leben hängt nicht mehr an der Materie, hieß es
oben. Aber die Materie wird auch nicht wertlos. So schreibt Ratzinger
weiter, dass die Auferstehung ein Bekenntnis zu Gott sei, aber auch
"ein Bekenntnis zu seiner Schöpfung, zu dem unbedingten Ja,
mit dem Gott zur Schöpfung, zur Materie, steht. Gottes Wort reicht
wirklich bis in den Leib hinein. Seine Macht endet nicht vor der
Grenze der Materie. Sie umfaßt das Ganze."3
Unterirdische Umwälzungen. Pflug in Kleinbrembach, 2015. |
Von der Macht Gottes über die Materie
spricht auch ein anderer großer Theologe, Karl Rahner, in seinen
Betrachtungen zum Kirchenjahr. So wie es das Matthäusevangelium in
mythischer Sprache versucht, die Fernwirkung der Auferstehung zu
benennen, indem die Auferstehung der jüdischen Gerechten angedeutet
wird (vgl. Mt 27,52), so fasst Rahner in poetische Form, wie die
Auferstehung Jesu alles schon in Bewegung gebracht hat:
"Er ist auferstanden, um zu
offenbaren, daß durch seinen Tod das Leben der Freiheit und
Seligkeit in die Enge und den Schmerz der Erde, mitten in ihrem
Herzen, ewig eingesenkt bleibt.
Was wir seine Auferstehung nennen
und unbedacht als sein privates Schicksal betrachten, ist nur auf der
Oberfläche der ganzen Wirklichkeit das erste Symptom in der
Erfahrung dafür, daß hinter der sogenannten Erfahrung (die wir wo
wichtig nehmen) alles schon anders geworden ist in der wahren und
entscheidenden Tiefe der Dinge. Seine Auferstehung ist wie das erste
Ausbrechen eines Vulkans, das zeigt, daß im Innern der Welt schon
Gottes Feuer brennt, das alles zum seligen Glühen in seinem Lichte
bringen wird. Er ist auferstanden, um zu zeigen: Es hat schon
begonnen."4
Ebensowenig wie den Auferstandenen
können wir auch die Umgestaltung und Verwandlung der Welt nicht in
ihrer Tiefe wahrnehmen – "Weil Er nicht an den Symptomen
der Oberfläche begann, die Welt zu heilen, zu retten und zu
verklären, sondern an der innersten Wurzel anfing, meinen wir Wesen
der Oberfläche, es sei nichts geschehen. Weil die Wasser des Leidens
und der Schuld dort noch fließen, wo wir stehen, wähnen wir, ihre
Quellkammern in der Tiefe seien noch nicht versiegt. Weil die Bosheit
noch immer neue Runen in das Angesicht der Erde zeichnet, schließen
wir, im tiefsten Herzen der Wirklichkeit sei die Liebe gestorben.
Aber es ist alles nur Schein. Der Schein, den wir für die Realität
des Lebens halten.
Er ist auferstanden, weil Er die
innerste Mitte allen irdischen Seins im Tod für ewig erobert und
erlöst hat."5
Gerade in Zeiten des Terrors, des
Krieges und der Umwälzungen vieler Gesellschaftsbereiche können wir
uns das sagen lassen – "Der Tod ist tot – das Leben
lebt."
Das ist die österliche Botschaft –
Gewalt und Hass mögen sich noch so sehr aufbäumen, Gottes Liebe hat
die Welt schon unterfasst und von innen her durchflutet und
geheiligt.
Neugestaltung unter der Oberfläche. Waren / Müritz, 2016. |
1 Gotteslob
von 1978, Nr. 224: Vom Tode heut erstanden ist.
2 J.
Ratzinger, Der Gott Jesu Christi. Betrachtungen über den
Dreieinigen Gott. München 1976, 81.
3 Ebd.,
84.
4 K.
Rahner, Kleines Kirchenjahr. München 1954, 88f.