Freitag, 4. November 2022

„Mach neu, was dich kaputt macht“ Eine Buchempfehlung

Johanna Beck ist in Sachen Kirchenerneuerung unterwegs. Man konnte beim Synodalen Weg von ihr hören und in der Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“ von ihr lesen. Doch sie ist auch Autorin eines Buches, in dem sie ihre persönliche Geschichte erzählt.

Mit „Mach neu, was dich kaputt macht“ tritt sie aus der Anonymität einer von Missbrauch in der Kirche Betroffenen heraus und schildert ihre Erfahrungen damit – und mit dem, was aus dem Missbrauch folgte und nicht folgte.

Donnerstag, 27. Oktober 2022

Sei parteiisch!

Dieser Tage komme ich mehr und mehr auch mit ukrainischen Studierenden in Kontakt. Für sie ist die Haltung der Deutschen, wenn es um Russlands Krieg gegen ihr Heimatland geht, nicht immer einfach zu verstehen. 

Denn es gibt hier die mancherorts verbreitete Annahme, aus dem aktuellen Krieg müsse man sich in Deutschland nicht nur praktisch-politisch, sondern auch mental heraushalten. Mit anderen Worten: Neutral sein, nur keine Partei für eine Seite ergreifen, denn nur so könne man in Deutschland angemessen handeln. 

Ich halte das für falsch. Neutralität ist in diesem Fall keine moralisch legitime Position.

Freitag, 15. Juli 2022

Alles hohl!

Alles steht wie ausgehöhlt.

Kulissen ohne Hinterland.

Ein Lächeln ohne Augen.


Nur noch Wüste ringsumher.

Trocken, tot und selbstgefällig.

Blasse Sonne brennt und wärmt nicht mehr.

Freitag, 10. Juni 2022

Meine, deine, unsere Sprache. Impuls beim Friedensgebet in Frankfurt (Oder)

 Man sollte meinen, eine Sprache, die beide Seiten verstehen, erleichtert die Kommunikation.

Wenn wir in die Ukraine schauen, scheint das aber nicht der Fall zu sein.

Dort wachsen die Menschen in der Regel mehrsprachig auf, das Russische und das Ukrainische werden normalerweise verstanden – je nach Region ist die aktive Nutzung der Sprache verschieden, aber verstanden wird die jeweils andere Sprache.

Karl Schlögel, ehemaliger Professor der hiesigen Europa-Universität Viadrina, schreibt in seinem Aufsatzband „Entscheidung in Kiew“ dazu:

Donnerstag, 26. Mai 2022

„Der Himmel ist für alle da“ Katja Petrowskaja an Christi Himmelfahrt lesen

 Schaut in den Himmel - und ihr kommt hin. 

So könnte man die wunderbaren Gedanken von Katja Petrowskaja zusammenfassen, die sich in ihrem neuen Buch „Das Foto schaute mich an“ zu einem Bild mit einer einzelnen Wolke finden.

Es passt gut zum heutigen Fest, das ja auch eine Einladung ist, dass alle in den Himmel kommen.


„Wenn man auf die Wolken schaut, landet man sofort im Himmel, ohne Leiter, ohne Flügel. Man wird selbst zur puren Phantasie, im Schauen verharrend. Ein Blick dahin - und der festgeschnürte Körper verliert bereits seine Eindeutigkeit, fängt an zu schweben. Geerdete Gedanken lösen sich von der Schwerkraft und schwingen sich mit dem Blick empor.
Ich schaue auf diese Wolke, und alles Schwere in mir wird bedeutend und leicht, das Einsame wird zum Einzigen. Wir schauen durch sie hindurch, auf die ganze Breite des Himmels, in seine Unendlichkeit. Die Landschaft müssen wir betreten, »aber der Himmel wölbt sich über alle«, bemerkte der scharfäugige Kunsthistoriker John Ruskin.
Der Himmel ist für alle da.“

(K. Petrowskaja, Das Foto schaute mich an. Kolumnen. Berlin 2022, 207f.)

Samstag, 21. Mai 2022

Was braucht es zum Christsein? Predigt zu Apg 15 und Joh 14

1.
Es ist dies einer der entscheidendsten Textabschnitte, den die Apostelgeschichte zu bieten hat, wenn es um die Frage geht, wie sich die ersten Gemeinden in ihrer Stellung zum Judentum entwickeln.
Denn wie man hörte (15,1-2.22-29), gab es einige, die sagten, diejenigen, die als Nichtjuden zum Glauben an Jesus als den Sohn Gottes gefunden hatten, müssten sich erst beschneiden lassen und alle Gebote der Tora befolgen, bevor sie vollgültig Mitglieder der neuen christlichen Gemeinde werden könnten.
(Man merkt auch: im Blick waren vor allem die Männer als Zielgruppe der Verkündigung – gut, dass das heute anders ist.)
Paulus und Barnabas, die beiden Missionare, widersprachen diesem Standpunkt entschieden – sie waren der Meinung, dass Beschneidung und die Gesetze der Tora für die Christgläubigen keine solch weitreichende Bedeutung haben und man darum Christ:in werden kann, ohne zuvor zum Judentum zu konvertieren.

Samstag, 7. Mai 2022

Eine wirklich gute Zukunft im Blick. Predigtgschnipsel zum Evangelium vom Guten Hirten

„Ihr wollt nicht?“ - „Dann machen wir es eben ohne euch!“
Die Dynamiken in der Lesung aus der Apostelgeschichte (Apg 13,43-52) zeigen ziemlich gut, wozu wir Menschen in Krisensituationen neigen: Wenn es Konflikte gibt, schlagen die emotionalen Wellen hoch und die Verständigung wird schwieriger. Es gibt Spaltung und Hetze gegen „die Anderen“, außerdem bestimmen Konkurrenz und Neid das Bild. Man hat sich nichts mehr zu sagen der Dialog wird beendet.

Wie traurig!
Und doch – manchmal geht es auch nicht anders.

Donnerstag, 21. April 2022

Achtsam für Wunden, nicht in sie verbohrt! Predigt zum Semesterstart

 Als ich vor ziemlich genau 20 Jahren in Lwiw in der Ukraine einen Freiwilligendienst gemacht habe, bekam ich eine Menge Wunden zu sehen. Denn meine Aufgabe war damals, ehemalige Häftlinge der deutschen Konzentrationslager zu besuchen.
Manchmal waren die Begegnungen eher belanglos, manchmal schwierig (vor allem wegen meiner anfangs sehr geringen Sprachkenntnisse), manchmal auch erfrischend. Aber an irgendeinem Punkt kam die Rede fast immer auf die Verwundungen in ihren Leben.
Nicht immer, das muss ich betonen, waren es die Erfahrungen aus den Konzentrationslagern, die am meisten obenauf lagen und als am schlimmsten erinnert wurden. Manchmal waren es Erfahrungen mit Schikanen in der Sowjetunion, manchmal der Verlust eines Familienmitglieds in der jüngsten Zeit, manchmal die Einsamkeit, die aus der Tatsache folgte, dass der Sohn oder die Tochter zum Arbeiten nach Westeuropa gegangen waren.

Sonntag, 17. April 2022

Das Leben ist stärker als der Tod?! Ostern 2022

Das Leben ist stärker als der Tod.
Die Liebe ist stärker als der Hass.
Die Wahrheit ist stärker als die Lüge.
Der Frieden ist stärker als der Krieg.

Dieses Jahr kann ich das nicht überzeugt und fröhlich sagen, sondern angesichts des Krieges in der Ukraine nur in ohnmächtiger und banger Hoffnung.

Freitag, 15. April 2022

Karfreitag: Wissen sie, was sie tun? Von Opfern und Tätern

Nach der Farbattacke.
Magistrale, Frankfurt (Oder), 2022.
Seit Jahrhunderten schauen Christinnen und Christen auf den leidenden Christus. Sein damaliges Leiden lässt sie nicht kalt und im Gebet wissen sie sich verbunden mit ihm.
Denn Jesus hat sich auf die Seite all derer gestellt, die leiden müssen. Er hat selbst gelitten, hat ausgehalten und ist für viele Menschen der Leidende schlechthin geworden.

Heute schauen wir auf das Leiden der Menschen in Mariupol, in Kramatorsk, in Charkiw und an vielen anderen Orten in der Ukraine, aber auch auf der Flucht, in Polen, in Rumänien, in Deutschland. Manchmal können wir uns den vielen schrecklichen Bildern und Nachrichten nicht entziehen und es wird uns zu viel. Dann müssen wir auch wegschauen lernen und auf die schöneren Seiten der Welt sehen.

Samstag, 9. April 2022

Gesegnet, die da kommen im Namen des Herrn! Radiobeitrag an Palmsonntag

Ankunft am Bahnhof.
Frankfurt (Oder), März 2022.

So ähnlich werde ich morgen früh um ca. 10 vor 10 im Radio auf rbb 88,8 zu hören sein:

Ich war in den letzten Wochen immer wieder auf unserem Bahnhof in Frankfurt / Oder. Dort sind seit den ersten Tagen des Krieges in der Ukraine täglich mehrere tausend Menschen durchgefahren.
Fast immer sind es Frauen mit ihren Kindern gewesen. Oftmals waren sie mehrere Tage im Zug unterwegs. Sie hatten wenig geschlafen und waren unruhig und ausgelaugt. Diejenigen, die ausstiegen, wollten oft einfach nicht mehr weiterfahren und suchten etwas Ruhe. Manchen war noch nicht einmal klar, dass sie nun in Deutschland waren.

Sonntag, 27. März 2022

Versöhnung braucht Umkehr, Zeit und Mut. Parabel vom verlorenen Sohn im Krieg.

Die Parabel vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) handelt von Versöhnung.
 
Und jeder, der sie heute – in diesen Kriegstagen – liest oder im Gottesdienst hört, wird sich eventuell fragen, wie das denn aktuell gehen soll mit der Versöhnung zwischen den Kriegsparteien. Manche schieben den Ball zur Ukraine mit der mehr impliziten oder mehr expliziten Aufforderung, sich doch zu ergeben und die Kämpfe so zu beenden. Manche fordern weitere Zugeständnisse an Russland und kritisieren die Waffenlieferungen an die Ukraine als etwas, das mehr Öl ins Feuer gießen würde.

Und alles unter den Hoffnungsbegriffen von Frieden und Versöhnung.

Dienstag, 15. März 2022

Gäste aus der Ukraine. Ein kurzer Erlebnisbericht nach einer Woche

Am Bahnhof mit Sonderzug.
Frankfurt/Oder, 2022.
Während die schrecklichen Kriegsbilder weiter über meine Bildschirme flackern und während am Bahnhof von Frankfurt weiter ausgelaugte Frauen und Kinder ankommen, umsteigen und durchfahren, haben wir nun schon eine Woche Gäste aus einer Stadt am Dnjepr bei uns aufgenommen.
Am 08. März habe ich bei meinem ehrenamtlichen Einsatz auf dem Bahnhof eine Frau mit ihrem 17jährigen Sohn, die nicht weiterfahren wollten, eingeladen, vorerst bei uns zu bleiben. Und so sind wir nun zwei mehr in unserer Wohnung.

Sonntag, 6. März 2022

Was der Krieg anrichtet. Zwei Gedanken

1
Warum habe ich eigentlich mal Ukrainisch gelernt?

Weil Nazi-Deutschland sechzig Jahre vor meinem Aufenthalt in der Ukraine (2001/2002) seinen Kriegszug auf die damalige Sowjetunion ausgeweitet hat und in seinem Kampf gegen slawische Ethnien und Juden eine Spur totaler Verwüstung hinterlassen hat.

Ohne dass der jetzige Ukrainekrieg im mindesten damit vergleichbar ist, wurde mir jedoch gerade noch einmal klar: Die Folgen jenes Krieges damals spürten und spüren die die Menschen mehr als ein halbes Jahrhundert später immer noch.

Dienstag, 1. März 2022

Aschermittwoch. Ohnmacht und Kraft angesichts des Krieges

Ich komme in diesen Tagen schwer zur Ruhe.
Das Leiden der Ukraine ist mir so nah, die Menschen tun mir so leid.
In den Nachrichten und auf Social Media höre und sehe ich sie in ihrer Verzweiflung, in ihrem Kampfgeist, in ihrer Angst, in ihrer Standhaftigkeit.
Fühle mich ihnen nah und fern zugleich.

Ich will die Dinge ändern und kann es nicht.
Ich will helfen und bin hilflos.
Ich will weinen und schreien vor Hilflosigkeit.