Freitag, 3. März 2023

Leider unterkomplex. Kirche in Kriegszeiten

Heute mal ein Wort zu christlichen Positionen hierzulande angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine:

Ich bin frustriert und enttäuscht.

Montag, 27. Februar 2023

Die Aussage des Gegenübers retten - auch bei einem "Friedensmanifest"?

Hier kommt nun so etwas wie das Gegenstück zu meinem letzten Beitrag: ich schwanke zwischen der  Resignation und dem Unverständnis angesichts der Borniertheit - und dem guten Willen (hier für die Kolumne in der MOZ am 25.02.2023) und bin weiter unsicher, wie viel Kraft ich in Verstehen investieren kann...

Wie soll es weitergehen?

So frage ich mich nach der Entscheidung der Jury, das Zukunftszentrum nicht in Frankfurt (Oder), sondern in Halle anzusiedeln.

So frage ich mich mit Blick auf die Klimakrise, an deren Anfang wir stehen und deren Konsequenzen wir wohl Jahr für Jahr stärker erleben werden.

So frage ich mich nach einem Jahr brutalen russischen Angriffskrieges in der Ukraine.

Und es scheint so, als müssten wir viel miteinander streiten, um die Anliegen und Bedürfnisse zu verstehen, die hinter den verschiedenen Wegen stehen, die gegangen werden könnten.

Donnerstag, 23. Februar 2023

Vom Verstehen. Oder: Keine russischen Friedenstauben

Ich versuche als Seelsorger, nahe bei den Anliegen meiner Gegenüber zu sein.

Während meiner Tätigkeit als Gefängnisseelsorger wollte ich in den Gesprächen mit Inhaftierten verstehen, warum Menschen Verbrechen begehen. Ich habe versucht, die Familiengeschichten, die sozialen Umstände, die Macht des Drogenkonsums zu verstehen. Manchmal ist es mir gelungen.

Aber ich habe meine Grenzen. Ich kann nicht verstehen, wie der aktuelle Vernichtungskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt, irgendwie zu verstehen oder gar zu rechtfertigen wäre - außer durch Machtgier und Mordlust.

Freitag, 20. Januar 2023

„Tut Gutes! Sucht das Recht!“ (Jes 1,17). Ein Radiobeitrag zum Ukraine-Krieg

 So ähnlich werde ich am Sonntag, 22.01.2023, um ca. 10 vor 10 morgens auf rbb 88,8 zu hören sein:

Immer wenn mir auf die Frage nach dem Kern des Christseins jemand sagt, das sei die Nächstenliebe, rolle ich innerlich ein bisschen mit den Augen. Schon wieder dasselbe – immer die eine Hohlformel, die ein ganzes Glaubenssystem eindampft auf die Aufforderung: „Seid nett zu einander!“

Das Problem ist, dass das mit der Nächstenliebe irgendwie stimmt. Aber gleichzeitig auch zu wenig ist. Denn natürlich spricht die Bibel davon, einander Gutes zu tun, und das nicht erst seit Jesus.

Freitag, 30. Dezember 2022

 Persönliche Zusammenfassung des Jahres 2022

Blick auf die Oder.
Frankfurt (Oder), Ende September 2022.
1.
Das Vorzeichen, unter dem nahezu alles in diesem Jahr für mich stand, war der Krieg Russlands gegen die Ukraine.
Das entsetzliche Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer stand dabei im Vordergrund – aber auch die Frage, wie und wo meine Möglichkeiten sind, dem Grauen etwas Gutes entgegenzusetzen.

2.
Am wichtigsten ist mir die Fortführung des Straßenwörterbuchs in Frankfurt und Słubice geworden. Hier bin ich einer Menge wunderbarer Menschen mit verschiedensten sprachlichen, religiösen und parteipolitischen Hintergründen begegnet. Aber auch beim Bäumepflanzen, beim Beten um den Frieden, bei der Frage, wie Hilfe für Geflüchtete und Daheimgebliebene organisiert werden kann, habe ich gemerkt, was man in dieser Stadt alles tun kann.

Montag, 26. Dezember 2022

Herbergssuche zwischen Kyjw und Frankfurt (Oder). Geistliche Betrachtungen zum Weihnachtsfest.

MUSIK 1

Extra 1
Zuweisungsbescheid. / Wohnungsgeberbestätigung. / Sprachkursteilnahme. / Aufenthaltstitel. / Kostenübernahme.

Haus im Regen.
Frankfurt (Oder), 2022.
Sprecher 1
Es sind lange und komplizierte Wörter, die wichtig werden, wenn man in Deutschland Zuflucht gefunden hat. Darum haben viele Ukrainerinnen und Ukrainer in den letzten Monaten mit diesen Wörtern zu tun bekommen. Aber viel mehr haben sie sich mit dem beschäftigt, was hinter diesen Wörtern steht: Rettung vor dem Krieg, Sicherung des Lebensunterhalts, ein Dach über dem Kopf und versuchen, das Leben in Deutschland zu meistern.

Das alles erscheint in einem besonderen Licht, wenn wir in diesen Tagen Weihnachten feiern. Denn an Weihnachten feiern Christinnen und Christen die Geburt Jesu Christi. Wir feiern die Ankunft eines Fremden - als einer von uns. Oder in der Sprache der Theologie: Gott wird Mensch in Jesus Christus.
Die Berichte über Jesu Geburt sind – vorsichtig formuliert – historisch ungesichert. In den bekannten biblischen Texten wird berichtet von einer Volkszählung des Kaisers Augustus, vom Weg Josefs mit der schwangeren Maria aus Nazareth in Galiläa nach Betlehem, von der Geburt im Stall, weil „in der Herberge kein Platz mehr war“.
Was auch immer davon so oder so ähnlich geschehen ist: der Wunsch des biblischen Autors wird deutlich. Er wollte zeigen, dass Gott in ungesicherte Verhältnisse kommt, dass keine „Willkommenskultur“ herrscht, dass niemand mit offenen Armen auf ihn wartet.

Sonntag, 4. Dezember 2022

Zweiter Advent - Standhalten

 


Zwei Kerzen im Wind. 

Sie müssen keine Dunkelheit mehr vertreiben, denn ringsum leuchtet und blinkt ja schon alles. 

Freitag, 4. November 2022

„Mach neu, was dich kaputt macht“ Eine Buchempfehlung

Johanna Beck ist in Sachen Kirchenerneuerung unterwegs. Man konnte beim Synodalen Weg von ihr hören und in der Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“ von ihr lesen. Doch sie ist auch Autorin eines Buches, in dem sie ihre persönliche Geschichte erzählt.

Mit „Mach neu, was dich kaputt macht“ tritt sie aus der Anonymität einer von Missbrauch in der Kirche Betroffenen heraus und schildert ihre Erfahrungen damit – und mit dem, was aus dem Missbrauch folgte und nicht folgte.

Donnerstag, 27. Oktober 2022

Sei parteiisch!

Dieser Tage komme ich mehr und mehr auch mit ukrainischen Studierenden in Kontakt. Für sie ist die Haltung der Deutschen, wenn es um Russlands Krieg gegen ihr Heimatland geht, nicht immer einfach zu verstehen. 

Denn es gibt hier die mancherorts verbreitete Annahme, aus dem aktuellen Krieg müsse man sich in Deutschland nicht nur praktisch-politisch, sondern auch mental heraushalten. Mit anderen Worten: Neutral sein, nur keine Partei für eine Seite ergreifen, denn nur so könne man in Deutschland angemessen handeln. 

Ich halte das für falsch. Neutralität ist in diesem Fall keine moralisch legitime Position.

Freitag, 15. Juli 2022

Alles hohl!

Alles steht wie ausgehöhlt.

Kulissen ohne Hinterland.

Ein Lächeln ohne Augen.


Nur noch Wüste ringsumher.

Trocken, tot und selbstgefällig.

Blasse Sonne brennt und wärmt nicht mehr.

Freitag, 10. Juni 2022

Meine, deine, unsere Sprache. Impuls beim Friedensgebet in Frankfurt (Oder)

 Man sollte meinen, eine Sprache, die beide Seiten verstehen, erleichtert die Kommunikation.

Wenn wir in die Ukraine schauen, scheint das aber nicht der Fall zu sein.

Dort wachsen die Menschen in der Regel mehrsprachig auf, das Russische und das Ukrainische werden normalerweise verstanden – je nach Region ist die aktive Nutzung der Sprache verschieden, aber verstanden wird die jeweils andere Sprache.

Karl Schlögel, ehemaliger Professor der hiesigen Europa-Universität Viadrina, schreibt in seinem Aufsatzband „Entscheidung in Kiew“ dazu:

Donnerstag, 26. Mai 2022

„Der Himmel ist für alle da“ Katja Petrowskaja an Christi Himmelfahrt lesen

 Schaut in den Himmel - und ihr kommt hin. 

So könnte man die wunderbaren Gedanken von Katja Petrowskaja zusammenfassen, die sich in ihrem neuen Buch „Das Foto schaute mich an“ zu einem Bild mit einer einzelnen Wolke finden.

Es passt gut zum heutigen Fest, das ja auch eine Einladung ist, dass alle in den Himmel kommen.


„Wenn man auf die Wolken schaut, landet man sofort im Himmel, ohne Leiter, ohne Flügel. Man wird selbst zur puren Phantasie, im Schauen verharrend. Ein Blick dahin - und der festgeschnürte Körper verliert bereits seine Eindeutigkeit, fängt an zu schweben. Geerdete Gedanken lösen sich von der Schwerkraft und schwingen sich mit dem Blick empor.
Ich schaue auf diese Wolke, und alles Schwere in mir wird bedeutend und leicht, das Einsame wird zum Einzigen. Wir schauen durch sie hindurch, auf die ganze Breite des Himmels, in seine Unendlichkeit. Die Landschaft müssen wir betreten, »aber der Himmel wölbt sich über alle«, bemerkte der scharfäugige Kunsthistoriker John Ruskin.
Der Himmel ist für alle da.“

(K. Petrowskaja, Das Foto schaute mich an. Kolumnen. Berlin 2022, 207f.)

Samstag, 21. Mai 2022

Was braucht es zum Christsein? Predigt zu Apg 15 und Joh 14

1.
Es ist dies einer der entscheidendsten Textabschnitte, den die Apostelgeschichte zu bieten hat, wenn es um die Frage geht, wie sich die ersten Gemeinden in ihrer Stellung zum Judentum entwickeln.
Denn wie man hörte (15,1-2.22-29), gab es einige, die sagten, diejenigen, die als Nichtjuden zum Glauben an Jesus als den Sohn Gottes gefunden hatten, müssten sich erst beschneiden lassen und alle Gebote der Tora befolgen, bevor sie vollgültig Mitglieder der neuen christlichen Gemeinde werden könnten.
(Man merkt auch: im Blick waren vor allem die Männer als Zielgruppe der Verkündigung – gut, dass das heute anders ist.)
Paulus und Barnabas, die beiden Missionare, widersprachen diesem Standpunkt entschieden – sie waren der Meinung, dass Beschneidung und die Gesetze der Tora für die Christgläubigen keine solch weitreichende Bedeutung haben und man darum Christ:in werden kann, ohne zuvor zum Judentum zu konvertieren.

Samstag, 7. Mai 2022

Eine wirklich gute Zukunft im Blick. Predigtgschnipsel zum Evangelium vom Guten Hirten

„Ihr wollt nicht?“ - „Dann machen wir es eben ohne euch!“
Die Dynamiken in der Lesung aus der Apostelgeschichte (Apg 13,43-52) zeigen ziemlich gut, wozu wir Menschen in Krisensituationen neigen: Wenn es Konflikte gibt, schlagen die emotionalen Wellen hoch und die Verständigung wird schwieriger. Es gibt Spaltung und Hetze gegen „die Anderen“, außerdem bestimmen Konkurrenz und Neid das Bild. Man hat sich nichts mehr zu sagen der Dialog wird beendet.

Wie traurig!
Und doch – manchmal geht es auch nicht anders.

Donnerstag, 21. April 2022

Achtsam für Wunden, nicht in sie verbohrt! Predigt zum Semesterstart

 Als ich vor ziemlich genau 20 Jahren in Lwiw in der Ukraine einen Freiwilligendienst gemacht habe, bekam ich eine Menge Wunden zu sehen. Denn meine Aufgabe war damals, ehemalige Häftlinge der deutschen Konzentrationslager zu besuchen.
Manchmal waren die Begegnungen eher belanglos, manchmal schwierig (vor allem wegen meiner anfangs sehr geringen Sprachkenntnisse), manchmal auch erfrischend. Aber an irgendeinem Punkt kam die Rede fast immer auf die Verwundungen in ihren Leben.
Nicht immer, das muss ich betonen, waren es die Erfahrungen aus den Konzentrationslagern, die am meisten obenauf lagen und als am schlimmsten erinnert wurden. Manchmal waren es Erfahrungen mit Schikanen in der Sowjetunion, manchmal der Verlust eines Familienmitglieds in der jüngsten Zeit, manchmal die Einsamkeit, die aus der Tatsache folgte, dass der Sohn oder die Tochter zum Arbeiten nach Westeuropa gegangen waren.