Samstag, 19. Mai 2018

So viele Sprachen! So viele Deutungen! Und Pfingsten heißt: Love is the way.

Auch wenn Menschen innerhalb verschlossener Räume und hinter Mauern leben, wirkt der Geist Gottes!
Das ist für mich die erste wirklich gute Botschaft der Geschichten, die eben vorgelesen wurden (vgl. Apg 2,1-11; Joh 20,19-23). 
Denn es bedeutet, dass der Heilige Geist, dessen Ausgießung wir heute feiern, Sie auch innerhalb der Gefängnismauern problemlos erreichen kann. Gott will Ihnen nahe sein im Heiligen Geist – auch in dieser Zeit der Unfreiheit!
Soweit klingt das ziemlich gut, wie ich finde. Aber was bedeutet es konkret für unser Leben?

Mittwoch, 16. Mai 2018

Provokation mit Häkchen. Kommentar zu Erik Flügges "Eine Kirche für viele"

Ich bin nah dran an der Situation, die sich Erik Flügge in seinem neuen Buch wünscht.

Mit „Eine Kirche für viele statt heiligem Rest“ hat der Politikberater und Autor, der auch schon über die Probleme kirchlichen Sprechens publiziert hat, nun eine Art fundamentaler Strukturkritik vorgelegt. Es ist wieder ein Buch herausgekommen, das vor Pauschalisierungen und harten Worten nicht zurückschreckt.
Leichtgewicht oder Überflieger?
Berlin, 2018.
Kurz gesagt geht es ihm darum, dass möglichst viele Kirchenmitglieder mit der Kirche, der sie angehören, in Kontakt kommen. Derzeit würden aber, so schreibt er, Angebote für den Kern von 10 Prozent gemacht, der Rest zahle zwar Kirchensteuer, würde aber nie etwas von der Kirche sehen. Nötig seien deshalb statt Gebäuden und Strukturen in erster Linie face-to-face-Kontakte, konkret schlägt er Besuche von Hauptamtlichen und engagierten Ehrenamtlichen bei den inaktiven Christen vor. Ziel ist eine "Kirche für alle", die nicht auf ihren Immobilien hockt und jammernd wartet, wer noch kommt, sondern sich selbst in Bewegung bringt und zur "aufsuchenden Kirche" wird.1

Samstag, 12. Mai 2018

Gott ist weg – was nun? Eine Gemeindepredigt.

Gott ist weg.
Das ist die Situation, in der sich die Jünger zwischen Himmelfahrt und Pfingsten befunden haben.
Ich weiß nicht, ob Sie sich in die Lage hineinversetzen können, in der sich die Jünger befunden haben müssen, nachdem Jesus zuerst verhaftet wurde, dann am Kreuz gestorben war und schließlich zu Himmelfahrt gänzlich verschwand.
Der Lebensmittelpunkt der Jünger war damit verschwunden. Monate- oder sogar jahrelang waren sie mit Jesus durch Galiläa und Judäa gelaufen, hatten dafür ihre Familien verlassen und sich ganz auf dieses neue Leben des Messias eingestellt. Und nun ist er weg, auf den Schock seines Todes folgte zunächst der Schock seiner Auferstehung, aber selbst darauf aber hatten sie sich eingelassen. Aber nun ist er weg. Keine Erscheinungen mehr, kein Brotbrechen mit dem Auferstandenen, keine Sicherheit, dass da überhaupt jemand ist.

Mittwoch, 9. Mai 2018

Himmelfahrtskommando. Filme zum Fest

Wie die Begriffe sich doch wandeln!
Während die Himmelfahrt Christi noch eine theologisch vollkommen positiv besetzte Begrifflichkeit ist (wenn die Jünger auch zunächst allein zurückgelassen werden), so meint das „Himmelfahrtskommando“, wie man es vorwiegend aus Kriegs- und Actionfilmen kennt, nicht Rettung durch die Rückkehr zum Ursprung, sondern ein nahezu aussichtsloses Unterfangen, in das die Protagonisten, meist Soldaten oder Söldner, ohne große Hoffnung auf Rückkehr geschickt werden.
Himmelfahrt ist damit Synonym für „quasi tot“ geworden.

Dienstag, 8. Mai 2018

"Niemals im Leben vergessen". Heinrich Bölls Kriegsende

Im Mai 1945 muss es wieder sehr kalt gewesen sein.
Noch am 01. Mai notiert Heinrich Böll in seinem Tagebuch "Schnee-Morast"1 für sein Kriegsgefangenenlager in Attichy nordöstlich von Paris.

Dementsprechend fühlt sich der spätere Literat auch: "Kälte, Schmutz Elend, Hunger und Jammer, Jammer!"2 sind die Stichworte während dieser Zeit, die er wie alles in seinen Tagebüchern in äußerst knappen Worten festhält. Diese Schlaglichter beschreiben nichts, sie deuten nur auf das, was die hauptsächlichen Emfindungen gewesen sein müssen. Besonders der Hunger zieht sich seitenlang als immer wiederkehrende Notiz über die Seiten jener Wochen.
Unordnung und Dreck.
Müllrose, 2017.

Samstag, 5. Mai 2018

Biblische Mathematik: Demut + Offenheit = Liebe

Die Lesungen des Sonntags sind mal wieder besonders reich an wundervollen Texten, die noch dazu eine aussagekräftige Gleichung des Christlichen ergeben.

1. "Auch ich bin nur ein Mensch" (Apg 10,26)
Die Lesungen aus der Apostelgeschichte erzählen in der Osterzeit von den ersten Gemeinden und reflektieren die Verkündigung der Apostel. Im heutigen Abschnitt kommt Petrus nach Caesarea und der römische Hauptmann Cornelius fällt ihm zu Füßen.
Petrus antwortet ihm daraufhin: "Steh auf! Auch ich bin nur ein Mensch."
Der Moment größter religiöser Macht ist auch ein Moment größter Versuchung. Wie leicht könnte Petrus sich jetzt, wie er es im Beisein Jesu ja mehrfach tat, groß aufspielen und zeigen, was für ein toller Kerl er ist, wie glaubensstark und nah beim Herrn.
Nichts dergleichen tut er hier. Stattdessen macht er den Unterschied zwischen Mensch und Gott groß und zeigt sich demütig.

Freitag, 4. Mai 2018

"Nihil esse respondendum". Kommunionempfang und Ambiguitätstoleranz

Das Buch der Stunde stammt von dem Islamwissenschaftler Thomas Bauer. 
Jedenfalls liefert es entscheidende Hinweise für das Verstehen der Vorgänge um die Handreichung der Deutschen Bischofskonferenz zum Kommunionempfang für nichtkatholische Ehepartner in einer gemischtkonfessionellen Ehe.

Kurz zur Vorgeschichte: Im Februar hatten die Deutschen Bischöfe ein Dokument erarbeitet, in dem die Möglichkeit zur Spendung der Kommunion in diesem Kontext eröffnet wurde. Einige Bischöfe (unter ihnen Rainer Maria Woelki, Rudolf Voderholzer, Stefan Oster) wandten sich, unzufrieden mit der Entscheidung der Mehrheit der DBK und in Angst um "Glaube und Einheit der Kirche", an den Vatikan und baten um Klärung, ob eine solche Entscheidung überhaupt in der Kompetenz einer Bischofskonferenz liege.

Samstag, 28. April 2018

"feeling so connected" – Die Bildrede vom Weinstock (Joh 15)

Es gibt einen Song von Peter Gabriel, "More than this", in dem eine Art mystischer Begegnung besungen wird. Ein Mann erwacht in der Frühe, geht aus dem Haus und läuft so lange er kann. Dann sieht er Bewegung in der Luft. Und da steht er, alles, was er hatte, ist fort und sogar noch mehr, dann steht er still und spürt, fühlt sich verbunden.

...there is something else there
when all that you had has all gone
and more than this
i stand
feeling so connected
and i'm all there
right next to you
...

(Peter Gabriel, More than this)1

Ich kenne die Religiosität von Peter Gabriel nicht, aber das Gefühl, nicht allein zu sein und sich mit etwas oder jemandem Größeres verbunden zu fühlen, ist eine urreligiöse innere Bewegung.

Freitag, 27. April 2018

Gottes Nachbarn und unsere Nachbarn. Anstöße von Petrus Canisius und Papst Franziskus

Es gab Zeiten in der Kirchengeschichte, da wurde der Heilige Petrus Canisius, Tagesheiliger und Apostel Deutschlands, stärker verehrt.
Bei einem Blick, den ich auf der Suche nach Anregungen gestern in seinen Katechismus und seine Briefe warf, verstand ich auch, warum das so ist. Denn da ist viel von Abtötung und Gehorsam, Selbstverleugnung und den Demut zu lesen. So viel, dass selbst ich nichts so ansprechend fand, dass ich es gern hier präsentiert hätte.

Nur an einer Formulierung blieb ich hängen: In seinem Katechismus erklärt Canisius auch die Zehn Gebote und beim Ersten Gebot widmet er sich neben dem Gebot der Alleinverehrung Gottes auch der Frage, ob es sich gehöre, die Heiligen zu ehren. In klassischer Unterscheidung antwortet er: "Ja, aber nicht auf die Weise, wie es uns befohlen ist, Gott zu ehren, anzubeten und anzurufen", vielmehr würden die Heiligen als "auserwählte Freunde und Nachbarn Gottes" angerufen.1

Mittwoch, 25. April 2018

Kreuze für Bayern und Kippa für alle. Zwei religiöse Symbole im öffentlichen Raum

In zwei ganz unterschiedlichen Kontexten sind religiöse Symbole in den letzten Tagen wieder Gegenstand gesellschaftlicher Debatten geworden. Zum einen die Attacke auf einen kippatragenden Israeli im Prenzlauer Berg in Berlin durch einen Palästinenser, zum anderen durch die Anordnung, dass in bayerischen Behörden demnächst verbindlich Kreuze hängen sollen.

Einmal geht es um die privaten Ausdruck der persönlichen Religiosität, eine Einzelperson nimmt also ihr Recht auf freie Religionsausübung in Anspruch1 und wird deshalb angegriffen; einmal geht es um die Geste eines sich religiös-weltanschaulich neutral definierenden Staates, der sich augenscheinlich in einer religiösen Tradition verorten will.

Samstag, 21. April 2018

"Ich habe noch andere Schafe" – Jesus Christus als Hirte aller Religionen?

Ein Satz im heutigen Sonntagsevangelium (Joh 10,11-18) macht mir regelmäßig zu schaffen. Nachdem Jesus sich als guter Hirte eingeführt hat, sagt er:

"Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten." (v16)

Wenn alle Christen Jesus als ihren Hirten ansehen und als seine Herde von ihm zu Gott geführt werden wollen, dann kann es sich bei denen, die als "andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind" bezeichnet werden, nicht um Christen handeln.

Es scheint mir also die Frage nach Jesus und seinem Verhältnis zu den Anhängern anderen Religionen zu sein, die in oben genanntem Satz auftaucht (jedenfalls möchte ich ihn hier einmal so lesen). Unzählige Schriften sind zu dieser Problematik verfasst worden, das Problem wurde von den verschiedensten Seiten gewälzt.1
Hier nur ein paar Gedanken dazu:

Mittwoch, 18. April 2018

Neues von Tieren und Menschen und Gott. Texte von J.M. Coetzee und Monika Maron

Menschen und Tiere haben mehr gemeinsam, als viele von uns, besonders von uns Fleischessern, wahrhaben wollen.
Zugleich sind sie nach christlicher Überlieferung stark voneinander unterschieden, ist der Mensch bestimmt, über das Reich der Tiere und Pflanzen zu herrschen (vgl. Gen 1,26.28).
Diese beiden Meinungen müssen sich nicht ausschließen. Aber Menschen, die eine dieser Meinungen vertreten, neigen dazu, die Unhaltbarkeit der je anderen Meinung zu betonen. Oder sie wenigstens nicht mehr hören zu müssen.
Hinter diesen Meinungen verbirgt sich auch die umfassendere Frage nach der Stellung des Menschen in der Welt, nach seiner Würde und seiner Aufgabe.

Zwei aktuelle Romane bieten für beide Meinungen prägnante Texte an.

Samstag, 14. April 2018

Kein Tropfen darf zu Boden fallen! Hilde Domin und die Auferstehungsbotschaft

Was ist von uns Christen verlangt?
Dass wir von unserer Hoffnung auf die Auferstehung sprechen, die aus dem Zeugnis der Apostel von der Auferweckung Jesu folgt.
In den Evangelien nach Ostern jedenfalls geht es dauernd darum. Das heutige Sonntagsevangelium (Lk 24,34-48) handelt von einer Erscheinung des Auferstandenen vor seinen zweifelnden Jüngern und endet mit dem Satz: "Ihr seid Zeugen dafür." (v48)

Leider ist die Auferstehungshoffnung nicht unter allen heutigen Christen angekommen, und nicht überall wird sie bezeugt, aber ohne sie ist kein Christsein.

Beim Lesen eines Gedichtes habe ich mich an die Aufforderung zum Zeugnis erinnert.

Donnerstag, 12. April 2018

Kriegsgefahr – Und ein Satz von Monika Maron

Überall wird davon gesprochen, dass die USA unter ihrem Präsidenten Donald Trump demnächst in einen Krieg stolpern würde. Erst die Kriegsrhetorik gegenüber Nordkorea, dann die Provokationen in Richtung des Iran wegen des angeblich unzureichenden Atomabkommens und nun die Ankündigung eines Angriffs gegen das syrische Regime mit seinem Unterstützer Russland.

Wenngleich ich die ständigen Drohungen und Kraftmeiereien unsäglich finde, sehe ich doch auch, dass die Möglichkeiten völkerrechtlicher Beschlussfassungen auf dem Boden der UN augenscheinlich an ein Ende kommen.
Die vielgenannte "responsibility to protect" wirkt wie ein großer Luftballon, aus dem immerzu Luft abgelassen wird bis nichts mehr übrig bleibt.

Freitag, 6. April 2018

Die Trauerarbeit des Apostels Thomas

Ich stelle mir den Apostel Thomas als einen Menschen vor, der gut zu trauern gelernt hat.

Denn den anderen Jüngern ließe sich ohne Weiteres unterstellen, sie hätten mit dem Verlust ihres Meisters nicht fertig werden können und befänden sie sich in den Tagen nach Ostern im Zustand des Nicht-wahrhaben-Wollens. So nennt die Psychotherapeutin Verena Kast die Phase des Trauerprozesses direkt im Anschluss an den Tod eines geliebten Menschen.1
Mit dem Tod Jesu, so könnte den Jüngern unterstellt werden, vermögen sie sich nicht abzufinden, weshalb sie Jesu erneute Gegenwart imaginierten.
Die Gestalt des Thomas widerspricht einer solchen Deutung der Auferstehungsbotschaft.