In seinem Roman "Der
Widersacher" erzählt Emmanuel Carrère sein Ringen mit der
Geschichte von Jean-Paul Ramond, einem Mann, der 18 Jahre lang sein
engstes familiäres Umfeld über seine beruflichen und finanziellen
Verhältnisse belogen hat. Kurz bevor alles aufgeflogen wäre, tötete
er seine Frau, seine Kinder und seine Eltern.
Donnerstag, 14. Februar 2019
Bekehrung? "Der Widersacher" von Emmanuel Carrère und die Rolle des Gefängnisseelsorgers
Der Gefängnisseelsorger habe ihm sehr
geholfen, "zur Wahrheit zurückzukehren. Doch die
Wirklichkeit ist so grauenhaft und unerträglich, dass ich befürchte,
mich aufs Neue in eine imaginäre Welt zu flüchten".1
Freitag, 8. Februar 2019
Welche Berufungen wünscht sich die Kirche? Kritik an den Sonntagslesungen
Dieser Sonntag präsentiert uns drei
Texte zum Thema Berufung.
Da ist einmal der mit einer gigantischen Vision begnadete Jesaja, der die Frage hört, wer mit der göttlichen Botschaft gesandt werden solle und trotz seiner eingestandenen Unwürdigkeit bereitwillig antwortet: „Hier bin ich, sende mich.“ (Jes 6,8)
Augenscheinlich spricht hier ein besonders Eifriger.
Ähnlich tritt Paulus auf, der in der zweiten Lesung aus dem Ersten Korintherbrief jedoch betont, dass er der Letzte der Apostel und alles nur „durch Gottes Gnade“ sei, denn dessen „gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben.“ (1 Kor 15,10)
Trotz seines Eifers scheint Paulus die entscheidende Wirkkraft also bei Gott zu sehen.
Da ist einmal der mit einer gigantischen Vision begnadete Jesaja, der die Frage hört, wer mit der göttlichen Botschaft gesandt werden solle und trotz seiner eingestandenen Unwürdigkeit bereitwillig antwortet: „Hier bin ich, sende mich.“ (Jes 6,8)
Augenscheinlich spricht hier ein besonders Eifriger.
Ähnlich tritt Paulus auf, der in der zweiten Lesung aus dem Ersten Korintherbrief jedoch betont, dass er der Letzte der Apostel und alles nur „durch Gottes Gnade“ sei, denn dessen „gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben.“ (1 Kor 15,10)
Trotz seines Eifers scheint Paulus die entscheidende Wirkkraft also bei Gott zu sehen.
Dienstag, 5. Februar 2019
Pedro Arrupe – Prophet einer „Gesellschaft der Genügsamkeit"
Heute wird in Rom
der Seligsprechungsprozess
von Pedro Arrupe eröffnet.
Neben vielen
innerkirchlichen Themensetzungen hat er schon vor vierzig Jahren er
den Finger in jene Wunden gelegt, die uns heute besonders schmerzen.
Ich beziehe mich im Folgenden auf einen Vortrag, der am 21.11.1977 in
Montreal1
gehalten wurde:
Der Raubbau an den Gütern
der Erde und die ungleiche Verteilung von Lasten und Erträgen ist
ein anhaltender Skandal. Arrupe legt Wert darauf, dass dieser Skandal
Ausdruck einer Kultur ist, die den Menschen zum "homo
consumens" degradiert. Für diesen sind Profitmaximierung
und Effizienz die entscheidenden Maßstäbe, sogar die Beziehungen
sind dem Nützlichkeitsdenken untergeordnet. Darunter leiden in
besonderer Weise die Armen und die Natur.
Der Ordensmann resümiert
im Anschluss an seine Problemanzeige grundsätzlich:
"Nach all dem
scheint es klar, daß Genügsamkeit oder ein eingeschränkter
Lebensstil für das materielle und soziale Überleben der Menschen
unbedingt notwendig sind."
Da fehlt doch was!? Neukölln, Berlin, 2019. |
Arrupe empfiehlt deshalb
eine "Gesellschaft der Genügsamkeit", in der die
Menschen "sich nicht mehr nach Besitz, sondern nach mehr
Leben" sehnen.
Allerdings weiß er um die
Stolpersteine:
"Jeder gibt die
Notwendigkeit von wirkungsvollen Schritten zu. Das kann nicht ohne
große Opfer geschehen, aber wer ist bereit, sie zu bringen? Niemand
unternimmt etwas, weil niemand eine genügend starke und überzeugende
Motivation für die Art von Opfern hat, die ein genügsameres Leben
erfordert. Der Arme sagt: 'Laß den Reichen beginnen; ich lebe schon
genügsam genug!' Der Reiche fragt: 'Warum soll ich aufgeben, was ich
mir rechtmäßig erworben habe? Es wird niemandem nutzen, wenn andere
nicht genauso handeln. Sollen sie anfangen, dann werden wir ja
sehen!' Und auf diese Weise unternimmt niemand etwas."
Einen ähnlichen Eindruck
kann man auf den einschlägigen Konferenzen gewinnen und die
Frustration darüber bewegt (nicht nur) junge Menschen wie die
Schwedin Greta Thunberg und Tausende Schülerinnen und Schüler
weltweit ("friday for future").
Denn das Dilemma ist
natürlich allbekannt: Warum soll gerade ich auf meinen Urlaub im
Süden verzichten? Muss denn alles gleich mit Verzicht zu tun haben?
Eine ganze Industrie ist
damit beschäftigt, uns Konsumenten das Umweltgewissen ruhigzustellen
und die persönlichen Kosten erträglich zu halten. Und einen
Lebensstil pflegen, der gesellschaftlich möglichst anerkannt ist. Damit es nur ja nicht zu sehr weh tut und sich wie
Verzicht oder Entbehrung anfühlt.
Hier ist Widerstand geboten. Denn wir werden nicht
drumherum kommen. In den Siebzigern sprach Arrupe zu Ordensleuten,
aber die Botschaft, um die es damals wie heute geht, betrifft auch
uns und bleibt ein Stein des Anstoßes:
"Wir sollten auf
viele Dinge, die uns notwendig erscheinen, verzichten."
Eigentlich ist es so
einfach wie einleuchtend. Allein, die Umsetzung...!
Dabei folgt diese
Aufforderung einer Logik, für die weder Religion noch Weltanschauung
vonnöten sind, es ist einfach der Menschenverstand, der Genügsamkeit
gebietet.
Das Christentum bietet
jedoch eine naheliegende Motivation – statt als "homo
consumens" zu leben, sind die Gläubigen aufgerufen, in den
Spuren Jesu zu "homines servientes" zu werden, zu
dienenden Menschen, die in ihrem Leben glaubwürdig die "Bekehrung
zur Genügsamkeit" vorleben.
Und diese Bekehrung haben
wir alle nötig.
Ich bin Pedro Arrupe sehr
dankbar für diese hochaktuellen Gedanken.
Was brauche ich davon wirklich? Holz im Hinterhof, Treptow, Berlin, 2016. |
1 Über
die Aufgabe der Orden in der modernen Konsumgesellschaft. Aus dem
Vortrag zur Eröffnung des Dritten Interamerikanischen Kongresses
für Ordensleute. In: P. Arrupe, Unser Zeugnis muss glaubwürdig
sein. Ein Jesuit zu den Probleme von Kirche und Welt am Ende dees
20. Jahrhunderts. Ostfildern 1981, 143-156.
Samstag, 2. Februar 2019
Deine Zukunft gehört dir nicht! Visionen an Darstellung des Herrn
Das Evangelium
am Fest der „Darstellung des Herrn" hat eine doppelte Botschaft:
Es sagt nämlich, dass unser Leben
eigentlich Gott gehört – aber auch, dass er uns mit einer vollen
Zukunft beschenken will. Gott erhebt Anspruch auf unser Leben – und
zugleich gibt er uns das Versprechen, dass er eine wunderbare Vision
dafür hat.
1. Erläuterung zum jüdischen
Hintergrund1
Wenn die Eltern Jesu etwas mehr als
einen Monat nach seiner Geburt in den Tempel kommen, um ihren Sohn
vor Gott hinzubringen („darzustellen", wie es im Namen des Festes
heißt), dann erfüllen sie damit zwei Gebote, die in der Torah zu
finden sind.
Das ist sperrige Kost, die ich hier gern nur kurz erläutern und stehen lassen möchte:
Im Tempel. Propsteikirche, Leipzig, 2018. |
Zum einen geht das Denken jener Zeit
davon aus, dass eine Frau sich nach der Geburt rituell reinigen, das
heißt in einen Zustand versetzen muss, in dem sie vor Gott hintreten
kann. Für diese Wiedereingliederung in das religiöse Leben bringt
sie im Tempel eine Gabe dar (vgl. Lev 12,1-8).
Das zweite mit dem Besuch erfüllte Gebot besagt, dass der
Erstgeborene bei Gott „ausgelöst", also sozusagen umgetauscht
werden muss. Dahinter wiederum steht der Gedanke, dass jede männliche
Erstgeburt Gott gehört.
Dieser Anspruch Gottes auf das erste
Kind zweier Menschen geht nach der biblischen Überlieferung zurück
auf die Verschonung der Erstgeborenen der Juden beim Auszug aus
Ägypten (im Gegensatz zu den Erstgeborenen der Ägypter). Während
die einen (die Juden) gerettet wurden, mussten die anderen (die
Ägypter) sterben (Ex 13,12-15).
Diese historische Bevorzugung soll nun gewissermaßen von den einzelnen Gläubigen wieder aufgeholt werden.
Abgesehen von den Hinweisen auf die
Exodus-Geschichte stecken aber auch noch grundsätzlichere Hinweise
im Text:
Der Evangelist betont außerdem die
Gesetzestreue der Eltern Jesu, die sich ganz in der Frömmigkeit
ihrer Religion bewegen, die ja nicht die Religion der ersten
Leserschaft ist. So zeigt er Kontinuität und Differenz zur Religion Israels auf.
Dazu kommt, dass im Hereinbringen des
Kindes in den Tempel die Zugehörigkeit Jesu zu Gott besonders
herausgestellt wird – bemerkenswert ist, dass dies eigentlich für
alle gilt, der Evangelist (der den Tempel vermutlich nicht mehr
gekannt hat) stellt Jesu Verbindung zu seinem im Tempel verehrten
Vater jedoch noch einmal besonders heraus, wenn er betont, dass sie
das Kind brachten, "um es dem Herrn zu weihen."
(v22)
Ein weiteres Motiv taucht auf, nämlich
dass Kinder, und zwar alle Kinder, als eine Gottesgabe angesehen
werden.
Die Eltern kommen zu Gott und bitten
ihn mit dem Opfer gewissermaßen noch einmal um ihr Kind, das sie
doch schon haben – das zeigt, dass Kinder nicht ihren Eltern
gehören. Sie sind, trotz aller Abhängigkeit von den Eltern und
trotz der engen Blutsbande, freie Wesen und stehen nicht nur als
Kinder von irgendwem, sondern direkt als sie selbst vor Gott.
Das betont die individuelle Freiheit jeder Person vor Gott.
2. Die Zukunft vorhersagen
Der greise Simeon sagt Jesus etwas
Großes voraus. Seit Jahren wartet er darauf, den Erlöser zu sehen
und nun wird dieser Wunsch ihm erfüllt. Er sagt vom Kind, dass es
das Heil und das Licht der Heiden sei, dass es Herrlichkeit für
Israel bedeute (vgl. v31.32) und dass es die Verhältnisse umkehren
werde: viele sollen "durch ihn zu Fall kommen und viele
aufgerichtet werden". (v34)
Aber dieses Vorhersagen ist zutiefst zwiespältig:
Auch in der Situation der Haft gibt es
immer wieder Leute, die Ihnen sagen, wo es für Sie -
höchstwahrscheinlich – hingeht. Jedes Mal, wenn der Plan für den
weiteren Verlauf des Vollzugs geschrieben wird, muss eine Diagnose
erstellt werden. Dann entscheidet irgendwer, dass Sie jetzt bereit
sind, stundenweise frei hinauszugehen – oder dass es eben noch
nicht so weit ist.
Oder es geht gar darum, dass eine Verlegung in den
Offenen Vollzug ansteht – auch hier muss jemand sagen:
„Ja, er wird es unter den Bedingungen größerer Freiheit
schaffen." Oder: „Nein, das kann er nicht."
Was die Zukunft bringt. Werbetafeln am S-Bahnhof Sonnenallee, Berlin, 2018. |
Wir alle wissen, dass Vorhersagen über
das Leben eines Menschen unmöglich sind. Alle, die das trotzdem tun
müssen, tun es (hoffentlich) im Wissen um ihre eigene Beschränktheit bezüglich
solcher Aussagen.
Simeon scheint sich jedoch sehr sicher
zu sein, ihm wird vom Evangelisten jedenfalls bescheinigt, dass der Geist ihn
in den Tempel geführt habe (vgl. v27).
Als Erwachsener fragen Sie sich
natürlich, ob sich das, was andere da über Sie sagen, auch mit dem
deckt, was Sie selbst in sich sehen. Im positiven Fall, wenn
Ihnen etwas zugetraut wird, ist das wahrscheinlich eher so.
Man muss ja ehrlicherweise sagen: Wenige
Leute möchten gern über sich hören, dass sie zu bestimmten Dingen,
die sie tun sollen, nicht in der Lage sind. Mir scheint oft, dass nur
selten jemand ausspricht (um im Kontext Haft zu bleiben): Ja, Sie
haben recht, es stimmt, für den Offenen Vollzug bin ich doch gar
nicht bereit.
Das Schöne ist nun, dass es eine
Perspektive gibt, die noch unendlich viel weiter geht als die
Perspektive eines Sozialarbeiters oder einer Sozialarbeiterin. Es ist
die Perspektive Gottes.
Denn Gott hat Großes mit Ihnen vor!
Nicht nur mit einigen Wenigen, sondern mit jedem, der hier sitzt.
Gott sieht in Ihnen etwas äußerst
Wichtiges und er möchte eine Zukunft für Sie, die Sie erfüllt und
zum Heil führt. Und er will Sie zum Heil machen, auch für
jene, die nicht zum auserwählten Volk gehören.
Sie können ein
Licht sein!
Sie können Herrlichkeit für einen Menschen sein!
Sie
können Menschen retten!
Und seien Sie beruhigt: Auch für
Jesus war das nicht leicht.
Gott verspricht uns kein Leben ohne Leiden, wenn
er uns eine große Zukunft und eine Leben in Fülle verheißt.
Wenn jemand für seinen Glauben
eintritt, Gottes Liebe zu allen verkündet und danach lebt, dann wird
oft genug genau das passieren, was von Jesus gesagt wurde: "er
wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird." (v34)
Aber darauf muss man sich einlassen. Oder sich ehrlich entscheiden, dass das nichts ist. Sie dürfen sich aber sicher sein: Gott traut es Ihnen zu, er will Sie dabei sogar unterstützen. Allerdings macht er nichts aus Ihnen, wenn Sie nicht mitmachen. Auch Jesus hat
sich auf den Weg seines göttlichen Vaters gemacht und ist nicht sein
Leben lang der Zimmermann geblieben, der er hätte sein können.
Denn dieser Weg verändert eine Person.
Auch dafür muss man bereit sein. Wenn Sie Ihr Leben in die Spur
Gottes stellen, dann gehört Ihnen Ihre Zukunft nicht mehr.
Dann lassen Sie sich darauf ein, dass
Gott Sie und die Zukunft Ihres Lebens verwandelt.
Das aber fordert Mut, Geduld und das tiefe Vertrauen
darauf, dass Gottes Plan für Sie wirklich gut ist.
Wenn Sie das probieren wollen, dann ist
der erste Schritt, dass Sie darauf hören, was Gott eigentlich mit
Ihnen ganz konkret vorhat – mit Ihren Erfahrungen, Ihrer
Lebensgeschichte, Ihren Talenten, Ihren Schwächen, Ihren Wünschen.
Fragen Sie ihn ruhig: Gott, was willst
Du von mir? Welche Zukunft siehst Du für mich?
(Manchmal kann auch die Perspektive der Sozialarbeiterin bei der Beantwortung dieser Fragen helfen!)
3. Das Leiden der Eltern
Ein kurzes Wort noch zu Jesu Eltern:
Von Maria wird noch gesagt, dass ihr ein Schwert durchs Herz fahren
werde (vgl. v35).
Das ist ein bekanntes Thema: Besonders
die Mütter haben es schwer mit ihren Kindern und sie leiden
besonders daran, wenn ihre Söhne Wege gehen, die nicht mit den
Erwartungen übereinstimmen…
Sicher geht oder ging es Ihren Müttern
nicht viel besser als der Mutter Jesu.
Manchmal sind die Situationen dann auch
schon so festgefahren, dass weitere Erklärungen oder Beteuerungen
nichts bringen.
Dann – und auch sonst – ist es eine
gute Möglichkeit, für die eigenen Eltern zu beten.
Mit Dank. Um Kraft und gelassene und
friedvolle Gedanken, wenn es um die eigenen Kinder geht.
4. Schluss
Lassen Sie sich ein auf den Weg, den
Gott mit Ihnen gehen will!
Seien Sie ein Zeichen, dem
widersprochen wird – aber ein Zeichen im Geiste Gottes!
Fragen Sie Gott, was Er von Ihnen will!
Wohin soll es gehen, Gott? Im Wald bei Grünheide, 2018. |
1 Vgl.
zum Folgenden die Hinweise unter
http://www.perikopen.de/Gedenktage/2Feb_Darstellung_Lk2_22-40_Dorn.pdf.
Samstag, 26. Januar 2019
Gott nicht loben! Eine Anklage aus Elie Wiesels "Die Nacht"
Wo war Gott in Auschwitz?
Warum hat er zugelassen, dass sein auserwähltes Volk millionenfach
ermordet wird?
Fragen nach der
Rechtfertigung Gottes beschäftigen jüdische und christliche
Theologen seit langem, ohne dass sie sich letztgültig beantworten
lassen.1
Der Holocaustüberlebende
Elie Wiesel, der 2016 im Alter von 87 Jahren gestorben ist, hat in
seiner frühen Erinnerungserzählung "Die Nacht" den
Zorn eines gläubigen Juden am Neujahrsfest Rosch Haschana
festgehalten. Die Häftlinge versammelten sich auf dem Lagergelände
von Auschwitz zum Gebet:
Mittwoch, 23. Januar 2019
Sabbat: Heilung und Ablehnung
Der Sabbat, für Christen der Sonntag,
hat die Funktion, Ruhe zu ermöglichen. So können Menschen Kraft
sammeln, sie haben Zeit für Außergewöhnliches oder können einfach
eine Pause machen. Diesen Sinn einer Unterbrechung des Alltags gibt
es auch jenseits einer religiösen Begründung.
Religiös betrachtet kann der Sabbat
Zeit für eine Begegnung mit Gott schaffen.
Heilung nötig. San Gimignano, 2018. |
Wenn Jesus im heutigen Evangelium
(Mk 3,1-6) am Sabbat einen Mann heilt, dann liegt sein Fokus jedoch nicht
auf der Pause an sich, sondern auf der Ermöglichung heilsamer Begegnung durch diese Pause.
Er macht aus der freien Zeit eine Zeit
der Heilung.
Denn das ist es, was Gott will: dass
wir heil werden. Auch wir können in den Unterbrechungen und Pausen,
vielleicht auch in der leeren Zeit der Haft und noch mehr hier im
Krankenhaus eine Begegnung machen, die heilsam wirkt.
Denn von Gott geht Kraft aus, die in
der Liebe stark ist.
Dort,
wo wertschätzende Begegnungen
stattfinden,
wo Vergebung möglich ist,
wo grundlos geschenkt und geteilt wird,
wo gegen alle Hoffnung gehofft wird,
wo nicht der eigene Nutzen im
Vordergrund steht,
wo Gebrechlichkeit und Schlechtigkeit
nicht einfach aussortiert werden,
wo jemand aufbricht und aus sich
herausgeht
– dort kann Gott eintreten.
Dann ist unser Alltag wie die Synagoge,
in die Jesus kommt und heilen kann.
Machen wir solche eben genannten
Erlebnisse (oder noch andere in der Art), dann müssen wir ihm unsere
Heilungsbedürftigkeit nur noch hinhalten.
Aber nicht für alle steht dieser
Aspekt des Sabbats im Vordergrund.
Die im Text genannten "Pharisäer"
und "Anhänger des Herodes" (Mk 3,6) stehen, wie
auch viele Juden heute noch, für die strikte Pause ein. Und auch das
ist eine legitime Sicht, die den Sabbat über Jahrhunderte bewahrt
hat.
Keine Arbeit, kein langer Weg, kein
Feuer im Herd.
Nur Notfälle zählen gerade noch als
erlaubte Handlung.
Doch in der Geschichte entsteht dadurch
bei den Anwesenden das Problem, dass ihr Herz dabei stehenbleibt: es
sieht nicht Gottes liebevolle Zuwendung und Jesu heilende Nähe, es
sieht nur die Grenzüberschreitung. Da tut jemand etwas, als eigentlich nichts getan werden darf. Mehr sehen sie nicht. Diese Verstocktheit macht Jesus
zornig.
Aber der Zorn hilft, wie so oft,
nichts.
Denn durch die verstockte Verengung des
Blicks kommt es zur radikalsten Ablehnung: Sie wollen Jesus
umbringen.
Jesus rührt nicht am Glauben an den
einen Gott. Aber immerhin am Dritten Gebot des Dekalogs. Das ist
nicht nichts, auch wenn uns das vielleicht so vorkommen mag.
Und dafür gehen sie sogar in den
Konflikt mit dem Fünften Gebot, in dem ja der Mord verboten wird. Es
scheint, dass religiöse Kategorien hier gar keine Rolle mehr
spielen, sondern dass in sinnloser Wut über Jesu Regelübertretung
das größtmögliche Geschütz aufgefahren wird.
Doch Jesus nimmt das auf sich, um
weiterhin seinen Weg unbeirrt zu gehen.
Trotz seines Zorns über die
Verstocktheit gibt er nicht auf und verkündet einen Gott, der
Heilung bringt, der Vergebung ermöglicht, der Leben rettet (vgl.
v4).
Für diese Botschaft geht er bis ins
Äußerste: Nicht im kalkulierten Niederreißen aller Regeln und
Gesetze des Volkes Israel, wohl aber in seiner Bereitschaft, für
seine Botschaft bis in den Tod zu gehen.
Denn für Jesus ist heilsame Begegnung
nötig. Die Zeit der Heilung beginnt sofort. Eines Menschen Rettung
kann keinen Aufschub vertragen.
Für diese Überzeugung scheut Jesus
keinen Konflikt.
Steiler Aufstieg. San Gimignano, 2018. |
Freitag, 18. Januar 2019
Reflexionen aus dem belanglosen Leben im Anschluss an die Hochzeit in Kana
Die Geschichte von der
Hochzeit in Kana (Joh 2,1-10), bei der Jesus Wasser zu Wein wandelt,
wird oft gedeutet als ein Zeugnis von Jesu Kraft, aus dem normalen
Alltagsbestand (das zum Waschen, Trinken, Reinigen bestimmte Wasser)
einen Genuss (der tolle Wein) zu machen.
Seit ich mich vor diesem
Sonntag mit dem Text auseinandersetze, frage ich mich, ob ich dazu
etwas schreiben kann.
Denn seit der Rückkehr
aus dem Silvesterurlaub trudeln die Tage nur so an mir vorbei, ohne
dass ich einen klaren Gedanken finden kann. Also auch keinen klaren
dazu!?
Leere Rahmen - Bilder wie immer irgendwie dazu. Rudow, Berlin, 2018. |
Verstärkt wird dieses
Gefühl, nichts zu sagen zu haben, durch die eher grundsätzlich
Frage, ob ich in diesem Blog noch etwas schreiben will. Religiöse
Themen muss ich gerade eher mit Gewalt an mich heranziehen,
literarische Entdeckungen mache ich in den gerade gelesenen Büchern
auch nicht wirklich.
Und überhaupt – wie
bisher aus jedem biblischen Text eine Weisheit an den Haaren ziehen,
das ist mir selbst ein bisschen suspekt, und doch weiß ich keine
andere Art zu schreiben, keine andere zu denken vielleicht.
Im Endeffekt ist die
Stimmung diesbezüglich: Lustlos, ausgelaugt, resigniert. Der Wein ist alle.
Beste Voraussetzungen
also, um nach der Verwandlung Ausschau zu halten, die das Evangelium
verheißt...?!
Was ist also das Normale,
das rangeschafft wird, damit Jesus etwas daraus macht?
In der Berliner Nasskälte
bin ich dauerkränkelnd nach der Rückkehr aus der Toskana, wo alles
sonnig, schön und auch ein wenig (aber wirklich nur ein wenig) kalt
war.
Jetzt dagegen: Viel Grau,
kein weiter Blick mehr, drückende Luft, Schmutz und Ekel in den
Straßen.
Die Bücher, die ich
gerade lese bzw. gelesen habe, sind nicht schlecht, aber auch nicht
umwerfend, was ich vor allem daran merke, dass ich mir keine Notizen
mache und keine Seiten merke, aber auch nicht hinwerfe. Na gut,
letzteres liegt mir sowieso nicht.
Das Humboldt-Buch von
Andreas Wulf war zwar anregend und spannend, aber irgendwann viel zu
lang und sich in Neben- und Nachgeschichten verheddernd, außerdem
voller Wiederholungen in enervierend immer gleicher Wortwahl.
Dann schleife ich immer
noch Esther Kinskys „Hain" hinter mir her. Mein Eindruck,
dass es keine Geschichte ist, die eine Entwicklung erzählt, sondern
Miniaturen, die manchmal gar nicht schlecht sind, aber auch die sind
nervtötend langsam und lang. Der Grundton der Trauer, der das Buch
durchzieht, verbessert die Sache nicht.
Weiterhin die Einsicht,
dass ich nicht viel zu sagen habe und auch keine ausreichend guten
Worte, um das dann wenigstens gut zu präsentieren.
Die Arbeitsstellen könnten
dissonanter nicht sein: Einmal fühle ich mich weitgehend
überflüssig, einmal bin ich so gefragt, dass ich nur noch hinterher
hetze und kein Gefühl für die Qualität meines Tuns mehr habe. Und
viele Leute enttäuschen muss.
Die Kinder kränkeln auch,
meine Frau arbeitet, wir sehen uns abends, reden etwas, gehen zu
Bett.
Politische Ereignisse
(Datenleck, Brexit-Chaos, Flüchtlingsschiffe, AfD-Querelen,
US-Shutdown, Dauer-Klima-Krise) ziehen eher so neben mir vorbei, ohne
dass ich den Eindruck habe, dass mich davon irgendetwas tiefer
berühren kann.
Bei all dem fühle ich
mich an einer belanglosen Oberfläche festgenagelt, matt, nutzlos und
ohne Antrieb. „Bis zum Rand" gefüllte Wasser-Tage (vgl. v7).
Also suche ich mal die
Perlen.
Kleines Glück. Trotz allem. Toskana, 2018. |
Was mich beglückt hat in
diesen letzten Tagen:
Die Facebook-Einträge
eines ehemaligen Mitstudenten mit zeitversetzten Logbuch-Notizen über
einen Aufenthalt in der Psychiatrie: knapp, eindrücklich, offen.
Die Stimme von SabineDevieilhe (zugegebenermaßen entdeckt, weil von youtube empfohlen),
die wirklich eine grandiose Offenbarung ist.
Das Schreib- und
Lesebedürfnis meiner vierjährigen Tochter.
Der Lesungstext vom
Donnerstag, dem 17. Januar, meinem Tauftag – ein Aussätziger kommt
zu Jesus und wird geheilt (Mk 1,40-45).
Ein paar kurze Begegnungen
mit Kiezbekanntschaften auf der Straße.
Die Umarmungen meiner
eineinhalbjährigen kranken Tochter.
Ein Foto, das ich am
Mittwoch, 16.01., auf dem Weg zum Gefängnis aufgenommen habe.
Und schließlich der Stil
der Essays von David Foster Wallace in „Der Spaß an der Sache",
der mich einerseits deprimiert, weil auf den Boden der Realität
holt, andererseits aber beflügelt, jetzt überhaupt wieder zu
schreiben.
Wahrscheinlich ist es diese Sammlung schon. Ein Wein-Wunder.
Aufschreiben als Therapie
und Weg zum Genuss.
Jedenfalls für mich. Jedenfalls ein wenig.
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Sonntagsevangelium,
Spiritualität,
Taufe,
und
Freitag, 11. Januar 2019
Ein Passwort reicht!
Ein Passwort reicht!
Nach dem Datenleak von Politikern und Prominenten steigt der allgemeine Wunsch nach mehr Sicherheit im Internet.
Ich habe eher den Wunsch nach einem Ausweg aus dem Passwort-Chaos.
Nach dem Urlaub ist es besonders schwer: Wenn ich in meinen diversen Büros eintreffe und die Rechner hochfahre, muss ich all die Passwörter parat haben, die in manchen Fällen auch noch alle paar Monate geändert werden müssen. Furchtbar!
Von meinen privat genutzten Accounts und weiteren PINs für alle Karten und Geräte gar nicht zu reden.
Dann wünsche ich mir, darin bin ich privat der pure Populist, die große Einfachheit: EIN klares Passwort, das sicher ist, immer gilt und auf alle Geräte anwendbar passt.
Nach dem Datenleak von Politikern und Prominenten steigt der allgemeine Wunsch nach mehr Sicherheit im Internet.
Ich habe eher den Wunsch nach einem Ausweg aus dem Passwort-Chaos.
Nach dem Urlaub ist es besonders schwer: Wenn ich in meinen diversen Büros eintreffe und die Rechner hochfahre, muss ich all die Passwörter parat haben, die in manchen Fällen auch noch alle paar Monate geändert werden müssen. Furchtbar!
Von meinen privat genutzten Accounts und weiteren PINs für alle Karten und Geräte gar nicht zu reden.
Dann wünsche ich mir, darin bin ich privat der pure Populist, die große Einfachheit: EIN klares Passwort, das sicher ist, immer gilt und auf alle Geräte anwendbar passt.
Sonntag, 6. Januar 2019
Die wollen nix haben, sondern was bringen! Predigtgedanken zum Dreikönigsfest
1. Auf der Suche
Die Geschichte ist
altbekannt: Nach dem Matthäusevangelium
(Mt 2,1-12) machen sich Weise aus einem fernen Land auf den Weg, um
den neugeborenen König der Juden zu finden. Sie werden als "Magoi"
bezeichnet und kennen sich mit Sternenkonstellationen aus, so dass
sie in den deutschen Übersetzungen mal als Magier, mal als
Sterndeuter, mal einfach als Weise bezeichnet werden. Von den alten
Völkern des Ostens (im heutigen Irak und Iran) war bekannt, dass sie
sich mit den Sternen beschäftigten, deshalb lag die Herkunftsbezeichnung nahe. Es waren also keine gläubigen
Juden und trotzdem hatten sie Interesse daran, was in Israel an
wichtigen Ereignissen passieren würde, wenn schon so besondere
Sternenkonstellationen zu sehen waren. Ihre Daten aus den Sternen
glichen sie darum bei den Schriftgelehrten Jerusalems mit den Angaben
aus der Bibel ab (vv4-6).
Suche nach dem Richtigen. Comenius-Garten, Neukölln, Berlin, 2018. |
Die Sterndeuter bemerkten
etwas Besonderes, das sie in ihrer Lebenswelt (Sternbeobachtung)
anspricht. Sie deuten dieses Besondere als das Zeichen eines neuen
Königs.
Und nun kommt das
Entscheidende: Als sie das Zeichen für die Ankunft des neuen Königs
gesehen haben, bleiben sie nicht in ihren Sesseln sitzen, sondern
machen sich auf den Weg und suchen ihn.
Erst gehen sie dafür ins
Zentrum der Macht dieses kleinen Landes, in den Königspalast nach
Jerusalem – aber dort finden sie den neugeborenen König nicht.
Also lassen sie sich beraten und gehen weiter.
Mir gefällt das: Losgehen
auf ein Zeichen hin, das mir was sagt. Suchen. Mich nicht irre machen
lassen, wenn ich nicht sofort am ersten Ort was finde. Und
schließlich gut beraten weiter gehen.
Gott sagt ja im Alten Testament von sich: "Ihr werdet mich
suchen und ihr werdet mich finden, wenn ihr nach mir fragt von ganzem
Herzen. Und ich lasse mich von euch finden" (Jer 29,13f.).
Jesus bestätigt das
später im Neuen Testament: "Bittet und es wird euch gegeben;
sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet!
Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer
anklopft, dem wird geöffnet." (Mt 7,7f)
Das ist auch an uns
gerichtet: Wenn wir uns auf den Weg machen und Gott suchen, dann
finden wir ihn. Nur müssen wir losgehen; manchmal jeden Tag neu.
Aber wie macht man das,
werden manche sich fragen. Hier im Gefängnis würden ja viele sehr
gern losgehen, egal wohin.
Der Theologe Karl Rahner
hat die Antwort darauf kurz auf den Punkt gebracht: "Das Herz
muss sich bewegen!" Auch wenn viele andere "mit der
verdrossenen Lebensklugheit ihrer engen Herzen zu Haus sitzen bleiben
und solche abenteuerliche Reisen des Herzens für Kindereien halten"1
– unser Herz soll sich auf den Weg machen und Gott suchen. Die
Leute aus dem Osten haben das vorgemacht, während diejenigen, die
nah dran waren, in Jerusalem sitzen geblieben sind.
Als Hinweis diente ihnen
auf ihrer Suche zuerst der Stern ihrer Sehnsucht, dem auch wir folgen
können – der Sehnsucht unseres Herzens nach Mehr, nach einem neuen
Anfang, nach Gerechtigkeit, nach der großen Umarmung Gottes.
Dazu tritt die Heilige
Schrift mit den Schriftkundigen, die sie ihnen auslegten. Und auch
das können wir, lesen und uns die schwierigen Stellen auslegen
lassen – angesprochen sein durch das Wort Gottes in der Bibel.
Für uns kommt nun noch
das Wissen dazu, dass Gott nicht dort zu finden ist, wo die weltliche
Macht ist, sondern dass wir uns einfach nur dem kleinen Kind in der
Krippe zuwenden müssen. Dort ist Gott zu finden – in der Unschuld,
im Kleinen, und in der Einfachheit.
2. Geschenke dabei
Die Anzahl der Suchenden
bleibt uns der Evangelist schuldig, immerhin wird erwähnt, dass sie
drei Geschenke mitbringen (v11), so dass wir getrost von drei
Personen sprechen können. Dann hat jeder was in der Hand gehabt.
Vielleicht hatten auch sie
das Problem, was man denn diesem Kind sinnvollerweise schenken kann.
Was sie letztlich
mitbringen, wird von den Theologen traditionell so gedeutet, dass die
Gaben für drei Funktionen Christi stehen. Sie weisen hin auf Jesus
als Priester, König und Propheten. Der Weihrauch für das
Priestersein mit seiner liturgisch-kultischen Aufgabe im Tempel, das
Gold für das Königtum und seine Assoziation mit Macht und Reichtum,
die Myrrhe, das "Bitterkraut" auf das bittere Schicksal des
Propheten.
All das sah in Jesu Leben natürlich anders aus als die Bibel
es für Priester, Könige und Propheten des Volkes Israel berichtet, aber das ist eine andere Geschichte.
Sie bringen also etwas
mit, das etwas aussagt über den Beschenkten.
Geschenke!? Alt-Buchhorst, 2018. |
Das ist aus zwei Gründen
interessant.
Einmal: Die wollen nix
haben, sondern die wollen was bringen. Wenn sie den neuen König
besuchen und schon so einen langen Weg auf sich nehmen, hätte es ja
durchaus sein können, dass wenigstens etwas für sie dabei
herausspringen soll. Aber nein, sie bringen lieber etwas mit.
Und dann: Sie schenken
nicht sinnlos etwas, das überall und zu jeder Zeit geschenkt werden
könnte. Sondern sie haben sich Gedanken gemacht, was das für einer
ist, zu dem sie kommen.
Sie wollen etwas schenken,
was zu ihm passt und was ausdrückt, was ihnen an ihm wichtig ist.
Für unser
Gottesverhältnis kann das heißen: Anstatt immer nur zu bitten und
nur dann zu Gott zu kommen, wenn wir etwas haben wollen, könnten wir
ihm etwas bringen.
Und zwar etwas, das etwas
aussagt darüber, was uns an Gott wichtig ist.
Das kann eine Übung sein, so wie sie auch bei manchen längeren Gebets- und Meditationsübungen angedacht sind – wer ist Gott für mich und finde ich dementsprechend einen Namen für ihn. Bei seinen "Exerzitien auf der Straße" nennt der Jesuit Christian Herwartz das Beispiel einer Frau, die Gott als den erfahren hat, der sie schön ansieht – und ihn eben auch so benennt: "Du, die du mich schön ansiehst".2
Das kann eine Übung sein, so wie sie auch bei manchen längeren Gebets- und Meditationsübungen angedacht sind – wer ist Gott für mich und finde ich dementsprechend einen Namen für ihn. Bei seinen "Exerzitien auf der Straße" nennt der Jesuit Christian Herwartz das Beispiel einer Frau, die Gott als den erfahren hat, der sie schön ansieht – und ihn eben auch so benennt: "Du, die du mich schön ansiehst".2
Andere werden völlig
andere Erfahrungen mit Gott machen:
Vielleicht fällt es mir
nicht immer leicht, so wie oben beschrieben auf die Suche zu gehen
und mich immer wieder neu nach Gott auszustrecken. Das ist so mühsam
und ich bin so schwach. Dann passt als symbolisches Geschenk
vielleicht eine Batterie, die mich ausdauernd genug macht. Oder ein
Jojo, das immer wieder losgeht, wenn es ganz unten angekommen ist.
Vielleicht entdecke ich
Gottes Spuren einfach nicht in meinem Leben, weil so vieles schief
gegangen ist. Zu viele Scherben, zu viel Misslungenes und zu viel
Enttäuschung. Dann kann ich Gott vielleicht eine Lupe bringen, damit
ich ihn besser entdecken kann.
Oder vielleicht bin ich
froh über etwas, das ich gelernt habe und dankbar für Dinge, die
gelungen sind. Dann kann ich mein Lächeln bringen.
Das sind die Gaben, die
wir vor Gott bringen können. Gaben, die sich durchaus auch verändern
können auf dem Weg. Gaben, die zu uns und zu ihm passen.
3. Anders zurückkehren
Die weisen Männer waren
wirklich sehr weise. Entweder hatten sie alle denselben Traum und
fanden das so überzeugend, dass sie nicht mehr zu Herodes
zurückgingen. Oder einer überzeugte die anderen von seinem Traum.
Oder es wurde ihnen klar,
dass ihre Frage nach dem neuen König und das Erschrecken, das sie
damit ausgelöst hatten (v2f), nichts Gutes bedeutete. Vielleicht
wurden sie dann weise durch ihre Unvorsichtigkeit.
Wie dem auch sei, sie
gingen jedenfalls auf einem anderen Weg zurück als sie gekommen
waren.
Nachdem ich gerade aus
einem Urlaub wiedergekommen bin, kann ich nur bestätigen, dass das
besonders dann Sinn macht, wenn man die Umgebung näher kennenlernen
will.
Aber auch darüber hinaus
scheint eine Reise gut dafür zu sein, Veränderungen herbeizuführen.
Verändert. Rudow, Berlin, 2018. |
Wenn wir uns auf die Suche
nach Gott machen und ihm das mitbringen, was wir ihm schon immer
einmal geben wollten, dann werden vielleicht auch wir dadurch
verändert.
Gerade wenn es, wie
hier im Gefängnis ja nicht anders möglich, eine innere
Reise, eben die Reise des Herzens sein wird, von der Karl Rahner sprach,
dann werden wir nicht mehr genauso auf die Welt schauen wie zuvor.
Wer beim Besuch des Kindes in der Krippe mit Gott in Berührung
kommt, wird mehr lieben und mehr verzeihen. Und er wird von Gott
nicht mehr schweigen können.
Zwar werden die
Sterndeuter in der Bibel nie wieder erwähnt, doch das muss nichts
bedeuten. Auch wir werden in der Weltgeschichte vielleicht nie wieder
erwähnt. Aber auch wir können von unserer Suche nach Gott sprechen
und davon, was er für uns bedeutet, was wir ihm also bringen können.
Das macht uns zu anderen
Menschen – und es verändert die Welt.
1 K.
Rahner, Von der seligen Reise des gottsuchenden Menschen. Gedanken
zum Fest der Erscheinung des Herrn, in: Geist und Leben 22 (1949)
405-409, hier: 409. – Zu finden auch unter
https://www.geist-und-leben.de/component/docman/doc_download/954-22-1949-6-405-409-rahner-0.html
und https://www.jesuiten.org/news/der-stern-leuchtet/.
2 C.
Herwartz, Brennende Gegenwart. Exerzitien auf der Straße. Würzburg
2011, 21.
Dienstag, 1. Januar 2019
Auch uns! Gebetsbitte an Neujahr
Langsam, aber sicher. S. Donnino, 2019 |
Ein Jahreswechsel ist doch eigentlich nur Kulissenschieberei und im persönlichen Leben kein ernsthafter Grund, dass sich irgendwas ändern würde.
Tag reiht sich an Tag und alles geht fort und fort wie eh und je. Wären wir in China, hätte der ganze Trubel um diesen Wechsel des bürgerlichen Jahres von gestern auf heute gar keine Bedeutung, dort kommt Neujahr erst noch.
Nur die Feuerwerker jubilieren hierzulande, alle nutzen den willkommenen Feieranlass und vielleicht kann manch einer symbolisch eine Sache verabschieden und sich neuen Dingen annähern.
Aber eben auch nur symbolisch, denn wir bleiben ja doch die Alten. Was soll schon wirklich neu sein an diesem Jahr?
Soweit meine resignierte Vernunft zum Thema Neujahr.
Schaue ich die Sache vom Glauben aus an, springt mir ein Gedanke ins Hirn:
Alles, was das Christentum im Letzten will und glaubt (und was sich letztlich auch „gottlos" sagen lässt), ist die Möglichkeit der Verwandlung.
Nichts muss bleiben, wie es ist.
Gott schenkt dauernd Neuanfänge: Er wandelt Schuld durch Vergebung. Er wandelt Verzweiflung mit Vertrauen. Er wandelt Tod in Leben.
Die ganze christliche Botschaft ist vom Glauben an Verwandlung durchdrungen.
In einem frommen Lied heißt es dazu: „Du verwandelst das Brot in Jesu Leib, du verwandelst den Wein in Jesu Blut, du verwandelst den Tod in Auferstehn. Verwandle du auch uns!"
Heute wurde ich in der Messe, die dem Urlaubsort gemäß auf italienisch gefeiert wurde, darauf gestoßen: Auch wenn ich nur Bruchstücke verstanden habe, reime ich mir mithilfe meines theologischen Vorwissens doch immer kreativ etwas zusammen und glaubte heute zu hören, dass Gott das Universum heiligen würde.
Selbst wenn der Priester eigentlich etwas ganz anderes gepredigt haben sollte, begann damit doch meine Assoziationskette - dass auch die ganze Schöpfung, wie Paulus schreibt, „von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit werden [soll] zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes." (Röm 8,21)
Auch hier, im Großen, soll Verwandlung geschehen, ebenso wie bei mir im Kleinen.
Kann sich ja Zeit lassen.
Aber das ist die gute Verheißung der christlichen Botschaft:
Alles wird verwandelt auf Gott hin.
Auch in diesem neuen Jahr, Schritt für Schritt.
Meine Bitte an Gott ist am Anfang des Jahres deshalb so kurz und bündig wie immer nötig: „Verwandle du auch uns!"
Und wir können dabei mittun.
Auf geht’s!
Tag reiht sich an Tag und alles geht fort und fort wie eh und je. Wären wir in China, hätte der ganze Trubel um diesen Wechsel des bürgerlichen Jahres von gestern auf heute gar keine Bedeutung, dort kommt Neujahr erst noch.
Nur die Feuerwerker jubilieren hierzulande, alle nutzen den willkommenen Feieranlass und vielleicht kann manch einer symbolisch eine Sache verabschieden und sich neuen Dingen annähern.
Aber eben auch nur symbolisch, denn wir bleiben ja doch die Alten. Was soll schon wirklich neu sein an diesem Jahr?
Soweit meine resignierte Vernunft zum Thema Neujahr.
Schaue ich die Sache vom Glauben aus an, springt mir ein Gedanke ins Hirn:
Alles, was das Christentum im Letzten will und glaubt (und was sich letztlich auch „gottlos" sagen lässt), ist die Möglichkeit der Verwandlung.
Nichts muss bleiben, wie es ist.
Gott schenkt dauernd Neuanfänge: Er wandelt Schuld durch Vergebung. Er wandelt Verzweiflung mit Vertrauen. Er wandelt Tod in Leben.
Die ganze christliche Botschaft ist vom Glauben an Verwandlung durchdrungen.
In einem frommen Lied heißt es dazu: „Du verwandelst das Brot in Jesu Leib, du verwandelst den Wein in Jesu Blut, du verwandelst den Tod in Auferstehn. Verwandle du auch uns!"
Heute wurde ich in der Messe, die dem Urlaubsort gemäß auf italienisch gefeiert wurde, darauf gestoßen: Auch wenn ich nur Bruchstücke verstanden habe, reime ich mir mithilfe meines theologischen Vorwissens doch immer kreativ etwas zusammen und glaubte heute zu hören, dass Gott das Universum heiligen würde.
Selbst wenn der Priester eigentlich etwas ganz anderes gepredigt haben sollte, begann damit doch meine Assoziationskette - dass auch die ganze Schöpfung, wie Paulus schreibt, „von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit werden [soll] zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes." (Röm 8,21)
Auch hier, im Großen, soll Verwandlung geschehen, ebenso wie bei mir im Kleinen.
Kann sich ja Zeit lassen.
Aber das ist die gute Verheißung der christlichen Botschaft:
Alles wird verwandelt auf Gott hin.
Auch in diesem neuen Jahr, Schritt für Schritt.
Meine Bitte an Gott ist am Anfang des Jahres deshalb so kurz und bündig wie immer nötig: „Verwandle du auch uns!"
Und wir können dabei mittun.
Auf geht’s!
Dienstag, 25. Dezember 2018
Das Geschenk der Weihnacht: Was für ein Glück! Was für eine Aufgabe!
Als unsere zweite Tochter
geboren wurde, ging alles ganz schnell. Natürlich hatten wir uns
vorbereitet so gut es ging, und mit einem drei Jahre älteren
Kleinkind zu Hause ist ja auch schon einiges kindgerecht
eingerichtet. Aber die innere Vorbereitung war nicht mehr besonders
ausführlich – für Ruhe und Besonnenheit fehlte uns einfach die
Zeit.
Montag, 24. Dezember 2018
Ankunftszeit 24 – Geliebt in "Königskinder" von Alex Capus
Marie
ist die Tochter eines wohlhabenden Bauern, Jakob ein Waise, der Jahre
für Jahr die Kühe des Bauern oben in den Bergen hütet. Jedes Jahr
bringt Jakob die Herde ins Tal und sieht Marie. Aber dieses Jahr ist
etwas anders.
Sonntag, 23. Dezember 2018
Ankunftszeit 23 – Fremd in "Von dieser Welt" von James Baldwin
John ist Sohn eines
Predigers und als solcher mit Küsterdiensten beauftragt. Allerdings
hadert er mit dem Glauben, den seine Familie ihm vorlebt und der auf
intensiver Gotteserfahrung fußt. Seine Erfahrung ist eine andere,
als er zur Vorbereitung des abendlichen Gottesdienstes den
Kirchenraum betritt:
Samstag, 22. Dezember 2018
4. Adventssonntag – Bildmeditation zu "Da hüpfte das Kind vor Freude in ihrem Leib"
Aus dem Evangelium am Zweiten Adventssonntag:
„Als Elisabeth den Gruß Marias
hörte, hüpfte das Kind vor Freude in ihrem Leib“ (vgl. Lk
1,44)
Ankunftszeit 22 – Eingekerkert in "Gott ist nicht schüchtern“ von Olga Grjasnowa
Der Roman erzählt auf
beklemmend realistische Weise die Geschichte zweier erfolgsverwöhnter
Syrer in der Zeit der ersten Aufstände gegen Assads Regime. Hammoudi
reist von Paris, wo er wohnt, nach Syrien, um seinen Pass verlängern
zu lassen – und scheitert an diesem eigentlich formalen Procedere.
Amal, die junge Schauspielerin, wird nach einer Demonstration auf
offener Straße verhaftet und ins Gefängnis verbracht.
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