Samstag, 2. Mai 2020

Ein guter Hirte zeigt neue Perspektiven. Drei Punkte für den Knast

Ich brauche ab und zu einen, der weiß, wo es lang geht.
Nicht nur in Krisenzeiten wie jetzt, sondern auch sonst bin ich manchmal froh, wenn ich nicht alles selber wissen und machen muss.
Das ruft mir das Evangelium vom Guten Hirten (Joh 10,1-10) von diesem Sonntag ins Gedächtnis. Jesus stellt sich darin als Hirte vor, dem die Schafe vertrauen und folgen.

Ein erster Gedanke dazu:
Vertrauen ist entscheidend – wenn jemand Macht über mein Leben hat, will ich mich darauf verlassen können, dass er (oder sie) es gut mit mir meint.
Besonders in einem Kontext wie dem Justizvollzug, in dem die Inhaftierten den Bediensteten in besonderer Weise ausgeliefert sind, ist es essenziell, dass der Inhaftierte weiß, er kann sich auf die Anweisungen und Entscheidungen des Personals verlassen.

Mittwoch, 29. April 2020

"Vertigo" – Eine Auferstehungsversion an Alfred Hitchcocks 40. Todestag

"Aus dem Reich der Toten" (1958) ist einer der besten und bekanntesten Filme von Alfred Hitchcock. Der Originaltitel "Vertigo" bedeutet übersetzt "Schwindel" – und das kann hier durchaus im doppelten Sinn als Störung des Gleichgewichts einerseits und als lügnerischer Betrug andererseits verstanden werden.1

Im Hintergrund aber geht es um eine Auferstehungsgeschichte der besonderen Art.

Sonntag, 26. April 2020

Jesus bringt keine Botschaft vom Leben nach der Auferstehung.

All die Erzählungen von den Erscheinungen des auferstandenen Jesus in den Evangelien haben eines gemeinsam: Jesu bringt keine Botschaft von der "anderen Seite":

"Stattdessen die vage Wiederanwesenheit nach drei Tagen, um die so viel Aufhebens gemacht worden ist. Die Schwierigkeiten beim Erkennen auf dem Weg nach Emmaus: Ist er das? Ist der das nicht? Warum sagt er nicht einfach: Ich bin wieder da? Fragt mich, was ihr wissen wollt! Aber vielleicht ist es Jesus nicht anders gegangen als ihm: Da war nichts, wo er gewesen ist. Nichts, woran er sich erinnert."1

Das überlegt sich der sterbende Protagonist, ein evangelischer Pfarrer, in Sibylle Knauss' Roman "Der Gott der letzten Tage".

Donnerstag, 23. April 2020

Unterirdisch: „wunder des weizenkorns“ von Andreas Knapp

Die Corona-Krise wird von religiös denkenden Menschen sehr unterschiedlich gedeutet. Manche sehen sie als eine Chance, was auch ich zum Teil tue, Andere sagen, dass aus dieser sinnlosen Lage nicht viel Gutes wachsen kann – und beides auch quer zu sonstigen Debattenlagen. Wahrscheinlich hängt die jeweilige Einschätzung sehr vom Charakter ab.

Ich selbst suche nach dem Positiven – in meinen Begegnungen im Gefängnis, in der Heiligen Schrift, in den Verlautbarungen meiner Kirche und auch in dem, was in den politischen und gesellschaftlichen Realitäten der Welt sonst so geschieht. Was meine gleichzeitige kritische Sicht auf viele Ereignisse nicht ausschließt.
Will Gott uns in den "Zeichen der Zeit" (GS 4) etwas sagen – und wenn, ja, in welcher Weise?

Samstag, 18. April 2020

Jesus empfiehlt Corona-Glauben

"Selig sind, die nicht sehen und doch glauben." (Joh 20,29)

So lautet das berühmte Diktum Jesu am Ende des Evangeliums vom "ungläubigen Thomas" (Joh 20,19-31), das eine Woche nach Ostern in den Kirchen gelesen wird.

Eine der traditionellen Deutungen dieses Wortes besagt, dass die Christen, die keinen Kontakt mehr mit dem leiblichen Jesus haben konnten, auf diese Weise gestärkt werden sollten. Denn ihr Glaube basiert nun mal nicht auf dem Sehen, sondern "nur" auf dem Zeugnis derer, die Jesus noch mit eigenen Augen sehen konnten.

Für die jetzige Zeit empfiehlt sich eine adaptierte Deutung:

Freitag, 17. April 2020

Schäbig, aber Zukunft. Von den Zeichen des neuen Lebens in Lutz Seilers "Stern 111"

Ostern erinnert uns daran, dass der Tod in Leben verwandelt wird.
Dass etwas, das gestorben ist, auferstehen kann in Neues.
Doch wie den Jüngern in den Evangelien, so fällt es auch uns nicht immer leicht, die Zeichen des Neuen richtig zu lesen.

Einer der es konnte, ist die Figur des jungen Carl in "Stern 111", der Ende 1989 aus Gera nach Berlin gekommen ist und in seiner besetzten Ost-Berliner Wohnung auf sein armseliges Hab und Gut schaut:

Montag, 13. April 2020

Ostermontag – Hasenbrot, das vom Leben erzählt, in "Am Tag davor"

Die Emmausjünger können ihre Trauer und ihre Verzweiflung nur schwer durchbrechen. Sie erkennen den Auferstandenen endgültig erst dann, als er mit ihnen das Brot bricht.
Auch Sorj Chalandon berichtet in "Am Tag davor", das im Milieu der französischen Bergleute spielt, von einem solchen Brot:

Sonntag, 12. April 2020

Ostersonntag – Verwechselt und trotzdem auferstanden, in "Serpentinen"

Das ist ein Osterbuch!
Zwar enthält es sehr viele karge, anstrengende, sich in sich selbst verwirbelnde Motive und Gedanken. Bov Bjerg hat die "Serpentinen" des Titels in die Handlung eingewoben.
Doch letztendlich spricht das Buch von einem großen Aufbruch: Ein Mann versucht, aus der Suizid-Spirale seines Vaters und seines Großvaters auszubrechen. Dazu wagt er mit seinem Sohn ein Experiment. Sie reisen in die schon lang verlassene Heimat und entdecken dabei nicht nur die dunkle Vergangenheit. Nein, sie erleben einige Krisen, Gefährdungen und Neuaufbrüche. 

Eine Entdeckung machen sie bei der Lektüre der biblischen Geschichte vom verlorenen Sohn (vgl. Lk 15,11-32):

Samstag, 11. April 2020

Corona-Ostern: Infiziert euch mit dem Leben Gottes!

Eine neue Infektion ist im Anmarsch!


Eine unsichtbare Macht, die alles in uns verändert. Wenn wir mit ihr in Kontakt kommen, übernimmt sie unser Leben. Als Befallene werden wir ansteckend und geben weiter, was in uns steckt.

Gott infiziert uns mit seinem eigenen Leben!

Doch in uns arbeitet es kräftig dagegen. Unser bisheriges Leben wehrt sich. Mit gewaltigem Aufwand werden Antikörper gebildet. Denn diese Infektion bedroht unser altes Leben.

Karsamstag – Unten, im Lebenwechselraum, auf "Stern 111"

Nach dem Fall der Mauer beschließen Carls Eltern, ihr altes Leben in Gera hinter sich zu lassen und sich auf den Weg in den Westen zu machen. Ihrem Sohn übergeben sie die Verantwortung für die alte Wohnung. Mehrere Wochen bleibt er ohne Nachricht von seinen Eltern, aus dem Keller versorgt er sich mit Eingewecktem und Apfelwein.

Freitag, 10. April 2020

Karfreitag – Schläge und Tritte, voller Trauer, in "Fuchs 8"

Fuchs 8 ist ein besonderer Fuchs, der den Kontakt mit den Menschen sucht.
Sogar ihre Sprache hat er (vom Hören so einigermaßen) gelernt und er traut sich immer wieder in ihre Nähe.
Als die Menschen in ihrem Wald eine Mall errichten, beschließen Fuchs 8 und sein Freund Fuchs 7, ihr einen Besuch abzustatten. Auf dem Rückweg sehen sie zwei Arbeiter auf dem Parkplatz:

Donnerstag, 9. April 2020

Gründonnerstag – Verletzlich, mit gewaschenen Füßen, in "Das Reich Gottes"

Der Autor ringt mit dem Christentum.
Ganz besonders kämpft er mit der Frage, ob er selbst glaubt, und wie die Frühgeschichte des Christentums damit zu tun hat. Davon handelt das monumentale Buch"Das Reich Gottes" von Emmanuel Carrère.
Ganz am Ende berichtet er von der Briefbekanntschaft mit einer Leserin, Bérengère, die ihn einlädt, sich in einer "Arche" die Füße waschen zu lassen.

Mittwoch, 8. April 2020

"Ich verstehe deine Wege nicht" – Die Leere und eine neue Art Gottesdienst mitten in der Karwoche

1.
Am Montag hatte ich meine erste Chorprobe via Zoom. Sehr gewöhnungsbedürftig, wie so vieles in dieser Zeit. Dabei sangen wir auch ein Taizé-Lied mit einem Text von Dietrich Bonhoeffer, das mich seitdem begleitet:

"Gott, lass meine Gedanken sich sammeln zu dir. Bei dir ist das Licht, du vergisst mich nicht. Bei dir ist die Hilfe, bei dir ist die Geduld. Ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich."

So geht es mir gerade im Zugehen auf auf Ostern – ich verstehe Gottes Wege nicht, aber ich hoffe darauf, dass Gott einen Sinn für uns in dieser Corona-Krise versteckt hat. Normalerweise bin ich ja immer schnell beim Deuten und Sinnsuchen (und war es hier ja auch schon), aber ehrlich gesagt stiefelt mir gerade sehr viel Zweifel im Kopf herum.

Samstag, 4. April 2020

Palmsonntag: Kleider liegen auf der Straße

Mit diesen Worten werde ich am Palmsonntag um ca. 10 vor 10 Uhr auf rbb 88,8 zu hören sein:

Massen sind in Jerusalem unterwegs. Es ist fast kein Durchkommen mehr an den Eingangstoren zur Stadt. Denn dieser Wunderheiler aus Nazareth soll kommen. Ein berühmter Mann, den muss man gesehen haben.
Und da ist er endlich, auf einem Esel reitet er ein, seine Jünger bahnen ihm einen Weg durch die Menge. Die Leute reißen Zweige von den Bäumen. "Viele Menschen breiteten ihre Kleider auf der Straße aus" und jubeln ihm zu. So ähnlich beschreibt die Bibel den Einzug Jesu in Jerusalem.

Normalerweise feiern Christen auf der ganzen Welt am heutigen Palmsonntag mit großen Gottesdiensten den Beginn der Karwoche. Ihr Höhepunkt ist nach der Erinerung an den Tod Jesu am Karfreitag die Feier seiner Auferstehung an Ostern.

Donnerstag, 2. April 2020

Bibel-Mini 5 – Elija in der Wüste

In Zeiten von Corona-Quarantäne und Rückzug aus den vertrauten sozialen Begegnungsräumen kann ein Blick auf den biblischen Urvater des Eremitentums vielleicht interessant sein.

Es handelt sich um den alttestamentarischen Propheten Elija, der sich im Konflikt mit König Ahab und vor allem mit dessen Frau Isebel für die Sache Gottes verausgabt (vgl. 1Kön 18). Nachdem Elija einen Wettstreit mit den Baalspriestern gewonnen hat, verkündet Isebel, dass sie sich an ihm rächen will (1Kön 19,1f).