Hilde Domins Gedichte haben eine
Fragilität, die vielleicht aus ihren Flucht- und Exilerfahrungen
herrührt. Sie kennt den Verlust und zeichnet ihn mit ihrer Sprache
nach. Trotzdem wohnt ihren Gedichten ein tiefes Vertrauen inne,
besonders dann, wenn es um Liebe geht:
Sonntag, 8. Dezember 2019
Samstag, 7. Dezember 2019
Wolf und Lamm und Axt und Feuer. Eine Predigt am 2. Advent
Die Vielfalt der biblischen Visionen
ist immer wieder erstaunlich.
Johannes der Täufer zerstört im
Evangelium (Mt 3,1-12) die adventliche Besinnlichkeit durch seine
drastische Sprache, wenn er ankündigt: "jeder Baum, der
keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer
geworfen" (v10).
Kurz davor aber haben wir gerade in der
Lesung (Jes 11,1-10) gehört, wie der Prophet Jesaja eine göttliche
Friedenszeit erhofft: "Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der
Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen"
(v6).
Wie passt die Friedfertigkeit, die
Jesaja verheißt, zu der Aggressivität des Johannes?
Verkündet der alttestamentliche
Prophet einen anderen Gott oder eine andere Version von Gottes
Herrschaft als der Vorläufer Jesu?
Geliebt 7 – Blumen in "Die Nickel Boys" von Colson Whitehead
In
seinem Roman "Die
Nickel Boys"
seziert Colson Whitehead die Wunden, die staatliche
Besserungsanstalten in den 1960er Jahren jungen Männer in den USA
gerissen haben. Seine Darstellung einer rigorosen und von
willkürlicher Gängelung geprägten Gefängniswelt ist emotional
sehr aufrüttelnd.
Einer
der Protagonisten wird viele Jahre später beschrieben, wie er immer
noch dabei ist, normale menschliche Verhaltensweisen auszuloten.
Elwood
wartet auf der Straße auf seine Frau, um mit ihr Essen zu gehen.
Freitag, 6. Dezember 2019
Geliebt 6 – Schokolade in "Internat" von Serhij Zhadan
Pascha soll seinen Neffen im
kriegsgeschüttelten Donbass aus dem Internat holen. Es ist eine
Odyssee durch Trümmerlandschaften und über trostlose Felder, mal zu
Fuß, mal im Auto, fast immer im Dunkeln. Auf dem Rückweg finden sie
einen hartgesottenen Fahrer, der sie eine gefährliche Strecke fast
bis ans Ziel fährt. Harsch und einsilbig ist der Kontakt mit ihm.
Kurz vor dem Aussteigen aus dem Auto
will Pascha sich bedanken:
Donnerstag, 5. Dezember 2019
Geliebt 5 – Kofferherz in "Was dann nachher so schön fliegt" von Hilmar Klute
Literatur und
Sprache stehen im Zentrum von Hilmar Klutes Roman. Der junge Autor
Volker Winterberg aus der westdeutschen Provinz wird ins wilde Berlin
eingeladen, um einige seiner Gedichte vorzustellen. Dabei lernt er
Katja kennen, eine Mitarbeiterin des Literatentreffens.
Ihre Beziehung
bleibt zweideutig zwischen Liebe und Erotik, wie der folgende
Abschnitt nach der ersten sexuellen Annäherung verdeutlicht:
Mittwoch, 4. Dezember 2019
Waffen weg und losgehen - Jesaja-Predigt im Advent
1.
Advent ist ein Sich-auf-den-Weg-machen.
So hören wir es in der Lesung aus dem Buch Jesaja (Jes 2,1-5) - „Viele Nationen machen sich auf den Weg" (v3), es wird darum gebeten, dass Gott seine Wege zeigt (ebd.), Jesaja fordert auf, die eigenen Wege im „Licht des Herrn" (v5) zu gehen.
Der Advent ist der Weg in Richtung auf ein großes Ziel. Hier in Haft ist Ihr Ziel, das eigene Leben draußen wieder leben zu können. Der Advent gibt uns einen Hinweis, wie das aussehen kann: Adventlich gestimmte Menschen warten darauf, dass etwas Neues geboren wird.
Der Weg besteht darin, abwarten zu können, bis dieses Neue ankommt.
Denn Advent heißt: nicht alles kommt sofort.
Advent ist ein Sich-auf-den-Weg-machen.
So hören wir es in der Lesung aus dem Buch Jesaja (Jes 2,1-5) - „Viele Nationen machen sich auf den Weg" (v3), es wird darum gebeten, dass Gott seine Wege zeigt (ebd.), Jesaja fordert auf, die eigenen Wege im „Licht des Herrn" (v5) zu gehen.
Der Advent ist der Weg in Richtung auf ein großes Ziel. Hier in Haft ist Ihr Ziel, das eigene Leben draußen wieder leben zu können. Der Advent gibt uns einen Hinweis, wie das aussehen kann: Adventlich gestimmte Menschen warten darauf, dass etwas Neues geboren wird.
Der Weg besteht darin, abwarten zu können, bis dieses Neue ankommt.
Denn Advent heißt: nicht alles kommt sofort.
Geliebt 4 – Knie in "Das Elend und die Welt" von Wolfgang Herrndorf
Die aus dem Nachlass herausgegebenem
Schriften von Wolfgang Herrndorf sind sehr verschieden. Es eint sie
ihre Kürze und der autortypische Ton, der von lakonisch bis zynisch,
von traurig bis herzerwärmend reicht, in nahezu jedem Fall einmal
(auch) zum Lächeln herausfordert.
So wie in diesem Liebesgedicht:
Dienstag, 3. Dezember 2019
Geliebt 3 – Tischplatte in "Lincoln im Bardo" von George Saunders
Die Verstorbenen
kommunizieren die ganze Zeit. Sie plaudern miteinander, sie
beschimpfen sich gegenseitig, sie reden vor sich hin.
In George Saunders
hochgelobtem Roman "Lincoln im Bardo" wird eine
Zwischenwelt beleuchtet, in der die unerlösten Toten ständig damit
beschäftigt sind, nicht das offensichtliche Gestorbensein zur
Kenntnis zu nehmen. Doch auch diejenigen, die zugeben, tot zu sein,
beziehen sich ständig rechtfertigend auf ihr Vorleben.
So wie in dieser
(gekürzten) Aufzählung:
Montag, 2. Dezember 2019
Geliebt 2 – Kirschen in "Giovannis Zimmer" von James Baldwin
James Baldwins früher
Roman (1956) hat die Liebe zweier Männer im Fokus. Allerdings kann sich der
Ich-Erzähler seine Homosexualität nicht vollends eingestehen. Er
ist zerrissen zwischen den gesellschaftlichen Konventionen, die ihn
in die Arme seiner herumreisenden Verlobten führen würden, und den
tiefen Gefühlen für seine Pariser Bekanntschaft Giovanni.
Hier erzählt er vom gemeinsamen Glücksgefühl:
Hier erzählt er vom gemeinsamen Glücksgefühl:
Sonntag, 1. Dezember 2019
Geliebt 1 – Kätzchen in "Unterleuten" von Juli Zeh
Im fiktiven Dorf
Unterleuten in der Prignitz beobachtet Juli Zeh die kleinsten Ebenen
der Gesellschaft und ihre Konflikte. Durch klare Beschreibungen und
schnörkellose Sprache entsteht ein vielschichtiges Panorama des
Dorfalltags. Ein Teil davon ist das von ihrem Großvater
vergötterte Krönchen:
Freitag, 29. November 2019
"Geliebt" – Ein spirituell-literarischer Adventskalender
"Papa, gib mir deine Hand"
sagt meine Zweijährige manchmal beim Zu-Bett-Bringen zu mir. Dann
lege ich meine Hand auf ihr Kissen und sie schmiegt ihre Wange
hinein. Oder sie ergreift meine Hand und hält sie fest.
Sie weiß dann, dass ich da bin,fühlt
sich aufgehoben und geborgen.
Auch wenn sie es nicht so formulieren
könnte – sie weiß sich von mir geliebt.
Samstag, 23. November 2019
Herrschaftskritik. Eine Predigt am Christkönigssonntag
Gute Herrschaft lebt
davon, dass sie anerkannt wird. Sonst wird sie zum Zwang.
Am Christkönigsfest geht
es darum, was für eine Art von Herrschaft Gott in dieser Welt
aufbauen will. Die Lesungen, die zu diesem Fest ausgewählt werden,
weisen meistens darauf hin, dass Jesus im Unterschied zu den gängigen
Herrschaftsmethoden ein Königtum von Gewaltfreiheit verkörpert.
Aber auch dies ist eine
Herrschaft, und auch sie muss anerkannt werden, um eine gute
Herrschaft zu sein. Aus Unzufriedenheit kann nichts wachsen.
Darum soll es in dieser
Predigt gehen.
Dienstag, 19. November 2019
Fremd durch Armut. Gedanken zu Elisabeth von Thüringen
Es war einmal eine
Königstochter aus einem fernen Land, die schon früh einem Grafen
versprochen worden war. Sie verließ in jungen Jahren ihre Heimat, um
bei ihm zu leben. In seinem Lande wohnte sie in feinen Gemächern auf
den verschiedenen Burgen des Grafen und kleidete sich in Samt und
Seide...
So könnte die
beschauliche Geschichte der ungarischen Prinzessin beginnen, die als
Elisabeth von Thüringen (1207-1231) bekannt wurde. Doch wie in
vielen Märchen endet die romantisch-beschauliche Phase recht bald.
Denn Elisabeth fühlte sich angezogen vom Armutsideal ihres
Zeitgenossen Franz von Assisi (ca. 1182-1226).
Freitag, 15. November 2019
Trauriges Auseinanderfallen – Andreas Knapp und der Weltuntergang
Jesus verkündet den Evangelien am Ende
des Kirchenjahres eine Zeit, in der alles endet.
Vom Tempel, der wichtigsten Stätte der
Gottesanbetung für Israel über die Beziehungen zwischen den Völkern
und diverse Klimakatastrophen auf der Erde bis hin zu den
traditionellen Familiengefügen – alles wird auseinanderfallen (Lk
21,5-19).
Die Endlichkeit gilt für alles, nicht
nur für den Menschen!
Andreas Knapp sieht die Schöpfung
angesichts ihres Vergehens selber trauern.
Samstag, 9. November 2019
In Freude und Bitterkeit: Die Erinnerung an den 09. November 1989.
Die Erinnerung an das große Ereignis
von 1989 ist in diesem Jahr von Enttäuschung durchsetzt.
Enttäuscht sind die Ossis über
jahrelang fehlende Wertschätzung, enttäuscht sind die Wessis über
die Undankbarkeit nach massiven Investitionen in die marode
Infrastruktur. Und drei Viertel der ganzen Republik sind 2019
enttäuscht über die Wahlergebnisse im scheinbar abgerutschten
Osten.
Dabei begann alles so hoffnungsfroh.
Die nach Massenfluchten und
Massendemonstrationen unter größtem inneren Druck vollzogene
Öffnung der Grenzen, "sofort, unverzüglich", sie
gab der DDR den Todesstoß.
Freiheit konnte neu beginnen.
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