Sonntag, 27. März 2022

Versöhnung braucht Umkehr, Zeit und Mut. Parabel vom verlorenen Sohn im Krieg.

Die Parabel vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) handelt von Versöhnung.
 
Und jeder, der sie heute – in diesen Kriegstagen – liest oder im Gottesdienst hört, wird sich eventuell fragen, wie das denn aktuell gehen soll mit der Versöhnung zwischen den Kriegsparteien. Manche schieben den Ball zur Ukraine mit der mehr impliziten oder mehr expliziten Aufforderung, sich doch zu ergeben und die Kämpfe so zu beenden. Manche fordern weitere Zugeständnisse an Russland und kritisieren die Waffenlieferungen an die Ukraine als etwas, das mehr Öl ins Feuer gießen würde.

Und alles unter den Hoffnungsbegriffen von Frieden und Versöhnung.

Dienstag, 15. März 2022

Gäste aus der Ukraine. Ein kurzer Erlebnisbericht nach einer Woche

Am Bahnhof mit Sonderzug.
Frankfurt/Oder, 2022.
Während die schrecklichen Kriegsbilder weiter über meine Bildschirme flackern und während am Bahnhof von Frankfurt weiter ausgelaugte Frauen und Kinder ankommen, umsteigen und durchfahren, haben wir nun schon eine Woche Gäste aus einer Stadt am Dnjepr bei uns aufgenommen.
Am 08. März habe ich bei meinem ehrenamtlichen Einsatz auf dem Bahnhof eine Frau mit ihrem 17jährigen Sohn, die nicht weiterfahren wollten, eingeladen, vorerst bei uns zu bleiben. Und so sind wir nun zwei mehr in unserer Wohnung.

Sonntag, 6. März 2022

Was der Krieg anrichtet. Zwei Gedanken

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Warum habe ich eigentlich mal Ukrainisch gelernt?

Weil Nazi-Deutschland sechzig Jahre vor meinem Aufenthalt in der Ukraine (2001/2002) seinen Kriegszug auf die damalige Sowjetunion ausgeweitet hat und in seinem Kampf gegen slawische Ethnien und Juden eine Spur totaler Verwüstung hinterlassen hat.

Ohne dass der jetzige Ukrainekrieg im mindesten damit vergleichbar ist, wurde mir jedoch gerade noch einmal klar: Die Folgen jenes Krieges damals spürten und spüren die die Menschen mehr als ein halbes Jahrhundert später immer noch.

Dienstag, 1. März 2022

Aschermittwoch. Ohnmacht und Kraft angesichts des Krieges

Ich komme in diesen Tagen schwer zur Ruhe.
Das Leiden der Ukraine ist mir so nah, die Menschen tun mir so leid.
In den Nachrichten und auf Social Media höre und sehe ich sie in ihrer Verzweiflung, in ihrem Kampfgeist, in ihrer Angst, in ihrer Standhaftigkeit.
Fühle mich ihnen nah und fern zugleich.

Ich will die Dinge ändern und kann es nicht.
Ich will helfen und bin hilflos.
Ich will weinen und schreien vor Hilflosigkeit.

Donnerstag, 24. Februar 2022

Krieg in der Ukraine. Kurzes Statement

So ähnlich habe ich heute in Frankfurt (Oder) auf einer Kundgebung gesprochen, auf der Solidarität mit der Ukraine ausgedrückt werden sollte:

Es ist für mich nur sehr schwer erträglich, was wir seit heute erleben.
Wie viele von euch macht es auch mich fassungslos, wütend, traurig, dass nun tatsächlich Krieg in der ganzen Ukraine herrscht.

Sonntag, 20. Februar 2022

Die österreichische Sitzbank. Von Sinnsprüchen und Feindesliebe


Während meiner Exerzitien (gerade beendet) war ich zwischen den Gebetszeiten viel im österreichischen Wald unterwegs. Schnee so weit das Auge reichte, aber auch erste Durchbrüche der kleinen Tannen durch die Schneedecke. Eine echte Freude! 

Und an den Wanderwegen stehen viele Bänke, die (bei anderen Temperaturen) zum Verweilen einladen. Und das tun sie nicht gerade zurückhaltend, sondern mit flotten Sprüchen: „Schön, dass du da bist“ steht dort oder „Zeit zum Genießen“ oder auch „Schöne Aussicht“. Aber auch weniger sitzbezogene Sinnsprüche finden sich: „Let it be“ und „Vertraue dir“ oder „Tief durchatmen“ wird den Wanderern da geraten. 

Samstag, 12. Februar 2022

Lobpreis und Weheruf. Für eine Kirche unter dem Anspruch des Evangeliums

Wenn man die Texte des Evangeliums (Lk 6,17.20-26) heute hört, sollte man meinen, die Kirche, die sich diese Texte zu eigen macht und sie regelmäßig liest und auslegt, stünde an der Seite der Armen und Benachteiligten, sie tröste Weinende und kümmere sich um die Ausgestoßenen.

Denn es sind Zusagen an jene, die arm, hungrig, traurig und ausgegrenzt sind. Und es sind Mahnungen an jene, die heute auf der Gewinnerseite sitzen.

Dienstag, 8. Februar 2022

Berührung von etwas ganz Anderem: „Überfluss“ von Wisława Szymborska

Wann eine wissenschaftliche Erkenntnis Bedeutung für uns gewinnt, kann vorher nicht immer mit Gewissheit gesagt werden. Bei der Entwicklung eines Impstoffs ist die Bedeutung leicht zu erkennen, bei der Entdeckung eines neuen Sterns eventuell etwas weniger leicht.
Auch unsere Emotionen werden unterschiedlich berührt. Ob wir bewegt werden, hängt auch von uns selbst ab.

Dies vorausgeschickt, möchte ich heute ein Gedicht der verehrten Wisława Szymborska vorstellen, das in seiner Lakonie gerade gut zu meiner Stimmung passt. Es umkreist die Wirkung, die die Entdeckung eines neuen Sterns hat, es fragt nach unserer Aufmerksamkeit, nach unserem Interesse, nach unserer Bereitschaft, eine Neuigkeit zu hören.

Samstag, 5. Februar 2022

Mich noch einmal auswerfen? Gedanke zum Evangelium Lk 5,1-11.

Petrus hatte doch schon guten Willen bewiesen.
Er hatte getan, was Fischer zu tun pflegen und war die Nacht über bis in den frühen Morgen unterwegs auf Fischfang gewesen.
Doch gefangen hatte er nichts.
Dann hört er, wahrscheinlich frustriert und müde, dem neuen Prediger zu und unterstützt ihn sogar, indem er ihn ein Stück weit auf den See fährt.
Schließlich hört er die Aufforderung, es nach der Enttäuschung der Nacht noch einmal zu versuchen.

Ähnlich fühle ich mich manchmal:
Habe als Katholik und kirchlicher Mitarbeiter viel guten Willen bewiesen.

Montag, 31. Januar 2022

Austritt – Rückblick nach zehn Jahren

Vor genau zehn Jahren habe ich ein Auto beladen und bin mit meinen Sachen von St. Georgen in Frankfurt am Main nach Berlin gefahren.
Wegen einer Möbelspende, die abzuholen, und einem Mitfahrer, der abzuliefern war, führte der Weg über Bremen und Hamburg, was eine gewaltige Fahrt von knapp 900 km bedeutete.

Aber das war dann auch noch irgendwie zu schaffen. Nachdem ich so viel geschafft hatte.
Mich von so vielen Menschen, von so vielen möglichen Lebensperspektiven verabschiedet hatte und aus dem Jesuitenorden ausgetreten bin.
Am 01. Februar 2012 habe ich noch einmal neu angefangen.

Donnerstag, 27. Januar 2022

„Ohne Verbitterung, ohne Haß“ Etty Hillesum am Gedenktag der Opfer des NS

Die Verbrechen der Shoah und die enthemmten Grausamkeiten der Nationalsozialisten schreien zum Himmel. Und obwohl der heutige Tag lange schon als Gedenktag begangen wird, obwohl der Kampf gegen Antisemitismus und Menschenverachtung in Deutschland einen hohen Stellenwert haben, greifen doch Hass und Menschenfeindlichkeit immer neu um sich.

Wenn wir aber den Opfern der nationalsozialistischen Schrecken gerecht werden wollen, reicht es eben nicht aus, sich zu erinnern. Der Einsatz für Menschlichkeit und Toleranz ist Teil des Gedenkens.
Daran gemahnt auch ein Brief von Etty Hillesum aus dem Lager Westerbork bei Amsterdam vom 03.07.1943:

Montag, 24. Januar 2022

Solidarität mit der Initiative „Out In Church“

Heute zitiere ich mal mich selbst von meiner dienstlichen Website:


Mehr als 100 katholische LGBTQI*-Personen haben sich in einer gemeinsamen Initiative unter dem Motto „Out in Church“ geoutet und ihre sexuelle Identität öffentlich gemacht.

Es sind Zeugnisse, die mit großem Mut und bewegender Offenheit Hoffnung machen für eine Kirche, die offen ist für Vielfalt und Toleranz – anders als sie allzu oft erlebt wird.

Samstag, 22. Januar 2022

„… keine Kenntnis ...“ Viele Worte, trauriger Ertrag. Zum Münchener Gutachten vom 20.01.2022.

Ich hätte es gern anders gemacht und wollte zunächst mit einigen Worten von Betroffenen sexueller Übergriffe in der Kirche beginnen, ihrer Meinung exemplarisch Raum geben.
Aber ich habe gemerkt, dass ich mir nur ein Placebo gewünscht hätte, um mich besser zu fühlen, da ich mich im Folgenden doch auf die Täter fokussiere.
Das ist traurig, aber da ich keinen anderen Rat weiß, möchte ich es immerhin erwähnen.

Das Entsetzen und Erschrecken und der Zorn und Ärger über die Taten von Kirchenmännern sind – auch von Kirchenmännern – so oft geäußert, dass es schon kaum mehr zum Aushalten ist. Und viele haben das alles schon längst nicht mehr ausgehalten und sind gegangen.

Nun kommt die nächste Welle des Schreckens, dieses Mal aus München.

Samstag, 15. Januar 2022

Dein Wasser reicht gegen den Frust. Predigt zum Weinwunder in Kana (Joh 2,1-11)

Ich kann die Angst vor der Unzufriedenheit der Gäste förmlich spüren. Da sind das ganze Dorf und viele auswärtige Gäste zusammengekommen und wollen feiern. Sie wollen den tristen Alltag endlich mal für ein paar Stunden (oder Tage!) verlassen und es sich richtig gut gehen lassen.
Und dann ist der Wein alle. Das heißt, die Party wird bald vorbei sein.
Was muss das für ein Ärger für die Einladenden sein, wenn sogar schon bis zu den Gästen durchdringt, dass nicht mehr weitergefeiert werden kann! Was für eine Enttäuschung, was für ein Frust.

Aber wozu bei der biblischen Geschichte stehenbleiben?

Sonntag, 9. Januar 2022

„...während er betete, öffnete sich der Himmel…“ Taufe des Herrn als Hoffnungsbild

Jesus lässt sich taufen und wird von oben bestätigt. Als er betet, tut der Himmel sich auf, der Geist kommt herab, eine Stimme ertönt (Lk 3,15-16.21-22).

Wie oft wünschte ich mir eine solche Vergewisserung, während ich bete! Eine Stärkung im Glauben. Einen Kraftakt Gottes, der mir zeigt, wie es um mich steht, was er wirklich will und dass er an meiner Seite ist.
Aber so etwas gibt es selten oder gar nicht.
Wir normalen Christ*innen sind zwar auch getauft, aber die Bestätigung bleibt oftmals aus. Wenn wir beten, fühlt es sich oft an, als würden wir ins Leere sprechen. Was unser Gebet wirklich bringt – und ob es etwas bringt, bleibt unklar. Ich selbst fühle mich unwohl mit manchen vorgeprägten Formulierungen. Wenn ich selbst formuliere, bleibe ich hinter meinen Erwartungen zurück oder fühle gar nicht, was ich eigentlich meinte.