Weihnachten, das sind sowieso schon immer Kontraste, und dieses Jahr nun besonders deutliche, die zu benennen fast schon platt ist:
Deutsche Gemütlichkeit im Familienidyll bei der Geburtstagsfeier eines obdachlosen und unehelichen Kindes.
Dazu Terror und Gewalt in Aleppo, in Berlin und anderswo, während man zwischen den Jahren endlich entspannt die freien Tage genießen will.
Gesang von der stillen Nacht, die (jedenfalls in Berlin) schon von Böllern torpediert wird.
Wo das Familienidyll nur Sehnsucht bleibt, sind besonders heftige Auseinandersetzungen an der Reihe.
Von all den anderen Reibepunkten des Weihnachtskapitalismus und der Glühweinseligkeit mit der christlichen Botschaft ganz zu schweigen.
Mittwoch, 28. Dezember 2016
Samstag, 24. Dezember 2016
Make mankind great again! Gottes Weihnachts-Slogan
Seit ich als Gefängnisseelsorger
arbeite, fragen mich immer wieder Menschen, was denn die Inhaftieren
von mir wollen, wenn sie um ein Gespräch bitten. Ob sich denn Viele
bekehren würden, ob Menschen ihr Gewissen erleichtern wollten.
Wenn ich dann sage, dass ich oft
einfach ein Bedürfnis sehe, mit jemandem zu sprechen und jemandem
ein familiäres oder ein sonstiges Problem zu erzählen oder eine
Frage loszuwerden, findet man das zwar interessant, aber eben nicht
besonders spektakulär. (Vom Wunsch nach Tabak und Kaffee einmal
abgesehen...)
Tatsächlich ist es ja eine spannende
Sache, dass aus diesem kleinen Kind, auf das wir an Weihnachten
schauen, am Ende eine Religion entstehen wird, in deren Auftrag ich
jetzt im Rahmen des Justizvollzugs tätig bin und Menschen auf einem
kleinen Abschnitt ihres Lebens begleite.
Wir feiern die Geburt dieses Mannes aus
dem Volk Israel, wegen dem ich heute einen Gottesdienst feiere und
der heute noch Menschen dazu bringt, einander ihr Leben zu erzählen,
einander ein Stück zu begleiten, einander zuzuhören.
Natürlich ist das Erzählen und Hören
nicht nur Jesus geschuldet und vielleicht könnte das auch irgendwie
anders möglich sein. Aber schon dann, wenn es allein das wäre, was
Jesu Geburt gebracht hat, dass Menschen einander mehr zuhören, wäre
das doch klasse.
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Mittwoch, 21. Dezember 2016
"Die Nacht ist vorgedrungen" - Weltdunkel und Adventlicht
Die Tage werden kürzer, die Ereignisse
schrecklicher.
Nach dem (vor)gestrigen Anschlag in
Berlin habe ich auch für den Blogoezese-Adventskalender nur wenig
anderes im Kopf als dies.
Dunkel scheint sich über die Welt zu
legen, wenn ich ernsthaft beginne, mir vor Augen zu halten, was da
geschehen sein muss und wie es Betroffenen wohl gehen mag. Ich selbst
kann mir gar nicht vorstellen, was in Menschen vorgeht, die einen
lieben Menschen dort sterben sehen mussten oder in den ersten
Stunden des heutigen Tages verloren haben.
"Seelendunkel" wird es in
vielen Fällen wohl treffen, wenn Fassungslosigkeit, Resignation,
Trauer, Wut, Leere und Angst inbegriffen werden sollen.
Dem heutigen kürzesten und dunkelsten
Tag des Jahres steht diese Licht-Dunkel-Rede vielleicht auch besser
als viele andere Gedanken.
Montag, 19. Dezember 2016
Nicht ein Schimmer – Fassungslos in Berlin
Als hätte jemand dem furchtbaren Jahr
2016 noch einen schwarzen Hut aufsetzen wollen!
Tote und viele Verletzte bei einem Anschlag
auf den Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in
Berlin. Ein Laster fährt in die Menschenmenge.
Ich weiß nicht, was dazu zu sagen
wäre. Sicher nicht mehr nichts anderes als bei anderen Anschlägen.
Doch es macht wieder und wieder fassungslos. Traurig.
Dienstag, 13. Dezember 2016
Viele Male Josef: der Loslassende, der Demütige, der Getröstete, der Erwachte...
Das Evangelium des kommenden Vierten Advents (Mt
1,18-24) stellt die Geschichte der Geburt Jesu aus der Sicht Josefs
dar. Einige Gedankensplitter.
Der will sich zunächst, in guter
Weise, wie versichert wird, aus dem Staub machen. Wie edel seine
Motive allerdings auch seien, sie wären darauf hinausgelaufen, dass
Maria allein ein uneheliches Kind aufgezogen hätte. Menschlich (und
wenn man so will, auch juristisch) ist die Sache und Josefs Gedanke
damit eindeutig und klar. Zwar will er "sie nicht
bloßstellen" (v19), aber seine eigene Reputation will er
schon auch noch wahren.
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Dienstag, 6. Dezember 2016
Advent und das Wunder des werdenden Lebens
Wer von Advent und Weihnachten im
christlichen Sinne spricht, spricht immer auch davon, dass Jesus
Christus als Mensch geboren wird. Dass Gott da also ein Mensch werden
will, wird, insofern eine solche Aussage nicht ins Mythologische
abgeschoben wird, gemeinhin als Wunder bezeichnet.
Doch bei genauerer Betrachtung ist das
größte Wunder eigentlich, dass durch den sexuellen Akt überhaupt
neues Leben entsteht. Dass die Eizelle einer Frau und die Samenzelle
eines Mannes zusammen fähig sind, in der Gebärmutter der Frau ein
neues Lebewesen entstehen zu lassen, ist eigentlich gar nicht zu
fassen.
Donnerstag, 1. Dezember 2016
Brüderlichkeit in Nazareth - Zum 100. Todestag von Charles de Foucauld
Am 01. Dezember 1916, also heute vor genau 100 Jahren, wurde
Charles de Foucauld in seiner Einsiedelei in Tamanrasset im heutigen Libyen
Opfer eines Raubüberfalls, in dessen Verlauf er durch Panik und Unbedacht
getötet wird.
Es ist eine Tragödie, dass dieser Mann, der immer für Verständigung
und Nächstenliebe eintrat, der zu diesem Zweck ein Wörterbuch für die Sprache
der einheimischen Tuareg verfasste und der dem gewaltlosen Jesus aus Nazareth nachfolgen
wollte, auf diese Weise sein Leben verlor.
Samstag, 26. November 2016
Der dreifache Advent – Gott zum Menschen hinterhergehen
Bekanntlich schaut die Adventszeit in
drei verschiedene und zugleich miteinander verknüpfte Richtungen:
das dreifache Kommen Gottes zu den Menschen.
1
Da ist zum einen der Blick nach vorn in
die Zukunft, auf das zukünftige Kommen eines Retters in den letzten
Tagen. Davon spricht zum Beispiel die Evangelienlesung
an diesem Ersten Advent. Die Endzeit war ein bestimmendes Thema der
Verkündigung Jesu und dementsprechend voll sind die Evangelien mit
diesbezüglichen Hinweisen und Ausmalungen.
Für heutige Menschen gibt es ähnlich
viele Vorstellungen und vor allem Ängste bezüglich der Zukunft und
der bedrohlichen klimatischen, politischen oder sozialen
Verwerfungsschatten, die sie augenscheinlich schon vorauswirft.
Freitag, 25. November 2016
Schluss mit der Trickserei! – Advent ist nahe
Es geht auf den Advent zu und die Welt
scheint schon in den Startlöchern zu sitzen. Allerorten (auch im
Gefängnis!) wird Schmuck angebracht und erwartet, dass es endlich
gemütlich wird.
Beim Blick in die biblischen Texte, die
die Ankunft (denn nichts anderes bedeutet adventus ja)
thematisieren, zeigt sich allerdings, dass es dabei oft um das
unerwartete Kommen eines Rechenschaft einfordernden Herren geht.
Dementsprechend
wird alles geordnet, die Bücher müssen stimmen, Zahlen werden
schnell geprüft, Löhne ausgezahlt, denn wenn etwas nicht stimmt,
wird es ungemütlich.
Freitag, 18. November 2016
Donald Trump und Kaiser Augustus – Literarische Parallelen
Die Unterschiede liegen natürlich klar
auf der Hand: es herrschen völlig andere politische Verhältnisse,
die Stellung der beteiligten Personen und auch die konkrete
Vorgeschichte unterscheiden sich deutlich. Doch die Art und Weise,
wie einige Personen im Roman „Augustus“ von John Williams
handeln, und wie heute Donald Trump vor und nach der Wahl auftritt,
weisen starke Parallelen auf.
Mittwoch, 16. November 2016
Sehen lernen mit Architektur - Der Kirchenneubau von St. Canisius in Berlin
Gerade habe ich einen Oasentag für das
Kollegium einer katholischen Grundschule in Berlin gestaltet. Orte
der Veranstaltung waren der Gemeindesaal und die Kirche von St.
Canisius im Berliner Stadtteil Charlottenburg.
Weil ich die Architektur und
Ausgestaltung dieses Kirchenneubaus von 2002 so schön finde, habe
ich mir aus diesem Anlass einige Gedanken dazu gemacht und
aufgeschrieben.
Samstag, 12. November 2016
Keine Weltuntergangsstimmung, bitte! - Eine Predigt im Gefängnis
Es ist so viel passiert, worüber man schreiben könnte... Stattdessen sei hier nur auf zwei Fundstücke im Netz hingewiesen.
Angesichts des Todes von Leonard Cohen ist hier einer seiner schönsten Songs, ein imaginärer (Liebes)Brief an einen ehemaligen Nebenbuhler: "Famous blue raincoat".
Angesichts der Wahlen in den USA fand ich einen Text, der nicht Umfrageinstitute zerreißt, über Wählerverhalten aufklären will oder den Untergang der freien Welt wegen der Wahl eines solchen Egomanen an die Wand malt, sondern der kritisch-konstruktiv nach vorn schaut: "What do we tell the children?"
Und damit zu dem, was ich morgen so oder ähnlich im Gefängnis predigen werde:
Montag, 7. November 2016
"Wohl denen, die großherzig sind" - Neue Seligpreisungen nach Avraham Ben Yitzhak
Dieser Tage hat Papst Franziskus in
Schweden eine aktualisierte Fortschreibung der Seligpreisungen
angeboten, die ich sehr ansprechend finde und die es wert wäre, hier
besprochen zu werden. Ich möchte an dieser Stelle aber nur darauf
hinweisen (hier)
und den Anlass lieber nutzen, um eine ältere Reformulierung der
Seligpreisungen vorzustellen, die von dem bereits erwähnten
galizischen Autor Avraham Ben Yitzhak stammt.
Die folgenden, 1930 in Wien
geschriebenen Zeilen stellen die letzte Gedichtveröffentlichung des
Dichters dar.
Dienstag, 1. November 2016
Alle Heiligen ehren – und über Simone Weil stolpern
Entgegen landläufiger Meinung ist
Heiligkeit keine menschliche Leistung, sondern ein Anteil an der
Heiligkeit dessen, der allein heilig ist. Es ist ein Abglanz von
Gottes Heiligkeit.
Nach katholischem Verständnis gehören
zu den als Heiligen verehrten Menschen insbesondere jene, die Jesus
zu seinen Lebzeiten berufen und in besonderer Weise gesandt hat, also
die Apostel, jene, die ihr Leben für Christus gegeben haben, also
die Märtyrer, jene, "die Christi Jungfräulichkeit und Armut
entschiedener nachgeahmt haben"1
und damit ein heiligmäßig vorbildliches Leben führten. Deshalb
müssen für eine Heiligsprechung Erhebungen "über das
Leben, über die Tugenden oder das Martyrium und den Ruf der
Heiligkeit bzw. des Martyriums, über behauptete Wunder sowie
gegebenenfalls über eine althergebrachte Verehrung"2
angestellt werden.
Im Hintergrund steht die Überzeugung,
dass Gottes Geist sich im Leben dieser Menschen besonders sichtbar
geworden ist, in ihrem Leben, sagt das Konzil, "zeigt
Gott den Menschen in lebendiger Weise seine Gegenwart und sein
Antlitz."3
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Montag, 31. Oktober 2016
Reformationstag – Füreinander danken können
Zum Auftakt des Gedenkens an 500 Jahre
Reformation habe ich mir den Liturgieentwurf für den zentralen
ökumenischen Gottesdienst, der am 11. März 2017 in Hildesheim
stattfinden soll, etwas näher angeschaut.
Das gemeinsame Wort, in dem der
Liturgieentwurf enthalten ist, trägt den Namen "Erinnerung
heilen – Jesus Christus bezeugen".1
Das Thema des Gottesdienstes ist dementsprechend Buße, Versöhnung
und gemeinsames Zeugnis.
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