Nun, da die Flüchtlingspolitik der
Unionsparteien wieder zu einem deutschen Politikum wird und damit
eine wichtige Komponente in den kommenden Sondierungsgesprächen
darstellt, nun, da von "atmenden Deckeln" und "Asylzentren"
die Rede ist und die neuerliche Unterscheidung zwischen so genannten
"Wirtschaftsflüchtlingen" und Asylberechtigten über Wohl
und Wehe einer kommenden Regierungskoalition mitentscheidet, in
ebendiesem Moment lese ich den wunderbaren Roman "Americanah"
von Chimamanda Ngozi Adichie1
und möchte an dieser Stelle einen kurzen literarischen Einwurf zur
obenstehenden politischen Frage vorstellen.
Montag, 9. Oktober 2017
Freitag, 6. Oktober 2017
Renatus – Gedenktag der Wiedergeburt
Am 6. Oktober begeht die Kirche nicht
nur den Gedenktag des Heiligen Bruno, Gründer der Kartäuser,
sondern auch den des weitgehend unbekannten Heiligen Renatus von
Sorrent.
1
Beim Blick auf die verfügbaren
Informationen vermischen sich wohl die Überlieferungen zweier
Traditionen. Renatus soll ein um das Jahr 450 gestorbener Bischof des
gleichnamigen Ortes im Golf von Neapel gewesen sein, spätere
Legenden machten ihn außerdem zum Bischof des französischen Angers.
Dienstag, 3. Oktober 2017
Einheit der Deutschen und Einheit der Christen. Ein Denkanstoß
Als ich dieser Tage in der Ausstellung
"Der Luthereffekt" im Berliner Martin-Gropius-Bau war und
mich an den Spuren von "500 Jahre[n] Protestantismus in der
Welt" erfreuen wollte, musste ich mich gleich zu Beginn sehr
aufregen.
Im Lichthof des Museums befindet sich
eine Raum-Klang-Installation des Künstlers Hans Peter Kuhn in Form
einer sich windenden Doppelhelix, die für den Übergang vom
Katholizismus zum Protestantismus stehen soll und eine ärgerlich
simplifizierte Gegenüberstellung der Konfessionen betreibt. Im
Begleittext heißt es nämlich, es sei eine "simple Metapher"
gewählt worden:
"Die katholische Kirche ist die
Mittlerin zwischen Mensch und Gott. Dadurch ergibt sich eine
räumliche Einschränkung in der Vertikalen, eine Deckelung von oben.
Dafür ist in der Breite Raum für lässliche Sünden. Der
Protestantismus gewährt die direkte Beziehung zu Gott. Diese Öffnung
in der Vertikalen geht jedoch einher mit einer Einengung in der
Horizontalen, denn kleine Sünden sind nicht mehr erlaubt."1
Diese Art von intellektueller
Schieflage im öffentlichen Raum eines Museums finde ich nun wirklich
frech.
Montag, 2. Oktober 2017
Tod ist sinnlos
Es ist ein Blick in den Abgrund.
Während eines Konzertes in Las Vegas
eröffnet ein Mann aus einem nahestehenden Hotel das Feuer, er
schießt wahllos mitten in die Menge.
Laut aktueller Berichterstattung sind
keine Motive oder Gründe erkennbar.
In diesem Moment, ohne die Aufladung
mit irgendwelchen religiösen oder politischen Fanatismen, zeigt
sich, was solches Morden eigentlich und immer ist – sinnlos.
Donnerstag, 28. September 2017
Respekt, Mitgefühl und Achtsamkeit. Rezension zu "Building a bridge" von James Martin SJ
Wie Gruppen mit völlig
unterschiedlichen Lebensrealitäten (wieder) miteinander Fühlung
aufnehmen können, stellt eine große Herausforderung gerade in
Zeiten starker Polarisierung dar.
In den USA gibt es dieser Tage eine
interessante Debatte über den Umgang der Katholischen Kirche mit
Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten.
Ausgelöst wurde sie durch den
bekannten Jesuiten James Martin, der mit "Building a bridge.
How the Catholic Church and the LGBT Community can enter into a
relationship of respect, compassion and sensitivity"1
ein sehr gutes und geistlich anregendes Buch über die Beziehung
zwischen Katholischer Kirche und LGBT-Community vorgelegt hat.
Im Titel tritt bereits das
hauptsächliche Anliegen des Autors zutage: Es braucht eine
gegenseitige Annäherung im Geist von Respekt, Mitgefühl und
Achtsamkeit.2
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Sonntag, 24. September 2017
Der Souverän teilt aus. Wahl im Weinberg
Ich übe mich weiter in schiefen
Bildern...
Denn: Eigentlich könnte die Wahl so
sein wie das Sonntagsevangelium (Mt 20,1-16).
Da sucht sich ein Herr im Laufe des
Tages Arbeiter für seinen Weinberg. Sie arbeiten nach Absprache bei
ihm, also unterschiedlich lang, je nachdem, wann er sie ansprach und
sie beginnen konnten. Am Ende bekommen sie ihren Lohn – jeder einen
Denar, so viel, wie man für den einen Tag zum Leben braucht.
Donnerstag, 21. September 2017
Zwischen Resignation und Hybris. Zwei Reflexionen vor der Bundestagswahl.
Da meine Kinder nun einmal unumgänglich
zu meinem Nahumfeld gehören, fallen mir anhand ihrer
Verhaltensweisen, Möglichkeiten und Grenzen auch eine Reihe von
Dingen auf, die sich in meine Assoziationsketten vor der
Bundestagswahl 2017 einfügen.
Die Kleine ist noch keine drei Monate
alt und wahltypologisch steht sie für mich auf dem Posten der
Resignation.
Langsam nimmt das Baby immer mehr wahr,
was um sie herum geschieht; von Tag zu Tag beobachtet sie genauer.
Der über ihr sich bewegenden Hand folgt sie mit den Augen oder gar
dem Kopf, die Wärmelampe lächelt sie an, auf elterntypische
Kosegeräusche reagiert sie mal mit Lachen, mal gar nicht.
Und dann ist da ein über ihr
baumelndes Spielzeug, von mir angestoßen und wegen seiner Bewegung
von ihr angestaunt. Aber die Möglichkeit, es selbst auch zu berühren
und in Bewegung zu bringen, scheint sie nicht zu haben. Oder doch?
Sonntag, 17. September 2017
Erbarmen. Im Sandkasten, bei der Bundestagswahl und im Sonntagsevangelium
Mit diesen (hier leicht abgewandelten) Worten war ich heute morgen im rbb zu hören:
Wenn ich mit meiner kleinen Tochter auf
den Spielplätzen in unserem Viertel unterwegs bin, fällt mir
regelmäßig dieser eine Satz aus der Bibel ein: „Hättest nicht
auch du Erbarmen haben müssen?“
Eines der anderen Kinder hat meiner
Tochter etwas von seinem Sandspielzeug abgegeben. Anstatt nun
friedlich miteinander zu spielen, greift meine (sonst natürlich
außerordentlich gut erzogene) Tochter im nächsten Augenblick alle
ihre Sachen, um nur ja nichts von ihnen abgeben zu müssen.
Zwar kann sie selbst auch nicht mehr
spielen, wenn sie alle Schaufeln und Eimer vor den Bauch presst, aber
die Verteidigung ihres Besitzstandes ist ihr in diesem Moment viel
wichtiger.
Samstag, 16. September 2017
Abel, steh auf! Ein Plädoyer für das Leben
Man muss nicht mit allen Ausformungen
christlicher Lebensschutzinitativen übereinstimmen, um sich für
ungewollte Menschenleben einzusetzen. Schon ganz und gar unpassend
finde ich die unanständigen Aufrufe und Aktionen mancher linker
Gruppen, die sich dem Wunsch nach dem Schutz menschlichen Lebens
entgegenstellen.
Während sich also in diesen Stunden wieder
viele Demonstranten und Gegendemonstranten in Berlin einfinden, um
beim "Marsch für das Leben"
vornehmlich für oder gegen Abtreibung (aber auch zu anderen
Lebensschutzthemen) zu demonstrieren, finde ich im trauten Kreis der
Familie eines meiner Lieblingsgedichte, das zu diesem Marsch passt.
Verlust des Menschen. Müllrose, 2017. |
Es ist geschrieben von der
Namensgeberin dieses Blogs, Hilde Domin, und handelt von der
tragischen Unumkehrbarkeit des ersten gewaltsamen Todes, des Todes
von Abel durch die Hand seines Bruders Kain. Und es handelt von der
Hoffnung auf einen Neuanfang, vom Aufstehen gegen den Tod.
Samstag, 9. September 2017
Wenn sie nicht hören kann... Über Kindererziehung und Exkommunikation
Heute hat sie es wieder einmal
geschafft. Nachdem ich mich eine Zeit lang habe anschreien, anspucken
und treten lassen, bin ich aus dem Kinderzimmer gegangen, in dem
meine Tochter eigentlich Mittagsschlaf machen sollte. Das Hinaus- und
Hineingehen hat sich vier- bis fünfmal wiederholt. Irgendwann hatte
ich genug und meine Frau hat sich der Sache angenommen. Nachdem auch
sie angeschrien wurde, hinaus- und wieder hineinging, ist dann
irgendwann Ruhe eingetreten.
Irgendwie passt diese
Samstagmittagsszene zum morgigen Evangelium (Mt 18,15-20).
Jesus unterweist darin seine Jünger,
wie sie Streitigkeiten innerhalb der Gemeinde schlichten sollen. Da
es zu Jesu Lebenszeit keine wirklichen Ortsgemeinden gab, ist von
einer nachösterlichen Formulierung auszugehen, die im Sinne Jesu
gestaltet wurde.
Montag, 4. September 2017
Bebender Boden voller Splitter. Die Flüchtlingsfrage in der Literatur
"Erinnerungen sind keine
Abschnitte in Handbüchern, es sind aber auch nicht nur
Einflüsterungen. Viel eher sind es Splitter, auf die man barfuß im
Dunkeln tritt, weil man vergessen hat, dass etwas zu Bruch gegangen
ist".1
So muss es vielen der Geflüchteten
gehen, die über das Mittelmeer oder die Türkei nach Europa und
Deutschland zu gelangen versuchen. Ihr früheres Leben ist zu Bruch gegangen und alles, was bleibt sind die Splitter, die immer noch Verletzungen verursachen. Als vor zwei Jahren die
Flüchtlingsfrage zwischen Ungarn und Deutschland und letztlich in
ganz Europa noch einmal völlig neu sortiert wurde, ahnte wohl
niemand, in welche Richtung sich die Dinge entwickeln würden. Wir
wissen es ja immer noch nicht, sind nur einen Wegabschnitt weiter.
Aber die Erinnerung an diese Tage und
Wochen ist auch für manche Europäer wie ein Splitter, der im Fuß sitzt
und schmerzt. Was da zu Buch ging, war die immer noch stillschweigend
vorausgesetzte Übereinstimmung in Sachen europäischer
Menschlichkeit. War die Illusion mancher Deutscher, sich abschotten
zu können von den Zeitläuften der Welt. War die Hoffnung, mit all
dem, was an den Rändern Europas passierte, nichts zu tun haben zu
müssen.
Samstag, 2. September 2017
Mein Leben als Verfolgter. Ein Gedicht von Andreas Knapp deutet das Evangelium
Über Selbstverleugnung als
Voraussetzung der Nachfolge wurde und wird viel Gegensätzliches,
viel Gutes und auch viel Quatsch geschrieben. Jesus kündigt im
Sonntagsevangelium (Mt 16,21-27) zunächst seinen Passionsweg an und
weist den Einspruch des Petrus, dass Gott so etwas doch sicher nun
wirklich nicht wolle, radikal ab.
"Darauf sagte Jesus zu seinen
Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst,
nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." (v24)
Im Zusammenhang der vorhergehenden
Leidensankündigung ist diese Aussage wohl so zu verstehen, dass
jene, die ihm aufrichtig folgen wollen, das Leiden des Herrn in ihrem
Lebensweg freiwillig mitgehen sollen.
Donnerstag, 31. August 2017
Mekka und wir
Weil gerade Hadsch nach
Mekka ist, hier ein paar Informationen und Anmerkungen aus
christlicher Perspektive.
1 Sinn des Hadsch
allgemein
Im Islam verhilft die Reise
nach Mekka, den Geburtsort Mohammeds, der „geographischer
Mittelpunkt“1
des Islam ist, den Gläubigen zur Erfahrung der „Einheit in
ihrer Universalität“2
und zur „Einheit in der Vielfalt“.3
Darüber hinaus bietet die
Wallfahrt eine Erfahrung der Zugehörigkeit der Muslime zur
„Bruderschaft des Islam“4
und dient der „Stärkung ihres religiösen und persönlichen
Selbstvertrauens“.5
Feierliche Rituale bei An- und Abreise zeugen von Sozialprestige und
aus der Wallfahrt erwachsender religiöser Autorität, die unabhängig
von Bildungsstand oder sozialer Stellung ist.6
Der Entschluss zur Wallfahrt
ist gebunden an die körperlichen und finanziellen Möglichkeiten und
an den Zeitpunkt, da der Hadsch in den Wallfahrtsmonat fallen muss.7
Sonntag, 27. August 2017
Vergangenheit oder Zukunft? Vom Mut, Jesus zu denken
Viele Menschen haben für Jesus nur
Kategorien und Namen aus der Vergangenheit parat.
So auch im heutigen Evangelium (Mt 16,13-20), in dem die Menschen frühere Propheten oder wichtige
Männer bemühen, um sich ein Bild von Jesus zu machen.
Donnerstag, 24. August 2017
Über golden schimmernde Straßen – Das Erinnern in "Lemberg" von Lutz C. Kleveman
Als Infizierter musste ich dieses Buch
natürlich lesen.
Denn seit meinem einjährigen
Aufenthalt in Lemberg in der Westukraine vor 16 Jahren bin ich
mehrfach dort gewesen und bin zudem (trotz der langsamen
"Pragisierung" der Altstadt) immer noch der Überzeugung,
dass dies eine der schönsten Städte Europas ist.
Und nun hat Lutz C. Kleveman mit
"Lemberg. Die vergessene Mitte Europas"1
eine überzeugende Kurzbiographie vorgelegt, in der er den "memoriae
urbis der Jahre
1914-1944"2
nachspüren will.
Darum umfasst seine Untersuchung die
Herrschaft von Habsburgern und Polen ebenso wie von Deutschen und
Sowjets. Einige seiner Ausflüge reichen bis in die Jetztzeit, denn
das leitende Motiv des Autors ist die Frage nach den verschiedenen
Erinnerungen, die die Stadt prägen. Auslöser seiner Recherchen war
der weiterhin andauernde Krieg im Osten der Ukraine, bei dem von
besonders seitens der kriegführenden Parteien (inkl. Russland) mit
historischen Stereotypen gearbeitet wird, die für Außenstehende
schwer aufzuschlüsseln sind.
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