Dienstag, 14. August 2018

Wen bevorzuge ich als Gefängnisseelsorger? Gedanken zu Mariä Himmelfahrt

Von Zeit zu Zeit werde ich gefragt, wie ich das denn mache bei meinen Gesprächen im Gefängnis. Ob ich nicht ab und zu der Meinung sei, ich hätte nun schon wieder dasselbe gehört wie gestern. Ob ich auch wirklich jede persönliche Tragik individuell würdigen könne. Und überhaupt, wie es denn sei, wenn so viele verschiedene Leute kommen und alle ernst- und wahrgenommen werden wollen – das ginge doch sicher nicht?!

Himmelwärts mit Hindernissen.
Vogelnetze, Zoologischer Garten, Berlin, 2017.
Tatsächlich muss ich sagen, dass das von meiner Tagesform abhängig ist.
Aber im Großen und Ganzen versuche ich, bei jeder Person, die mir gegenüber sitzt, ganz anwesend zu sein und ihr mit größtmöglichem Wohlwollen zu begegnen.
Ich kann und will nicht unterscheiden, wen ich mehr und wen ich weniger ernst nehme.
Kurz: Die wichtigste Person ist immer die gerade anwesende.

Wenn wir (bei aller bleibenden größeren Unähnlichkeit der Vergleichspartner in dieser Sache!) auch Gott als Seelsorger aller Menschen ansehen, der noch dazu immer bei jeder Person anwesend ist, hieße diese Aussage, dass ihm jede Person die wichtigste ist.
Das passt natürlich wunderbar zu grundlegenden Aussagen über Gott. Und auch dem modernen Bewusstsein für Gerechtigkeit kommt es entgegen.

Wie aber passt es zusammen mit dem, was die Kirche über Maria sagt, die der katholische Glaube mit so viel wunderbaren Wendungen und Namen besingt?
Man nehme nur die Marienlieder:
Maria ist dort die Gnadenreiche, Makellose, Engelsgleiche, Wunderschön prächtige, hohe und mächtige, liebreich holdselige himmlische Frau, Mutter der Barmherzigkeit, Patronin voller Güte, Pforte der Seligkeit, ...

Von Gott her geschaut scheint es da eine eindeutige Bevorzugung Mariens vor anderen Menschen zu geben.

Und bei allem Idealismus gibt es selbstverständlich auch für Seelsorger Personen, die einem näher sind als andere. Vielleicht würde ich sie nicht sooo ausufernd loben, aber die Unterschiede sind schon deutlich da, ob ich das nun will oder nicht.
Mit dem einen komme ich leichter ins Gespräch, mit anderen teile ich gemeinsame Erfahrungen (wie das Vatersein), andere kommen aus der gleichen Gegend wie ich...

Dieser Ungleichheit entkommt man auch bei Gott nicht.
Schon im Alten Testament zeigt sich, dass Gott recht wählerisch ist und manche Menschen vor anderen eindeutig bevorzugt – Abels Opfer nimmt er an, Kains will er nicht – was für Abel zum Verhängnis wird (vgl. Gen 4,1-8). Ähnlich geht es Joseph, dem Träumer, der von seinen Brüdern wegen der Liebe des Vaters und wegen seiner gottgesandten Träume beneidet und schließlich verkauft wird (vgl. Gen 37).
Schließlich erwählt Gott sich ein ganzes Volk auf Kosten der Anderen und verspricht sogar: "Weil du in meinen Augen teuer und wertvoll bist und weil ich dich liebe, gebe ich für dich ganze Länder und für dein Leben ganze Völker." (Jes 43,4)
Zugleich bekennen wir Gottes Willen, dass nicht nur einige, sondern „alle Menschen gerettet werden" (1Tim 2,4) und hoffen darauf, dass er am Ende der Tage die ganze Schöpfung heimholt zu sich.

Worauf will ich mit all dem hinaus?
Die Spannung zwischen der Vorstellung einer Gleichheit aller Menschen vor Gott und den biblischen Berichten einer eindeutigen Bevorzugung von Einzelnen ist krass.
Mir jedenfalls macht diese Spannung zu schaffen, vor allem angesichts der vielen besonderen Aussagen über Maria, von der unbefleckten Empfängnis über die jungfräuliche Geburt bis zu ihrer Aufnahme in den Himmel, die wir heute feiern.
Auch im Evangelium des Festes singt Maria davon, dass Gott Großes an ihr getan habe und alle Geschlechter sie nun selig preisen würden (vgl. Lk 1,49.48).

Wie lässt sich diese Spannung befriedigend auflösen?
Eine Lösung, die ich (größere Unähnlichkeit vorausgesetzt) für diese Spannung in meinem seelsorglichen Handeln gefunden habe, kam oben zur Sprache: Der aktuell Anwesende ist der Wichtigste. Auch wenn es mir bei jenen, die mir in irgendeiner Hinsicht ähnlicher sind, natürlich leichter fällt. 

Der Himmel steht uns offen!
Blankensteinpark, Friedrichshain, Berlin, 2018.
Vielleicht beruft auch Gott zur Mitarbeit an seinem Werk Leute, die ihm ähnlich sind1 – Maria wird gezeichnet als eine junge Frau, die sich bereitwillig einlässt auf die Geschichte Gottes mit ihr, als ein Engel ihr die Botschaft von der Geburt des wunderbaren Kindes bringt und die sich im heutigen Evangelium liebevoll um ihre schwangere Verwandte kümmert.
Tatsächlich erscheint Gott so im Neuen Testament: sich der Geschichte der Menschen öffnend und sie liebevoll begleitend.

Darüber hinaus stehen, wenn man genau hinsieht, Wohlwollen gegenüber allen und Bevorzugung Einzelner auch gar nicht in Widerspruch zueinander.
Auch die Aufnahme Mariens in den Himmel ist ja, wie betont werden muss, keine exklusive Auszeichnung nur für sie, sondern wird allen Menschen verheißen – aber zunächst nur von Maria ausgesagt.
Es ist dies die Konkretion einer allgemeinen Hoffnung, sichtbar geworden an Maria, der Mutter Jesu.2

Das vorausgesetzt, ist das heutige Fest ein Bekenntnis zu Gottes Kraft und Größe, an die wir Menschen nur ahnungsweise heranreichen: voller Liebe erhebt er eine Einzelne zu sich, um diese seine Liebe weiterfließen zu lassen auf alle. 



1   Inspiriert ist dieser Gedanke von J. Miles, Gott. Eine Biographie. 3. Aufl. München 2000, 102, wo es zu Gott in der Josephsgeschichte heißt: "Unterschwellig suggeriert der Text, daß Gott Joseph nicht bevorzugt hätte, wenn er nicht wie Joseph wäre, und da Joseph als liebevoll dargestellt worden ist, ist Gott vielleicht genauso. Wir bewegen uns hier, unnötig zu sagen, nicht im Bereich von Argumenten, sondern von Eindrücken." Trotzdem!
2   Vgl.zu diesem Gedanken: A. Müller / D. Sattler, Mariologie. In: In: T. Schneider (Hg.), Handbuch der Dogmatik 2. 2. Aufl. Düsseldorf 2002, 155-187, 186.

Samstag, 11. August 2018

Vertiefung statt Verlängerung. Von ewigem Leben und von Tabak

Ich glaube an das ewige Leben vor dem Tod.

Das mag ungewöhnlich klingen, aber im Johannesevangelium, aus dem der Text dieses Sonntags (Joh 6,41-51) stammt, ist es genau so gemeint. Wenn Jesus von sich selbst als vom "Brot des Lebens" (v48) spricht, dessen Verzehr Leben "in Ewigkeit" (v51) bedeutet, dann meint er nicht nur und nicht einmal in erster Linie eine noch ausstehende Zukunft, sondern die Gegenwart.

Mittwoch, 8. August 2018

Wo Liturgie und Widerstand sich treffen. Notizen

Die Feier der Liturgie schafft einen fragilen Begegnungsraum zwischen Gott und Mensch.

Damit dieser Raum entstehen kann, müssen die Versammelten von sich selbst absehen können und Gott suchen. Hinaustreten aus der eigenen Lebenswirklichkeit und tastend eintreten in die Sphäre des Himmels. Denn im Mittelpunkt dieses liturgischen Begegnungsraumes stehen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern Gottes Lobpreis. Alles Weitere tritt erst später dazu.

Samstag, 4. August 2018

"Ich weiß gar nicht, was der eigentlich will!" Gefängnispredigt von Brot und Liebe.

1. "Ich weiß gar nicht, was der eigentlich will!"
So denke ich manchmal, wenn ich mich mit Leuten unterhalte, die überzeugte Autofahrer sind und die versuchen, mir ihre Überzeugung zu erklären. Dass es so praktisch sei und schön und was weiß ich. Wo ein Auto doch meiner Meinung nach nur teuer und schmutzig ist und man jedes Mal ewig einen Parkplatz suchen muss. Außerdem ist man in Berlin ohne Auto sowieso schneller.

Man kann bei solchen Gelegenheiten sehr schnell in einen Konflikt hineingeraten, weil man mit zwei völlig unterschiedlichen Denkmustern im Kopf versucht, dem jeweiligen Gegenüber seinen Standpunkt klar zu machen.

So muss es wohl auch den Zuhörern Jesu mit ihm oft genug gegangen sein.
"Ich weiß gar nicht, was der eigentlich will!"

Donnerstag, 2. August 2018

Neue religiöse Lyrik in "Der Himmel von morgen". Eine Rezension

Die Poeten haben ihren Blick seit je über das allzu Greifbare hinaus auf religiöse Themen gelenkt. Nicht umsonst ringt Lyrik in allen Kulturkreisen mit ihren Worten darum, Unsagbares auszuloten und Unausdenkliches anzudeuten.

Anton G. Leitner, selbst Lyriker und zugleich Verleger und Herausgeber, hat dieser Tage nun eine kleine Anthologie zeitgenössischer religiöser Gedichte vorgelegt. "Der Himmel von morgen. Gedichte über Gott und die Welt"1 versammelt 100 Texte, die auf unterschiedlichste Weise das Religiöse zum Thema haben. In unserer Gesellschaft, die sich von religiösen Phänomenen intellektuell und persönlich eher absetzen will, bietet diese Sammlung damit eine Art Versöhnung von Hochkultur und Religion auf der Höhe der Zeit an.

Eine Kostprobe zu Beginn:
Das philosophisch anmutende Gedicht "Die Glut durchwühlen" von Norbert Göttler wird durchzogen vom Widerspruch analytischer und synthetischer Weltdeutung.

Montag, 30. Juli 2018

Eine religiöse Wahrnehmungsschule. Vom Zusammenhang der ignatianischen Spiritualität

Der spirituelle Weg, den Ignatius von Loyola vorschlägt, gleicht einer Wahrnehmungsschule, in der Sensibilisierungsübung und Reflexion miteinander verwoben sind.

Denn es gibt in der ignatianischen Spiritualität ein paar besonders prominente Übungen, die aus der Lebenserfahrung des Ignatius von Loyola in sein Exerzitienbuch eingeflossen sind und davon leben, dass der oder die Betende zunächst genau wahrnimmt und nicht sofort mit Gott zu sprechen anfängt.

Samstag, 28. Juli 2018

Die wunderbare Speisung. Vier Thesen zum Sonntagsevangelium

Die neutestamentliche Geschichte von der Speisung der 5000, die den Kern des heutigen Sonntagsevangeliums (Joh 6,1-15) bildet, ist so bekannt wie unverstanden.
Darum vier kurze Gedanken dazu, was die Bedeutung aufschließen könnte.
Dabei spielt für mich keine entscheidende Rolle, ob sie genau so historisch geschehen sind oder literarische Konstrukte darstellen.

Sonntag, 22. Juli 2018

Sicher ist nur die Unsicherheit. Ein Gedicht von Jan Twardowski

Im Rahmen der Gedanken, die hier unlängst über das Thema Ambiguität und Uneindeutigkeit abgelegt wurden (und die unter dem Suchwort "Vereindeutigung" auf dem Blog zu finden sind), ist mir dieser Tage bei der Vorbereitung meiner polnischsprachigen Gruppe in der JVA noch ein Gedicht von Jan Twardowski in die Hände gefallen.

Es heißt im Polnischen "Pewność niepewności", was korrekt übersetzt "Sicherheit der Unsicherheit" bedeutet. Leider hat die sonst sehr elegant und gut formulierende Übersetzerin Karin Wolff dies nicht eins zu eins übertragen – was aber dem Inhalt des Gedichts selbst (und seiner Übertragung) keinen Abbruch tut.


Rohre, irgendwohin.
Tübke-Villa, Leipzig, 2018.
Sicherheit – Unsicherheit1

Ich danke Dir dafür
daß Du das Unausgesprochene nicht ausgesprochen
das Unvollendete nicht vollendet
das Unbewiesene nicht nachgewiesen hast

Ich danke Dir dafür
daß Du Dir Deiner Unsicherheit sicher warst
daß Du an die unmögliche Möglichkeit geglaubt hast
daß Du in 'Religion' nicht weiter wußtest
und Tränen Dir im Halse würgten wie ein Pfirsichkern
dafür daß Du bist, der Du bist
und ohne zu reden
soviel mir von Gott erzählt hast



Ich lese hier:
Glaube im christlichen Sinne ist ein Beziehungsgeschehen, gegründet auf den Menschen, durch die wir Gott kennenlernen.
Diese Beziehung, sowohl jene zu den Zeugen als auch jene zu Gott, setzt ein Wagnis voraus. Nichts ist hier zu Ende gedacht, "nachgewiesen", vollends "ausgesprochen" oder einfach klar.

Der glaubwürdigste Zeuge des Glaubens an Gott ist darum einer, der seine Unsicherheiten und Zweifel nicht überspielt. Dem die Trauer den Hals zuschnürt trotz seiner Hoffnung, der nicht alle Fragen beantworten kann und sich vor allem seiner "Unsicherheit sicher" ist.

Gerade auf diese Weise muss er noch nicht einmal viele Worte machen, sondern ist Zeuge des lebendigen Gottes – durch seinen lebendigen, anfechtbaren und vorläufigen Glauben. 

Und Gott, der selbst als unfertiger Mensch zu uns Menschen kam, wird in einem solchen Akt des Vertrauens wohl auch am angemessensten verstanden.


Bildunterschrift hinzufügen
1   J. Twardowski, Bóg prosi o miłość. Gott fleht um Liebe. Ausgewählt und bearbeitet von Aleksandra Iwanowska. Krakau 2000, 141.

Samstag, 21. Juli 2018

Einfach wegfahren. Bodo Kirchhoffs Kreuzfahrt und die Flüchtlingsboote

Das ist der Wunsch, der sich mit Urlaub verbindet: einfach nur mal wegfahren und allein sein, seine Ruhe haben und aus den Zwängen der Arbeit herauszukommen.
Jesus und seine Jünger versuchen dasselbe im Evangelium des heutigen Sonntags (Mk 6,30-34), als sie ein Boot besteigen und an einen anderen Ort fahren.
Aber sie entkommen der Mühle nicht.
Denn irgendjemand kriegt raus, wo sie sind, und schon kommen die Leute ihnen hinterher.

Auch das ist eine Erfahrung des Urlaubs – wir werden den Alltag nicht so leicht los.
Und uns selbst noch viel weniger.

Zwei Assoziationen zum Text.

Donnerstag, 19. Juli 2018

Kanon, Kult und Kirchenrecht. Zum Thema Religion als Ambiguitätspraxis

"Seelsorge" ist kein geschützter Begriff.
Aktuell spüre ich das als beauftragter Gefängnisseelsorger im Kontakt mit einer freikirchlichen Gruppe, die in der JVA Plötzensee, in der ich tätig bin, als externe Anbieter eine Gesprächsgruppe und Einzelgespräche anbietet. Es führt unter Inhaftierten und Beamten augenscheinlich zu Verwirrung, wenn nun weitere "Seelsorger" aus diesem Kreis auftauchen, die allerdings nicht über ein Büro verfügen und auch bezüglich des beauftragten Seelsorgern zugesicherten Zeugnisverweigerungsrechts bzw. beim Seelsorgegeheimnis einen schwierigeren Stand haben.
Nichtsdestotrotz können sie sicher kompetente Seelsorgsarbeit leisten und Menschen in engeren Kontakt mit Gott führen, mithin legitim "Seelsorger" im christlichen Sinne sein.
Ich bin in diesem Fall allerdings für eine umsichtige Aufklärung, damit keine tiefergehenden Missverständnisse und Irritationen entstehen, wer nun welchen Status als Seelsorger hat – mit allen damit jeweils verbundenen Rechten und Pflichten.
Genauso geht es mir beim Ehebegriff im Kontext der staatlicherseits ermöglichten "Ehe" für alle. Auch hier halte ich die Begriffswahl nicht für hilfreich und mit dem christlichen Ehebegriff selbstverständlich für nicht vereinbar.

Allerdings gibt es auch Situationen, in denen es gut ist, gerade keine vereindeutigenden Festlegungen vorzunehmen. Vielmehr bin ich, besonders inspiriert durch die Lektüre des (hier auch schon erwähnten) Buches "Die Vereindeutigung der Welt" von Thomas Bauer, der Meinung, dass Religion gerade als Ambiguitätspraxis einen besonderen Wert hat.

Und das trotz meiner eingangs formulierten Wunsch nach klärenden Definitionen. Auch auf der Metaebene findet sich also keine einfache Eindeutigkeit, sondern Ambiguität!
Das halte ich nicht für einen Widerspruch, sondern um das Offenhalten von Möglichkeiten und die Freiheit des Eingehens auf konkrete Sachverhalte.

Montag, 16. Juli 2018

Wann ist mein Handy eigentlich aus? Zur Besinnung

Wann bin ich eigentlich mal nicht erreichbar auf dem Smartphone?
Solche Momente gibt es – aber, ich gebe es zu, nur sehr selten. Mein Telefon hat meinen Alltag fest im Griff, fester als ich will.
Dass es grundsätzlich ausbleibt, kommt nur an drei Punkten vor.

Samstag, 14. Juli 2018

Geht nicht allein! Eine Kirchenvision

Jesus sendet die Jünger aus, immer zu zweit (Mk 6,7ff). Sie haben keine Taschen, kein Wifi, keine Wechselwäsche, keine Gehhilfen.
Sie haben nur einander.

Und natürlich „haben“ sie Jesu Vollmacht und Auftrag. Die jedoch bleiben unsichtbar und nicht zu fassen.
Fassbar und im besten Sinne an-greifbar ist auf diesem Weg, auf den ihr Herr sie schickt, nur der Gefährte. Jede weitere Hilfe entfällt.
Das ist Sharing-Kultur in ihrem Ursprung.

Mich fasziniert das.

Mittwoch, 11. Juli 2018

Die Kunst des einladenden Strafens. Impulse aus der Benediktsregel

Heute feiert die Kirche den heiligen Benedikt von Nursia, den Mönchsvater des Abendlandes. Er lebte Mitte des 6. Jahrhunderts in Italien und führte das zuvor schon bestehende Ordensleben in der Westkirche unter einer Regel zusammen, die viele Jahrhunderte lang die Vorstellung vom Mönchtum bei uns prägte.

Nun mag man der Meinung sein, das sei alles lang her und betreffe uns, die wir nicht den Wunsch nach klösterlichem Leben haben, gar nicht mehr. Und bei manchen einzelnen Bestimmungen ist das sicher auch der Fall. Aber es gibt einen Geist der Menschenfreundlichkeit, den diese Regel atmet und der auch uns heute durchaus etwas zu sagen hat.

Ich möchte das zeigen an der Art und Weise, wie in der Benediktsregel mit Strafen umgegangen wird, auch weil dies besonders gut zu dem Kontext passt, in dem ich mich gerade häufig bewege (und heute beim Gottesdienst im Gefängniskrankenhaus ein paar Worte diesbezüglich sagen will).

Samstag, 7. Juli 2018

Von Mutationen und Wunderblockern. Eine Predigt im Gefängnis

Das heutige Evangelium (Mk 6,1-6) ist ein Evangelium über Vorurteile, über die Bindung an die Familie und über die Voraussetzung von Wundern.

Wie wir schon vor ein paar Wochen gehört haben, versucht Jesus alles, um sich von seiner Familie abzugrenzen. Er emanzipiert sich radikal. Und doch versuchen jetzt Leute, die ihn von klein auf kennen, Jesus eben auf seine Familie zu reduzieren.
Sie können nicht glauben, dass dieser ihnen schon altbekannte Jesus plötzlich wirklich was Neues zu sagen hat: „Woher hat er das bloß?“ (v2) Wie kommt er denn auf so etwas, als Kind war er doch immer normal?! Was will er uns da plötzlich erzählen? Welche Fähigkeiten bildet er sich da ein? Kann er nicht einfach ein Zimmermann bleiben und nicht versuchen, jemand anderes zu sein?

Donnerstag, 5. Juli 2018

„I don't believe in an interventionist God“ – Von Zweifel und Liebe

"Ich glaube nicht an einen Gott, der in das Weltgeschehen eingreift".
So würde ich die Liedzeile aus dem wunderbaren Song „Into my arms“ von Nick Cave mal frei übersetzen. Cave, der eine ganze Reihe sehr religiöser (aber auch verstörender) Songtexte veröffentlichte, formuliert darin seinen Zweifel an christlichen Glaubenswahrheiten.
Aber, und das ist entscheidend, er weicht seinen Unglauben sofort wieder auf – um seiner Liebe willen: