Dienstag, 10. März 2020

Christ sein ohne Gottesdienst?! Reflexionen im Italien-Urlaub

Auch wenn die Ereignisse mal wieder schneller sind und hier in Italien inzwischen viele weitere und grundsätzlichere Maßnahmen zum Schutz vor der Ausbreitung des Corona-Virus getroffen wurden, möchte ich doch noch einige Gedanken zu einem Thema äußern, dass mich gerade auch beschäftigt: dass seit Sonntagnacht sukzessive öffentliche Gottesdienste in ganz Italien bis vorerst zum 03. April (Freitag vor Palmsonntag) ausgesetzt wurden (außer in der Deutschen Gemeinde von Rom).

Wir sind gerade im Urlaub in der Toskana. Am Samstagnachmittag haben wir das kleine Dörfchen Vico d’Elsa besucht und während die Kinder auf dem Spielplatz spielten, habe ich mir das alte Zentrum und die Kirche angeschaut. Um 17:00 Uhr begann die Vorabendmesse, fünf oder sechs Leute waren gekommen.

Donnerstag, 5. März 2020

Bibel-Mini 2 - Heimatloser Abraham

Es gibt in Christoph Heins Roman „Landnahme“ eine Schlüsselszene, in welcher der Nachkomme eines aus den ehemals deutschen Ostgebieten Vertriebenen nun fremdenfeindliche Parolen brüllt - und klar wird, wie kurz die Erinnerung währte. Es brauchte nur eine Generation, bis die Kinder der nach dem Krieg verunglimpften Flüchtlinge sich selbst als Herren im Lande fühlen.

In der Bibel existieren viele Stellen, die die Erinnerung daran wachhalten sollen, dass die Hörenden selbst Nachkommen eines Heimatlosen sind. Eine dieser Stellen findet sich im Buch Deuteronomium:

Montag, 2. März 2020

Bibel-Mini 1 - Hanna betet

In dieser Fastenzeit möchte ich ein paar biblische Exkursionen machen und die sich dabei (hoffentlich / wahrscheinlich / sicher) ergebenden Entdeckungen hier mit kurzen Beiträgen reflektieren.
Weil ich sonst sehr viel in den Evangelien unterwegs bin, wird es schwerpunktmäßig um das Alte Testament gehen.

Heute also Hanna aus dem Ersten Buch Samuel. Wie so viele Frauen der Bibel hat sie ein Problem damit, dass sie keine Kinder, besonders keinen Sohn bekommt. In ihrer Verzweiflung geht sie in den Tempel in Schilo und betet.

Dienstag, 25. Februar 2020

Freier! Tiefer! Liebevoller! Akzente an Aschermittwoch

Vier Akzente setzt das Evangelium vom Aschermittwoch (Mt 6,1-6.16-18): Gutes Tun, Beten, Fasten.
Der vierte Akzent ist eine Haltung und prägt diese drei Handlungsanweisungen: all das soll nicht vor anderen und für andere geschehen, sondern vor Gott und für Gott.
Als Eingangstor zur Fastenzeit wird der Aschermittwoch dadurch nicht nur selbst geprägt, sondern er zeigt auch die Richtung, in die wir bei unserer Vorbereitung auf Ostern gehen sollen.

Mit diesen Akzenten wollen Aschermittwoch und Fastenzeit unsere Konzentration von der Beschäftigung mit Nichtigkeiten wegführen hin zu größerer Tiefe, tieferer Freiheit, freierer Liebe.

Freitag, 21. Februar 2020

Feindesliebe: Überblick und/oder Überforderung

1. Überblick
Auch wenn es unter einem anderen Vorzeichen geschrieben ist, so halte ich das folgende Gedicht von Barbara Zeizinger doch für eine gute Erläuterung zur Thematik der christlichen Feindesliebe, die im Evangelium des nächsten Sonntags (Mt 5,38-48) erscheint.

Sonntag, 16. Februar 2020

Modernisierung der Normen. Noch einmal zur Bibel und zu Jesu Antithesen

Ein Abschnitt aus meiner aktuellen Lektüre passt so gut zum heutigen Sonntagsevangelium, dass ich ihn der Predigt einfach noch nachschieben muss. 

In "Die Entstehung der Bibel"1 las ich gerade, wie die israelitische Elite, die im Anschluss an den Untergang Jerusalems 587 v.C. nach Babel deportiert worden war, dort nicht nur trauerte und ihre Theologie vom Handeln Gottes in der Geschichte grundlegend neu entwarf. Diejenigen, die später die Autoren der biblischen Schriften wurden, taten überdies einen grundlegenden Schritt über sich hinaus, indem sie "sich der Intellektualität ihrer Umgebung öffneten".2

Samstag, 15. Februar 2020

Innerlicher und intensiver! Was größere Gerechtigkeit heißen kann.

Es gibt beliebte Vorstellungen davon, wie Christen sein sollten:
Viele sagen, dass man von ihnen mehr erwarten könne als von anderen.
Sie sollten diejenigen sein, die sich auszeichnen durch Gutes. Die moralisch besser handeln. Die, wenn sie das nicht schaffen, sich wenigstens mehr bemühen. Und wenn auch das nicht klappt, dass sie immerhin zu ihren Fehlern stehen.

Mittwoch, 12. Februar 2020

Meine fünf schönsten Sätze aus "Querida Amazonia"

Schon schlagen die Wellen wieder hoch, was der Papst in seinem neuen Schreiben alles verhindert und verbietet. Keine Weihe für Verheiratete, keine Weihe für Frauen...
Auch ich kann nicht mit jeder Argumentationskette etwas anfangen und nicht jeder Akzent in diesem Dokument gefällt mir.
Aber ich habe es in Kürze einfach mal nach fünf schönen Sätzen durchsucht, die (ja, das ist nicht textgerecht und elende Rosinenklauberei...) auch für sich stehend eine gute Figur machen, ganz abgesehen von allem, was kirchenpolitisch noch dahinter steht oder stehen könnte.
Zitiert wird nach dem Wortlaut von Vatican News.

Dienstag, 11. Februar 2020

Politik vs. Familie. Im Gedenken an Nelson Mandela

Welche Prioritäten setzt ein Freiheitskämpfer, wenn er zugleich noch eine Familie hat?

Aus Anlass des 30. Jahrestages der Freilassung von Nelson Mandela aus seiner Haft am 11. Februar 1990 möchte ich diesen Gedanken aus seiner Autobiographie aufgreifen.

Nach einigen Jahren der Arbeit als Anwalt und der politischen Tätigkeit in Johannesburg besuchte Mandela seine Mutter in der alten Heimat und fragte sich, wie er selbst gesteht "nicht zum erstenmal -, ob es gerechtfertigt sei, das Wohlergehen der eigenen Familie zu vernachlässigen, um für das Wohlergehen anderer zu kämpfen."1

Samstag, 8. Februar 2020

Was für ein Licht? - Was für ein Licht! Drei Reflexionen zu Mt 5,14

"Ihr seid das Licht der Welt." (Mt 5,14), sagt Jesus im Evangelium des Sonntags (Mt 5,13-16).

1.
Es muss am Mittwoch eine Menge geborstener Leuchtstoffröhren im Thüringer Landtag gegeben haben.
Jedenfalls kann ich mir nur so die moralische Verdunkelung erklären, die sich in den Fraktionen von CDU und FDP breitgemacht hatte. Blindheit und Borniertheit waren anscheinend so groß, dass die Abgeordneten dieser beiden Parteien sich lieber für ein Spiel mit Nazis entschieden haben, als den gemütlich-linken Ramelow zu wählen.

Mittwoch, 5. Februar 2020

Irgendwie unbeteiligt. Über kirchenpolitische Debatten.

Es ist so fern von mir, was da in der Kirche gerade passiert.
Vielleicht liegt es daran, dass ich mich aktuell wenig im katholischen Milieu bewege – und wenn, dann eher, um Persönliches zu besprechen und nicht Kirchenpolitik.

Und ich bin darüber selbst ein wenig überrascht, wie wenig mich das alles berührt – ein emeritierter Papst, der zurückgezogen leben und schweigen will, mischt sich mit diversen Vorworten und Artikeln immer wieder in aktuelle Debatten ein, ein getriebener US-Präsident versucht bei einem Pro-Life-March, sich katholisches Wählerklientel zu erobern, die deutschen Kardinäle Woelki und Müller betonen mehr oder weniger ungeniert und unhöflich ihre Missachtung der ersten Versammlung des Synodalen Wegs in der deutschen katholischen Kirche.

Es gäbe also Gründe genug, um sich aufzuregen oder mitzuschreiben.

Samstag, 1. Februar 2020

"Urlaub vom Galgen" Zum 75. Todestag von Alfred Delp

LL., heute ist ein harter Tag. Nun sind alle meine Freunde und Gefährten tot, nur ich bin zurückgeblieben. Hier jetzt der Einzige im Eisen. Was dahintersteht, weiß ich noch nicht, vermute jedoch nichts Gutes. …  Ich bin sehr müde vor Traurigkeit und Schrecken. Menschlich wäre es leichter, mitzugehen. …1

So schreibt der Jesuit Alfred Delp am 23. Januar 1945 in der Berliner Strafanstalt Tegel. Auf kleinen Zetteln notiert er seine Gedanken und Bitten und lässt sie durch den evangelischen Gefängnispfarrer Harald Poelchau an Freunde und Unterstützer übermitteln. Helmuth James von Moltke, Nikolaus Groß und Eugen Bolz waren an jenem 23. Januar hingerichtet worden, so wie es auch Delp für sich erwartete.
Doch er wurde erst am 02. Februar 1945, heute vor 75 Jahren, in Plötzensee hingerichtet.

Montag, 27. Januar 2020

Vor dem Tod erinnern! Persönlicher Gedanke zum 27. Januar 

So wie jedes Jahr wollte ich viele Worte zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus schreiben.

Aber nun ist gestern mein Großvater gestorben. Jahrgang 1935, nach dem Krieg aus Schlesien vertrieben, kein Opfer der Nationalsozialisten, aber ein von der kriegsbedingten Vertreibung lebenslang Geprägter.

Am Totenbett wurde mir einmal mehr klar: Erinnerung und ehrendes Gedenken sind gut und schön, nur leider ersetzen sie nicht das Gespräch.

Samstag, 25. Januar 2020

Kafarnaum und Višegrad. Herkunft bei Jesus und Saša Stanišić

"Ich sehe zum verfallenen Haus meiner Urgroßeltern, ich verstehe so vieles nicht. Nicht, wie das Knie funktioniert. Ernsthaft religiöse Menschen so wenig wie Menschen, die Geld und Hoffnung in Magie, Wettbüros, Globuli oder Hellseherei (außer Nena Mejrema) setzen. Ich verstehe das Beharren auf dem Prinzip der Nation nicht und Menschen, die süßes Popcorn mögen. Ich verstehe nicht, dass Herkunft Eigenschaften mit sich bringen soll, und verstehe nicht, dass manche bereit sind, in ihrem Namen in Schlachten zu ziehen. Ich verstehe Menschen nicht, die glauben, sie könnten an zwei Orten gleichzeitig sein (falls das aber wirklich jemand kann, möchte ich es gern lernen)."1

So schreibt Saša Stanišić in seinem preisgekrönten Buch "Herkunft" von seiner Skepsis gegenüber bestimmten Vorstellungen von Abstammung und Herkunft. Ihn scheint das Fluide und nicht Festgelegte mehr zu faszinieren und zu überzeugen. Und ich muss sagen, dass ich mir viel von dieser Skepsis einerseits und Faszination andererseits zu eigen machen kann. Wenn auch nicht alles.