Auf der Suche nach einem tröstlichen
Kalenderspruch für eine schwierige Situation (ja, auch das gehört
manchmal zu meiner seelsorglichen Tätigkeit) fiel mir neulich eine
Verwandtschaft zwischen Paulus und Leonard Cohen auf.
Mittwoch, 12. August 2020
Sonntag, 9. August 2020
Edith Stein, fromme Feministin
Wäre das heute denkbar: Eine kritisch
denkende Atheistin, die für Frauenrechte streitet und sich als
Vernunftmensch versteht, wird katholisch?
1891 in Breslau in eine jüdische
Familie geboren, erklärt Edith sich als 15jährige, sie habe sich
"auch das Beten ganz bewusst und aus freiem Entschluss
abgewöhnt."1
Das Judentum sagt ihr nichts mehr. Ab 1911 studiert sie Philosophie
und promoviert 1917 bei Edmund Husserl in Freiburg.
Dabei beginnt ihre intensive
existenzielle Suche, die sie 1922 zur Entscheidung für die Taufe und
damit in die katholische Kirche führt. 1933 schließlich tritt sie
in den Kölner Karmel ein.
Natürlich war sie auch damals eine
Ausnahmegestalt.
Samstag, 8. August 2020
Der sinkende Fels in der Nacht. Drei Auslegungen zum Sonntagsevangelium
Kurzgefasst die
wesentlichen Inhalte des aktuellen Sonntagsevangeliums (Mt
14,22-33):
Die Jünger sind in der
Nacht allein im Boot auf dem See. Jesus kommt über das wilde Wasser
und sagt: "Habt Vertrauen, fürchtet euch nicht!"
(Mt 14,27) Petrus wagt es und will über das Wasser zu Jesus gehen.
Doch er bekommt Angst und sinkt, als er um Hilfe ruft, hilft ihm
Jesus.
Und drei Lesevorschläge:
Als eine Geschichte der
Freundschaft lässt sich das Sonntagsevangelium lesen.
Seit Jesus die Brüder
Petrus und Andreas am Anfang seines öffentlichen Auftretens gerufen
hat (Mt 4,18ff), wuchs ihre Beziehung immer tiefer und enger. Petrus
lernte Jesus kennen, Jesus lernte Petrus kennen. Jesus zeigt sich
vornehmlich als Prediger, als selbstbewusst über dem Sabbat
Stehender, als Wunderheiler. Und Petrus geht mit, er steht meist
dabei und lernt. Später wird er sich noch mehr exponieren, vorerst
ist er einer unter den anderen Jüngern.
Und hier tritt er zum
ersten Mal im Matthäusevangelium stärker hervor.
Besonders in Männergruppen
gibt es ja immer einige, die ein bisschen auftrumpfen müssen. Auch
Petrus scheint auf dem See eine besondere Nähe zu Jesus herstellen
zu wollen und verlässt vor den Augen der anderen Jünger das sichere
Boot, um dem Freund auf dem Wasser entgegen zu gehen.
Samstag, 1. August 2020
Die Brotvermehrung. Oder: Wie Jesus mit seiner Massendemo umgeht und was gute MitarbeiterInnen ausmacht
Eine Klärung gleich zu Beginn: Diese
Massenaufläufe, die Jesus laut Evangelium (Mt
14,13-21) verursacht hat, hätten unter Corona-Bedingungen
natürlich sofort aufgelöst werden müssen. Keiner hatte eine Maske
dabei, Brot wird von Hand zu Hand weitergereicht, Abstand wurde nicht
eingehalten. Immerhin trug wohl niemand eine schwarz-weiß-rote
Reichsflagge oder einen Aluhut.
Kurz: Das Evangelium hat wieder einiges
an Stoff zu bieten. Es zeigt Jesus als Freund eines Knackis;
präsentiert eine Basisanweisung für Christen; weist auf die
Wichtigkeit von guten Mitarbeitern hin.
Freitag, 31. Juli 2020
Shutdown für Ignatius. Über die Neuordnung des Lebens
Es war fast der größtmögliche
Schaden, den es für einen aufstrebenden Ritter überhaupt geben
konnte: Als Ignatius von Loyola 1521 mit einer kleinen Schar von
Mitstreitern die Festung von Pamplona vor der Übernahme durch die
französische Übermacht bewahren wollte, zerschmetterte ihm eine
Kanonenkugel das Bein. All sein höfischer Ehrgeiz, seine Eitelkeit
und sein Streben nach Fortkommen durch Kampf und Kraft war von einem
Moment auf den nächsten dahin.
Nachdem der Schwerverletzte ins
heimatliche Schloss nach Loyola zurück transportiert worden war,
begann die lange Zeit der Heilung (mehr zu seinem Leben hier).
Für Ignatius war es eine Art Shutdown,
den er brauchte, um sein Leben neu zu ordnen.
Samstag, 25. Juli 2020
Für meinen Schatz investiere ich was. Ein Radiobeitrag zum Sonntagsevangelium
So ähnlich werde ich morgen früh um ca. 10 vor 10 im Radio auf rbb 88,8 zu hören sein:
Die Geschichte beginnt wie im Märchen:
„Mit dem Himmelreich ist es wie
mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann
entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er
hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker.“ (Mt
13,44)
Jesus erzählt diese Geschichte, um zu
verdeutlichen, was er mit dem Himmelreich meint. Etwas, das uns
fasziniert und unsere ganze Aufmerksamkeit und unsere ganze Energie
beansprucht.
Einen Schatz zu finden ist dabei das
eine. Und es muss gar keine Schatztruhe voller Gold und Silber sein.
Wenn ich aufmerksam für die kleinen Dinge bin, die mein Leben
wertvoll machen, finde ich schnell eine Reihe Beispiele – und sei
es nur ein saftiges Stück Wassermelone, ein Sonnenstrahl, der auf
den Baum vor dem Fenster fällt oder das Lächeln meines Gegenübers.
Der Genuss solcher kleinen
Gelegenheiten ist eine wichtige Sache. Viel wichtiger aber ist es,
einen Schatz auch für mein Leben fruchtbar werden zu lassen – das
meint Jesus, wenn er sagt, dass der Mann den Acker mit dem Schatz
darin kaufte.
Montag, 20. Juli 2020
Widerstand und Solidarität. Bonhoeffer entscheidet sich für beides
Unterscheiden können ist eine Kunst, die eingeübt sein will. Nicht jeder ist dazu bereit und fähig.
Leider gilt das auch für die, die sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen, heute wie damals.
Einer aber, der es konnte, sei hier noch einmal benannt, heute, an dem Tag, an dem ich auf meinem Blog jedes Jahr Gedanken aus dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus notiere.
Dietrich Bonhoeffer ist der Gemeinte, der zwischen den Nazis und seinen Landsleuten, den Deutschen, unterscheiden konnte.
Freitag, 17. Juli 2020
Umarme das Unkraut! Ein Gleichnis Jesu gegen den Strich gelesen
Der Fokus Jesu ist bei diesem Beispiel
darauf gerichtet, dass nicht Menschen zu entscheiden haben, wer oder
was bei Gott Ansehen findet, sondern dass es Gottes ureigene Sache
ist. Außerdem neigen wir Menschen (siehe chemische
Schädlingsbekämpfung) dazu, mit dem Unkraut auch noch alles andere
auszurotten (vgl. Mt 13,24-30).
Doch man hätte den Fokus auch anders
legen können, wie mit dem „Schlechten“ umzugehen ist, das sich
da heimlich unters „Gute“ mischt.
Mittwoch, 15. Juli 2020
40 Jahre – Und dann das Gelobte Land?
In diesen Tagen bin ich vierzig Jahre
alt geworden.
Und genauso wie ich vor sieben Jahren
darüber nachgedacht habe, was es bedeutet, so
alt zu sein wie Jesus, gehen mir auch in diesem Jahr viele
Gedanken zu diesem Thema durch den Kopf. Denn in der biblischen
Tradition sind die vierzig Jahre als eine symbolische Größe
wichtig:
Der bekannteste Ort, an dem die vierzig
Jahre im biblischen Kontext auftauchen, ist in den fünf Büchern
Mose der lange Weg des aus der ägyptischen Sklaverei befreiten
Volkes durch die Wüste ins Gelobte Land (vgl. z.B. Dtn
8,2).
Die konkrete biblische Kontext dahinter
besagt, dass es sich bei den vierzig Jahren um eine Strafe Gottes
handelt. Weil nach der ersten Erkundung des Landes aus Angst vor den
einheimischen Völkern durch einige Beobachter Lügen verbreitet
wurden (z.B. dass das vor ihnen liegende Land seine Bewohner
auffressen würde) und deshalb Misstrauen gegenüber Gott wuchs,
murrte das Volk gegen Gott (Num 13,31-14,4).
Wegen dieser Angst, diesem Misstrauen, diesem Murren, ließ Gott sie
zur Strafe vierzig Jahre lang durch die Wüste irren (vgl. Num
14,34).
Freitag, 10. Juli 2020
Der Sänger und der Sämann. Ein Song von Leonard Cohen
Einer der Songs aus Leonard Cohens
vorletztem Album heißt "Treaty" – also "Abkommen"
oder "Vertrag". (Am besten erst mal in Ruhe anhören!)
Darin schildert der große Songwriter
mit der rauchigen Stimme eine Beziehung zwischen Faszination und
Skepsis. Aus einigen Versatzstücken kann man sein angesprochenes
Gegenüber mit Jesus identifizieren, andere Zeilen lassen eher
Zweifel aufkommen.
Da die religiöse Weite Cohens bekannt
ist und seine Auseinandersetzung mit Jesus und dem Christentum auch
in anderen Texten auftaucht, will ich hier davon ausgehen, dass Jesus
gemeint ist.
Der Text
beginnt so:
Montag, 6. Juli 2020
Wer ist wirklich Christ? Vom christlichen Glauben als Asylgrund
Eine kurze Nachbemerkung zu den
Kirchenaustritten 2019, die ich im letzten Beitrag schon thematisiert
hatte.
Die innere Entfremdung vieler
Christinnen und Christen von „ihrem“ Glauben setzt früher ein,
als es die aktuellen Zahlen vermuten lassen. Wie Andreas Püttmann in
einem Kommentar
für katholisch.de darlegt, ist es angesichts der lange schon
dokumentierten gesunkenen Zustimmungswerte zu zentralen christlichen
Glaubensinhalten eigentlich erstaunlich, wie viele Menschen überhaupt
noch in der Kirche bleiben, wenn sie deren Glauben gar nicht mehr
teilen.
Es muss, das ist die logische Folge,
eine Unmasse an Kirchengliedern geben, die grundlegende Überzeugungen
„ihrer“ Kirche nicht teilen und deren Christsein sich auf die
regelmäßige Zahlung der Kirchensteuer beschränkt. Trotzdem nennen
wir sie Christen (mal abgesehen davon, dass auch Ausgetretene
weiterhin Getaufte sind).
Samstag, 4. Juli 2020
"Kommt alle zu mir!" Jesus und die Kirchenaustrittszahlen.
In den letzten Tagen haben die hohen
Kirchenaustrittszahlen
von 2019 für einen Schock in der kirchlichen (Medien-)Landschaft
gesorgt.
270000 Menschen sind allein im letzten, an kirchlichen
Skandalen immerhin nicht besonders reichen Jahr, aus der katholischen Kirche ausgetreten. Ebenso viele aus der evangelischen. Dass es
so viele waren, erschreckt manche bis ins Mark: Sind wir so wenig
einladend?
Ich persönlich glaube, dass sich da
nur etwas deutlich zeigt, was bei den meisten der Menschen innerlich
sowieso schon passiert war: Es ist die Abwendung von einer
Institution, der man (jedenfalls im Westen Deutschlands) lange Zeit
qua "normaler" Sozialisation angehörte. Ohne eigenen
Entschluss. Bei Wegzug aus dem heimatlichen Umfeld fiel der Kontakt
zur Kirche oft auch weg. Eine Art individueller Selbstaufklärung.
Religion war schon lange irrelevant.
Ist die Darstellung dieser bislang
verborgenen Realität in sichtbaren Austritten nun etwas schlechtes?
Ich glaube nicht. Es ist eine Offenlegung.
Mittwoch, 1. Juli 2020
„Schreibt über das, was ihr seht.“ Urlaubslektüre und -impressionen
Meine aktuelle Urlaubslektüre „Der
Freund“ von Sigrid Nunez ist ein Buch, in dem die
Ich-Erzählerin zu ihrem verstorbenen besten Freund spricht.
Verstorben ist allerdings sehr verkürzt ausgedrückt - der ehemalige
Schreibdozent hat sich umgebracht. Nun versucht sie, angemessen
Abschied zu nehmen. Auch, indem sie sich an seine Prämissen beim
Schreiben erinnert.
Eine dieser Prämissen hat es mir
besonders angetan - vielleicht auch deshalb, weil sie auf meinem Blog
zu wenig vorkommt.
„Statt über das zu schreiben, was
ihr wisst, hast du zu uns gesagt, schreibt über das, was ihr seht.
Geht davon aus, dass ihr sehr wenig wisst und nie viel wissen werdet,
außer ihr lernt, zu sehen.“1
Das ist leichter gesagt als getan.
Freitag, 26. Juni 2020
Die schmuddelige Inkarnation nicht abschütteln. Oder: Sein Kreuz auf sich nehmen. Notiz zu Mt 10,37-42
Das Evangelium Mt 10,37-42, das an
diesem Sonntag in den Gottesdiensten verkündet werden soll, muss ein
schwerer Predigt-Brocken sein. Jedenfalls habe ich in den letzten
Wochen eine ungewöhnlich hohe Zahl an Zugriffen auf einen älteren Beitrag zu diesem Evangelium auf diesem Blog registriert.
Und
tatsächlich fordert Jesus uns ja auch ziemlich heraus: ihn mehr zu
lieben als unsere Liebsten, das Kreuz auf sich zu nehmen, sein Leben
wegen ihm zu verlieren und so fort.
Das widerspricht allerdings dem verbreiteten Missverständnis, dass Religion eine Art Beruhigungspille sei. Außerdem entspricht es nicht unserem Bedürfnis, dass es uns möglichst oft und möglichst lang möglichst gut geht.
Das widerspricht allerdings dem verbreiteten Missverständnis, dass Religion eine Art Beruhigungspille sei. Außerdem entspricht es nicht unserem Bedürfnis, dass es uns möglichst oft und möglichst lang möglichst gut geht.
Mittwoch, 24. Juni 2020
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