Montag, 8. Mai 2017

"Bim Bam, der Krieg ist aus" – Das Kriegsende bei Hilde Domin

Unvermeidlich wird es irgendwann einmal so weit sein, aber wenn der Augenblick nach jahrelangem aufreibenden Warten endlich da ist, dann ist es kaum zu glauben.
Während der heutige 8. Mai in Deutschland als Jahrestag des Kriegsendes begangen wird, steht für viele der aktuellen Kriege und Konflikte ein Ende mit Freude und Schrecken noch aus. Wir sehen die Kriege unserer Tage aus der Ferne – und doch wird auch ein Kriegsende in Syrien für uns spürbar sein, mindestens wenn sich für Geflüchtete die Frage nach ihrer Rückkehr in die Heimat stellt.

Die Lyrikerin Hilde Domin erlebte das Kriegsende 1945 auch aus der Ferne, und zwar als deutsche Exilantin (so hießen Flüchtlinge damals) in Santo Domingo. Sie beschreibt ihre damaligen Erlebnisse und Gedanken so: 

Samstag, 6. Mai 2017

Auszug der Schafe – Oder: Was für ein Hirte ist Thomas Frings?

Im Evangelium von Hirt und Herde, vom Schafstall und der Tür hinein (Joh 10,1-10) zeichnet das Johannesevangelium ein Bild des Vertrauens zwischen den Schafen und ihrem Hüter. Die Schafe folgen dem vertrauten Hirten und ihr Ein- und Ausgang ist so sicher, dass sie später das "Leben in Fülle" (v10) haben.
Wer aber auf die heutige Situation der Kirche in unseren Breiten und auf die bestellten Hirten schaut, der kann sehr rasch ernüchtert werden. Wenig Kontakt der Christen in ihre Gemeinden und zu den hauptamtlich Leitenden, wenig Zutrauen in die Leitung vor Ort, wenig Hoffnung für die Zukunft – und auch beim inneren Kontakt zum eigentlichen Hirten Christus scheint nicht Freundschaft im Gebet, sondern Sprachlosigkeit vorzuherrschen.
Was ist das für eine Herde, der die Schafe fortlaufen?

Donnerstag, 4. Mai 2017

"Fern von Rom und nah beim Kreuz" - "Evangelio" von Feridun Zaimoglu

Die Ausgangslage dieses aktuellen "Luther-Romans"1 ist vielversprechend – der katholische Landsknecht Burkhard muss den "Ketzer" Martin Luther im Auftrag des Kurfürsten vor allen möglichen Feinden schützen. Im Wechsel von Ich-Erzählung dieses Beschützers und Briefen Luthers an diverse Gefolgsleute tritt das Jahr 1521/22 auf der Wartburg in das wechselnde Licht zweier gegensätzlicher Perspektiven.

Samstag, 29. April 2017

Trainier dein träges Auge! – "Fuocoammare" und Auferstehungsglaube

Es ist ein langsam wachsendes Verstehen dessen, was dieser auf der Berlinale 2016 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnete Dokumentarfilm möchte. In kommentarlosen Einstellungen schneidet "Fuocoamare" (deutscher Titel "Seefeuer") von Gianfranco Rosi Szenen des alltäglichen Lebens auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa gegeneinander. Einerseits sind da die eingesessenen Einwohner, porträtiert werden zumeist Fischer, aber auch Rentner, ein Radiomoderator und ein Arzt – auf der anderen Seite die Flüchtlinge, die über das Meer kommen und von den Patrouillenbooten aufgefischt werden. 
Zunächst sind es harmlose und fast langweilige Szenen, die das Drama der Flüchtenden und ihrer Retter zeigen. Passend dazu die braven Freizeitbeschäftigungen des immer wieder dargestellten einheimischen Samuele: mit einem Freund eine Steinschleuder bauen, Steine auf Pflanzen schießen, mit dem Vater aufs Meer fahren.

Dienstag, 25. April 2017

Wer ist Gott für mich? Aussagen zu meinem Gottesbild

Kurz und knapp habe ich neulich formulieren müssen, wie mein Gottesbild aussieht. Hier nun die thesenartigen Aussagen, die sozusagen eine aktuelle Zusammenfassung der auf diesem Blog gesammelten Gedanken sind.

Samstag, 22. April 2017

Thomas will noch was – Überlegungen zu religiöser Erziehung und Erfahrung

Irgendwann blieb seine religiöse Erziehung stecken – als Kind und etwas darüber hinaus war Thomas zwar begeistert mit dabei, aber dann fehlte ihm eine entscheidende Erfahrung, die einige andere gemacht hatten.
Er wusste selber nicht, was das sein könnte. Er spürte eben keine besondere Nähe mehr zu Gott oder zu Jesus.
Verabschiedete sich innerlich. Und war draußen.
Das war plötzlich alles nichts mehr für ihn, er glaubte nicht, dass es noch irgendetwas bringen würde, mit den Anderen rumzuhängen, wenn sie jetzt vielleicht noch in irgendeine blöde Schwärmerei fielen.

Samstag, 15. April 2017

Ostersonntag: Andeutungen lesen – Begegnung erleben – leibhaftig werden

"Und wie gehts weiter?"
Meine Tochter fragt das an manchen Tagen nach jeder gelesenen Seite im Buch. Manchmal ist das etwas anstrengend – aber genauso ist das Leben ja: es geht immer weiter.

Nur am Karfreitag schien es anders. Es schien, als wäre die kurze glanzvolle Geschichte Jesu zu Ende. Da zieht er knapp drei Jahre durch Galiläa und predigt und heilt und beruft Jünger und setzt Zeichen von Gottes Liebe. Und was hat er davon?
Er wird umgebracht. Jesus stirbt. Allein.

1 Rückblick in Liebe – Andeutungen wahrnehmen
Doch schon in der Passionserzählung häufen sich die Hinweise, wie es weitergeht.

Donnerstag, 13. April 2017

Karfreitag – Das Gebrochensein liegt der Kirche in den Genen

Vorbemerkung: In diesem Jahr darf ich zu den Hohen Tagen dreimal im Gefängnis Gottesdienste feiern und predigen, darum nutzen die Texte bisweilen die Form der Anrede und beziehen sich dabei immer wieder auf das Leben im Gefängnis. Dennoch wird nicht alles genauso gesagt werden, manche Dinge stehen hier nur, damit ich sie im Hinterkopf habe, wenn ich mich auf das freie Sprechen vorbereite.

Am Karfreitag erinnern wir uns an den gewaltsamen Tod des Jesus aus Nazareth vor knapp 2000 Jahren. Natürlich erinnern wir uns deshalb an ihn, weil wir als Christen der Meinung sind, dass sein Tod damals etwas mit uns zu tun hat. Aber was genau sollte uns dieser Tod angehen – und was kann er uns sagen, selbst wenn wir nicht die frömmsten Christen wären?

Ich möchte mit drei Gedanken versuchen, auf diese Frage einzugehen.

Samstag, 8. April 2017

Palmsonntag im Radio – Auf- und Abstieg des Königs

In diesem Jahr komme ich aus verschiedenen Gründen nicht so viel zum Füttern des Blogs.
Dafür habe ich vor ein paar Tagen an einem Radiobeitrag meiner geschätzten Kollegin Hildegard Stumm mitgewirkt, der am Morgen des Palmsonntags um 7:05 Uhr auf Deutschlandradio Kultur zu hören ist.
Der Link zur Sendung findet sich hier.
Im Folgenden einige Ausschnitte mit (leicht um mündliche Unschärfen bereinigten) Zitaten von mir in der Sendung:

Samstag, 1. April 2017

"Soviel Licht gibt es nicht auf der Welt" – Peter Høeg und Lazarus

In seinem Roman "Der Plan von der Abschaffung des Dunkels" erkundet Peter Høeg die Auswirkungen der brutalen Erziehungswelt in einer dänischen Internatsschule auf das Leben der Heranwachsenden.
Das gesellschaftlich-pädagogische Ideal der Integration von leistungsschwachen, sozial auffälligen und straffällig gewordenen Schülern in eine Schule "für alle" wird konterkariert von der abgrundtiefen Isolation, in die die auf Angst gegründete übergriffige Pädagogik diese Kinder treibt. Das Buch bedient sich dabei regelmäßig der Bilder von Licht und Dunkel, Innen und Außen – und der Grenze, auf der sich der Ich-Erzähler Peter dabei sieht.

Dienstag, 28. März 2017

Säge oder Brot - Wie teilen richtig geht.

Kreuz, Säge, Brot. Grünheide, 2017.
Beim Blick auf das so genannte Mahl Jesu mit den Sündern (Mt 9,9-13) fielen mir für einen Schülergottesdienst dieser Tage zwei Symbole ein, die die Grundbewegungen dieser Begegnung einfangen.

Da ist einmal Jesus, der durch das gemeinsame Mahl Gemeinschaft mit den Sündern herstellt.
Symbolisch dafür - das Brot, das geteilt wird und auf diese Weise eine Verbindung zwischen den Teilnehmern des Mahles schafft.

Auf der anderen Seite die Pharisäer mit ihrem Wunsch nach rdentlicher Einhaltung der Grenzen und ihrem Ärger über den offensichtlich viel zu weitherzigen Jesus.
Symbolisch dafür - die Säge, die ebenfalls teilt, auf diese Weise aber Trennung bewirkt.

Sonntag, 26. März 2017

"Weil er so geboren wurde" – Geschaffen für das Licht.

Es fiel mir erst auf, als ich das Evangelium (Joh 9,1-41) heute im Gemeindegottesdienst hörte. Gelesen hatte ich den Lesungstext mehrmals, ohne dass es zündete, aber beim Hören kam mir dann ein Gedanke.
Die Rede vom dem Mann, den Jesus von seiner Blindheit heilte, wird regelmäßig begleitet von dem Hinweis, dass er "von Geburt an" (v1.19.20 u.ö.) blind war. Vieles dreht sich bei dem Konflikt mit den Pharisäern dementsprechend darum, ob es ein wirkliches Wunder war, das Jesus an einem Blindgeborenen vollbrachte, oder ob ein Irrtum vorliegt (v9), oder ob es sich um eine böse Täuschung seitens der Jesusanhänger handelt, bei dem ein kurze Zeit "Erblindeter" nun zum Schein geheilt sei.
Das Evangelium spielt mit der Doppelbedeutung des "Sehens" als physisches Sehenkönnen und als meta-physisches Erkennen. Im Hintergrund stehen nämlich, typisch für Johannes, die theologischen Fragen, was sehen und Jesus als den Messias zu erkennen eigentlich heißt und was es (in johanneischer Sicht: für die Juden) bedeutet, diesen Jesus, der das "Licht der Welt" (v5) ist, abzulehnen.

Mittwoch, 22. März 2017

Kreuzwegbetrachtung - Was macht es mit mir, wenn jemand meinetwegen freiwillig leidet?

Im Gefängnis habe ich heute eine Passionsandacht zu dem nebenstehenden Bild angeboten.

Jesus trägt das schwere Kreuz.
Schattenbild, 2015.
Meine Ausgangsfrage war die im Titel genannte, die sich natürlich vor allem an den Leidensweg Jesu anschloss: Was macht es mit mir, wenn jemand meinetwegen freiwillig leidet?

Aus der Lebenssituation der Anwesenden heraus kommt der Impuls:
Dass durch die Inhaftierten andere Menschen leiden mussten, die das gerade nicht wollten, ist in vielen Fällen sehr eingängig.
Dass aber jemand freiwillig um meinetwillen leidet, scheint zunächst nicht ganz so klar. Aber natürlich gibt es eine Menge Partner, Verwandter oder Freunde, denen es unter Umständen schlecht geht und die leiden, weil jemand nicht da ist und im Gefängnis sitzt.
Schon das macht viele der Inhaftierten unglücklich, wenn sie sich vorstellen, dass sie daran mitschuldig sind.

Das freiwillige Dranbleiben und Investieren von Herzblut seitens derer, die eigentlich nicht bestraft werden sollen, diese Zugewandtheit und Liebe, aus der dann oftmals viel Leid entsteht, ist vielleicht auch eine Weise, wie wir uns Jesus und seinem freiwilligen Leiden für uns nähern können.

Samstag, 18. März 2017

Die Grenzen und die tiefe Sehnsucht. Über Jesu Gespräch mit der Samariterin (Joh 4)

Das Gespräch am Jakobsbrunnen aus dem Evangelium des Sonntags (Joh 4,5-42) hat exemplarischen Charakter. Der Evangelist Johannes stellt anhand der Begegnung Jesu mit der Samariterin heraus, dass Menschen mit einer existenziellen Frage oder einer tiefen Sehnsucht im Herzen bei Jesus Gottes Heil und ein Leben in Fülle finden können.

Im Verlauf des Gesprächs erkennt die Frau Jesus in immer tieferem Maße – zunächst ist ihr nur klar, dass er als „Jude“ auf sie zutritt (v9). Nach einigen Sätzen fragt sie sich (und ihn) schon, ob er denn größer als ihr gemeinsamer Vorvater Josef sei (v12) und kommt zum Schluss, dass er ein „Prophet“ sein müsse (v19). Als er dann von der Zeit spricht, in der Gott unabhängig von einzelnen Anbetungsorten und -formen zu finden sei, erwähnt sie den verheißenen „Messias“ – als der er sich ihr sogleich zu erkennen gibt (v25.26). Das alles führt schließlich zum Bekenntnis der ganzen Stadt zu Jesus als dem „Retter der Welt“ (v42).