Dienstag, 19. März 2019

War Josef der leibliche Vater Jesu? Zwei Antworten von Joseph Ratzinger

Zum Fest des heiligen Josef möchte ich kurz zwei unterschiedliche Antworten zu oben genannter Frage referieren. Zwei Antworten, die interessanterweise von ein und dem selben Autor stammen, allerdings liegen zwischen ihnen 44 Jahre.

Samstag, 16. März 2019

"Schaut die verklärte Leibsgestalt." Ostern in Sicht und Abstieg ins Tal

1. Ostern in Sicht
"Der Leib ist klar, klar wie Kristall, Rubinen gleich die Wunden all,
die Seel durchstrahlt ihn licht und rein wie tausendfacher Sonnenschein"
"Bedeck, o Mensch, dein Augenlicht! Vor dieser Sonn besteht es nicht."

Es ist ein Osterlied, das mir angesichts des Sonntagsevangeliums in den Sinn kam. Denn dort heißt es außerdem gleich zu Beginn in der ersten Strophe:

"Kommt, kommt, ihr Christen jung und alt, schaut die verklärte Leibsgestalt!"1

Während im Evangelium die Rede war vom Aufstieg Jesu auf den Berg und von seiner dortigen Verklärung vor den drei mit hinaufgegangenen Jüngern, singt das Lied vom auferstandenen Jesus.

Sonntag, 10. März 2019

Meine Versuchungen im Gottesdienst. Gedanken zum Evangelium am Ersten Fastensonntag

Wenn Jesus im Evangelium des heutigen ersten Fastensonntags auf die Probe gestellt wird, dann frage ich mich, was diese Versuchungen für mich bedeuten.

(Leider gab es traditionell keine Auslegung dieses Textes durch den Gemeindepfarrer – aber dafür den in diesem Jahr äußerst hörens- und lesenswerten Fastenhirtenbrief von Erzbischof Koch. Ich kann ihn an dieser Stelle nur empfehlen und betonen, wer ihn liest und bisweilen auch in diesen Blog hineinschaut, kann dort viele Gedanken entdecken, die hier auch auftauchen: Ambivalenzen aushalten, Vielfalt würdigen, Aufmerksam durch den Alltag gehen...)

Besonders wenn ich selbst einen Gottesdienst gestalte, gibt es eine Reihe von Versuchungen, denen ich standzuhalten habe.

"Befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden" (Lk 4,3), beginnt der Teufel bei Jesus.
Auch meine Versuchung ist oft genug, zu glauben, dass ich durch meine eigenen Kräfte und Möglichkeiten die Gottesdienstbesucher satt machen könnte.

Dienstag, 5. März 2019

Um Vergebung bitten - Predigt an Aschermittwoch

Ein wichtiges Thema der beginnenden Fastenzeit ist der Aufruf zur Umkehr.

Dort, wo ich falsch gegangen bin, dort, wo ich meinen Nächsten verletzt habe, dort, wo ich Schuld auf mich geladen habe, dort bin ich aufgefordert, umzukehren.

Oft genug gehört dazu, um Vergebung zu bitten.
Aber es müssen mehrere Hindernisse bewältigt werden, wenn ich diese Bitte aussprechen will:

1. Oft genug versuche ich als erstes, mich zu entschuldigen.
Hinauf! Ins Licht!
Wilmersdorf, Berlin, 2018.
Doch ich kann mir meine Schuld nicht selbst wegnehmen – was "mich entschuldigen" ja genau genommen heißt.
Vielmehr bitte ich die Person, an der ich schuldig geworden bin, darum mir zu verzeihen.
Das kostet enorme Überwindung - und führt damit zum zweiten Hindernis.

2. Oft genug schaffe ich es nicht, um Vergebung zu bitten.
Ich selbst kenne das, wenn die Situation einfach noch zu aufgeheizt ist und der Andere maulend rausgeht oder mit der Tür knallt, so dass ich jetzt erst recht keine Lust mehr habe, meinen Teil der Schuld einzugestehen. Dann muss ich erst einmal tief durchatmen und emotional runterkommen.
Besonders anstrengend finde ich das im Straßenverkehr, wo die Einsicht, selbst etwas falsch gemacht zu haben, gerade in einer Stadt wie Berlin nur selten vorhanden ist.
In solchen Situationen rege ich mich besonders schnell auf und werde auch aggressiv, aber bevor sich die Sache entspannen kann, ist die Person auch schon wieder weg.
Das korrespondiert mit einem weiteren Hindernis:

3. Oft genug gibt es gar keine Instanz, bei der ich Vergebung finden kann.
Im Straßenverkehr (und auch sonst manchmal) ist die Person, an der ich schuldig geworden bin, schon wieder fort.
Auch bei manch anderer Art von Schuld, wie zu hoher Alkoholkonsum oder Steuerhinterziehung, haben keinen direkten Adressaten, der dies verzeihen kann.
Doch dieses Hindernis geht noch tiefer: Wohin wendet sich ein Mensch, der an keine göttliche Instanz über sich glaubt, wenn er mit Schuld und Vorwürfen seines Gewissens zu kämpfen hat? Wo findet er Vergebung?

Manche Menschen, die für eine Straftat verurteilt wurden, gehen davon aus, dass die Vollstreckung eines Urteils dafür sorgt, dass sie anschließend "ent-schuldigt" aus dem Gefängnis gehen. Im juristischen Sinne mag das auch stimmen. Allerdings ist es zwar die Aufgabe der Justiz, Verbrechen zu ahnden, und demzufolge sitzen viele Verurteilte im Knast dann ihre Strafe ab, aber der Freiheitsentzug schenkt keine Vergebung – höchstens das Gefühl, nun lang genug gesessen zu haben.

Wenn sich jemand also mit seiner Schuld, sei sie nun strafrechtlich relevant oder nicht, auseinandersetzt, dann wird er (oder sie) irgendwann an den Punkt kommen, dass bei allen Relativierungen, bei aller Schuld der Gegenseite, bei allen zwecklosen Versuchen, Vergebung zu erlangen, irgendwann die Frage im Raum steht, wie man dieses Geschenk der Vergebung denn nun bekommen kann.
Für nicht wenige wird dies zu einer existenziellen Frage: Wer vergibt mir all den Mist, den ich in meinem Leben falsch gemacht habe? Wie finde ich die innere Freiheit wieder, die Vergebung mir schenken kann?

Garben, stehend.
Neuendorf, Hiddensee, 2018.
4. Ein barmherziger Vater
Wenn wir uns die Geschichte vom verlorenen Sohn anschauen (Lk 15,11-32), die Jesus im Lukasevangelium erzählt, dann hören wir von einem Draufgänger, der sich mit seinem Erbe davonmacht und den Vater sitzen lässt. Das Geld, das ihm eigentlich erst nach dem Tod des Alten zusteht, zieht der Junge ihm aus der Tasche, während er noch am Leben ist und es selbst benötigt. Für den Sohn ist der Vater nichts mehr wert, er braucht ihn nicht mehr, jetzt, wo er das Geld hat.
So mit Geld und Schuld beladen, geht er von dannen und macht sich ein schönes Leben. Als dieses mangels Geld endet, steht er allein da. Er versucht noch kurz, mit Arbeit über die Runden zu kommen, aber merkt schnell, dass er dort nicht weiterkommt.

Nun kommt die entscheidende Stelle (v18f): Der Sohn im Gleichnis weiß, wohin er gehen kann, um Vergebung zu erbitten!

"Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner!" (Lk 15,18f.)

Obwohl er seinen Vater so furchtbar behandelt hat, ist die innere Verbindung zu ihm noch nicht ganz abgerissen und er will um Verzeihung bitten.
Obwohl der Vater nicht anwesend ist, macht er sich Gedanken – und schließlich auf den Weg.
Obwohl er dem Vater gesagt hat, dass der für ihn schon nicht mehr existiert – wagt er es dennoch.

Der Sohn macht also das, was Fastenzeit will: Er kehrt um. Außerdem will er sich vor seinem Vater erniedrigen, weil ihm klar wird, wie furchtbar sein Verhalten war.

Aber er weiß nicht, was wir schon wissen:
Es erwartet ihn ein Vater, der ihn in die Arme nimmt. Der nicht straft. Nicht schimpft. Nicht Genugtuung und Sühne und Erniedrigung will.
Sondern sich einfach freut, dass der Verlorene zurückkehrt.

Das ist toll. Denn dieses Gottesbild kann sehr befreiend sein. 

5. Und wir
Unser Problem ist nur:
Wir erwarten schon die Vergebung vom "lieben Gott". Wir rechnen heimlich schon mit einem Gott, der uns vergibt. 
Nicht wie der Sohn, der sich noch voll Angst und Zittern auf dem Weg machte.
Wir glauben, dass der liebe Gott schon kommen wird, wenn es ihm so wichtig ist. Dass er uns schon aus der Scheiße ziehen wird, in die wir uns noch einmal extra reinsetzen.

Und tatsächlich hat er das in Jesus getan. Hat sich auf den Weg gemacht, um uns zu suchen.

Aber wozu braucht es dann noch unsere Umkehr?

Umkehr kann dann nur noch bedeuten, dass wir uns nicht mehr verstecken vor ihm.
Dass wir unsere Schuld anerkennen. Dass wir sie loswerden wollen.
Dasss wir ihm unser stolzes, unser ärgerliches, unser liebloses und unser neidisches Herz hinhalten. Und ihn bitten: Vergib mir.

Dann kann er uns befreien und heilen. Uns Auferstehung schenken.

Neuer Aufgang.
Kirchmöser, 2017.

Samstag, 2. März 2019

Faule Früchtchen, Bratenfett und gefüllte Herzen. Eine Büttenpredigt

Drei Sachen möcht‘ ich sagen heut‘
zu diesen Bibelsprüchen.
Denn ihr sitzt hier, ihr lieben Leut'
und könnt mir nicht entwischen.

Ihr merkt schon, ich will reimen,
denn es ist Faschingszeit.
Kein Knackie soll jetzt weinen:
Ich hoff‘, es macht euch Freud‘.


Eins (vgl. Lk 6,41-42)
Ein Splitter und ein Balken,
die treffen sich im Hof.
Sie sagen zueinander:
Mein Gott, was bist du doof.

Donnerstag, 21. Februar 2019

Splitter zur Feindesliebe. Mit Adornos Hilfe

Im Nachdenken über das Evangelium des kommenden Sonntags wird mir mulmig, wenn ich mir dazu das gleichzeitig stattfindende kirchliche Ereignis in Rom vor Augen halte: Während Jesus im Evangelium von Feindesliebe spricht, diskutieren die Bischöfe in Rom über den sexuellen Missbrauch durch kirchliche Amtsträger.

Missbrauch und Feindesliebe in einem Satz – das ist vermintes Gelände.

Denn zu schnell entsteht der Eindruck, dass über die kirchlichen Missbrauchstäter wieder einmal der Mantel des barmherzigen Schweigens und Vergessens gelegt werden soll. Die "Feinde", das wären in dieser Assoziationskette all die Täter, Vertuscher, schweigenden Mitwisser.
Auch sie müssten doch geliebt werden, darum wäre ihnen zu verzeihen.

Doch bei der Feindesliebe geht es nicht um Barmherzigkeit. Auch Schuld und Antipathie werden nicht negiert, Gegnerschaft und Unterschiedlichkeit nicht wegretuschiert. Ein Gewalttäter wird unter dem Blick der Liebe nicht plötzlich zum unschuldigen Lamm.

Samstag, 16. Februar 2019

Nichts für Mittelschichtschristen. Eine Auslegung zum Sonntagsevangelium

Sind wir gemeint, wenn das Evangelium vorgelesen wird?

Es ist möglich, mit etwas geistlichem Balsam viele Aussagen der Heiligen Schriften für uns Heutige fruchtbar zu machen. Aber wenn wir uns fragen, zu wem Jesus (jedenfalls im heutigen Evangelienabschnitt) wirklich spricht, dann müssen wir uns eingestehen, dass wir es nicht sind.

Und das nicht deshalb, weil Zeit und Raum und Kultur uns trennen, sondern weil Jesus Menschen in einer komplett anderen existenziellen Lage anspricht.
Die Frohe Botschaft dieses Predigers aus Nazareth, seine Seligpreisungen, richten sich an die Abgehängten, Überrollten, Marginalisierten, Randständigen, Geängstigten, Hungrigen.

Donnerstag, 14. Februar 2019

Bekehrung? "Der Widersacher" von Emmanuel Carrère und die Rolle des Gefängnisseelsorgers

Der Gefängnisseelsorger habe ihm sehr geholfen, "zur Wahrheit zurückzukehren. Doch die Wirklichkeit ist so grauenhaft und unerträglich, dass ich befürchte, mich aufs Neue in eine imaginäre Welt zu flüchten".1

In seinem Roman "Der Widersacher" erzählt Emmanuel Carrère sein Ringen mit der Geschichte von Jean-Paul Ramond, einem Mann, der 18 Jahre lang sein engstes familiäres Umfeld über seine beruflichen und finanziellen Verhältnisse belogen hat. Kurz bevor alles aufgeflogen wäre, tötete er seine Frau, seine Kinder und seine Eltern.

Freitag, 8. Februar 2019

Welche Berufungen wünscht sich die Kirche? Kritik an den Sonntagslesungen

Dieser Sonntag präsentiert uns drei Texte zum Thema Berufung.

Da ist einmal der mit einer gigantischen Vision begnadete Jesaja, der die Frage hört, wer mit der göttlichen Botschaft gesandt werden solle und trotz seiner eingestandenen Unwürdigkeit bereitwillig antwortet: „Hier bin ich, sende mich.“ (Jes 6,8)
Augenscheinlich spricht hier ein besonders Eifriger.

Ähnlich tritt Paulus auf, der in der zweiten Lesung aus dem Ersten Korintherbrief jedoch betont, dass er der Letzte der Apostel und alles nur „durch Gottes Gnade“ sei, denn dessen „gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben.“ (1 Kor 15,10)
Trotz seines Eifers scheint Paulus die entscheidende Wirkkraft also bei Gott zu sehen.

Dienstag, 5. Februar 2019

Pedro Arrupe – Prophet einer „Gesellschaft der Genügsamkeit"

Heute wird in Rom der Seligsprechungsprozess von Pedro Arrupe eröffnet.
Neben vielen innerkirchlichen Themensetzungen hat er schon vor vierzig Jahren er den Finger in jene Wunden gelegt, die uns heute besonders schmerzen. Ich beziehe mich im Folgenden auf einen Vortrag, der am 21.11.1977 in Montreal1 gehalten wurde:

Der Raubbau an den Gütern der Erde und die ungleiche Verteilung von Lasten und Erträgen ist ein anhaltender Skandal. Arrupe legt Wert darauf, dass dieser Skandal Ausdruck einer Kultur ist, die den Menschen zum "homo consumens" degradiert. Für diesen sind Profitmaximierung und Effizienz die entscheidenden Maßstäbe, sogar die Beziehungen sind dem Nützlichkeitsdenken untergeordnet. Darunter leiden in besonderer Weise die Armen und die Natur.
Der Ordensmann resümiert im Anschluss an seine Problemanzeige grundsätzlich:
"Nach all dem scheint es klar, daß Genügsamkeit oder ein eingeschränkter Lebensstil für das materielle und soziale Überleben der Menschen unbedingt notwendig sind."

Da fehlt doch was!?
Neukölln, Berlin, 2019.
Arrupe empfiehlt deshalb eine "Gesellschaft der Genügsamkeit", in der die Menschen "sich nicht mehr nach Besitz, sondern nach mehr Leben" sehnen. 

Allerdings weiß er um die Stolpersteine:
"Jeder gibt die Notwendigkeit von wirkungsvollen Schritten zu. Das kann nicht ohne große Opfer geschehen, aber wer ist bereit, sie zu bringen? Niemand unternimmt etwas, weil niemand eine genügend starke und überzeugende Motivation für die Art von Opfern hat, die ein genügsameres Leben erfordert. Der Arme sagt: 'Laß den Reichen beginnen; ich lebe schon genügsam genug!' Der Reiche fragt: 'Warum soll ich aufgeben, was ich mir rechtmäßig erworben habe? Es wird niemandem nutzen, wenn andere nicht genauso handeln. Sollen sie anfangen, dann werden wir ja sehen!' Und auf diese Weise unternimmt niemand etwas."

Einen ähnlichen Eindruck kann man auf den einschlägigen Konferenzen gewinnen und die Frustration darüber bewegt (nicht nur) junge Menschen wie die Schwedin Greta Thunberg und Tausende Schülerinnen und Schüler weltweit ("friday for future").
Denn das Dilemma ist natürlich allbekannt: Warum soll gerade ich auf meinen Urlaub im Süden verzichten? Muss denn alles gleich mit Verzicht zu tun haben?
Eine ganze Industrie ist damit beschäftigt, uns Konsumenten das Umweltgewissen ruhigzustellen und die persönlichen Kosten erträglich zu halten. Und einen Lebensstil pflegen, der gesellschaftlich möglichst anerkannt ist. Damit es nur ja nicht zu sehr weh tut und sich wie Verzicht oder Entbehrung anfühlt.

Hier ist Widerstand geboten. Denn wir werden nicht drumherum kommen. In den Siebzigern sprach Arrupe zu Ordensleuten, aber die Botschaft, um die es damals wie heute geht, betrifft auch uns und bleibt ein Stein des Anstoßes:
"Wir sollten auf viele Dinge, die uns notwendig erscheinen, verzichten."

Eigentlich ist es so einfach wie einleuchtend. Allein, die Umsetzung...!
Dabei folgt diese Aufforderung einer Logik, für die weder Religion noch Weltanschauung vonnöten sind, es ist einfach der Menschenverstand, der Genügsamkeit gebietet.
Das Christentum bietet jedoch eine naheliegende Motivation – statt als "homo consumens" zu leben, sind die Gläubigen aufgerufen, in den Spuren Jesu zu "homines servientes" zu werden, zu dienenden Menschen, die in ihrem Leben glaubwürdig die "Bekehrung zur Genügsamkeit" vorleben.
Und diese Bekehrung haben wir alle nötig.

Ich bin Pedro Arrupe sehr dankbar für diese hochaktuellen Gedanken.

Was brauche ich davon wirklich?
Holz im Hinterhof, Treptow, Berlin, 2016.

1   Über die Aufgabe der Orden in der modernen Konsumgesellschaft. Aus dem Vortrag zur Eröffnung des Dritten Interamerikanischen Kongresses für Ordensleute. In: P. Arrupe, Unser Zeugnis muss glaubwürdig sein. Ein Jesuit zu den Probleme von Kirche und Welt am Ende dees 20. Jahrhunderts. Ostfildern 1981, 143-156.

Samstag, 2. Februar 2019

Deine Zukunft gehört dir nicht! Visionen an Darstellung des Herrn

Das Evangelium am Fest der „Darstellung des Herrn" hat eine doppelte Botschaft:
Es sagt nämlich, dass unser Leben eigentlich Gott gehört – aber auch, dass er uns mit einer vollen Zukunft beschenken will. Gott erhebt Anspruch auf unser Leben – und zugleich gibt er uns das Versprechen, dass er eine wunderbare Vision dafür hat.

1. Erläuterung zum jüdischen Hintergrund1
Wenn die Eltern Jesu etwas mehr als einen Monat nach seiner Geburt in den Tempel kommen, um ihren Sohn vor Gott hinzubringen („darzustellen", wie es im Namen des Festes heißt), dann erfüllen sie damit zwei Gebote, die in der Torah zu finden sind.
Das ist sperrige Kost, die ich hier gern nur kurz erläutern und stehen lassen möchte:

Im Tempel.
Propsteikirche, Leipzig, 2018.
Zum einen geht das Denken jener Zeit davon aus, dass eine Frau sich nach der Geburt rituell reinigen, das heißt in einen Zustand versetzen muss, in dem sie vor Gott hintreten kann. Für diese Wiedereingliederung in das religiöse Leben bringt sie im Tempel eine Gabe dar (vgl. Lev 12,1-8).
Das zweite mit dem Besuch erfüllte Gebot besagt, dass der Erstgeborene bei Gott „ausgelöst", also sozusagen umgetauscht werden muss. Dahinter wiederum steht der Gedanke, dass jede männliche Erstgeburt Gott gehört.
Dieser Anspruch Gottes auf das erste Kind zweier Menschen geht nach der biblischen Überlieferung zurück auf die Verschonung der Erstgeborenen der Juden beim Auszug aus Ägypten (im Gegensatz zu den Erstgeborenen der Ägypter). Während die einen (die Juden) gerettet wurden, mussten die anderen (die Ägypter) sterben (Ex 13,12-15).
Diese historische Bevorzugung soll nun gewissermaßen von den einzelnen Gläubigen wieder aufgeholt werden.
Abgesehen von den Hinweisen auf die Exodus-Geschichte stecken aber auch noch grundsätzlichere Hinweise im Text:
Der Evangelist betont außerdem die Gesetzestreue der Eltern Jesu, die sich ganz in der Frömmigkeit ihrer Religion bewegen, die ja nicht die Religion der ersten Leserschaft ist. So zeigt er Kontinuität und Differenz zur Religion Israels auf.
Dazu kommt, dass im Hereinbringen des Kindes in den Tempel die Zugehörigkeit Jesu zu Gott besonders herausgestellt wird – bemerkenswert ist, dass dies eigentlich für alle gilt, der Evangelist (der den Tempel vermutlich nicht mehr gekannt hat) stellt Jesu Verbindung zu seinem im Tempel verehrten Vater jedoch noch einmal besonders heraus, wenn er betont, dass sie das Kind brachten, "um es dem Herrn zu weihen." (v22)

Ein weiteres Motiv taucht auf, nämlich dass Kinder, und zwar alle Kinder, als eine Gottesgabe angesehen werden.
Die Eltern kommen zu Gott und bitten ihn mit dem Opfer gewissermaßen noch einmal um ihr Kind, das sie doch schon haben – das zeigt, dass Kinder nicht ihren Eltern gehören. Sie sind, trotz aller Abhängigkeit von den Eltern und trotz der engen Blutsbande, freie Wesen und stehen nicht nur als Kinder von irgendwem, sondern direkt als sie selbst vor Gott.
Das betont die individuelle Freiheit jeder Person vor Gott. 

2. Die Zukunft vorhersagen
Der greise Simeon sagt Jesus etwas Großes voraus. Seit Jahren wartet er darauf, den Erlöser zu sehen und nun wird dieser Wunsch ihm erfüllt. Er sagt vom Kind, dass es das Heil und das Licht der Heiden sei, dass es Herrlichkeit für Israel bedeute (vgl. v31.32) und dass es die Verhältnisse umkehren werde: viele sollen "durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden". (v34)

Aber dieses Vorhersagen ist zutiefst zwiespältig:
Auch in der Situation der Haft gibt es immer wieder Leute, die Ihnen sagen, wo es für Sie - höchstwahrscheinlich – hingeht. Jedes Mal, wenn der Plan für den weiteren Verlauf des Vollzugs geschrieben wird, muss eine Diagnose erstellt werden. Dann entscheidet irgendwer, dass Sie jetzt bereit sind, stundenweise frei hinauszugehen – oder dass es eben noch nicht so weit ist.
Oder es geht gar darum, dass eine Verlegung in den Offenen Vollzug ansteht – auch hier muss jemand sagen: „Ja, er wird es unter den Bedingungen größerer Freiheit schaffen." Oder: „Nein, das kann er nicht."
Was die Zukunft bringt.
Werbetafeln am S-Bahnhof Sonnenallee, Berlin, 2018.
Wir alle wissen, dass Vorhersagen über das Leben eines Menschen unmöglich sind. Alle, die das trotzdem tun müssen, tun es (hoffentlich) im Wissen um ihre eigene Beschränktheit bezüglich solcher Aussagen.

Simeon scheint sich jedoch sehr sicher zu sein, ihm wird vom Evangelisten jedenfalls bescheinigt, dass der Geist ihn in den Tempel geführt habe (vgl. v27).

Als Erwachsener fragen Sie sich natürlich, ob sich das, was andere da über Sie sagen, auch mit dem deckt, was Sie selbst in sich sehen. Im positiven Fall, wenn Ihnen etwas zugetraut wird, ist das wahrscheinlich eher so. 
Man muss ja ehrlicherweise sagen: Wenige Leute möchten gern über sich hören, dass sie zu bestimmten Dingen, die sie tun sollen, nicht in der Lage sind. Mir scheint oft, dass nur selten jemand ausspricht (um im Kontext Haft zu bleiben): Ja, Sie haben recht, es stimmt, für den Offenen Vollzug bin ich doch gar nicht bereit.

Das Schöne ist nun, dass es eine Perspektive gibt, die noch unendlich viel weiter geht als die Perspektive eines Sozialarbeiters oder einer Sozialarbeiterin. Es ist die Perspektive Gottes.

Denn Gott hat Großes mit Ihnen vor! Nicht nur mit einigen Wenigen, sondern mit jedem, der hier sitzt.
Gott sieht in Ihnen etwas äußerst Wichtiges und er möchte eine Zukunft für Sie, die Sie erfüllt und zum Heil führt. Und er will Sie zum Heil machen, auch für jene, die nicht zum auserwählten Volk gehören. 
Sie können ein Licht sein! 
Sie können Herrlichkeit für einen Menschen sein! 
Sie können Menschen retten!

Und seien Sie beruhigt: Auch für Jesus war das nicht leicht. 
Gott verspricht uns kein Leben ohne Leiden, wenn er uns eine große Zukunft und eine Leben in Fülle verheißt.
Wenn jemand für seinen Glauben eintritt, Gottes Liebe zu allen verkündet und danach lebt, dann wird oft genug genau das passieren, was von Jesus gesagt wurde: "er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird." (v34)

Aber darauf muss man sich einlassen. Oder sich ehrlich entscheiden, dass das nichts ist. Sie dürfen sich aber sicher sein: Gott traut es Ihnen zu, er will Sie dabei sogar unterstützen. Allerdings macht er nichts aus Ihnen, wenn Sie nicht mitmachen. Auch Jesus hat sich auf den Weg seines göttlichen Vaters gemacht und ist nicht sein Leben lang der Zimmermann geblieben, der er hätte sein können.
Denn dieser Weg verändert eine Person. Auch dafür muss man bereit sein. Wenn Sie Ihr Leben in die Spur Gottes stellen, dann gehört Ihnen Ihre Zukunft nicht mehr.
Dann lassen Sie sich darauf ein, dass Gott Sie und die Zukunft Ihres Lebens verwandelt.

Das aber fordert Mut, Geduld und das tiefe Vertrauen darauf, dass Gottes Plan für Sie wirklich gut ist.
Wenn Sie das probieren wollen, dann ist der erste Schritt, dass Sie darauf hören, was Gott eigentlich mit Ihnen ganz konkret vorhat – mit Ihren Erfahrungen, Ihrer Lebensgeschichte, Ihren Talenten, Ihren Schwächen, Ihren Wünschen.
Fragen Sie ihn ruhig: Gott, was willst Du von mir? Welche Zukunft siehst Du für mich?
(Manchmal kann auch die Perspektive der Sozialarbeiterin bei der Beantwortung dieser Fragen helfen!)

3. Das Leiden der Eltern
Ein kurzes Wort noch zu Jesu Eltern: Von Maria wird noch gesagt, dass ihr ein Schwert durchs Herz fahren werde (vgl. v35).
Das ist ein bekanntes Thema: Besonders die Mütter haben es schwer mit ihren Kindern und sie leiden besonders daran, wenn ihre Söhne Wege gehen, die nicht mit den Erwartungen übereinstimmen…
Sicher geht oder ging es Ihren Müttern nicht viel besser als der Mutter Jesu.
Manchmal sind die Situationen dann auch schon so festgefahren, dass weitere Erklärungen oder Beteuerungen nichts bringen.
Dann – und auch sonst – ist es eine gute Möglichkeit, für die eigenen Eltern zu beten.
Mit Dank. Um Kraft und gelassene und friedvolle Gedanken, wenn es um die eigenen Kinder geht.

4. Schluss
Lassen Sie sich ein auf den Weg, den Gott mit Ihnen gehen will!
Seien Sie ein Zeichen, dem widersprochen wird – aber ein Zeichen im Geiste Gottes!
Fragen Sie Gott, was Er von Ihnen will!

Wohin soll es gehen, Gott?
Im Wald bei Grünheide, 2018.

Samstag, 26. Januar 2019

Gott nicht loben! Eine Anklage aus Elie Wiesels "Die Nacht"

Wo war Gott in Auschwitz? Warum hat er zugelassen, dass sein auserwähltes Volk millionenfach ermordet wird?
Fragen nach der Rechtfertigung Gottes beschäftigen jüdische und christliche Theologen seit langem, ohne dass sie sich letztgültig beantworten lassen.1

Der Holocaustüberlebende Elie Wiesel, der 2016 im Alter von 87 Jahren gestorben ist, hat in seiner frühen Erinnerungserzählung "Die Nacht" den Zorn eines gläubigen Juden am Neujahrsfest Rosch Haschana festgehalten. Die Häftlinge versammelten sich auf dem Lagergelände von Auschwitz zum Gebet:

Mittwoch, 23. Januar 2019

Sabbat: Heilung und Ablehnung

Der Sabbat, für Christen der Sonntag, hat die Funktion, Ruhe zu ermöglichen. So können Menschen Kraft sammeln, sie haben Zeit für Außergewöhnliches oder können einfach eine Pause machen. Diesen Sinn einer Unterbrechung des Alltags gibt es auch jenseits einer religiösen Begründung.
Religiös betrachtet kann der Sabbat Zeit für eine Begegnung mit Gott schaffen.

Heilung nötig.
San Gimignano, 2018.
Wenn Jesus im heutigen Evangelium (Mk 3,1-6) am Sabbat einen Mann heilt, dann liegt sein Fokus jedoch nicht auf der Pause an sich, sondern auf der Ermöglichung heilsamer Begegnung durch diese Pause. 

Er macht aus der freien Zeit eine Zeit der Heilung.

Denn das ist es, was Gott will: dass wir heil werden. Auch wir können in den Unterbrechungen und Pausen, vielleicht auch in der leeren Zeit der Haft und noch mehr hier im Krankenhaus eine Begegnung machen, die heilsam wirkt.

Denn von Gott geht Kraft aus, die in der Liebe stark ist.
Dort,
wo wertschätzende Begegnungen stattfinden,
wo Vergebung möglich ist,
wo grundlos geschenkt und geteilt wird,
wo gegen alle Hoffnung gehofft wird,
wo nicht der eigene Nutzen im Vordergrund steht,
wo Gebrechlichkeit und Schlechtigkeit nicht einfach aussortiert werden,
wo jemand aufbricht und aus sich herausgeht
– dort kann Gott eintreten.

Dann ist unser Alltag wie die Synagoge, in die Jesus kommt und heilen kann.
Machen wir solche eben genannten Erlebnisse (oder noch andere in der Art), dann müssen wir ihm unsere Heilungsbedürftigkeit nur noch hinhalten.

Aber nicht für alle steht dieser Aspekt des Sabbats im Vordergrund.

Die im Text genannten "Pharisäer" und "Anhänger des Herodes" (Mk 3,6) stehen, wie auch viele Juden heute noch, für die strikte Pause ein. Und auch das ist eine legitime Sicht, die den Sabbat über Jahrhunderte bewahrt hat.
Keine Arbeit, kein langer Weg, kein Feuer im Herd.
Nur Notfälle zählen gerade noch als erlaubte Handlung.

Doch in der Geschichte entsteht dadurch bei den Anwesenden das Problem, dass ihr Herz dabei stehenbleibt: es sieht nicht Gottes liebevolle Zuwendung und Jesu heilende Nähe, es sieht nur die Grenzüberschreitung. Da tut jemand etwas, als eigentlich nichts getan werden darf. Mehr sehen sie nicht. Diese Verstocktheit macht Jesus zornig.

Aber der Zorn hilft, wie so oft, nichts.

Denn durch die verstockte Verengung des Blicks kommt es zur radikalsten Ablehnung: Sie wollen Jesus umbringen.
Jesus rührt nicht am Glauben an den einen Gott. Aber immerhin am Dritten Gebot des Dekalogs. Das ist nicht nichts, auch wenn uns das vielleicht so vorkommen mag.

Und dafür gehen sie sogar in den Konflikt mit dem Fünften Gebot, in dem ja der Mord verboten wird. Es scheint, dass religiöse Kategorien hier gar keine Rolle mehr spielen, sondern dass in sinnloser Wut über Jesu Regelübertretung das größtmögliche Geschütz aufgefahren wird.

Doch Jesus nimmt das auf sich, um weiterhin seinen Weg unbeirrt zu gehen.
Trotz seines Zorns über die Verstocktheit gibt er nicht auf und verkündet einen Gott, der Heilung bringt, der Vergebung ermöglicht, der Leben rettet (vgl. v4).

Für diese Botschaft geht er bis ins Äußerste: Nicht im kalkulierten Niederreißen aller Regeln und Gesetze des Volkes Israel, wohl aber in seiner Bereitschaft, für seine Botschaft bis in den Tod zu gehen.

Denn für Jesus ist heilsame Begegnung nötig. Die Zeit der Heilung beginnt sofort. Eines Menschen Rettung kann keinen Aufschub vertragen.
Für diese Überzeugung scheut Jesus keinen Konflikt.

Steiler Aufstieg.
San Gimignano, 2018.


Freitag, 18. Januar 2019

Reflexionen aus dem belanglosen Leben im Anschluss an die Hochzeit in Kana

Die Geschichte von der Hochzeit in Kana (Joh 2,1-10), bei der Jesus Wasser zu Wein wandelt, wird oft gedeutet als ein Zeugnis von Jesu Kraft, aus dem normalen Alltagsbestand (das zum Waschen, Trinken, Reinigen bestimmte Wasser) einen Genuss (der tolle Wein) zu machen.

Seit ich mich vor diesem Sonntag mit dem Text auseinandersetze, frage ich mich, ob ich dazu etwas schreiben kann.
Denn seit der Rückkehr aus dem Silvesterurlaub trudeln die Tage nur so an mir vorbei, ohne dass ich einen klaren Gedanken finden kann. Also auch keinen klaren dazu!?

Leere Rahmen - Bilder wie immer irgendwie dazu.
Rudow, Berlin, 2018.
Verstärkt wird dieses Gefühl, nichts zu sagen zu haben, durch die eher grundsätzlich Frage, ob ich in diesem Blog noch etwas schreiben will. Religiöse Themen muss ich gerade eher mit Gewalt an mich heranziehen, literarische Entdeckungen mache ich in den gerade gelesenen Büchern auch nicht wirklich.
Und überhaupt – wie bisher aus jedem biblischen Text eine Weisheit an den Haaren ziehen, das ist mir selbst ein bisschen suspekt, und doch weiß ich keine andere Art zu schreiben, keine andere zu denken vielleicht.
Im Endeffekt ist die Stimmung diesbezüglich: Lustlos, ausgelaugt, resigniert. Der Wein ist alle. 

Beste Voraussetzungen also, um nach der Verwandlung Ausschau zu halten, die das Evangelium verheißt...?!

Was ist also das Normale, das rangeschafft wird, damit Jesus etwas daraus macht?

In der Berliner Nasskälte bin ich dauerkränkelnd nach der Rückkehr aus der Toskana, wo alles sonnig, schön und auch ein wenig (aber wirklich nur ein wenig) kalt war.
Jetzt dagegen: Viel Grau, kein weiter Blick mehr, drückende Luft, Schmutz und Ekel in den Straßen.
Die Bücher, die ich gerade lese bzw. gelesen habe, sind nicht schlecht, aber auch nicht umwerfend, was ich vor allem daran merke, dass ich mir keine Notizen mache und keine Seiten merke, aber auch nicht hinwerfe. Na gut, letzteres liegt mir sowieso nicht.
Das Humboldt-Buch von Andreas Wulf war zwar anregend und spannend, aber irgendwann viel zu lang und sich in Neben- und Nachgeschichten verheddernd, außerdem voller Wiederholungen in enervierend immer gleicher Wortwahl.
Dann schleife ich immer noch Esther Kinskys „Hain" hinter mir her. Mein Eindruck, dass es keine Geschichte ist, die eine Entwicklung erzählt, sondern Miniaturen, die manchmal gar nicht schlecht sind, aber auch die sind nervtötend langsam und lang. Der Grundton der Trauer, der das Buch durchzieht, verbessert die Sache nicht.
Weiterhin die Einsicht, dass ich nicht viel zu sagen habe und auch keine ausreichend guten Worte, um das dann wenigstens gut zu präsentieren.
Die Arbeitsstellen könnten dissonanter nicht sein: Einmal fühle ich mich weitgehend überflüssig, einmal bin ich so gefragt, dass ich nur noch hinterher hetze und kein Gefühl für die Qualität meines Tuns mehr habe. Und viele Leute enttäuschen muss.
Die Kinder kränkeln auch, meine Frau arbeitet, wir sehen uns abends, reden etwas, gehen zu Bett.
Politische Ereignisse (Datenleck, Brexit-Chaos, Flüchtlingsschiffe, AfD-Querelen, US-Shutdown, Dauer-Klima-Krise) ziehen eher so neben mir vorbei, ohne dass ich den Eindruck habe, dass mich davon irgendetwas tiefer berühren kann.

Bei all dem fühle ich mich an einer belanglosen Oberfläche festgenagelt, matt, nutzlos und ohne Antrieb. „Bis zum Rand" gefüllte Wasser-Tage (vgl. v7).
Also suche ich mal die Perlen.

Kleines Glück. Trotz allem.
Toskana, 2018.
Was mich beglückt hat in diesen letzten Tagen: 

Die Facebook-Einträge eines ehemaligen Mitstudenten mit zeitversetzten Logbuch-Notizen über einen Aufenthalt in der Psychiatrie: knapp, eindrücklich, offen.
Die Stimme von SabineDevieilhe (zugegebenermaßen entdeckt, weil von youtube empfohlen), die wirklich eine grandiose Offenbarung ist.
Das Schreib- und Lesebedürfnis meiner vierjährigen Tochter.
Der Lesungstext vom Donnerstag, dem 17. Januar, meinem Tauftag – ein Aussätziger kommt zu Jesus und wird geheilt (Mk 1,40-45).
Ein paar kurze Begegnungen mit Kiezbekanntschaften auf der Straße.
Die Umarmungen meiner eineinhalbjährigen kranken Tochter.
Ein Foto, das ich am Mittwoch, 16.01., auf dem Weg zum Gefängnis aufgenommen habe.
Und schließlich der Stil der Essays von David Foster Wallace in „Der Spaß an der Sache", der mich einerseits deprimiert, weil auf den Boden der Realität holt, andererseits aber beflügelt, jetzt überhaupt wieder zu schreiben.

Wahrscheinlich ist es diese Sammlung schon. Ein Wein-Wunder.
Aufschreiben als Therapie und Weg zum Genuss.
Jedenfalls für mich. Jedenfalls ein wenig.

Freitag, 11. Januar 2019

Ein Passwort reicht!

Ein Passwort reicht!

Nach dem Datenleak von Politikern und Prominenten steigt der allgemeine Wunsch nach mehr Sicherheit im Internet.

Ich habe eher den Wunsch nach einem Ausweg aus dem Passwort-Chaos.
Nach dem Urlaub ist es besonders schwer: Wenn ich in meinen diversen Büros eintreffe und die Rechner hochfahre, muss ich all die Passwörter parat haben, die in manchen Fällen auch noch alle paar Monate geändert werden müssen. Furchtbar!
Von meinen privat genutzten Accounts und weiteren PINs für alle Karten und Geräte gar nicht zu reden.

Dann wünsche ich mir, darin bin ich privat der pure Populist, die große Einfachheit: EIN klares Passwort, das sicher ist, immer gilt und auf alle Geräte anwendbar passt.