Samstag, 8. Mai 2021

Zumutung der Rückkehrer. Das Kriegsende und die versehrten Väter

Das Gedenken an das Kriegsende ist ein Grund zur Freude – wir leben im Frieden! Tod und Zerstörung haben ein Ende gefunden und ein Neuanfang war möglich.

So das gängige Narrativ. Allerdings lag Deutschland moralisch, materiell und ideologisch am Boden. Für einen Anfang mit etwas Neuem mag das einerseits eine gute Ausgangsposition sein. Doch andererseits schleppte die kaputte Nation die Geister ihrer braunen Vergangenheit, Schuld und Leid, weiter mit sich. Da gab es keinen sauberen Schnitt (wie ich hier und hier auch schon anmerkte).
Gerade in den Familien mussten sich die versehrten Väter, Brüder, Söhne neu einfinden, teilweise nach jahrelanger traumatisierender Kriegsgefangenschaft.

Monika Maron beschreibt in ihrem tragisch-genialen Wende-Liebes-Roman „Animal Triste“ die als hochproblematisch empfundenen Emotionen:

Donnerstag, 6. Mai 2021

Liebe gewinnt! Ein Radiobeitrag

 So ähnlich werde ich am Sonntag, 09.05.2021, früh um ca. 10 vor 10 auf rbb 88,8 zu hören sein:

Am heutigen Sonntag und am morgigen Montag werden in vielen Kirchen in Deutschland Liebende gesegnet. An sich ist das nichts ungewöhnliches – solche Segnungen haben eine lange Tradition im katholischen Glauben, besonders am Valentinstag kann man das vielerorts erleben. Und auch bei einer kirchlichen Eheschließung gehört die Bitte um Gottes Segen, seinen Beistand und seine Gegenwart, selbstverständlich dazu.
Heute und morgen aber geschieht etwas Besonderes. Denn unter dem Motto "Liebe gewinnt" wollen katholische Seelsorgerinnen und Seelsorger ausdrücklich auch gleichgeschlechtliche Liebespaare segnen. Und das ist in der katholischen Kirche ein Politikum.

Donnerstag, 29. April 2021

dankbar. Ein Stimmungsbild

Ich weiß, dass das in der jetzigen Zeit komisch klingen mag, aber ich bin gerade sehr dankbar.

Das hat auch damit zu tun, dass sich in meinem Leben aktuell eine Menge ändert: ein Umzug in eine andere Stadt steht an (Frankfurt an der Oder!), damit verbunden eine neue Arbeitsstelle (noch geheim).

Im Hintergrund stehen auch noch die Impfung, die jetzt demnächst kommt und die konkrete Hoffnung auf ein mittelfristiges Ende der einschneidendsten Corona-Probleme.

Sonntag, 25. April 2021

In der Krise der Autoritäten vom Guten Hirten sprechen

"Ich kenne die Meinen"

Dabei sind wir so schwer zu kennen, rennen wir doch alle in unterschiedliche Richtungen – wir laufen Allesdichtmachern oder No-Covid-Agitatoren hinterher, hören auf Rahnerangriff oder Osterkonter, sind für Laschet oder Baerbock, lieben Papst Franziskus oder seine Kurie.

Diese Spaltungen sind so ermüdend!

Wenn da wirklich einer meint, er würde uns kennen, dann hätte er viel zu tun in jeder Richtung.

Und er käme zu einer unpassenden Zeit. Einer Autorität, die mir einflüstern wollte, dass sie uns kenne, stünde ich sehr skeptisch gegenüber.

Zu viele haben ihre Ohren angeblich nah am Herzen des einfachen Mannes, zu viele glauben nur den alleraktuellsten Meinungsumfragen, zu viele lassen sich treiben von angeblichen Bedürfnissen ihrer Wählerklientel.

Samstag, 17. April 2021

Trauer und Hoffung. Von den Toten und der Auferstehung

Während wir jetzt hier im Gefängnis unseren Gottesdienst feiern [Predigt am 18.04.2021, vormittags], wird gleichzeitig in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ein großes Gedenken für die Opfer der Corona-Pandemie (und alle Toten dieser Zeit) begangen. Die Trauer über die Toten, von denen sich ihre Angehörigen oft genug nicht einmal verabschieden durften, kann dort noch einmal Raum finden.

In unserem Gottesdienst möchte auch ich dieses Gedenken an die Toten mit einbeziehen.

Für uns Christen ist das sowieso der richtige Zeitpunkt – wir feiern die Auferstehung, 50 Tage lang ist Osterzeit, bis Pfingsten!

Die Trauer um die Toten und die Hoffnung auf ihr Leben bei Gott gehören zusammen.

Sonntag, 11. April 2021

Gemeinschaft und Wunden – Von zwei Ankern des Glaubens am Weißen Sonntag

Ich erkenne im heutigen Evangelium (Joh 20,19-31) zwei Pole: Gemeinschaft und Wunden.

Man wagt es in der Kirchenkrise kaum zu schreiben, aber das Evangelium vom zweifelnden Thomas ist ein Evangelium von der Bedeutung der Glaubensgemeinschaft.

Der Glaube an den Auferstandenen fußt auf Gemeinschaft, Thomas aber war nicht bei den anderen Jüngern, als Jesus sich ihnen das erste Mal zeigte, darum konnte (und wollte) er nicht glauben. Die anderen Jünger schienen ihm keine glaubwürdigen Zeugen zu sein.

Sonntag, 4. April 2021

Großostern oder Kleinostern? - Feiern wir das Leben!

1.
Vielleicht haben Sie in diesem Jahr ja schon Kleinostern gefeiert – einen dieser Ostermomente in unserem Leben:

Wenn jemand nach einer schweren Krankheit wieder gesund geworden ist.

Wenn sich Familienmitglieder nach einem Streit wieder vertragen.

Wenn nach dem langen Winter endlich der Frühling beginnt.

Wenn jemand nach einer Haftstrafe neu anfängt.

Wenn eine rettende Impfung kommt.

 

Freude, Erleichterung, Aufatmen, Mut fassen – das dazu gehörende Spektrum der Gefühle und Stimmungen ist breit.

Freitag, 2. April 2021

Karfreitag – Nachdenken über den Sinn im Tod mit Monika Maron

"Mit der Liebe ist es wie mit den Sauriern, alle Welt ergötzt sich an ihrem Tod: Tristan und Isolde, Romeo und Julia, Anna Karenina, Penthesila, immer nur der Tod, immer diese Wollust am Unmöglichen."1

Unmögliche Liebe, die unglücklich im Tod endet, daran ergötzen wir uns. Fast war ich geneigt, Jesus mit in diese Aufzählung zu reihen, als ich dies neulich bei Monika Maron las.

Donnerstag, 1. April 2021

Poetische Fastenspeise 5 – "Judaskuß" von Josef Weinheber

Gründonnerstag ist nicht nur der Tag von Abendmahl und Fußwaschung, sondern auch der Tag des Judas und seines Verrats.

Die Gestalt bleibt in den biblischen Texten dunkel und mehrdeutig – keine Vorgeschichte, blass gezeichnet, ohne plausibles Motiv für den Verrat (Geldgier als das einzig bekannte Motiv, das in den Evangelien angeben ist, scheint nun doch arg eindimensional). Auch darum kam es zu einer Vielzahl von gegensätzlichen Deutungen des Judas – vom missverstandenen Freund über den gierigen Verwalter der Gruppenkasse bis hin zum eigentlich besten Anhänger, der Jesu großen Auftritt provozieren wollte – es bleibt unklar.

Bei Josef Weinheber (1892-1945)1 schlüpft das lyrische Ich in die Person des Jüngers und reflektiert das Zustandekommen des Verrats auf eigene Weise:

Sonntag, 28. März 2021

Palmsonntag – Alles Leiden unserer Zeit in einer Woche

Mit dem Palmsonntag beginnt die Heilige Woche, die in Karfreitag und Ostersonntag, in Leiden, Tod und Auferstehung Jesu gipfelt.

Die Doppelgesichtigkeit der kommenden Festtage spiegelt sich auch in der heutigen Liturgie:

Wir gehen in die Leidenswoche, aber wir feiern am Sonntag Auferstehung.

Wir hören vom triumphalen Einzug Jesu, aber auch von seiner Leidensgeschichte in der Passion.
Und in diesem Jahr ganz besonders:
Wir können gemeinsam in der Kirche Gottesdienst feiern, aber nicht lang und festlich und mit Gesang, sondern nur mit Maske, ohne Friedensgruß und ohne Lieder.

Freitag, 26. März 2021

Poetische Fastenspeise 4 – "Ich will dir mein Herze schenken" aus der Matthäuspassion

In der Fastenzeit begleitet mich seit vielen Jahren die Bachsche Matthäuspassion; vor allem mit ihren Arien und Chören gehe ich durch viele Tage.

Nun kann die musikalische Kraft nicht von den Worten eingefangen werden. Doch der Text gehört ja immer mit dazu. In diesem Fall ist der Text das Ergebnis der Zusammenarbeit von Johann Sebastian Bach mit Christian Friedrich Henrici (auch unter dem Pseudonym Picander tätig).

Viele der Texte atmen so sehr die Frömmigkeit und Theologie ihrer Zeit, dass sie für mich nur in gesungener Form erträglich sind (dann aber um so mehr). Andere aber sind nah am Kern meiner Spiritualität dran und wieder andere scheinen mir nahezu zeitlos zu sein.

Dienstag, 23. März 2021

Holzhammer oder Exerzitien? Spontane Gedanken zum Oster-Lockdown

Aufwachen und sehen, dass am höchsten Fest der Christen, an Ostern, das Leben wieder völlig heruntergefahren werden soll und damit wieder keine öffentlichen Gottesdienste stattfinden dürfen...

Einmal: Juchhu, Exerzitien für alle! Nix hat offen, keiner darf reisen – endlich können alle zu Hause ganz in Ruhe Brot brechen, Kerzen entzünden und Halleluja singen!

Dann wieder: Typisch, die Logik des Kapitalismus hat gesiegt, rund um die wenig produktive Ostern- und Ferienzeit wird alles geschlossen – und Deutschland zeigt ein weiteres Mal, dass es nur die Holzhammer-Methode kann.

Samstag, 20. März 2021

Die Frucht und der Kampf. Zwei gegensätzliche Kirchenerfahrungen

Diese Woche haben mich zwei sehr gegensätzliche Erfahrungen von Kirche bewegt.

Beim Meditieren der Texte des Sonntags, vor allem des Evangeliums (Joh 12,20-33) schien mir, dass diese Erfahrungen gut zu zwei Passagen des Sonntagsevangeliums passen.


Da ist zum einen meine Ausbildung – ich absolviere gerade zwei Wochen eines insgesamt sechswöchigen Kurses "Klinische Seelsorge Ausbildung" (KSA), der dieses Mal pandemiebedingt online stattfindet. Organisiert durch ein evangelisches Seelsorgeinstitut und mit einer Reihe evangelischer Pfarrer und SeelsorgerInnen als Teilnehmenden erfahre ich dort eine sehr schöne Weise, wie Kirche glaubwürdig ökumenisch miteinander arbeiten und beten kann.

Mittwoch, 17. März 2021

Kein Segen?! Kommentar zur Frage der Segnung homosexueller Paare

COVAX, Syrien, Myanmar, Josefsjahr und Paraguay – ich gebe ja zu, dass ich für meine Recherchen spät dran bin, aber dass heute nur die genannten Themen auf der Startseite der Vatikan-Homepage zu finden waren und die Frage nach der Segnung homosexueller Partnerschaften schon völlig aus dem Blick gerutscht ist, hat mich doch verwundert.

Und es drängt sich wieder einmal der Eindruck auf: Dort wo ein selbstkritischer Blick nötig wäre, wo es viel Wind um genuin kirchliche Fragen gibt, da schieben sich plötzlich andere Dinge in den Vordergrund. Nicht, dass es nicht Grund genug für die Thematisierung der vielen Krisen auf der Welt gäbe, aber die spirituelle und moralische Krise, die die Verlautbarung des Vatikans in vielen katholischen Christinnen und Christen auslöst, scheint mir doch nicht weniger ernst.

Samstag, 13. März 2021

Perle im Dreck. Das Evangelium vom 4. Fastensonntag (Joh 3,14-21) und die Lage der Kirche.

Wäre dieses Sonntagsevangelium (Joh 3,14-21) eine Muschel, so hieße die Perle in ihm:


Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt,

dass er seinen einzigen Sohn hingab,

damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht,

sondern ewiges Leben hat.“ (v16)


Allerdings liegt diese Perle ungünstig. Denn die Situation der heutigen Kirche ist im Vergleich zu diesem glänzenden Verheißungs-Kleinod eine Schlammkuhle.