Donnerstag, 5. Dezember 2019

Geliebt 5 – Kofferherz in "Was dann nachher so schön fliegt" von Hilmar Klute

Literatur und Sprache stehen im Zentrum von Hilmar Klutes Roman. Der junge Autor Volker Winterberg aus der westdeutschen Provinz wird ins wilde Berlin eingeladen, um einige seiner Gedichte vorzustellen. Dabei lernt er Katja kennen, eine Mitarbeiterin des Literatentreffens.
Ihre Beziehung bleibt zweideutig zwischen Liebe und Erotik, wie der folgende Abschnitt nach der ersten sexuellen Annäherung verdeutlicht:

Mittwoch, 4. Dezember 2019

Waffen weg und losgehen - Jesaja-Predigt im Advent

1.
Advent ist ein Sich-auf-den-Weg-machen.
So hören wir es in der Lesung aus dem Buch Jesaja (Jes 2,1-5) - „Viele Nationen machen sich auf den Weg" (v3), es wird darum gebeten, dass Gott seine Wege zeigt (ebd.), Jesaja fordert auf, die eigenen Wege im „Licht des Herrn" (v5) zu gehen.
Der Advent ist der Weg in Richtung auf ein großes Ziel. Hier in Haft ist Ihr Ziel, das eigene Leben draußen wieder leben zu können. Der Advent gibt uns einen Hinweis, wie das aussehen kann: Adventlich gestimmte Menschen warten darauf, dass etwas Neues geboren wird.
Der Weg besteht darin, abwarten zu können, bis dieses Neue ankommt.
Denn Advent heißt: nicht alles kommt sofort.

Geliebt 4 – Knie in "Das Elend und die Welt" von Wolfgang Herrndorf

Die aus dem Nachlass herausgegebenem Schriften von Wolfgang Herrndorf sind sehr verschieden. Es eint sie ihre Kürze und der autortypische Ton, der von lakonisch bis zynisch, von traurig bis herzerwärmend reicht, in nahezu jedem Fall einmal (auch) zum Lächeln herausfordert.
So wie in diesem Liebesgedicht:

Dienstag, 3. Dezember 2019

Geliebt 3 – Tischplatte in "Lincoln im Bardo" von George Saunders

Die Verstorbenen kommunizieren die ganze Zeit. Sie plaudern miteinander, sie beschimpfen sich gegenseitig, sie reden vor sich hin.
In George Saunders hochgelobtem Roman "Lincoln im Bardo" wird eine Zwischenwelt beleuchtet, in der die unerlösten Toten ständig damit beschäftigt sind, nicht das offensichtliche Gestorbensein zur Kenntnis zu nehmen. Doch auch diejenigen, die zugeben, tot zu sein, beziehen sich ständig rechtfertigend auf ihr Vorleben.
So wie in dieser (gekürzten) Aufzählung:

Montag, 2. Dezember 2019

Geliebt 2 – Kirschen in "Giovannis Zimmer" von James Baldwin

James Baldwins früher Roman (1956) hat die Liebe zweier Männer im Fokus. Allerdings kann sich der Ich-Erzähler seine Homosexualität nicht vollends eingestehen. Er ist zerrissen zwischen den gesellschaftlichen Konventionen, die ihn in die Arme seiner herumreisenden Verlobten führen würden, und den tiefen Gefühlen für seine Pariser Bekanntschaft Giovanni.
Hier erzählt er vom gemeinsamen Glücksgefühl:

Sonntag, 1. Dezember 2019

Geliebt 1 – Kätzchen in "Unterleuten" von Juli Zeh

Im fiktiven Dorf Unterleuten in der Prignitz beobachtet Juli Zeh die kleinsten Ebenen der Gesellschaft und ihre Konflikte. Durch klare Beschreibungen und schnörkellose Sprache entsteht ein vielschichtiges Panorama des Dorfalltags. Ein Teil davon ist das von ihrem Großvater vergötterte Krönchen:

Freitag, 29. November 2019

"Geliebt" – Ein spirituell-literarischer Adventskalender

"Papa, gib mir deine Hand" sagt meine Zweijährige manchmal beim Zu-Bett-Bringen zu mir. Dann lege ich meine Hand auf ihr Kissen und sie schmiegt ihre Wange hinein. Oder sie ergreift meine Hand und hält sie fest.
Sie weiß dann, dass ich da bin,fühlt sich aufgehoben und geborgen.
Auch wenn sie es nicht so formulieren könnte – sie weiß sich von mir geliebt.

Samstag, 23. November 2019

Herrschaftskritik. Eine Predigt am Christkönigssonntag

Gute Herrschaft lebt davon, dass sie anerkannt wird. Sonst wird sie zum Zwang.

Am Christkönigsfest geht es darum, was für eine Art von Herrschaft Gott in dieser Welt aufbauen will. Die Lesungen, die zu diesem Fest ausgewählt werden, weisen meistens darauf hin, dass Jesus im Unterschied zu den gängigen Herrschaftsmethoden ein Königtum von Gewaltfreiheit verkörpert.
Aber auch dies ist eine Herrschaft, und auch sie muss anerkannt werden, um eine gute Herrschaft zu sein. Aus Unzufriedenheit kann nichts wachsen.

Darum soll es in dieser Predigt gehen.

Dienstag, 19. November 2019

Fremd durch Armut. Gedanken zu Elisabeth von Thüringen

Es war einmal eine Königstochter aus einem fernen Land, die schon früh einem Grafen versprochen worden war. Sie verließ in jungen Jahren ihre Heimat, um bei ihm zu leben. In seinem Lande wohnte sie in feinen Gemächern auf den verschiedenen Burgen des Grafen und kleidete sich in Samt und Seide...

So könnte die beschauliche Geschichte der ungarischen Prinzessin beginnen, die als Elisabeth von Thüringen (1207-1231) bekannt wurde. Doch wie in vielen Märchen endet die romantisch-beschauliche Phase recht bald. Denn Elisabeth fühlte sich angezogen vom Armutsideal ihres Zeitgenossen Franz von Assisi (ca. 1182-1226).

Freitag, 15. November 2019

Trauriges Auseinanderfallen – Andreas Knapp und der Weltuntergang

Jesus verkündet den Evangelien am Ende des Kirchenjahres eine Zeit, in der alles endet.
Vom Tempel, der wichtigsten Stätte der Gottesanbetung für Israel über die Beziehungen zwischen den Völkern und diverse Klimakatastrophen auf der Erde bis hin zu den traditionellen Familiengefügen – alles wird auseinanderfallen (Lk 21,5-19).
Die Endlichkeit gilt für alles, nicht nur für den Menschen!

Andreas Knapp sieht die Schöpfung angesichts ihres Vergehens selber trauern.

Samstag, 9. November 2019

In Freude und Bitterkeit: Die Erinnerung an den 09. November 1989.

Die Erinnerung an das große Ereignis von 1989 ist in diesem Jahr von Enttäuschung durchsetzt.

Enttäuscht sind die Ossis über jahrelang fehlende Wertschätzung, enttäuscht sind die Wessis über die Undankbarkeit nach massiven Investitionen in die marode Infrastruktur. Und drei Viertel der ganzen Republik sind 2019 enttäuscht über die Wahlergebnisse im scheinbar abgerutschten Osten.

Dabei begann alles so hoffnungsfroh.
Die nach Massenfluchten und Massendemonstrationen unter größtem inneren Druck vollzogene Öffnung der Grenzen, "sofort, unverzüglich", sie gab der DDR den Todesstoß.
Freiheit konnte neu beginnen.

Sonntag, 3. November 2019

Jesus begegnet Donald Trump

Wir lesen die Geschichte von Zachäus (Lk 19,1-10) ja immer aus der Sicht von danach. Wissend, dass er sich bekehrt, sein Geld verschenkt und sein Leben ändert.
Aber die eigentliche Herausforderung liegt doch vorher, als noch nicht klar ist, wie sich dieser Typ, der sich so oft als mieses Arschloch erwiesen hat, benehmen wird!
Kurzes Gedankenexperiment: Angenommen, Jesus würde sich mit einem Donald Trump, inzwischen weltweit ein Symbol für Lüge, Brutalität und Korruption, gemeinsam an einen Tisch setzen und mit ihm schwatzen. Einzige Voraussetzung: Er muss vorher aus seinem Haus kommen und interessiert sein.

Donnerstag, 31. Oktober 2019

Alles heiligen. Oder: Wo sind die heiligen Familien?

Es ist zum Haareraufen:
Wenn ich auf den Heiligenkalender der katholischen Kirche schaue, muss ich feststellen, dass dort viele Mönche, Bischöfe, Pfarrer, Missionare, Prediger, Päpste, Nonnen und heilige Jungfrauen zu finden sind.
Aber fast keine Heiligen, die eine Familie außer ihrer Herkunftsfamilie hatten – mithin fast keine heiligen Väter oder Mütter.

Während für die frühe Kirche noch das Martyrium, und damit der Tod, die wichtigste Basis der Heiligkeit war, wurde mit der Zeit auch das heiligmäßige Leben bedeutsamer – und das schien sich vor allem in den heiligen Kirchenlehrern, Eremiten, Wüstenvätern Jungfrauen und Bischöfen zu finden.

Dienstag, 29. Oktober 2019

Wankt der Zölibat?

Die gerade zu Ende gegangene Bischofssynode schlägt in ihrem Abschlussdokument "die Erarbeitung von Kriterien und Verfügungen durch die kompetente Behörde vor, um geeignete Männer, die in der Gemeinschaft anerkannt sind, zu Priestern zu weihen, wobei sie auch eine legitim gebildete, stabile Familie haben können, um das Leben der christlichen Gemeinschaft durch die Verkündigung des Wortes und die Feier der Sakramente in den entlegensten Gebieten der Amazonasregion zu unterstützen." (hier in einer Arbeitsübersetzung von vaticannews.va)

Samstag, 26. Oktober 2019

Alles richtig machen reicht nicht. Predigt am 30. Sonntag im Jahreskreis

1. Der Pharisäer

Die kommen doch alle nur wegen dem Kuchen“ ist der Satz, der mir zu diesem Evangelium (Lk 18,9-14) als erstes einfällt.
Manchmal sagt ein Inhaftierter diesen Satz zu mir über diejenigen, die hier im Gottesdienst sitzen – aber der das sagt, kommt selbst nicht. Möglicherweise betet er tatsächlich selbst, wie mancher das behauptet. Möglicherweise ist er wirklich ein frommer Mensch.
Aber trotzdem habe ich ein ungutes Gefühl dabei. Das hängt auch mit diesem Evangelium zusammen – denn selbst wenn einer alles richtig macht, was man an religiösen Übungen so probieren kann, so wertet er doch einen anderen durch diese Aussage ab.

Ich weiß weder, ob die Einen nur wegen des Kuchens hier sind, noch ob der Andere tatsächlich betet. Und das ist auch nur begrenzt wichtig.