Dienstag, 6. Februar 2018

Religion als Aufbruch ins Ungewisse. Noch ein Satz von Yasmina Reza

"Dem großen Biologen Svante Pääbo zufolge unterscheiden wir uns vom Neandertaler nur durch eine winzige Modifikation auf einem bestimmten Chromosom, mehr nicht. Eine ungewöhnliche Mutation des Genoms, die angeblich den Aufbruch ins Ungewisse erlaubte, die Überquerung der Weltmeere ohne sicheres Land am Horizont, den ganzen fieberhaften Hang der Menschheit zu Forschung, Kreativität und Zerstörung. Kurz und gut, ein Verrückheitsgen."1

Samstag, 3. Februar 2018

Kranker und Freund Gottes zugleich sein. Eine Predigt im Gefängnis.

Was sind das für Leute, die heute in Deutschland noch in die Kirche gehen, beten, sich zum christlichen Glauben bekennen? Was für Leute sind das, die Gott suchen?

Das heutige Evangelium (Mk 1,29-39) gibt zwei Antworten auf die Frage, wer Gott sucht, zwei Antworten, die in sehr unterschiedliche Richtungen gehen.

1
Zu Beginn wird berichtet von den „Kranken und Besessenen“, die zu Jesus gebracht werden (v32).
Unter dieser Bezeichnung finden wohl weder wir hier Versammelten uns vollständig wieder, noch der Großteil derjenigen, die in Deutschland regelmäßig in die Kirche gehen und ihr Leben aus dem Glauben gestalten.
Vielleicht könnte man die Frage also eher so formulieren: Was suchen Menschen, die Gott suchen?
Und bei dieser Frage gibt es sicher einige Schnittpunkte mit den im Evangelium Genannten.

Donnerstag, 1. Februar 2018

Erfüllung mit langem Anlauf. Ein Gedanke zum Fest der "Darstellung des Herrn"

Das heutige Fest feiert die Erfüllung einer Verheißung. Es ist die alttestamentliche Verheißung eines von Gott gesandten Retters.
Symbolisch für diese Hoffnung stehen Simeon und Hannah, die beiden Alten, denen die Eltern Jesu mit ihrem Kind im Tempel begegnen.
In diesem Tempel, dem zentralen Kultort der jüdischen Religiosität, finden die Alten und mit ihnen die von alters her überlieferten Traditionen und Sehnsüchte einen neuen Zielpunkt – in diesem Kind Jesus. Der Evangelist Lukas, dessen Texte und Theologie dieses Fest prägen (Lk 2,22-40), zeigt, dass das Alte an sein Ziel gekommen ist, indem es über die Maßen erfüllt wird.

Als Christen leben wir nun eigentlich in dieser Überfülle göttlicher Zuwendung, die uns in Jesu Leben, Sterben und Auferstehen geschenkt wurde.
Aber unser Lebensgefühl ist eben nicht, dass wir ständig aus der Überfülle Gottes leben würden. Es besteht aus Trägheit, Schwäche, nervendem Alltag, manch kleiner Freude und ein bisschen Glück.

Sonntag, 28. Januar 2018

"Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazareth?" (Mk 1,24). Radiobeitrag mit gebrochener Hand.

So ähnlich hört / hörte es sich am heutigen Sonntag um kurz vor 10:00 Uhr auf radioBerlin 88,8 an, wenn ich "DAS WORT" spreche.

Wer hätte das gedacht? Ein einziger Schlag auf den Tisch und schon habe ich einen gebrochenen kleinen Finger!
Damit hatte ich so überhaupt nicht gerechnet, dass ich die Schmerzen und die Bewegungseinschränkung in der Hoffnung auf eine Stauchung erst einmal ein paar Tage ignoriert habe. Aber irgendwann bin ich dann doch zum Arzt gegangen und der bestätigte mir mit einem Röntgenbild den Bruch.

Freitag, 26. Januar 2018

Die Gewalt der Gefolterten. Zum Holocaustgedenken

Wenn ich an die Opfer der NS-Diktatur denke, dann in den meisten Fällen an die Überlebenden. Sie, die Zeitzeugen, die inzwischen Uralten, die Gezeichneten, die mit Überleben Beschenkten oder Gestraften, sie können sagen und zeigen, wie es war und wie es danach ist.
Das hat auch mit meinem Freiwilligendienst in der Ukraine zu tun, als ich 2001/2002 einige Überlebende in Lemberg besucht habe.

Diese Überlebenden tragen ihre Gewalterfahrungen über Jahrzehnte mit sich herum. Manche ertragen sie mit Alpträumen, andere mit Schweigen, wieder anderen hilft es, mit sehr vielen Worten zu erzählen und persönlich Zeugnis abzulegen.
Und nicht wenige reagieren auf die Gewalterfahrungen mit Härte und eigener Gewalt.

Donnerstag, 25. Januar 2018

„Deine rechte Hand, Herr, ist herrlich an Stärke“ (Ex 15,6). Gebetswoche für die Einheit der Christen 2018.

Die Ökumene ist kein Aufregerthema mehr.
Spätestens seit im letzten Jahr die Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum in einem sehr gemeinschaftlichen und ökumenischen Geist begangen wurden, könnte man überlegen: Wozu braucht es überhaupt noch eine "Gebetswoche für die Einheit der Christen", wie sie gerade weltweit vom 18.-25. Januar begangen wurde?
Die Zeiten, dass Katholiken keine evangelischen Gottesdienste besuchen sollten, sind doch vorbei, vorbei ist der familiäre Aufstand, wenn eine evangelische Christin einen Katholiken heiraten wollte.
Es ist doch so viel Gemeinsamkeit erreicht, die Unterschiede nur noch marginal.
Warum, so fragen sich viele Menschen, einigt man sich also nicht einfach und macht eine gemeiname christliche Sache, zumal die beiden großen Kirchen in Deutschland doch schon so gut harmonieren.

Dienstag, 23. Januar 2018

Frauen, die Großes vollbringen. Ein Gedanke an Mary Wards Geburtstag

Heute, am 23.Januar, wurde im Jahr 1585 in England Mary Ward geboren.
Sie ist Gründerin der Congregatio Jesu, einer Schwesterngemeinschaft (früher bekannt als "Englische Fräulein"), die im Geist und (seit 2002 auch) nach den Konstitutionen der Gesellschaft Jesu lebt.

Ehrlich gesagt weiß ich nicht besonders viel über Mary Ward. Aber wenn man ihre Lebensgeschichte sieht (z.B. hier) und einige ihrer eigenen Worte liest, kann man einen gewissen Eindruck von ihrer Spiritualität und Lebenshaltung bekommen.

Samstag, 20. Januar 2018

Über "life changing moments", Fremdbestimmung und die Verwandlung meiner Talente

1
Es gibt Momente im Leben, die einen Menschen so prägen, dass danach alles anders ist. Lebensverändernde Momente.
Das ist zum Beispiel der Beginn der Schulzeit oder wenn ein Berufswechsel ansteht, oder eine Liebe auf den ersten Blick.
Den ersten Jüngern Jesu passiert im heutigen Evangelium (Mk 1,14-20) genau so etwas. Jesus spaziert am Strand des Sees Genezareth entlang, sieht Simon und Andreas – und sagt: Kommt und folgt mir!
Und sie – zack! – lassen ihre Netze liegen und gehen hinter ihm her. Ein "life changing moment".
Sie lassen ihr altes Leben hinter sich und beginnen noch einmal ganz neu.

Ich bezweifle ja, dass die meisten heutigen Christen solche "life changing moments", solche alles umstürzenden religiösen Erlebnisse, hatten.

Donnerstag, 18. Januar 2018

Wenn Gott "durch den andersgläubigen Bruder in Christo" spricht. Max Josef Metzger schreibt an Papst Pius XII.

Aus Anlass der "Gebetswoche für die Einheit der Christen", die vom 18. bis 25. Januar weltweit stattfindet, hier ein Beitrag zu einem der ersten großen katholischen Vorkämpfer der Ökumene.

Im Gefängnis schreibt der Friedensaktivist und katholische Priester Max Josef Metzger im Advent 1939 an Papst Pius XII.
Schon das zweite Mal war er wegen seiner Opposition zum Nationalsozialismus und seines pazifistischen Engagements inhaftiert, aber der Grund seines Schreibens nach Rom war nicht seine Haft.

Dienstag, 9. Januar 2018

Aus den Psalmen eines Heiden. Zu Uwe Kolbes Gedichtband "Psalmen"

Wenn ein Mensch, der sich explizit nicht zu Gott bekennt, Gedichte, oder vielmehr "Psalmen", an eben diesen Gott adressiert, dann verspricht das eine spannende Lektüre zu werden.
Und das ist es wirklich!
Ich gebe zu, vorher noch nichts von Uwe Kolbe gelesen zu haben, aber schon die wenigen Texte, die ich jetzt in diesem kleinen Büchlein intensiver angeschaut habe, rühren mich sehr an. Sie verströmen einen Hauch von biblischem Ernst, deuten immer wieder die alttestamentliche Bildsprache an und sprechen zugleich ganz individuell aus dem Herzen des Dichters.

Samstag, 6. Januar 2018

Warum meine Kinder nicht getauft sind. Ein Beitrag zum Fest der Taufe des Herrn

Es war das kirchenpolitische Aufregerthema der letzten Tage: In Berlin werden die Christen immer weniger. Nur noch 25% der Berliner gehören einer der beiden großen Kirchen an.
Ich gebe zu - auch ich bin mit schuld daran.
Denn auch meine Kinder sind nicht getauft.

Dazu ein paar Worte:
Ja, es hat auch damit zu tun, dass meine Frau nicht katholisch ist. Wahrscheinlich wären die Kinder einfach getauft worden, wenn es anders wäre.
Doch würde meine Frau selber es jetzt vorschlagen, wäre ich wahrscheinlich dagegen.
Denn es gibt eine Reihe theologischer Gründe gegen die Kindertaufe, die ich, je mehr ich mich mit ihnen beschäftige, immer überzeugender finde.

Freitag, 5. Januar 2018

Sie knien vor dem Kleinsten. Erscheinung des Herrn

Das Knien fasziniert mich schon längere Zeit, wie auch auf diesem Blog schon zu lesen war.
Am heutigen Fest der Erscheinung des Herrn hören wir, wie die weisen Männer vor dem Kinde knien. Nach ihrem weiten Weg aus dem Osten und mit dem Umweg über den Königspalast in Jerusalem waren sie in Bethlehem angekommen. Sie hatten einen König erwartet - und ein Kind armer Leute gefunden.

Samstag, 30. Dezember 2017

Muss ich als Katholik die Jahreslosung kennen?

Nein.

Aber hier ist trotzdem die Losung für 2018: „Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ (Off 21,6 - Luther 2017)

Lebensquell? Neukölln, Berlin, 2017

Dienstag, 26. Dezember 2017

Gott unter widrigen Umständen entdecken. Stephanus und Weihnachten

Im Stress der Feiertage zwischen Küche, Kirche und Gabentisch? Beim Suchen, Einpacken und Auspacken der Geschenke? Auf den überfüllten, dauerbimmelnden Weihnachtsmärkten? Mit Kleinkind in der Kirche?

Wo in den Tagen vor und nach Weihnachten wäre Gott denn gut zu entdecken?
Mir fällt es bei oben genannten Gelegenheiten eher schwer, Gott zu entdecken. Ich würde mich am liebsten irgendwo allein mit einem Buch, und sei es die Bibel oder das Gotteslob, zurückziehen und in die Stille gehen. Oder wenigstens in Ruhe in die Kirche. Zur Krippe.

Sonntag, 24. Dezember 2017

Weihnachten ist eine Heilungsgeschichte. Predigt im Gefängniskrankenhaus.

Engel vor der Tür.
Stella Maris, Binz (Rügen), 2016.
Weihnachten ist eine Geschichte von Heilung.
Gott will uns heilen. Es ist sein Weihnachtsgeschenk an uns, dass wir geheilt werden.
Und es ist zugleich der einzige und wahre Grund der Menschwerdung: dass wir geheilt werden.

Allerdings nicht in körperlicher oder psychologischer Hinsicht.
So wichtig das körperliche und psychische Heilwerden ist, Gottes Heilung geht tiefer, sie umfasst den ganzen Menschen.
Denn Gott heilt die Wunden des Menschseins – indem er selbst Mensch wird. Dazu gleich noch mehr.

Und Heilung ist Arbeit – aber nicht wir müssen diese Arbeit erledigen. Vielmehr ist es hier ähnlich wie in der Medizin – manche Krankheiten können die Selbstheilungskräfte des Körpers nicht allein besiegen – dann braucht es Hilfe von außen.
Genau das tut Gott in seiner Menschwerdung, er tritt dort an die Stelle der fehlenden Kräfte, wo es eine Heilung braucht.
Wir kennen das beispielsweise von der Dialyse, wenn die Niere nicht mehr entgiften kann und eine Maschine dafür einspringen muss.

Was macht nun diese Heilung aus? Ich nenne drei Aspekte.