Engel vor der Tür. Stella Maris, Binz (Rügen), 2016. |
Weihnachten ist eine Geschichte von
Heilung.
Gott will uns heilen. Es ist sein
Weihnachtsgeschenk an uns, dass wir geheilt werden.
Und es ist zugleich der einzige und
wahre Grund der Menschwerdung: dass wir geheilt werden.
Allerdings nicht in körperlicher oder
psychologischer Hinsicht.
So wichtig das körperliche und
psychische Heilwerden ist, Gottes Heilung geht tiefer, sie umfasst
den ganzen Menschen.
Denn Gott heilt die Wunden des
Menschseins – indem er selbst Mensch wird. Dazu gleich noch mehr.
Und Heilung ist Arbeit – aber nicht
wir müssen diese Arbeit erledigen. Vielmehr ist es hier ähnlich wie
in der Medizin – manche Krankheiten können die
Selbstheilungskräfte des Körpers nicht allein besiegen – dann
braucht es Hilfe von außen.
Genau das tut Gott in seiner
Menschwerdung, er tritt dort an die Stelle der fehlenden Kräfte, wo
es eine Heilung braucht.
Wir kennen das beispielsweise von der
Dialyse, wenn die Niere nicht mehr entgiften kann und eine Maschine
dafür einspringen muss.
Was macht nun diese Heilung aus? Ich nenne drei Aspekte.
1
Ein Seite dieser Heilung ist das
Geschenk des Dazugehörens.
Zu den Marginalisierten und am Rande
Stehenden kommen die Engel – zu den Hirten, die eine einfache
Arbeit vor den Toren der Stadt taten, bei Wind und Wetter.
Und nun verkünden die Engel gerade
ihnen die frohe Botschaft von der Geburt des Erlösers.
Sie, die Armen, die Hirten, die
Ausgegrenzten sind es, die die Botschaft von der Geburt des Kindes
zuerst bekommen.
Denn: Auch sie gehören zu Gottes
Familie dazu.
So werden sie aufgerichtet und
hineingeholt in die neue Gemeinschaft der Menschen, die voller
Neugier und Erwartung zur Krippe kommen.
Das ist Gottes Weihnachtsbotschaft auch
für Sie, selbst wenn außerhalb der Mauern viele Menschen lieber
nichts zu tun haben wollen mit jemandem, der mal im Gefängnis war.
Aber Gott sagt zu Ihnen, dass Sie dazu
gehören und nicht ewig gebeugt durch Ihr Leben gehen müssen.
So wirkt Weihnachten: Die Wunde der
Trennung wird geheilt, der Trennung zwischen Gott und Mensch und der
Trennung zwischen uns Menschen.
2
Eine andere Seite dieser Heilung ist
das Geschenk der Vergebung.
Zunächst eine Geschichte, die auch
Teil der Weihnachtsgeschichte ist und Vergebung von einer ungewohnten
Seite anschaut.
Die Geschichte handelt von Josef – er
merkt, dass seine Verlobte schwanger ist und will sie verlassen. Doch
ein Engel sagt ihm im Traum, dass er bei ihr bleiben soll.
Gott hat seine Lebenspläne durchkreuzt
– und Josef vergibt Gott, dass der einfach kommt und sein Leben
umkrempelt. Viele andere Männer lassen ihre schwangeren Freundinnen
sitzen, selbst wenn es sich um ihr eigenes Kind handelt – und hier
ist ein Mann, der bei der Schwangeren bleibt, trotzdem er nichts
davon hat.
Und natürlich auch von Gottes Seite:
Gott vergibt uns! Viele Christen sind der Meinung, dass die
Versöhnung erst stattfindet, als Jesus am Kreuz stirbt, aber Jesus
macht sich ja zu Weihnachten schon auf den Weg zu uns – in seiner
Menschwerdung hat Gott sich ja selbst zum Menschen hinbegeben und ihm
bereits Versöhnung angeboten. Ja, das Kreuz gehört auch zu seinem
Leben – aber die Geschichte der Vergebung beginnt schon mit der
Geburt im Stall.
Aber Vergebung ist keine einfache
Sache, so als könnte man einfach sagen, ich vergebe jetzt einfach
mal und dann fertig. Nein, das ist ein Prozess, und der ist manchmal
äußerst schwierig. Aber es ist ein Weg, der es wert ist. Denn
Vergebung heilt die Herzen – selbst zu vergeben und vergeben zu
bekommen macht heil.
Beide Seiten haben etwas davon.
Ein Ende und ein Anfang. Neukölln, Berlin, 2016. |
Vergeben bedeutet, neu anfangen zu
können. Auch dafür steht die Geburt dieses Kindes. Es ist ein
Neuanfang, eine Vergebung. Alles das, was alt war, was belastet und
quält, mag noch da sein, aber an Weihnachten vergibt Gott alles und
setzt einen neuen Anfang mit uns Menschen.
Auch Sie sollen hier im Gefängnis
einen Neuanfang machen können, davon spricht ja auch das Zauberwort
der Resozialisierung – manchmal sagt mir jemand im Gespräch, wenn
hier alles abgesessen ist, "dann bin ich ganz sauber". Und
es ist gut, dass es dieses Gefühl gibt, neu anfangen zu können.
(Auch wenn mancher Arbeitgeber oder Vermieter das eventuell nicht so
sieht...)
So soll Weihnachten wirken: Die Wunde
der Schuld wird geheilt.
3
Eine weitere Seite dieser Heilung
schließlich ist das Geschenk des Friedens.
Die Engel verkündeten den Hirten den
Frieden auf Erden.
Und gegen alle menschliche Furcht heißt
es: Fürchtet euch nicht! Habt keine Angst.
Für uns bedeute das, dass auch wir
keine Angst haben müssen, dass wir nicht die ganze Zeit kämpfen
müssen.
Wir müssen nur hingehen zu Gott und
darauf vertrauen, dass er groß und gut ist.
Wenn wir mit offenem Herzen an die Krippe treten, dann kann Weihnachtsfrieden hineinkommen.
Wenn wir mit offenem Herzen an die Krippe treten, dann kann Weihnachtsfrieden hineinkommen.
Auch in einem anstrengenden Umfeld wie
hier im Gefängnis sagt Gott – ich schenke dir Frieden.
Wer schon einmal ein kleines Kind auf
dem Arm gehalten hat, der weiß vielleicht, was für eine beruhigende
Wirkung von einem lächelnden Baby ausgeht. Das ist ein Moment, in
dem Frieden kommen kann.
Aber dazu gehört auch, anderen keine
Angst zu machen.
Dazu gehört, sich nicht selbst
aufzuplustern und so zu tun, als wäre man der Stärkste und Schönste
und Beste.
Wer das tut, der hat keinen Frieden im
Herzen. Frieden bedeutet, sich nicht groß machen zu müssen, sondern
so klein sein zu können und wie ein Kind zur Krippe zu kommen.
In der Geburtskirche in Betlehem kann
man das gut sehen – um hineinzukommen, muss man sich beugen. Ein
körperlicher Ausdruck der inneren Bereitschaft, friedfertig und
demütig zu Gott zu kommen.
Auch das ist eine Wirkung von
Weihnachten: die Wunde des Unfriedens und des Streits wird geheilt.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese
innere Heilung Gottes erfahren können.
Gott möchte, dass Sie dazugehören.
Gott möchte vergeben und er möchte, dass wir vergebungsbereite
Menschen werden. Und Gott möchte Ihnen Frieden schenken.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie bereit
sind, sich so für Gott zu öffnen, dass er Sie heilen kann.
Blätter am Ufer. Grünheide, 2015. |