Der Josephsroman von Thomas Mann bietet
in vielerlei Hinsicht interessante Deutungen der Heilsgeschichte und
der frühbiblischen Religiosität an.
Auch die Geburt des Josef ist ein (im
Gegensatz zur biblischen Erwähnung in Gen 30,22ff) seitenlanges und
mit vielerlei Andeutungen aufgeladenes Stück des Romans. Die lange
auf ihre Mutterschaft wartende Rahel hat die Geburt bis kurz vor den
eigenen Tod durchlitten, als Jakob kommt, um nach ihr und dem Kind zu
sehen:
Mariengedächtnis vor dem 8. Dezember. Evangelisches Gemeindehaus Kirchmöser, 2017. |
"Das Gebadete hatte schon aufgehört zu greinen. Es schlief, in Windeln gewickelt. Es hatte glattes schwarzes Haar auf dem Köpfchen, das beim Austritt die Mutter zerrissen, lange Wimpern und winzige Händchen mit genau ausgebildeten Nägeln. Es war nicht schön zu der Zeit; wie hätte wohl mögen von Schönheit die Rede sein bei einem so kleinen Kind. Und doch sah Jakob etwas ..., was sein Herz, je länger er hinblickte, bis zum Überströmen mit andächtigem Entzücken füllte. Es war um dies Neugeborene, unnennbar, gleichwie ein Scheinen von Klarheit, Lieblichkeit, Ebenmaß, Sympathie und Gottesannehmlichkeit, das Jaakob, wenn nicht zu erfassen, so doch zu erkennen meinte nach seiner Bewandtnis."
Und Jakob steht da, "ein
hauchzart Gehaltener"1,
und schaut sein Kind an.
Der empathielose Blick ist nichts. Doch
das, was Jakob beim Anschauen seines Kindes erfährt, kommt aus
seiner inneren Haltung.
Er entdeckt Dinge, die nicht von
äußerer Schönheit herkommen, weil er mit Liebe schaut.
Advent lädt uns ein,ein, trotz anstrengender Zeitläufe nicht klammernd
und nicht gleichgültig, sondern "hauchzart"
Gehaltene zu werden.
Und mit Liebe auf Gottes wunderbare
Schöpfung zu schauen.
1 T.
Mann, Joseph und seine Brüder. Frankfurt am Main 4. Aufl. 2013,
253.