Die heutigen Lesungen sprechen mitten
im Advent von der Wüste.
Zuerst ist es der Rufer beim Propheten
Jesaja, der das Volk Israel auffordert: "Bahnt für den Herrn
einen Weg durch die Wüste!" (Jes 40,3)
Und dann ist es Johannes der Täufer,
der aus der Zivilisation hinausgeht und in die Wüste zieht, um dort
die Leute zur Umkehr aufzurufen. (Mk 1,2-4)
1
Was hat es also mit der Wüste auf
sich?
Die Wüste ist ein lebensfeindlicher
Ort, ein Ort, der nicht dafür gemacht ist, um lange dort zu
verweilen. Es ist karg, ohne ausreichend Abwechslung, das Essen ist
schlecht und zumeist freut man sich darauf, endlich wieder draußen
zu sein.
Ich glaube, diese Eigenschaften der
Wüste und die folgenden biblischen Beispiele passen auch gut auf das
Leben im Gefängnis, aber dazu gleich mehr.
Wüste? Fata Morgana? Grünheide, Blick auf den Peetzsee, 2015. |
In der Bibel ist die Wüste jedenfalls
außerdem ein extrem wichtiger Ort, der zur Erfahrung mit sich selbst
und mit Gott führt.
Vier Beispiele:
a.
Mose hat einen Mann erschlagen und
muss fliehen. Nun hat er eine schlechte Arbeit und muss die Schafe
seines Schwiegervaters durch die Wüste zu den Weideplätzen führen.
Da begegnet er dem namenlosen Gott seiner Väter, der sich mit einem
Namen zu erkennen gibt – Jahweh – "Ich bin da". Und
einen Auftrag hat er auch für Mose – das Volk in die Freiheit zu
führen (Ex 2-3).
Hier steht die Wüste für die Lebenswelt nach einer Straftat, wo man überraschend Gott begegnen kann und wo Gott einem Menschen einen Auftrag gibt.
Hier steht die Wüste für die Lebenswelt nach einer Straftat, wo man überraschend Gott begegnen kann und wo Gott einem Menschen einen Auftrag gibt.
b.
Nachdem Mose die Israeliten aus
Ägypten herausgeführt hat, ziehen sie durch die Wüste, aber auf
dem Weg murren sie über Gott und ärgern sich, weil sie es in der
Gefangenschaft bequemer fanden und lieber zurückkehren wollen (Ex
16). Während eines Haltes bauen sie sich darum ein goldenes Tier,
das sie anbeten können, während Mose auf dem Berg mit Gott spricht.
Mose muss Gott bitten, sie zu verschonen. (Ex 32)
Hier steht die Wüste für den langen und beschwerlichen Weg in Richtung Freiheit, auf dem es viele Versuchungen gibt, so dass die Freiheit selbstverschuldet wieder verloren gehen kann.
Hier steht die Wüste für den langen und beschwerlichen Weg in Richtung Freiheit, auf dem es viele Versuchungen gibt, so dass die Freiheit selbstverschuldet wieder verloren gehen kann.
c.
Elija läuft nach einer Morddrohung
in die Wüste und will dort sterben, weil er ängstlich und
frustriert ist. Aber ein Engel stärkt ihn und er läuft 40 Tage lang
durch die Wüste, um schließlich am Horeb einen Auftrag Gottes zu
erhalten (1Kön 19).
Hier steht die Wüste für Verlassenheit und den Wunsch nach dem Tod, aber auch für Rettung und Neubeginn.
Hier steht die Wüste für Verlassenheit und den Wunsch nach dem Tod, aber auch für Rettung und Neubeginn.
d.
Ähnlich ist es bei Jesus – nach
seiner Taufe geht er für 40 Tage in die Wüste, wo er nach dem
biblischen Zeugnis fastet und dann vom Teufel versucht wird.
Anschließend ist er bereit, öffentlich aufzutreten. (Mk 1,
Hier steht die Wüste für die Einsamkeit und ihre Versuchungen und dafür, dass die Versuchungen eine Vorbereitung für das Kommende sind.
Hier steht die Wüste für die Einsamkeit und ihre Versuchungen und dafür, dass die Versuchungen eine Vorbereitung für das Kommende sind.
Straftaten, Probleme auf dem Weg in die
Freiheit, Einsamkeit, Verzweiflung, Versuchungen, Gottesbegegnung und
so fort – ich denke, dass die Parallelen zum Leben im Gefängnis
viel eindeutiger nicht sein könnten. Aber gleich noch mehr dazu.
2
Die Wüste wirkt in der Bibel oft so,
als wäre hier nicht das Eigentliche zu finden, denn es geht ja
darum, wieder heraus zu kommen – Mose, Elija und Jesus erhalten
hier eine Aufgabe, an der sie außerhalb der Wüste zu arbeiten
haben, und auch das Volk Israel erhält in der Wüste die Gebote, die
es im Gelobten Land, in der Freiheit, verwirklichen soll.
Das bedeutet: Nach der Wüste geht es
immer weiter und die Wüste ist nur ein Zwischenschritt.
Bevor es richtig losgehen kann, kommt
die Wüste.
Aber so sehr das stimmt, so sehr ist es
nur die halbe Wahrheit.
Denn die Wüste ist auch der Ort, wo
etwas Entscheidendes geschieht, ja es ist sogar der Ort der
Entscheidung. Wir Menschen müssen uns entscheiden.
In diesem Sinn ist die Wüste auch ein
Bild für den Advent. Einerseits ist er "nur" die
Vorbereitung auf Weihnachten. Andererseits bedeutet das lateinische
Wort "adventus" auf deutsch "Ankunft", was meint,
dass wir nicht bis Weihnachten warten müssen, dass Gott geboren wird
und ankommt, sondern dass er schon jetzt, schon im Advent ankommen
will.
Und damit sind wir wieder beim
Evangelium: Wie kann Gott (im Advent, im Gefängnis, aber auch
darüber hinaus) in meinem Leben ankommen? Wenn ich ihm einen Weg
durch die Wüste meines Lebens bahne.
Ich weiß nicht, wie wüstenhaft Ihr
Leben gerade ist, aber ich bin überzeugt, Gott ruft auch Sie, ihm
einen Weg in Ihrem Leben frei zu machen.
Kein Raum zur Entscheidung? Dresden, 2017. |
Egal, ob Ihr Leben nun gerade wüstig
ist oder nicht – es ist Ihre Entscheidung: Bahne ich dem Herrn
einen Weg? Oder lasse ich es lieber bleiben? Lasse ich alles beim
Alten oder beginne ich damit, in meinem Leben etwas zu ändern?
Die Zeit im Gefängnis ist so eine
Wüste, eine Zeit der Entscheidung. Gott will genau hier bei Ihnen
sein! Und Sie können ihm den Weg bahnen.
Im Jesaja-Text hieß es: "Baut
in der Steppe eine ebene Straße für unseren Gott! Jedes Tal soll
sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll
gerade werden, und was hüglig ist, werde eben." (vv3-4)
Da soll sich also etwas ändern. Aber
was?
3
Drei Hinweise, wie man diese
Aufforderung, dass sich im Leben etwas ändern muss im eigenen Leben
verstehen kann.
a.
Zunächst ist die Wüste eine
Gegend, in der nicht viel los ist und in der alles einfach irgendwie
geschieht, ohne Plan. Wenn dort nach dem Wort des Propheten ebene
Flächen geschaffen werden sollen, dann heißt das, dass zunächst
einmal planvoll geschaut und Ordnung geschaffen werden soll.
Die Dinge in unserem Leben sollen nicht
irgendwie und von irgendwelchen anonymen Mächten gelenkt geschehen.
Wir selber müssen so klar als möglich wissen, was wir eigentlich
wollen von unserem Leben – und dann aktiv werden. Und dazu hilft
es, Ordnung zu schaffen, sich einen Durchblick zu verschaffen, was
die großen Linien sind, wie ich gut von hier nach dort komme, was
überhaupt realistisch ist und wie ich meine Kräfte einteilen muss,
damit aus meinem Leben etwas wird.
Laut dem Schöpfungsbericht in der
Bibel (den wir nicht wörtlich nehmen sollten, aus dem wir aber
trotzdem wichtige Impulse ziehen können) ist Gott einer, der Ordnung
schafft und unterscheidet – Wasser von Land, Licht vom Dunkel, Tag
von Nacht und so weiter (Gen 1).
Man muss das Denken in zwei Polen nicht
übertreiben, aber es hilft oft schon, einfach Prioritäten richtig
zu setzen. Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Wissen, was gut geht
und was nicht.
Manchmal ist es auch gut, sich in einer
stillen Minute einfach hinzusetzen und Gott das eigene Leben in all
seiner Unordnung einfach mal hinzuhalten. Er macht dann schon etwas
daraus. Denn er hat einen Plan dafür!
b.
Die Stichworte "krumm" und
"gerade" haben auch eine übertragene Bedeutung.
Klar: Geradlinig durchs Leben gehen ist
etwas anderes als krumme Dinger zu drehen. Manchmal ist das eine
leichter, manchmal das andere.
Von Straftaten mal abgesehen bin ich
der Meinung, dass man mit Geradlinigkeit auch in den näheren
Beziehungen normalerweise besser fährt, als wenn man versucht, die
Dinge hintenrum irgendwie hinzubiegen.
Ein offenes und ehrliches Wort in
freundlicher Weise rüberbringen erfordert zwar mehr Mut, als zu
pöbeln oder die Wahrheit hinterm Berg zu lassen, aber es verändert
etwas im eigenen Leben.
Bei Jesaja war ja auch die Rede von
Freude und Furchtlosigkeit (v9). Tatsächlich kann es sehr befreiend
und freudbringend wirken, wenn man sich selbst mal so aufgeräumt und
geradeheraus (wie gesagt nicht im verletzenden Sinne!) erlebt.
Aber auch auf das ganze Leben gesehen,
kann es gut sein, ein paar Barrieren abzutragen, sich auszusöhnen
oder Löcher aus Frust und Ärger aufzufüllen. Auf jemanden aus der
eigenen Familie freundlich zuzugehen und die Beziehung wieder zu
glätten, wäre so eine Wegbereitung für Gott.
Gott ist dann selbst schon da und
unterstützt uns dort, wo wir versöhnlich sind. Das ist die große
Verheißung.
c.
Was sich ändern soll, kann man auch
aus der Haltung von Johannes dem Täufer in der Wüste sehen. Nicht
die äußere Haltung vielleicht, Kamelfell und Ernährung mit
Heuschrecken ist wohl nicht angesagt. Aber er sagte unter anderem:
"Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich".
(Mk 1,7)
Einer, der größer ist? Rütli-Campus, Neukölln, Berlin, 2016. |
Ich muss dabei etwas lachen, weil hier
so viele Männer im Fitnessraum trainieren. Wenn einer vom anderen
jeweils denken würde, "nach mit kommt einer, der ist stärker
als ich" – also räume ich nach dem Training mal gut auf, das
wäre doch was...
Aber Johannes meinte natürlich nicht
die körperliche Fitness.
Es ist eine Haltung der Demut, die er
einnimmt. Er weiß, dass er nicht alles kann. Er weiß, dass er nicht der Messias ist. Er weiß, dass dieser Jesus, der da kommen wird,
drauf hat.
Das lässt sich zweifach verstehen:
Einerseits im Blick auf meine
Mitmenschen – ich muss nicht der Schönste, Stärkste, Beste,
Klügste sein.
Andererseits im Blick auf Jesus – ich
kann ihm vertrauen, dass er mir hilft. Was ich also eben über
Ordnung machen und geradlinig leben und Versöhnung machen gesagt
habe, relativiere ich gleich wieder: Vertrau darauf, dass Gott das
kann. Sprich mit ihm. Lass Deine Probleme bei ihm. Er ist stärker
als Du und kann sie lösen.
Wenn wir ihm so vertrauen, dann haben
wir den Weg schon vollständig gebahnt.
Zum Schluss:
Bevor es losgeht, kommt die Wüste.
Scheinbar müssen in der Bibel fast
alle da durch. Und auch wir müssen durch die Wüste. Selbst Gott
muss durch die Wüste. Durch unsere Wüste.
Lassen wir ihn also durch, machen wir
ihm den Weg frei! Er nimmt uns mit, aus der Wüste heraus. Und es wird uns selbst gut tun.
Zusammengefasst:
In der Wüste Gefängnis bei aller
Trockenheit und Dürre die Chancen zur Entscheidung sehen. Gott will
kommen. Ihm den Weg bahnen. Dazu: Einen Überblick über das eigene
Leben gewinnen. Sich versöhnen. Gott vertrauen – er ist sowieso
stärker.
Das ist Advent.