Wo in den Tagen vor und nach
Weihnachten wäre Gott denn gut zu entdecken?
Mir fällt es bei oben genannten
Gelegenheiten eher schwer, Gott zu entdecken. Ich würde mich am
liebsten irgendwo allein mit einem Buch, und sei es die Bibel oder
das Gotteslob, zurückziehen und in die Stille gehen. Oder wenigstens
in Ruhe in die Kirche. Zur Krippe.
Widriger Umstand? - Brot ohne Glanz. Neukölln, Berlin, 2017. |
Aber, das ist das Paradoxe an
Weihnachten, Gott mutet uns die widrigen Umstände zu.
Heute besingen wir selbstverständlich
einen "holden Knaben" und ein "trautes
Paar"; singen, dass der wahre Gott "in meinem
Fleisch und Blut" zu finden sei, aber die Umstände der
Weihnacht könnten für eine Gottesentdeckung schwieriger eigentlich
nicht sein.
Kein Wunder, dass die Könige erst in
den Palast nach Jerusalem gelaufen waren, um den Retter zu finden.
Unter den erbärmlichen Umständen im
Stall – darauf wären sie sicher nicht so ohne weiteres gekommen.
Aber der Gottessohn ist eben unter
diesen widrigen Umständen zu finden.
Auch Stephanus, der erste Märtyrer,
dessen Gedenken wir heute feiern, hätte sich sicher schönere
Möglichkeit gewünscht, Gott zu begegnen, als im Augenblick seiner
Steinigung, wie sie in der heutigen Lesung berichtet wird (Apg 7,54ff): "Ich sehe den Himmel offen" (v56).
Es spricht wohl besonders für seine
Heiligkeit, dass er im Augenblick der Gefahr nicht nur bekennt und
weiter an Gott festhält, sondern dass er Gott unter diesen Umständen
auch im Gebet begegnet.
Die widrigen Umstände, unter denen
Gott sich finden lässt, sind vielleicht eine gute Verbindung
zwischen diesem weihnachtlichen Märtyrerfest und der Feier der
Geburt Jesu.
Bei Christian Lehnert habe ich einen
schönen Kurztext über das Gebet gefunden, der mich auf diesen
Gedanken gebracht hat. Er schreibt:
"Das langsame Kreisen der
Kugellampen aus geriffeltem Glas läßt helle Flecken an der
Kirchendecke tanzen, wirr und doch geordnet. Die Heizung unter den
Bänken knackt laut, während die Orgel einsetzt zum Präludium.
Widrige Umstände – wie soll ich hier etwas empfinden können von
'Gott'? Und dennoch verändere ich mich, eingeklemmt in die
Kirchenbank, im Gebet... [...]
Ich dränge auf Einlass ins Offene
... Und ich muss dabei zwangsläufig zurücklassen, was ich suche.
Wenn ich betend anklopfe, habe ich einen bestimmten Willen nach
'etwas', ein Begehr. Wenn mir geöffnet wird, sei's ein vager Spalt,
ist dies bereits unverständlich geworden. Ich weiß nicht mehr, was
ich eben suchte. Weit entfernt liegen dann die Fragen, wie ich fassen
könne, was ich da ersehnte, wie der Gott in mir geschehen solle oder
wie er, undenkbar, außerhalb sei, wie überhaupt 'da' ... Indem ich
nichts mehr erwarte, beginnt sich etwas zu regen. Ich habe eine
Dynamik in Gang gesetzt (genauer wohl: zugelassen), die ich nicht
mehr beherrschen kann.
'Gott', das bedeutet jetzt: Er
lauscht und wartet."1
Das scheint die weihnachtliche
Herausforderung zu sein: zwischen "Last Christmas" und
Braten diese Dynamik gespannter, aber offener Aufmerksamkeit in Gang
setzen, in die hinein Gott zu mir kommt.
Das macht diesen Gott so
außerordentlich – dass er keine geordneten Verhältnisse abwartet,
sondern ungesucht eintritt.
Sogar in die oft genug unheilige
Familienstimmung und nicht in ruhigen Gebetsminuten.
Auch hier!? Rüdersdorf, 2015. |
1 C.
Lehnert, Der Gott in einer Nuß. Fliegende Blätter von Kult und
Gebet. 2. Aufl. Berlin 2017, 14f.