Charles Péguy ist einer jener
französischen Katholiken, deren vorkonziliaren Katholizismus man
heute zwar eher distanziert wahrnimmt, den ich aber immer wieder
lesenswert finde. Die literarische Herangehensweise seines Großpoems
"Das Tor zum Geheimnis der Hoffnung" ist
vergleichsweise erfrischend, der direkt angesprochene Leser wird
beständig ermuntert und aufgefordert, selbst aktiv zu werden:
Die Kinder nähren - aber richtig! Zitronenpresse, Neukölln, Berlin, 2016. |
"Die Worte des Lebens, die
lebendigen Worte lassen sich nur auf lebendige Weise erhalten,
Lebendig genährt,
Gehegt, getragen, gewärmt in einem
lebendigen Herzen. [...]
Somit sind die Worte Jesu, die
ewigen Worte Wickelkinder, lebendige Säuglinge aus unserem Blut und
aus unserem Herzen.
Aus uns, die wir zeitlich leben.
Wie die hinterste Bäuerin, wenn die
Königin in ihrem Palast den Kronprinzen nicht nähren kann,
Weil sie nicht genug Milch hat,
Dann kann die hinterste Bäuerin aus
der hintersten Gemeinde berufen werden in den Palast,
Falls sie nur eine gute Amme ist,
Und kann berufen werden, den Sohn
des Reiches zu nähren.
So sind wir alle [...]
Aufgerufen zu nähren das Wort des
Gottessohnes."1
Ein, wie ich finde, äußerst
spannender Gedanke: Wir sind die Ammen der Botschaft Jesu.
Ohne unser Herzblut, ohne unser
Tätigwerden vergehen sie und sterben.
Kurz vor Heiligabend erinnert Péguys
Text an unsere Verantwortung als Christen. Wenn Weihnachten uns mit
dem Jesuskind beschenkt, so sind wir doch in der Pflicht, uns darum
zu kümmern, seine Botschaft des barmherzigen Vatergottes
weiterzutragen und seinen Ruf lebendig werden zu lassen.
1 Charles
Péguy, Das Tor zum Geheimnis der Hoffnung. 4. Aufl. Einsiedeln
2007, 74-76.