Wer sich beschaulich-ruhig auf den
Advent einstimmen will, möge jetzt nicht weiterlesen.
Was aus der Brut werden kann. Ente am Schlachtensee, 2014. |
Aber zur Realität dieser Welt gehört
eben auch, dass Kinder gehasst werden – einige drastische Worte
finden sich in dem insgesamt nicht besonders lesenswerten Roman
"Reality-Show" (2005) von Amélie Nothomb. Sie
entwirft darin jedoch eine im Grunde spannende Geschichte, wie sie
einige Jahre später auch in der amerikanischen Buchreihe "Die
Tribute vom Panem" auftaucht – in einer TV-Show werden
Menschen zwangsweise in eine Art Arbeitslager geschickt und dort
unter den Augen der Kameras nach und nach getötet.
Auf dem Weg ins Lager ereifert sich
eine unsympathisch gezeichnete Inhaftierte über die Liebe einiger
Mütter zu ihren mitgeführten Kindern:
"Die Nazis haben die Bälger
gleich als erstes beseitigt. Und man kann es ihnen nicht verdenken.
Diese plärrenden, pissenden Hosenscheißer machen doch nur Ärger,
und dann sind sie auch noch undankbar. Hängt euer Herz nicht an sie,
sie sind so gut wie tot. Pah, Gnädigste, was haben Sie denn von
Ihrer Brut gehabt außer einem dicken Bauch?"1
Abgesehen von der fundamental
misanthropischen Grundhaltung ist der letzte Satz nicht weit entfernt
von heutigen Denkgewohnheiten – was bringt ein Kind, was hat man
davon, was bekommt man wieder?
Diese materialistische Konsumhaltung
kann gar nicht zugunsten irgendeines Menschen ausfallen, der nicht
schafft und macht und produziert.
Der Advent lädt dagegen – und dies ist
doch wieder ganz besinnlich – dazu ein, sich nicht auf die volle
Windel, nicht auf das Geschrei und nicht auf die Kosten zu
konzentrieren, sondern auf das Herz, das an einem Menschen hängt.
1 A.
Nothomb, Reality-Show. Zürich 2007, 63.