Montag, 18. Dezember 2017

KinderStück 18 – Was man von der undankbaren Brut hat

Wer sich beschaulich-ruhig auf den Advent einstimmen will, möge jetzt nicht weiterlesen.

Was aus der Brut werden kann.
Ente am Schlachtensee, 2014.

Aber zur Realität dieser Welt gehört eben auch, dass Kinder gehasst werden – einige drastische Worte finden sich in dem insgesamt nicht besonders lesenswerten Roman "Reality-Show" (2005) von Amélie Nothomb. Sie entwirft darin jedoch eine im Grunde spannende Geschichte, wie sie einige Jahre später auch in der amerikanischen Buchreihe "Die Tribute vom Panem" auftaucht – in einer TV-Show werden Menschen zwangsweise in eine Art Arbeitslager geschickt und dort unter den Augen der Kameras nach und nach getötet.
Auf dem Weg ins Lager ereifert sich eine unsympathisch gezeichnete Inhaftierte über die Liebe einiger Mütter zu ihren mitgeführten Kindern:

"Die Nazis haben die Bälger gleich als erstes beseitigt. Und man kann es ihnen nicht verdenken. Diese plärrenden, pissenden Hosenscheißer machen doch nur Ärger, und dann sind sie auch noch undankbar. Hängt euer Herz nicht an sie, sie sind so gut wie tot. Pah, Gnädigste, was haben Sie denn von Ihrer Brut gehabt außer einem dicken Bauch?"1

Abgesehen von der fundamental misanthropischen Grundhaltung ist der letzte Satz nicht weit entfernt von heutigen Denkgewohnheiten – was bringt ein Kind, was hat man davon, was bekommt man wieder?
Diese materialistische Konsumhaltung kann gar nicht zugunsten irgendeines Menschen ausfallen, der nicht schafft und macht und produziert.
Der Advent lädt dagegen – und dies ist doch wieder ganz besinnlich – dazu ein, sich nicht auf die volle Windel, nicht auf das Geschrei und nicht auf die Kosten zu konzentrieren, sondern auf das Herz, das an einem Menschen hängt.


1   A. Nothomb, Reality-Show. Zürich 2007, 63.