Mascha Kaléko hat über ihr eigenes
Kind ein sehr berührendes Gedicht geschrieben.
Aber sie dichtete auch Erinnerungen
über ihre eigene Kindheit, die eher das Fürchten wecken.
In
"Notizen" heißt es beispielsweise:
Novembergrau. Mauerweg, Treptow, Berlin, 2016. |
"Meine Kindheit weht zu mir
herüber
Fernes Glockengeläut aus dem Nebel.
Dort ist immer November
Sehnsucht, Halsweh und Angst.
Im Keller hausen Gespenster
Der Kinderverzehrer auf dem Dach.
Die Wände der guten Stube
Mit plüschrotem Nein tapeziert
...
Meine Kindheit ein fernes Geläute
Heimweh und juckende Socken
Geküßt wurde nur auf dem
Bahnhof."1
Kindsein ist nicht immer nur leicht und
heiter.
Strenge, Angst und Kälte hinterlassen
ihre Narben auf der Seele.
Advent kann auch heißen, Dinge
zurückzulassen und sich vom Schlechten zu verabschieden, damit das
neue Kind geboren werden kann.
Und wie das Beispiel der Dichterin
zeigt, können trotz dieser Narben schwebende Worte und leichte
Landschaften aus Sprache entstehen, die Anderen Hoffnung schenken.
1 M.
Kaléko, Mein Lied geht weiter. Hundert Gedichte. [Hg. v. G.
Zoch-Westphal] 9. Aufl. München 2009, 10.11.