Sonntag, 3. Dezember 2017

KinderStück 3 – Rufende Offenheit

Heinrich Spaemann war katholischer Priester und zugleich Vater des Philosophen Robert Spaemann. Die Gleichzeitigkeit erklärt sich in seinem Fall dadurch, dass er nach dem Tod seiner Frau einen neuen Lebensweg als Geistlicher einschlug.
Ein Glanzstück ist sein Meditationsbuch "Orientierung am Kinde", in dem er, ausgehend von Mt 18,3, eine Reihe von Gedanken zum Thema Kind veröffentlicht hat. Einer davon lautet:

Dem Himmel gegenüber offen.
Kindl-Brauerei, Neukölln, Berlin, 2017.
"Das Kind verschließt sich nicht, es ist lautere Offenheit zum geliebten Anderen hin. In dieser Offenheit bringt es sein Wesen für uns zum Leuchten: im Antlitz, in der Gebärde, im Laut der Stimme. Dadurch wird es anziehend für uns wie das Licht. Es bekommt eine ganz eigene Rufkraft für den, zu dem hin es sich öffnet: es ruft ihn zu sich herüber, heraus, hervor, so daß auch er sich öffnet, aus sich herausgeht, hervorkommt aus seinem Ichgehäuse."1

Kinder rufen uns aus unserer Enge und Eingeschlossenheit heraus.
Und wir sind aufgefordert, dasselbe für unsere Mitmenschen zu tun.
Ganz ähnlich formuliert das Evangelium vom Ersten Adventssonntag, das von der Wachsamkeit spricht.
Es ist ein wichtiges Bedeutungsfeld des Advents: die Aufforderung zu Offenheit, Wachsamkeit, Hervorkommen, Hinaustreten, Ansichtigwerden.


1   H. Spaemann, Orientierung am Kinde. Meditationsskizzen zu Mt 18,3. 9. Aufl. Einsiedeln 1999, 125.