Samstag, 3. März 2018

Zentrumsverschiebung und Doppelpassion – Predigt zur Tempelreinigung Joh 2,13-25

Das Johannesevangelium macht es seiner Hörer- und Leserschaft nicht leicht. Genau genommen ist es ziemlich unverschämt, wie viele verschiedene Gedanken da in einer kurzen Textstelle zusammengepfercht und uns hingeworfen werden.
Im heutigen Abschnitt (Joh 2,13-25) ist die Rede vom Tempel und seinem Abriss, von einem wütenden Jesus, seinem Tod und seiner Auferstehung, von raffgierigen Händlern und argwöhnischen Kritikern, vom "Menschen" allgemein und von "den Juden" im besonderen.

Um hier etwas mehr Verstehen zu ermöglichen, möchte ich ein paar Verständnisschneisen schlagen, damit klar wird, worum es eigentlicht geht.

Dienstag, 27. Februar 2018

Augenfasten. Eine Anregung im Gefängnis (und anderswo)

"Jeder, der eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.
Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg!
Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird." (Mt 5,28-29)

Eine Aussage, die es in sich hat! Jesus, der sie in der Bergpredigt ausspricht, macht damit klar, dass es nicht immer ganz furchtbare Dinge sein müssen, die uns von Gott oder von einander entfernen. Manchmal reicht ein Blick.

Samstag, 24. Februar 2018

Mittendrin ein Aufleuchten. Sonntagsevangelium und Liturgie

"Du erscheinst so schön im Lichtorte des Himmels, / du lebendige Sonne, die zuerst zu leben anfing!"1

Mitten in der Fastenzeit steht wie ein Fremdkörper der Evangelientext des heutigen Sonntags (Mk 9,2-10) mit der Geschichte von der Verklärung Jesu.
Denn dieses plötzliche Aufleuchten des Geheimnisses Jesu vor den drei auf den Berg mitgenommenen Jüngern will nicht so recht passen zum schweren Ernst der Fastenzeit.

Freitag, 23. Februar 2018

Das Sterben spüren 2 – John Williams' "Stoner"

Einer der traurigsten Romane, die ich in den letzten Jahren las, endet passenderweise mit einer langen und tiefgehenden Sterbeszene.

Der in den letzten Jahren wiederentdeckte John Williams hat mit "Stoner" die Geschichte eines überraschend aus einer bildungsfernen Bauernfamilie aufgestiegenen Literaturdozenten geschrieben.
Trotz seiner sicheren Stelle an einer Provinzhochschule ist Stoner nicht angekommen im erfüllten Leben, durch akademische Triebe ebenso wie seine unglückliche Ehe steht er eher am Rande und nimmt die Entwicklungen seiner Umwelt eher aus der Distanz wahr.
John Williams hat dafür eine eindrückliche Sprache gefunden, die in der Beschreibung des Sterbens aus Stoners eigenem Blickwinkel zu ihrem verdichteten Höhe- und Endpunkt gelangt.

Donnerstag, 22. Februar 2018

Ehe als Hauskirche. Ökumenische Mahlgemeinschaft inklusive?!

Endlich einmal eine gute Nachricht! Zukünftig soll es in Einzelfällen möglich sein, dass ein gemischtkonfessionelles Ehepaar in Deutschland gemeinsam zur Eucharistie gehen kann. Dass die Deutsche Bischofskonferenz hierzu eine pastorale Orientierungshilfe entwickelt, ist an der Zeit und äußerst löblich.
Was Papst Franziskus den einzelnen Paaren aus verschiedenen Konfessionen schon 2015 bei seinem Besuch in der evangelischen Gemeinde in Rom gesagt hat, nämlich: "Sprecht mit dem Herrn und geht weiter. Ich wage und vermag nicht mehr zu sagen." findet nun endlich auch eine kirchenamtliche Wegleitung, die über das nur individuelle Entscheiden hinausgeht und damit allen in diesem Feld Handelnden eine größere Sicherheit geben kann.

Dienstag, 20. Februar 2018

Das Sterben spüren 1 – Michael Köhlmeiers "Der Mann, der Verlorenes wiederfindet"

Während sich in der Natur das Leben langsam wieder zu regen beginnt, erinnert die Christenheit in den Wochen vor Ostern an das Sterben. Genauer gesagt an Jesu Sterben.
Denn die Fasten- oder Passionszeit hat mit dem Hineinspüren in das Leiden Jesu zu tun, mit dem geistlichen Mitgehen seines Sterbens. Viele Lieder, Prozessionen und Andachten, Bilder und Statuen legen durch die Frömmigkeitsgeschichte hindurch ein lebendiges Zeugnis von dem Wunsch ab, Jesu Sterben näherzukommen.

Allein, wie Jesus diesen seinen Tod innerlich verspürt hat, wir wissen es nicht. Nur die Überlieferung seiner letzten Worte, sieben an der Zahl, lässt uns verschiedenste Regungen vermuten – von Vertrauen und großherziger Vergebung über letzte Übergangsregelungen bis hin zu körperlicher Not und schierer Verzweiflung.
(Mit anderem Akzent habe ich dem hier schon einmal unter dem Thema "Gekreuzigt" nachgespürt und Andeutungen und Abwandlungen beispielsweise bei Amos Oz, Antoine de Saint-Exupèry und Batman gefunden.)

Sonntag, 18. Februar 2018

Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade. Lyrik zur Zeit des Fastens


2Kor 6,2 – 2. Lesung am Aschermittwoch

Zeit für Schatten und Zeit für Sonne.
Stallhof, Dresden, 2018.

Eine Zeit zum Schenken und eine Zeit sich lieben zu lassen

Eine Zeit zum Loslegen und eine Zeit zum Bleibenlassen

Eine Zeit mehr zu spüren und eine Zeit näher dran zu kommen

Eine Zeit des Verzichts und eine Zeit der Sehnsucht

Sonntag, 11. Februar 2018

Religion als Aufbruch 2 – Eine Variante von Ilija Trojanow

"Er begreift, dass sein Leben dem Auf-Bruch verpflichtet ist. Als Prinzip. Bereit zu einer weiteren Drehung, zu einer nächsten Pirouette."1

Was Ilija Trojanow für den Geflüchteten postuliert, ist eine weitere Variante meines vorherigen Beitrags zum Gedanken der Religion als Aufbruch.

In seinem glänzend geschriebenen Buch "Nach der Flucht" voller kurzer Gedanken und Aphorismen universalisiert Trojanow sein eigenes Lebensschicksal zu Aussagen über Geflüchtete und ihr Verhältnis zum Aufnahmeland, zur Heimat, zu sich selbst und der Welt. (Ohne dabei freilich zu behaupten, dass dies immer und für jederman so sein müsse.)

Dienstag, 6. Februar 2018

Religion als Aufbruch ins Ungewisse. Noch ein Satz von Yasmina Reza

"Dem großen Biologen Svante Pääbo zufolge unterscheiden wir uns vom Neandertaler nur durch eine winzige Modifikation auf einem bestimmten Chromosom, mehr nicht. Eine ungewöhnliche Mutation des Genoms, die angeblich den Aufbruch ins Ungewisse erlaubte, die Überquerung der Weltmeere ohne sicheres Land am Horizont, den ganzen fieberhaften Hang der Menschheit zu Forschung, Kreativität und Zerstörung. Kurz und gut, ein Verrückheitsgen."1

Samstag, 3. Februar 2018

Kranker und Freund Gottes zugleich sein. Eine Predigt im Gefängnis.

Was sind das für Leute, die heute in Deutschland noch in die Kirche gehen, beten, sich zum christlichen Glauben bekennen? Was für Leute sind das, die Gott suchen?

Das heutige Evangelium (Mk 1,29-39) gibt zwei Antworten auf die Frage, wer Gott sucht, zwei Antworten, die in sehr unterschiedliche Richtungen gehen.

1
Zu Beginn wird berichtet von den „Kranken und Besessenen“, die zu Jesus gebracht werden (v32).
Unter dieser Bezeichnung finden wohl weder wir hier Versammelten uns vollständig wieder, noch der Großteil derjenigen, die in Deutschland regelmäßig in die Kirche gehen und ihr Leben aus dem Glauben gestalten.
Vielleicht könnte man die Frage also eher so formulieren: Was suchen Menschen, die Gott suchen?
Und bei dieser Frage gibt es sicher einige Schnittpunkte mit den im Evangelium Genannten.

Donnerstag, 1. Februar 2018

Erfüllung mit langem Anlauf. Ein Gedanke zum Fest der "Darstellung des Herrn"

Das heutige Fest feiert die Erfüllung einer Verheißung. Es ist die alttestamentliche Verheißung eines von Gott gesandten Retters.
Symbolisch für diese Hoffnung stehen Simeon und Hannah, die beiden Alten, denen die Eltern Jesu mit ihrem Kind im Tempel begegnen.
In diesem Tempel, dem zentralen Kultort der jüdischen Religiosität, finden die Alten und mit ihnen die von alters her überlieferten Traditionen und Sehnsüchte einen neuen Zielpunkt – in diesem Kind Jesus. Der Evangelist Lukas, dessen Texte und Theologie dieses Fest prägen (Lk 2,22-40), zeigt, dass das Alte an sein Ziel gekommen ist, indem es über die Maßen erfüllt wird.

Als Christen leben wir nun eigentlich in dieser Überfülle göttlicher Zuwendung, die uns in Jesu Leben, Sterben und Auferstehen geschenkt wurde.
Aber unser Lebensgefühl ist eben nicht, dass wir ständig aus der Überfülle Gottes leben würden. Es besteht aus Trägheit, Schwäche, nervendem Alltag, manch kleiner Freude und ein bisschen Glück.

Sonntag, 28. Januar 2018

"Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazareth?" (Mk 1,24). Radiobeitrag mit gebrochener Hand.

So ähnlich hört / hörte es sich am heutigen Sonntag um kurz vor 10:00 Uhr auf radioBerlin 88,8 an, wenn ich "DAS WORT" spreche.

Wer hätte das gedacht? Ein einziger Schlag auf den Tisch und schon habe ich einen gebrochenen kleinen Finger!
Damit hatte ich so überhaupt nicht gerechnet, dass ich die Schmerzen und die Bewegungseinschränkung in der Hoffnung auf eine Stauchung erst einmal ein paar Tage ignoriert habe. Aber irgendwann bin ich dann doch zum Arzt gegangen und der bestätigte mir mit einem Röntgenbild den Bruch.

Freitag, 26. Januar 2018

Die Gewalt der Gefolterten. Zum Holocaustgedenken

Wenn ich an die Opfer der NS-Diktatur denke, dann in den meisten Fällen an die Überlebenden. Sie, die Zeitzeugen, die inzwischen Uralten, die Gezeichneten, die mit Überleben Beschenkten oder Gestraften, sie können sagen und zeigen, wie es war und wie es danach ist.
Das hat auch mit meinem Freiwilligendienst in der Ukraine zu tun, als ich 2001/2002 einige Überlebende in Lemberg besucht habe.

Diese Überlebenden tragen ihre Gewalterfahrungen über Jahrzehnte mit sich herum. Manche ertragen sie mit Alpträumen, andere mit Schweigen, wieder anderen hilft es, mit sehr vielen Worten zu erzählen und persönlich Zeugnis abzulegen.
Und nicht wenige reagieren auf die Gewalterfahrungen mit Härte und eigener Gewalt.

Donnerstag, 25. Januar 2018

„Deine rechte Hand, Herr, ist herrlich an Stärke“ (Ex 15,6). Gebetswoche für die Einheit der Christen 2018.

Die Ökumene ist kein Aufregerthema mehr.
Spätestens seit im letzten Jahr die Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum in einem sehr gemeinschaftlichen und ökumenischen Geist begangen wurden, könnte man überlegen: Wozu braucht es überhaupt noch eine "Gebetswoche für die Einheit der Christen", wie sie gerade weltweit vom 18.-25. Januar begangen wurde?
Die Zeiten, dass Katholiken keine evangelischen Gottesdienste besuchen sollten, sind doch vorbei, vorbei ist der familiäre Aufstand, wenn eine evangelische Christin einen Katholiken heiraten wollte.
Es ist doch so viel Gemeinsamkeit erreicht, die Unterschiede nur noch marginal.
Warum, so fragen sich viele Menschen, einigt man sich also nicht einfach und macht eine gemeiname christliche Sache, zumal die beiden großen Kirchen in Deutschland doch schon so gut harmonieren.