Dienstag, 24. Dezember 2019

Ich will hier raus! - Gott will hier rein! Oder: Weihnachten macht verletzlich

Wer will dort schon hin? – Mitten in der Provinz, nicht in der Stadt, nicht mal auf dem Dorf, sondern irgendwo außerhalb der menschlichen Siedlungen in einem heruntergekommenen Stall kommt das Kind zur Welt, das die Welt retten soll.

Wer will hier schon hin? – Keine Privatsphäre, kein Lieblingsessen, kein Internet, kein S-Bahnhof, keine Familienzimmer, keine Weihnachtsamnestie. Hier müssen Sie Weihnachten verbringen, im Haftkrankenhaus am Rande des Berliner S-Bahnrings, direkt neben der Stadtautobahn.

Aber was soll ich Ihnen sagen? Das, was Sie sich nicht ausgesucht haben, hat Gott sich ausgesucht.
Wenn Sie sagen: Ich will hier raus! - muss ich Ihnen antworten: Gott will hier rein.

Geliebt 24 – Telefon in "Die Liebe im Ernstfall" von Daniela Krien

Daniela Krien (die schon im Eingangstext zu Wort kam) beschreibt in mehreren ineinander verwobenen Geschichten von verschiedenen Gesichtern der Liebe. Paula und Wenzel lieben einander. Wenzel schreibt Paula regelmäßig:

Montag, 23. Dezember 2019

Geliebt 23 – Pferdeschwänze in "Monster" von Yishai Sarid

Yishai Sarids beeindruckendes Buch über die Erinnerung an den Holocaust ist als Brief eines Tourguides an seine Auftraggeber gehalten. Schonungslos erzählt er von seinen Eindrücken der israelischen Gruppen, die in Polen die Lager und Erinnerungsstätten besuchen. Hier spricht er über einen Besuch an den Orten des Aufstands im Warschauer Ghetto:

Sonntag, 22. Dezember 2019

Geliebt 22 – Thron in "Marzahn Mon Amour" von Katja Oskamp

Eine Glanzleistung der Menschenfreundlichkeit ist das Buch von Katja Oskamp, das in vielen kleinen "Geschichten einer Fußpflegerin" liebevoll die Menschen von Marzahn, dem riesigen DDR-Neubaugebiet im Nordosten Berlins, porträtiert. Das gut eingespielte Zusammenwirken von Stammkundschaft und Fußpflegerin zeigt sich auch als sich eine der ersten beschriebenen Kundinnen auf dem Fußpflegestuhl niederlässt:

Samstag, 21. Dezember 2019

Josef überlegt, liebt und lebt in Gemeinschaft. Drei Adventsgedanken

In der Adventszeit erscheinen viele Personen rings um die Geburt Jesu, die uns eine Hilfestellung geben können zu unserem Gehen durch den Advent. Heute ist es Josef, der seine schwangere Freundin eigentlich verlassen will, sich aber noch einmal anders entscheidet, als ihm ein Engel des Herrn rät, Maria zu sich zu nehmen.

1. Josef denkt nach
Das klingt normal, ist es aber nicht.
Wenn ich nur daran denke, wie oft ich spontan Sachen entscheide oder impulsiv reagiere, wenn ich eine schlechte Nachricht mitbekomme.
Aber Josef ist einer, der sich die Entscheidung nicht leicht macht. Ob er betet, ist nicht überliefert. Er bricht es jedenfalls nicht übers Knie, sondern überlegt noch einmal. Er scheint fast schon entschlossen, als noch eine Wende kommt. Als er Gottes Stimme das erste Mal hörte, brachte sie ihm Frieden, sagt ein anderer Joseph, nämlich Anthony Hopkins als Benedikt XVI. in dem aktuellen Film "Die zwei Päpste". Manchmal ist der Friede tatsächlich ein Kriterium. Aber nicht immer hören wir Gott so. Manchmal kann die Stimme Gottes auch in Unruhe versetzen. So war es sicher auch bei dem biblischen Josef, als der Engel Gottes ihm bei der Entscheidung half.

Geliebt 21 – Nasen in "Die zweite Frau" von Günter Kunert

Beim Aufräumen und Sortieren hat Günter Kunert diesen Roman nach eigener Aussage wiedergefunden, entstanden in den frühen 1970ern, wurde er in diesem Jahr erstmals veröffentlicht und spiegelt eine Beziehung, ein Lebensgefühl aus der DDR und eine Liebe.
Nach vielen Seiten Stress und Ärger liegt das Paar nun im Anschluss an eine alkoholschwere Geburtstagsfeier nebeneinander im Bett. Sie erzählt aus ihrer Kindheit:

Freitag, 20. Dezember 2019

Ich kann es nicht mehr abwarten. Ein Radiobeitrag zum Ende des Advents

So ähnlich bin ich am Sonntag, 22.12., gegen 10 vor 10 Uhr auf Radio rbb 88,8 zu hören:


Das Ende des Advents ist wirklich eine Herausforderung für mich.
Kurz vor Weihnachten immer noch auszuhalten, dass das richtige Fest erst noch kommt, das strapaziert meine Geduld schon sehr.
Wenn ich mich umschaue, sehe ich, dass mir das Warten auch nicht leicht gemacht wird. Die aktuellen Adventskalender werden immer größer und bestehen aus thematischen Geschenkesammlungen vor dem Fest, zu dem es dann noch einmal viele Geschenke gibt.
Geschenke als Vorbereitung auf Geschenke? – Ehrlich gesagt erschließt sich mir der Sinn solcher Adventskalender nicht, außer dass auf diese Weise noch mehr gekauft und konsumiert wird.

Geliebt 20 – Keine Reue in "Schnelle Nachtfahrt" von Reiner Kunze

Bei der Suche nach einem passenden Gedicht bin ich über viele tolle Gedichte der hier auf dem Blog schon vertretenen Dichterinnen und Dichter gestoßen, aber ich habe mich am Ende entschieden, einen Dichter auszusuchen, der hier noch nicht auftauchte und noch dazu ausnahmsweise ein Gedicht zu wählen, das ich nicht mehr auf die Seite genau zitieren kann.
Aber es passt so wunderbar in diese letzten Tage vor Weihnachten:

Donnerstag, 19. Dezember 2019

Geliebt 19 – Evian in "American Psycho" von Bret Easton Ellis

Dieses Buch ist, was der Titel verspricht – psycho. Abgesehen von den äußerst unappetitlichen Szenen kommt es zu einer Reihe von Reflexionen und Dialogen, aus denen die dissoziale Persönlichkeit des snobistisch-psychopatischen Ich-Erzählers Patrick Bateman gleichfalls nur so trieft.
Hier ist eine davon, ein Restaurantgespräch mit einem Liebesbekenntnis seiner Sekretärin Jean, eingeleitet von einem Gedankenstrom der Hauptfigur, der seine Weltsicht gut auf den Punkt bringt:

Mittwoch, 18. Dezember 2019

Geliebt 18 – Appetitlosigkeit in "About a boy" von Nick Hornby

Will ist Lebemann und Junggeselle aus Überzeugung. Aber da im Kult-Roman von Nick Hornby nichts wie geplant läuft, tritt nicht nur der besagte Junge Marcus in Wills Leben, sondern auch eine Frau.

Dienstag, 17. Dezember 2019

Geliebt 17 – Werbung in "Mein Leben – mein Weg" von Papst Franziskus

Heute hat Papst Franziskus Geburtstag. Das Interview mit S. Rubin und F. Abrogetti, erstmals 2010 lange vor seiner Wahl zum Papst erschienen, ist zwar kein literarischer Text, aber aus Anlass des Geburtstags eine gute Gelegenheit, das Geliebtwerden aus spezifisch religiöser Sicht anzuschauen. Hier spricht der spätere Papst von seiner Berufung:

Montag, 16. Dezember 2019

Geliebt 16 – Füße in "Rede aus Staub" von Uwe Kolbe

Der Dichter Uwe Kolbe bezeichnet sein Werk selbst als das eines Heiden. Aber zugleich als eines Menschen, der sich auf einem spirituellen Weg befindet. Seine 2017 erschienenen „Psalmen“ seien „aus dem Feuer der irdischen Liebe“ entstanden und sie verraten doch eine Sehnsucht nach mehr.
So ist auch dieser Psalm als Anruf Gottes zu verstehen:

Sonntag, 15. Dezember 2019

Dürfen wir uns denn freuen? Notiz zum Dritten Advent

Johannes der Täufer stellt die entscheidende Frage an Jesus:
"Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?" (Mt 11,3)

Oder anders gefragt: Ist denn Grund zur Freude da? Bist du der Messias? Sind die Erfolge groß genug? Ist das Entscheidende endlich passiert? Können wir aufatmen?

Wenn wir heute den Sonntag "Gaudete" feiern, also "Freut euch!", dann stellt sich diese Frage durchaus ernsthaft: Dürfen wir uns denn freuen?
Können wir uns freuen angesichts der Weltlage, angesichts der Armut, angesichts der Wohnungsnot, angesichts der Klimaveränderungen...?
Ist das Schlechte nicht so viel stärker und größer als das Gute?

Geliebt 15 – Bruchlinie in "Der traurige Gast" von Matthias Nawrat

Es geht um eine Zufallsbekanntschaft in der Berliner polnischen Community: Aus dem Gespräch über die Umbauplanung in der Wohnung des Ich-Erzählers entwickeln sich regelmäßige Besuche bei einer alternden Architektin. Sie erzählt von ihrem Leben, ihren Überzeugungen und auch von ihrer Ehe:

Samstag, 14. Dezember 2019

Geliebt 14 – Kissen in "All das zu verlieren" von Leila Slimani

Die Nymphomanin hat eine Familie. Der Zwiespalt zwischen ihrer sexuellen Obsession und dem Kind, um das sie sich kümmern muss, zeigt sich in ihrer emotionalen Gespaltenheit bei der Pflege des Säuglings. Diese Gespaltenheit kann man auch nachvollziehen, ohne nymphoman zu sein: