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Donnerstag, 31. Oktober 2019

Alles heiligen. Oder: Wo sind die heiligen Familien?

Es ist zum Haareraufen:
Wenn ich auf den Heiligenkalender der katholischen Kirche schaue, muss ich feststellen, dass dort viele Mönche, Bischöfe, Pfarrer, Missionare, Prediger, Päpste, Nonnen und heilige Jungfrauen zu finden sind.
Aber fast keine Heiligen, die eine Familie außer ihrer Herkunftsfamilie hatten – mithin fast keine heiligen Väter oder Mütter.

Während für die frühe Kirche noch das Martyrium, und damit der Tod, die wichtigste Basis der Heiligkeit war, wurde mit der Zeit auch das heiligmäßige Leben bedeutsamer – und das schien sich vor allem in den heiligen Kirchenlehrern, Eremiten, Wüstenvätern Jungfrauen und Bischöfen zu finden.

Dienstag, 24. September 2019

Welcher Ruf? Welche Heilung? Welcher Staub?

Am 25. September feiern wir einen Heiligen, der es in sich hat: den heiligen Nikolaus von Flüe. Er ist der Nationalheilige der Schweiz und wird als Einsiedler, als Visionär, als Friedensstifter verehrt.

Ich beziehe mich in meiner Predigt im Berliner Haftkrankenhaus auf das Evangelium vom Tage (Lk 9,1-6).

1. Jesus ruft und sendet
"Jesus rief die Zwölf zu sich" und gab ihnen "Kraft" und "Vollmacht" (v1).
Wenn katholische Christen von den Aposteln (denn das sind die "Zwölf") sprechen, dann geht es ihnen in der Regel darum, auf Menschen hinzuweisen, die etwas besonderes sind.
Aber wenn wir uns anschauen, wen Jesus da zu sich ruft, können wir uns leicht wieder erkennen: da sind Betrüger, Aufschneider, Vordrängler, Angsthasen, Vorlaute, Spätzünder, Jähzornige und Lachnummern aller Art dabei. Man denke nur den mit den römischen Besatzern kollaborierenden Zöllner Matthäus, an den Petrus, der Jesus belehren will und zurechtgewiesen wird, an die beiden Söhne des Zebedäus, die sich an den anderen vorbei den besten Platz bei Jesus sichern wollen und so fort.

Donnerstag, 8. August 2019

Am Schmelzpunkt. Gedanken zum Martyrium am Fest der heiligen Edith Stein

„‚Was fasziniert Sie denn an Martyrern?‘
Hätten wir uns länger gekannt, hätte ich vielleicht gewagt, ihm zu gestehen, was mich da wirklich fesselte: die Möglichkeit, ein Leben voller Fehler und Peinlichkeiten, Halbheit und Unaufrichtigkeit in einem einzigen Moment zu einem guten zu machen - und zwar durch ein Bekenntnis, das man vorher oft verraten hatte und, lebte man weiter, wieder verriete, das aber durch den Tod zum letzten und einzig wichtigen wurde. Alles, was man gewesen war, schmolz in diesem letzten Punkt zusammen, der gegenüber der Vergangenheit dann allein zählte. Viele Jahre verfehltes Leben erhielten durch das Martyrium jenes positive Vorzeichen, das alles in Heiligkeit verwandelte."[1]

Wir hören es nicht so gern, dass auch die Heiligen Menschen waren. Denn Heiligkeit klingt nach Perfektion und Fehlerlosigkeit.

Dienstag, 30. Juli 2019

Loben, loben, loben. Ignatius von Loyola und die Kirche in der Krise

Ohne kirchlichen Auftrag und ohne zertifizierte Kenntnisse hatte Ignatius auf seinen Reisen begonnen, geistig Suchenden die später als Exerzitien berühmt gewordenen geistlichen Übungen zu geben. Deshalb war er ins Visier der Inquisition geraten. Mehrfach war er inhaftiert, mehrfach wurden er und seine „Lehre" überprüft und kein einziges Mal fand man Gründe zur Beanstandung. Außer eben: zu wenig Anbindung an die institutionelle Kirche.
In den vorreformatorischen Jahrzehnten hungerten die Gläubigen nach einem glaubwürdigen Mittler des Glaubens – doch Ignatius, der aus seiner eigenen Biographie heraus Glaubwürdigkeit verkörperte, war in den Augen der Verantwortlichen zu wenig kirchlich integriert.

Angesichts dessen finde ich es spannend, dass derselbe Ignatius der Druckfassung seiner Geistlichen Übungen einige Regeln zum Spüren mit der Kirche folgen lässt (GÜ 352-370).

Samstag, 29. Juni 2019

Allen alles und noch zum Versager werden. Anstöße zu Petrus und Paulus 

Was wäre von den beiden Tagesheiligen Petrus und Paulus zu lernen für unsere konkrete Kirche in diesem konkreten Moment ihrer Geschichte?

Zum Einen ist da immer wieder die Frage nach dem Verhältnis der Kirche zu allen anderen Menschen und Menschengruppen.
Bei Paulus finden sich exemplarisch zwei spannende Aussagen, die auf den ersten Blick allerdings widersprüchlich erscheinen.
Im Römerbrief fordert er die Adressaten auf: „gleicht euch nicht dieser Welt an" (12,2). Mithin: Christen, unterscheidet euch vom Rest, seid anders, werdet nicht wie die Anderen!
Doch den Korinthern gesteht er:
„Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten." (1Kor 9,22)

Sonntag, 23. Juni 2019

Johannes der ... - Zum Geburtstag eines Mannes, der seine Rolle in der Welt gefunden hat

Eigentlich hätte er auch Johannes der Lebensberater heißen können. Immerhin hat er den Zöllnern und den Soldaten gute Tipps für ihre Lebensführung gegeben (vgl. Lk 3,12-14).
Oder Johannes der Wütende, hat er die Pharisäer und Sadduzäer doch beschimpft, dass die Köpfe glühten (vgl. 3,7ff). Oder Johannes der Verheißene, von dem schon der Prophet Jesaja sprach (Lk3,3ff). Oder Johannes der Prediger, Johannes der Enthauptete oder oder oder.

Nichts von alledem gab den Ausschlag für seinen Eingang in die biblischen Geschichten.

Was bleibt von mir? Zinnowitz, 2019.
Was ihn für die ersten Christen so einzigartig machte, war das Taufen.

Er lebte und wirkte in der Wüste und am Jordan und „verkündete die Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden" (Lk 3,3).
Also wurde er - der Täufer.

Neben all dem, was ich in meinem Leben auch noch bin - Vater, Ehemann, Seelsorger, Deutscher, Brillenträger und Wurstesser - frage ich mich manchmal, als wer ich einem Menschen im Gedächtnis bleibe.

Johannes der Täufer hatte seine Rolle gefunden. Er ist als Vorläufer Jesu für immer der Täufer.

Wir Lebenden müssen uns das noch fragen und können es auch bisweilen mitgestalten:
Was macht mein Leben aus?
Als wer werde ich meinem Gegenüber im Gedächtnis bleiben?
Welche Rolle prägt mich am meisten?

Samstag, 4. Mai 2019

Jesus lieben. Überforderung oder Einladung?

Wie oft hat mich diese Frage überfordert!

"Liebst du mich mehr als diese?" (Joh 21,15)

Wann immer ich in der Vergangenheit bei Schriftbetrachtungen oder Exerzitien mit dieser Frage Jesu an Petrus aus dem heutigen Sonntagsevangelium (Joh 21,1-19) konfrontiert war, fühlte ich mich in der Pflicht. Damals, als Seminarist oder Ordensmann, hatte ich das Bedürfnis, ebenso wie Petrus antworten zu können. Und hinter dem Bedürfnis stand ein unausgesprochener Druck, genauso müsse es sein – wenn ich Jesus folgen will, dann muss ich auf die Frage nach der Liebe auch antworten können wie der Erste der Apostel: "Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe." (Joh 21,15)

Dienstag, 26. März 2019

Freiheitsgewinn 2 - Der Frauenbefreier Jesus in "Maria Magdalena" von Garth Davis

Ein Film über Maria Magdalena muss viele Klippen umschiffen.
Eine erste Klippe besteht darin, die Beziehung von Jesus und Maria als Liebesgeschichte zu erzählen und aus dem Verhältnis von Jüngerin und Meister eine Seifenoper zu machen. Dann kann es sein, dass die phantasievoll ausgemalten sozialen Konflikte (Maria als Prostituierte am Rand der Gesellschaft etc.) breiten Raum einnehmen und die religiöse Botschaft des Jesus von Nazareth dahinter verschwindet. Manchmal werden auch ahistorisch die heutigen Probleme (beispielsweise mit religiösen Autoritäten) in einen Film hineingetragen.

Dienstag, 19. März 2019

War Josef der leibliche Vater Jesu? Zwei Antworten von Joseph Ratzinger

Zum Fest des heiligen Josef möchte ich kurz zwei unterschiedliche Antworten zu oben genannter Frage referieren. Zwei Antworten, die interessanterweise von ein und dem selben Autor stammen, allerdings liegen zwischen ihnen 44 Jahre.

Samstag, 16. März 2019

"Schaut die verklärte Leibsgestalt." Ostern in Sicht und Abstieg ins Tal

1. Ostern in Sicht
"Der Leib ist klar, klar wie Kristall, Rubinen gleich die Wunden all,
die Seel durchstrahlt ihn licht und rein wie tausendfacher Sonnenschein"
"Bedeck, o Mensch, dein Augenlicht! Vor dieser Sonn besteht es nicht."

Es ist ein Osterlied, das mir angesichts des Sonntagsevangeliums in den Sinn kam. Denn dort heißt es außerdem gleich zu Beginn in der ersten Strophe:

"Kommt, kommt, ihr Christen jung und alt, schaut die verklärte Leibsgestalt!"1

Während im Evangelium die Rede war vom Aufstieg Jesu auf den Berg und von seiner dortigen Verklärung vor den drei mit hinaufgegangenen Jüngern, singt das Lied vom auferstandenen Jesus.

Dienstag, 5. Februar 2019

Pedro Arrupe – Prophet einer „Gesellschaft der Genügsamkeit"

Heute wird in Rom der Seligsprechungsprozess von Pedro Arrupe eröffnet.
Neben vielen innerkirchlichen Themensetzungen hat er schon vor vierzig Jahren er den Finger in jene Wunden gelegt, die uns heute besonders schmerzen. Ich beziehe mich im Folgenden auf einen Vortrag, der am 21.11.1977 in Montreal1 gehalten wurde:

Der Raubbau an den Gütern der Erde und die ungleiche Verteilung von Lasten und Erträgen ist ein anhaltender Skandal. Arrupe legt Wert darauf, dass dieser Skandal Ausdruck einer Kultur ist, die den Menschen zum "homo consumens" degradiert. Für diesen sind Profitmaximierung und Effizienz die entscheidenden Maßstäbe, sogar die Beziehungen sind dem Nützlichkeitsdenken untergeordnet. Darunter leiden in besonderer Weise die Armen und die Natur.
Der Ordensmann resümiert im Anschluss an seine Problemanzeige grundsätzlich:
"Nach all dem scheint es klar, daß Genügsamkeit oder ein eingeschränkter Lebensstil für das materielle und soziale Überleben der Menschen unbedingt notwendig sind."

Da fehlt doch was!?
Neukölln, Berlin, 2019.
Arrupe empfiehlt deshalb eine "Gesellschaft der Genügsamkeit", in der die Menschen "sich nicht mehr nach Besitz, sondern nach mehr Leben" sehnen. 

Allerdings weiß er um die Stolpersteine:
"Jeder gibt die Notwendigkeit von wirkungsvollen Schritten zu. Das kann nicht ohne große Opfer geschehen, aber wer ist bereit, sie zu bringen? Niemand unternimmt etwas, weil niemand eine genügend starke und überzeugende Motivation für die Art von Opfern hat, die ein genügsameres Leben erfordert. Der Arme sagt: 'Laß den Reichen beginnen; ich lebe schon genügsam genug!' Der Reiche fragt: 'Warum soll ich aufgeben, was ich mir rechtmäßig erworben habe? Es wird niemandem nutzen, wenn andere nicht genauso handeln. Sollen sie anfangen, dann werden wir ja sehen!' Und auf diese Weise unternimmt niemand etwas."

Einen ähnlichen Eindruck kann man auf den einschlägigen Konferenzen gewinnen und die Frustration darüber bewegt (nicht nur) junge Menschen wie die Schwedin Greta Thunberg und Tausende Schülerinnen und Schüler weltweit ("friday for future").
Denn das Dilemma ist natürlich allbekannt: Warum soll gerade ich auf meinen Urlaub im Süden verzichten? Muss denn alles gleich mit Verzicht zu tun haben?
Eine ganze Industrie ist damit beschäftigt, uns Konsumenten das Umweltgewissen ruhigzustellen und die persönlichen Kosten erträglich zu halten. Und einen Lebensstil pflegen, der gesellschaftlich möglichst anerkannt ist. Damit es nur ja nicht zu sehr weh tut und sich wie Verzicht oder Entbehrung anfühlt.

Hier ist Widerstand geboten. Denn wir werden nicht drumherum kommen. In den Siebzigern sprach Arrupe zu Ordensleuten, aber die Botschaft, um die es damals wie heute geht, betrifft auch uns und bleibt ein Stein des Anstoßes:
"Wir sollten auf viele Dinge, die uns notwendig erscheinen, verzichten."

Eigentlich ist es so einfach wie einleuchtend. Allein, die Umsetzung...!
Dabei folgt diese Aufforderung einer Logik, für die weder Religion noch Weltanschauung vonnöten sind, es ist einfach der Menschenverstand, der Genügsamkeit gebietet.
Das Christentum bietet jedoch eine naheliegende Motivation – statt als "homo consumens" zu leben, sind die Gläubigen aufgerufen, in den Spuren Jesu zu "homines servientes" zu werden, zu dienenden Menschen, die in ihrem Leben glaubwürdig die "Bekehrung zur Genügsamkeit" vorleben.
Und diese Bekehrung haben wir alle nötig.

Ich bin Pedro Arrupe sehr dankbar für diese hochaktuellen Gedanken.

Was brauche ich davon wirklich?
Holz im Hinterhof, Treptow, Berlin, 2016.

1   Über die Aufgabe der Orden in der modernen Konsumgesellschaft. Aus dem Vortrag zur Eröffnung des Dritten Interamerikanischen Kongresses für Ordensleute. In: P. Arrupe, Unser Zeugnis muss glaubwürdig sein. Ein Jesuit zu den Probleme von Kirche und Welt am Ende dees 20. Jahrhunderts. Ostfildern 1981, 143-156.

Samstag, 10. November 2018

Soldaten zu Bischöfen!? St. Martin und das Ende des Ersten Weltkriegs

Ein Gedanke zum gemeinsamen Feiertag von Weltkriegsende, in Frankreich derzeit mit großem Aufwand gefeiert, und dem Gedenken des Tagesheiligen Martin von Tours:

Das große Sterben auf den Schlachtfeldern und die inneren Verletzungen der heimgekehrten Soldaten prägen meinen Blick auf den Ersten Weltkrieg. Die überlebenden "Kriegszitterer" entsprachen nicht dem damals vorherrschenden Bild des heroischen Kämpfers, der ausgezogen war, um seiner Nation auf dem Schlachtfeld Ehre zu erringen.
Für die Deutschen war es zudem die Heimkehr in eine völlig neu entstehende politische Ordnung. "Mit Gott für Kaiser und Reich" (so ein Filmtitel von 1916) waren sie ausgezogen – zurück kamen sie im Gefühl, von Gott verlassen zu sein und Kaiser und Reich verloren zu haben. Bodenlos.

Stabilität und Fliehkräfte.
Neukölln, Berlin, 2018.
Wie geordnet wirkt auf mich dagegen die Welt der ausgehenden Antike:
Martin quittierte im römischen Heer seinen Dienst, weil das christliche Bekenntnis und der Kriegsdienst nicht zusammengingen.
Sein Werdegang vom Soldaten zum Bischof entwickelte sich der Legende nach zwar entgegen seinem Willen, aber es war ein Weg hinein in kirchliche Verantwortung als christliche Aufgabe.

Martin ist von seinen Kriegszügen in ein Leben der inneren Stabilität hineingegangen. Klare mentale Verhältnisse in seinem klaren Einstehen für den christlichen Glauben stelle ich mir vor, auch wenn die Kirche seiner Zeit ebenfalls durch umwälzende Krisen und Konflikte ging.

Für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wiederum ist bekannt, dass die christlichen Kirchen als stabilisierende Faktoren das Leben der einzelnen Gläubigen prägten, die nach dem Krieg Halt suchten. Eine Hinwendung zur Religion scheint nach den Schrecken eines Krieges psychologisch also durchaus nachvollziehbar.

Vielleicht findet sich hier die passendste Parallele zwischen Weltkriegsende und dem Heiligen Martin:
Im Krieg wird das ganze menschliche Welterleben erschüttert. Christsein kann ein möglicher Weg sein, dies zu verarbeiten. Dafür ist Martin ein prominentes Beispiel. Für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg allerdings muss man konstatieren, dass viele Menschen zunehmend die Nation für den richtigen Weg hielten, mit den Herausforderungen der Zeit umzugehen. 


Der Verfasser der Biographie des Heiligen Martin, Sulpicius Severus, stellt uns das Auftreten Martins vor dem Kaiser unter dem Stichwort des Dienstes vor: "Bis heute habe ich dir gedient, Herr, jetzt will ich meinem Gott dienen und den Schwachen. Ich will nicht mehr länger kämpfen und töten. Hiermit gebe ich dir mein Schwert zurück."

Die Sehnsucht nach Frieden trieb ihn zu Gott und die Sehnsucht nach Gott trieb ihn zum Frieden. 


Kritischer Nachsatz: Ich frage mich (gänzlich unhistorisch), warum dieser fromme Christ Martin unbedingt ein kirchliches Leitungsamt erhalten musste. Verdammter Klerikalismus! Weshalb diese Fixierung auf den Bischof? Hätte das Zeugnis eines Getauften, das Leben eines "einfachen" Eremiten (der er zeitweise war) nicht eine besondere, andere Strahlkraft entwickeln können?
Ich ärgere mich, dass Martin sich nicht heftiger gegen seine Inthronisierung zur Wehr gesetzt hat, um mit seinem Leben als christlicher Laie zu zeigen, wie lebendiges Christsein aussehen kann.

Allerdings ... (und nun folgen alle legitimen historischen und theologischen Gegengründe, die ich hier tunlichst nicht aufführe)

Donnerstag, 1. November 2018

Allerheiligen: Hochfest der Vielfalt

Der Gedanke kann kurz und bündig formuliert werden:

"Each saint was holy in his or her unique way, revealing how God celebrates individuality."1

So verschieden die Menschen, so verschieden auch die Heiligen.

Samstag, 13. Oktober 2018

"Fromm warst du ja, aber..." Oscar Romero und die Kirche der Armen

Du hast dich sehr bemüht, bist fromm gewesen, warst Rom treu und hast alle Regeln befolgt, dich mit den wichtigen Leuten gut verstanden und bist damit in der kirchlichen Hierarchie weit gekommen. Aber das Entscheidende fehlt dir noch - die Nähe zur Armut und den Armen!“

Ganz im Sinne des Sonntagsevangeliums (Mk 10,17-30) hätte Jesus mit solchen Worten zu Erzbischof Oscar Romero sprechen können, als dieser noch ein „guter“, und das heißt ein in schon lang vorhandenen Bahnen agierender Bischof in El Salvador war.
Dass Romero allerdings an diesem Sonntag heiliggesprochen wird, hat nicht damit zu tun, wie er bis Anfang 1977 sein Bischofsamt in dem von sozialen Verwerfungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen erschütterten Land in Mittelamerika ausübte.

Mittwoch, 26. September 2018

Cosmas und Damian – Heilung ist unentgeltlich

Im Evangelium (Lk 9,1-10) am Fest der heiligen Ärzte Cosmas und Damian lesen wir, dass Jesus seine Jünger losschickt, um zu heilen. Drei Gedanken dazu.

1 Christentum bedeutet Heilung
Gott will, dass wir heil werden. Und zwar an Seele und Leib.
Dazu sendet er die Christen, damit sie in seinem Namen Heilung und Heil wirken.
Denn es ist seit dem Beginn Teil der christlichen Botschaft und Praxis, auch für die körperliche Gesundheit anderer zu sorgen.

Montag, 17. September 2018

"Ihr Gesicht war mit Staub bestreut" Hildegard von Bingen über die Schande der Kirche.

Um 1170 schrieb die heutige Tagesheilige Hildegard von Bingen an Abt Werner von Kirchheim von einer Vision der Kirche in der Gestalt einer Frau.
Ihre Beschreibung der Kirchenverschmutzung durch ihre eigenen Amtsträger passt ganz gut zur heutigen Lage.
Hier ein Auszug:

Dienstag, 14. August 2018

Wen bevorzuge ich als Gefängnisseelsorger? Gedanken zu Mariä Himmelfahrt

Von Zeit zu Zeit werde ich gefragt, wie ich das denn mache bei meinen Gesprächen im Gefängnis. Ob ich nicht ab und zu der Meinung sei, ich hätte nun schon wieder dasselbe gehört wie gestern. Ob ich auch wirklich jede persönliche Tragik individuell würdigen könne. Und überhaupt, wie es denn sei, wenn so viele verschiedene Leute kommen und alle ernst- und wahrgenommen werden wollen – das ginge doch sicher nicht?!

Himmelwärts mit Hindernissen.
Vogelnetze, Zoologischer Garten, Berlin, 2017.
Tatsächlich muss ich sagen, dass das von meiner Tagesform abhängig ist.
Aber im Großen und Ganzen versuche ich, bei jeder Person, die mir gegenüber sitzt, ganz anwesend zu sein und ihr mit größtmöglichem Wohlwollen zu begegnen.
Ich kann und will nicht unterscheiden, wen ich mehr und wen ich weniger ernst nehme.
Kurz: Die wichtigste Person ist immer die gerade anwesende.

Wenn wir (bei aller bleibenden größeren Unähnlichkeit der Vergleichspartner in dieser Sache!) auch Gott als Seelsorger aller Menschen ansehen, der noch dazu immer bei jeder Person anwesend ist, hieße diese Aussage, dass ihm jede Person die wichtigste ist.
Das passt natürlich wunderbar zu grundlegenden Aussagen über Gott. Und auch dem modernen Bewusstsein für Gerechtigkeit kommt es entgegen.

Wie aber passt es zusammen mit dem, was die Kirche über Maria sagt, die der katholische Glaube mit so viel wunderbaren Wendungen und Namen besingt?
Man nehme nur die Marienlieder:
Maria ist dort die Gnadenreiche, Makellose, Engelsgleiche, Wunderschön prächtige, hohe und mächtige, liebreich holdselige himmlische Frau, Mutter der Barmherzigkeit, Patronin voller Güte, Pforte der Seligkeit, ...

Von Gott her geschaut scheint es da eine eindeutige Bevorzugung Mariens vor anderen Menschen zu geben.

Und bei allem Idealismus gibt es selbstverständlich auch für Seelsorger Personen, die einem näher sind als andere. Vielleicht würde ich sie nicht sooo ausufernd loben, aber die Unterschiede sind schon deutlich da, ob ich das nun will oder nicht.
Mit dem einen komme ich leichter ins Gespräch, mit anderen teile ich gemeinsame Erfahrungen (wie das Vatersein), andere kommen aus der gleichen Gegend wie ich...

Dieser Ungleichheit entkommt man auch bei Gott nicht.
Schon im Alten Testament zeigt sich, dass Gott recht wählerisch ist und manche Menschen vor anderen eindeutig bevorzugt – Abels Opfer nimmt er an, Kains will er nicht – was für Abel zum Verhängnis wird (vgl. Gen 4,1-8). Ähnlich geht es Joseph, dem Träumer, der von seinen Brüdern wegen der Liebe des Vaters und wegen seiner gottgesandten Träume beneidet und schließlich verkauft wird (vgl. Gen 37).
Schließlich erwählt Gott sich ein ganzes Volk auf Kosten der Anderen und verspricht sogar: "Weil du in meinen Augen teuer und wertvoll bist und weil ich dich liebe, gebe ich für dich ganze Länder und für dein Leben ganze Völker." (Jes 43,4)
Zugleich bekennen wir Gottes Willen, dass nicht nur einige, sondern „alle Menschen gerettet werden" (1Tim 2,4) und hoffen darauf, dass er am Ende der Tage die ganze Schöpfung heimholt zu sich.

Worauf will ich mit all dem hinaus?
Die Spannung zwischen der Vorstellung einer Gleichheit aller Menschen vor Gott und den biblischen Berichten einer eindeutigen Bevorzugung von Einzelnen ist krass.
Mir jedenfalls macht diese Spannung zu schaffen, vor allem angesichts der vielen besonderen Aussagen über Maria, von der unbefleckten Empfängnis über die jungfräuliche Geburt bis zu ihrer Aufnahme in den Himmel, die wir heute feiern.
Auch im Evangelium des Festes singt Maria davon, dass Gott Großes an ihr getan habe und alle Geschlechter sie nun selig preisen würden (vgl. Lk 1,49.48).

Wie lässt sich diese Spannung befriedigend auflösen?
Eine Lösung, die ich (größere Unähnlichkeit vorausgesetzt) für diese Spannung in meinem seelsorglichen Handeln gefunden habe, kam oben zur Sprache: Der aktuell Anwesende ist der Wichtigste. Auch wenn es mir bei jenen, die mir in irgendeiner Hinsicht ähnlicher sind, natürlich leichter fällt. 

Der Himmel steht uns offen!
Blankensteinpark, Friedrichshain, Berlin, 2018.
Vielleicht beruft auch Gott zur Mitarbeit an seinem Werk Leute, die ihm ähnlich sind1 – Maria wird gezeichnet als eine junge Frau, die sich bereitwillig einlässt auf die Geschichte Gottes mit ihr, als ein Engel ihr die Botschaft von der Geburt des wunderbaren Kindes bringt und die sich im heutigen Evangelium liebevoll um ihre schwangere Verwandte kümmert.
Tatsächlich erscheint Gott so im Neuen Testament: sich der Geschichte der Menschen öffnend und sie liebevoll begleitend.

Darüber hinaus stehen, wenn man genau hinsieht, Wohlwollen gegenüber allen und Bevorzugung Einzelner auch gar nicht in Widerspruch zueinander.
Auch die Aufnahme Mariens in den Himmel ist ja, wie betont werden muss, keine exklusive Auszeichnung nur für sie, sondern wird allen Menschen verheißen – aber zunächst nur von Maria ausgesagt.
Es ist dies die Konkretion einer allgemeinen Hoffnung, sichtbar geworden an Maria, der Mutter Jesu.2

Das vorausgesetzt, ist das heutige Fest ein Bekenntnis zu Gottes Kraft und Größe, an die wir Menschen nur ahnungsweise heranreichen: voller Liebe erhebt er eine Einzelne zu sich, um diese seine Liebe weiterfließen zu lassen auf alle. 



1   Inspiriert ist dieser Gedanke von J. Miles, Gott. Eine Biographie. 3. Aufl. München 2000, 102, wo es zu Gott in der Josephsgeschichte heißt: "Unterschwellig suggeriert der Text, daß Gott Joseph nicht bevorzugt hätte, wenn er nicht wie Joseph wäre, und da Joseph als liebevoll dargestellt worden ist, ist Gott vielleicht genauso. Wir bewegen uns hier, unnötig zu sagen, nicht im Bereich von Argumenten, sondern von Eindrücken." Trotzdem!
2   Vgl.zu diesem Gedanken: A. Müller / D. Sattler, Mariologie. In: In: T. Schneider (Hg.), Handbuch der Dogmatik 2. 2. Aufl. Düsseldorf 2002, 155-187, 186.

Mittwoch, 8. August 2018

Wo Liturgie und Widerstand sich treffen. Notizen

Die Feier der Liturgie schafft einen fragilen Begegnungsraum zwischen Gott und Mensch.

Damit dieser Raum entstehen kann, müssen die Versammelten von sich selbst absehen können und Gott suchen. Hinaustreten aus der eigenen Lebenswirklichkeit und tastend eintreten in die Sphäre des Himmels. Denn im Mittelpunkt dieses liturgischen Begegnungsraumes stehen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern Gottes Lobpreis. Alles Weitere tritt erst später dazu.

Montag, 30. Juli 2018

Eine religiöse Wahrnehmungsschule. Vom Zusammenhang der ignatianischen Spiritualität

Der spirituelle Weg, den Ignatius von Loyola vorschlägt, gleicht einer Wahrnehmungsschule, in der Sensibilisierungsübung und Reflexion miteinander verwoben sind.

Denn es gibt in der ignatianischen Spiritualität ein paar besonders prominente Übungen, die aus der Lebenserfahrung des Ignatius von Loyola in sein Exerzitienbuch eingeflossen sind und davon leben, dass der oder die Betende zunächst genau wahrnimmt und nicht sofort mit Gott zu sprechen anfängt.

Mittwoch, 11. Juli 2018

Die Kunst des einladenden Strafens. Impulse aus der Benediktsregel

Heute feiert die Kirche den heiligen Benedikt von Nursia, den Mönchsvater des Abendlandes. Er lebte Mitte des 6. Jahrhunderts in Italien und führte das zuvor schon bestehende Ordensleben in der Westkirche unter einer Regel zusammen, die viele Jahrhunderte lang die Vorstellung vom Mönchtum bei uns prägte.

Nun mag man der Meinung sein, das sei alles lang her und betreffe uns, die wir nicht den Wunsch nach klösterlichem Leben haben, gar nicht mehr. Und bei manchen einzelnen Bestimmungen ist das sicher auch der Fall. Aber es gibt einen Geist der Menschenfreundlichkeit, den diese Regel atmet und der auch uns heute durchaus etwas zu sagen hat.

Ich möchte das zeigen an der Art und Weise, wie in der Benediktsregel mit Strafen umgegangen wird, auch weil dies besonders gut zu dem Kontext passt, in dem ich mich gerade häufig bewege (und heute beim Gottesdienst im Gefängniskrankenhaus ein paar Worte diesbezüglich sagen will).