Sonntag, 16. Februar 2020

Modernisierung der Normen. Noch einmal zur Bibel und zu Jesu Antithesen

Ein Abschnitt aus meiner aktuellen Lektüre passt so gut zum heutigen Sonntagsevangelium, dass ich ihn der Predigt einfach noch nachschieben muss. 

In "Die Entstehung der Bibel"1 las ich gerade, wie die israelitische Elite, die im Anschluss an den Untergang Jerusalems 587 v.C. nach Babel deportiert worden war, dort nicht nur trauerte und ihre Theologie vom Handeln Gottes in der Geschichte grundlegend neu entwarf. Diejenigen, die später die Autoren der biblischen Schriften wurden, taten überdies einen grundlegenden Schritt über sich hinaus, indem sie "sich der Intellektualität ihrer Umgebung öffneten".2

Samstag, 15. Februar 2020

Innerlicher und intensiver! Was größere Gerechtigkeit heißen kann.

Es gibt beliebte Vorstellungen davon, wie Christen sein sollten:
Viele sagen, dass man von ihnen mehr erwarten könne als von anderen.
Sie sollten diejenigen sein, die sich auszeichnen durch Gutes. Die moralisch besser handeln. Die, wenn sie das nicht schaffen, sich wenigstens mehr bemühen. Und wenn auch das nicht klappt, dass sie immerhin zu ihren Fehlern stehen.

Mittwoch, 12. Februar 2020

Meine fünf schönsten Sätze aus "Querida Amazonia"

Schon schlagen die Wellen wieder hoch, was der Papst in seinem neuen Schreiben alles verhindert und verbietet. Keine Weihe für Verheiratete, keine Weihe für Frauen...
Auch ich kann nicht mit jeder Argumentationskette etwas anfangen und nicht jeder Akzent in diesem Dokument gefällt mir.
Aber ich habe es in Kürze einfach mal nach fünf schönen Sätzen durchsucht, die (ja, das ist nicht textgerecht und elende Rosinenklauberei...) auch für sich stehend eine gute Figur machen, ganz abgesehen von allem, was kirchenpolitisch noch dahinter steht oder stehen könnte.
Zitiert wird nach dem Wortlaut von Vatican News.

Dienstag, 11. Februar 2020

Politik vs. Familie. Im Gedenken an Nelson Mandela

Welche Prioritäten setzt ein Freiheitskämpfer, wenn er zugleich noch eine Familie hat?

Aus Anlass des 30. Jahrestages der Freilassung von Nelson Mandela aus seiner Haft am 11. Februar 1990 möchte ich diesen Gedanken aus seiner Autobiographie aufgreifen.

Nach einigen Jahren der Arbeit als Anwalt und der politischen Tätigkeit in Johannesburg besuchte Mandela seine Mutter in der alten Heimat und fragte sich, wie er selbst gesteht "nicht zum erstenmal -, ob es gerechtfertigt sei, das Wohlergehen der eigenen Familie zu vernachlässigen, um für das Wohlergehen anderer zu kämpfen."1

Samstag, 8. Februar 2020

Was für ein Licht? - Was für ein Licht! Drei Reflexionen zu Mt 5,14

"Ihr seid das Licht der Welt." (Mt 5,14), sagt Jesus im Evangelium des Sonntags (Mt 5,13-16).

1.
Es muss am Mittwoch eine Menge geborstener Leuchtstoffröhren im Thüringer Landtag gegeben haben.
Jedenfalls kann ich mir nur so die moralische Verdunkelung erklären, die sich in den Fraktionen von CDU und FDP breitgemacht hatte. Blindheit und Borniertheit waren anscheinend so groß, dass die Abgeordneten dieser beiden Parteien sich lieber für ein Spiel mit Nazis entschieden haben, als den gemütlich-linken Ramelow zu wählen.

Mittwoch, 5. Februar 2020

Irgendwie unbeteiligt. Über kirchenpolitische Debatten.

Es ist so fern von mir, was da in der Kirche gerade passiert.
Vielleicht liegt es daran, dass ich mich aktuell wenig im katholischen Milieu bewege – und wenn, dann eher, um Persönliches zu besprechen und nicht Kirchenpolitik.

Und ich bin darüber selbst ein wenig überrascht, wie wenig mich das alles berührt – ein emeritierter Papst, der zurückgezogen leben und schweigen will, mischt sich mit diversen Vorworten und Artikeln immer wieder in aktuelle Debatten ein, ein getriebener US-Präsident versucht bei einem Pro-Life-March, sich katholisches Wählerklientel zu erobern, die deutschen Kardinäle Woelki und Müller betonen mehr oder weniger ungeniert und unhöflich ihre Missachtung der ersten Versammlung des Synodalen Wegs in der deutschen katholischen Kirche.

Es gäbe also Gründe genug, um sich aufzuregen oder mitzuschreiben.

Samstag, 1. Februar 2020

"Urlaub vom Galgen" Zum 75. Todestag von Alfred Delp

LL., heute ist ein harter Tag. Nun sind alle meine Freunde und Gefährten tot, nur ich bin zurückgeblieben. Hier jetzt der Einzige im Eisen. Was dahintersteht, weiß ich noch nicht, vermute jedoch nichts Gutes. …  Ich bin sehr müde vor Traurigkeit und Schrecken. Menschlich wäre es leichter, mitzugehen. …1

So schreibt der Jesuit Alfred Delp am 23. Januar 1945 in der Berliner Strafanstalt Tegel. Auf kleinen Zetteln notiert er seine Gedanken und Bitten und lässt sie durch den evangelischen Gefängnispfarrer Harald Poelchau an Freunde und Unterstützer übermitteln. Helmuth James von Moltke, Nikolaus Groß und Eugen Bolz waren an jenem 23. Januar hingerichtet worden, so wie es auch Delp für sich erwartete.
Doch er wurde erst am 02. Februar 1945, heute vor 75 Jahren, in Plötzensee hingerichtet.

Montag, 27. Januar 2020

Vor dem Tod erinnern! Persönlicher Gedanke zum 27. Januar 

So wie jedes Jahr wollte ich viele Worte zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus schreiben.

Aber nun ist gestern mein Großvater gestorben. Jahrgang 1935, nach dem Krieg aus Schlesien vertrieben, kein Opfer der Nationalsozialisten, aber ein von der kriegsbedingten Vertreibung lebenslang Geprägter.

Am Totenbett wurde mir einmal mehr klar: Erinnerung und ehrendes Gedenken sind gut und schön, nur leider ersetzen sie nicht das Gespräch.

Samstag, 25. Januar 2020

Kafarnaum und Višegrad. Herkunft bei Jesus und Saša Stanišić

"Ich sehe zum verfallenen Haus meiner Urgroßeltern, ich verstehe so vieles nicht. Nicht, wie das Knie funktioniert. Ernsthaft religiöse Menschen so wenig wie Menschen, die Geld und Hoffnung in Magie, Wettbüros, Globuli oder Hellseherei (außer Nena Mejrema) setzen. Ich verstehe das Beharren auf dem Prinzip der Nation nicht und Menschen, die süßes Popcorn mögen. Ich verstehe nicht, dass Herkunft Eigenschaften mit sich bringen soll, und verstehe nicht, dass manche bereit sind, in ihrem Namen in Schlachten zu ziehen. Ich verstehe Menschen nicht, die glauben, sie könnten an zwei Orten gleichzeitig sein (falls das aber wirklich jemand kann, möchte ich es gern lernen)."1

So schreibt Saša Stanišić in seinem preisgekrönten Buch "Herkunft" von seiner Skepsis gegenüber bestimmten Vorstellungen von Abstammung und Herkunft. Ihn scheint das Fluide und nicht Festgelegte mehr zu faszinieren und zu überzeugen. Und ich muss sagen, dass ich mir viel von dieser Skepsis einerseits und Faszination andererseits zu eigen machen kann. Wenn auch nicht alles.

Donnerstag, 23. Januar 2020

"Leb wohl, mein Herz." Helmuth James von Moltke schreibt den letzten Brief an seine Frau.

Helmuth James von Moltke gehört zu den großen Persönlichkeiten des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus. Als Mitinitiator des Kreisauer Kreises wollte er eine andere gesellschaftliche und ethische Ordnung errichten als jene, die vom NS-Regime erzwungen wurde.

Dafür bezahlte er am 23. Januar 1945, heute vor 75 Jahren, mit dem Leben. Er wurde hingerichtet in Plötzensee, dem Gefängnis, in dem ich derzeit als Gefängnisseelsorger arbeite.

Die letzten Monate vor seinem Tod stand er noch einmal in intensivem Kontakt mit seiner Frau Freya von Moltke. Nach der Verhaftung im Januar 1944 verbrachte Moltke die meiste Haftzeit im Gefängnis des Konzentrationslagers Ravensbrück.
Seit dem 28. September 1944 war er in Tegel inhaftiert.
Dort half der evangelische Gefängnispfarrer Harald Poelchau unter der beständigen Gefahr entdeckt und selbst hingerichtet zu werden, fast täglich die Briefe zwischen Freya und Helmuth zu schmuggeln. Sie sind ein Dokument der Liebe, publiziert als "Abschiedsbriefe Gefängnis Tegel. September 1944 – Januar 1945."1

Mittwoch, 22. Januar 2020

Regeltreue ist kein christliches Primärziel. Drei Fragen zum Tagesevangelium

Eigentlich sollte ich heute einen Gottesdienst im Haftkrankenhaus feiern. Aber durch verschiedene Umstände sitze ich nun zu Hause und stelle die Fragen, die sich aus dem Tagesevangelium (Mk 3,1-6) ergeben, einfach hier im Blog.

Freitag, 17. Januar 2020

"Seht das Lamm Gottes" – Kurze Gedanken zu einem Satz von Johannes dem Täufer

Ich bin gerade nicht fähig, lange Sätze zu geistlichen Themen zu schreiben. Würde auch gern aktuelle Bezüge zu kirchlichen und weltlichen Geschehnissen herstellen, kann's nur nicht.
Darum bloß einige kurze Sätze zum Evangelium am 2. Sonntag im Jahreskreis (Joh 1,29-34):

Mittwoch, 15. Januar 2020

"Die Welt ist dumm" - Eine Lyrikbetrachtung von damals für heute.

Folgender Text von mir wurde 2011 in der Zeitschrift "Jesuiten" zum Thema "Liebe" veröffentlicht. 
Dieser Tage habe ich nicht die Ruhe und Muße, aktuelle Texte zu schreiben, darum bringe ich ihn hier noch einmal (minimal redigiert). 
Dazu passt, dass sich Ende Januar mein Ausscheiden aus dem Orden jährt. Wahrscheinlich war dieser Text schon ein Vorgeschmack auf die Entscheidung zum Austritt. Aber lest selbst:

Sonntag, 5. Januar 2020

Aufbruch – Unglaube – Veränderung. Oder: Was ich dem Kinde bringen kann

Die Geschenke der drei Weisen aus dem Morgenland sind bekannt. Sie machten sich auf den Weg zum neugeborenen König der Juden und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. So berichtet es der Evangelist Matthäus (Mt 2,1-12).

Mit Blick auf die in der Bibel überlieferte Geschichte können wir uns inspirieren lassen, was unsere Geschenke sein könnten, die wir Gott bringen.

Mittwoch, 1. Januar 2020

Erhebet die Herzen. Eucharistie am Jahresanfang 

Ich liebe es, das Jahr mit einer Eucharistiefeier zu beginnen. Die Haltungen des Hörens, Betens, Singens, Kniens, Empfangens sollen mein Jahr prägen.

Heute war ich besonders berührt, als von Versöhnung und Frieden die Rede war. Aber auch die liturgischen Dialoge haben mich angesprochen: Priester und Gemeinde sagen sich am Beginn des eucharistischen Hochgebets gegenseitig Gottes Gegenwart zu. Dann fordert der Priester die Versammelten auf: „Erhebet die Herzen!“ und alle antworten: „Wir haben sie beim Herrn.

Nur gelingt das recht selten.