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Samstag, 15. Januar 2022

Dein Wasser reicht gegen den Frust. Predigt zum Weinwunder in Kana (Joh 2,1-11)

Ich kann die Angst vor der Unzufriedenheit der Gäste förmlich spüren. Da sind das ganze Dorf und viele auswärtige Gäste zusammengekommen und wollen feiern. Sie wollen den tristen Alltag endlich mal für ein paar Stunden (oder Tage!) verlassen und es sich richtig gut gehen lassen.
Und dann ist der Wein alle. Das heißt, die Party wird bald vorbei sein.
Was muss das für ein Ärger für die Einladenden sein, wenn sogar schon bis zu den Gästen durchdringt, dass nicht mehr weitergefeiert werden kann! Was für eine Enttäuschung, was für ein Frust.

Aber wozu bei der biblischen Geschichte stehenbleiben?

Samstag, 4. Dezember 2021

Alles im Fluss. Maria und Josef unterwegs

„Jetzt geht es mir schon viel besser. Ich habe meinen Laufrhythmus gefunden und bin richtig gut in Gang gekommen.

Der Aufbruch ist meistens das Schwerste, ich gebe es ja zu. Mich aufraffen und losgehen – noch dazu in so einer Situation – das kostet mich eine unheimliche Energie. In dieser Krisenzeit ist alles in mir so matt und fühlt sich so anstrengend an. Schon das Aufstehen zehrt an meinen Kräften.
Aber jetzt habe ich meinen toten Punkt überwunden – und siehe da, es ist gar nicht so schlimm!

Freitag, 29. Oktober 2021

Ich will meiner Sehnsucht folgen. Predigt am Anfang

„Ich will meiner Sehnsucht folgen“ – so haben wir diesen Gottesdienst überschrieben.

Doch wem oder was folge ich eigentlich, wenn ich meiner Sehnsucht folge? Ist das Thema nicht viel zu wenig religiös und dafür sehr selbstbezogen und egoistisch? Und überhaupt – machen das nicht sowieso alle, ihrer Sehnsucht folgen?

Die einen sagen: Wer seiner Sehnsucht nachgeht, macht einfach das, was ihm am Herzen liegt und wonach ihm ist. Jeder und jede weiß schon was gut für ihn und sie ist. Wer das nicht tut, weil er oder sie lieber Karriereerwägungen folgt oder äußerem Druck (zum Beispiel aus der Familie) nachgibt oder wer sich an Social-Media-Vorbildern orientiert, die ihm nicht entsprechen, der ist dann eben selbst schuld. Und findet sich letztlich nicht mehr im eigenen Leben wieder, sondern lebt die Vorstellungen anderer. Fremdbestimmt, nicht selbst entschieden.

Andere meinen: Es ist dir doch gesagt, was du zu tun, zu denken und zu glauben hast! Die Bibel, die Kirche, die Tradition der spirituellen Meister nehmen dich an die Hand. Deine Sehnsucht kannst du stecken lassen, denn der Weg ist bereits gebahnt! Geh ihn und alles wird gut.

Samstag, 8. Mai 2021

Zumutung der Rückkehrer. Das Kriegsende und die versehrten Väter

Das Gedenken an das Kriegsende ist ein Grund zur Freude – wir leben im Frieden! Tod und Zerstörung haben ein Ende gefunden und ein Neuanfang war möglich.

So das gängige Narrativ. Allerdings lag Deutschland moralisch, materiell und ideologisch am Boden. Für einen Anfang mit etwas Neuem mag das einerseits eine gute Ausgangsposition sein. Doch andererseits schleppte die kaputte Nation die Geister ihrer braunen Vergangenheit, Schuld und Leid, weiter mit sich. Da gab es keinen sauberen Schnitt (wie ich hier und hier auch schon anmerkte).
Gerade in den Familien mussten sich die versehrten Väter, Brüder, Söhne neu einfinden, teilweise nach jahrelanger traumatisierender Kriegsgefangenschaft.

Monika Maron beschreibt in ihrem tragisch-genialen Wende-Liebes-Roman „Animal Triste“ die als hochproblematisch empfundenen Emotionen:

Donnerstag, 29. April 2021

dankbar. Ein Stimmungsbild

Ich weiß, dass das in der jetzigen Zeit komisch klingen mag, aber ich bin gerade sehr dankbar.

Das hat auch damit zu tun, dass sich in meinem Leben aktuell eine Menge ändert: ein Umzug in eine andere Stadt steht an (Frankfurt an der Oder!), damit verbunden eine neue Arbeitsstelle (noch geheim).

Im Hintergrund stehen auch noch die Impfung, die jetzt demnächst kommt und die konkrete Hoffnung auf ein mittelfristiges Ende der einschneidendsten Corona-Probleme.

Sonntag, 4. April 2021

Großostern oder Kleinostern? - Feiern wir das Leben!

1.
Vielleicht haben Sie in diesem Jahr ja schon Kleinostern gefeiert – einen dieser Ostermomente in unserem Leben:

Wenn jemand nach einer schweren Krankheit wieder gesund geworden ist.

Wenn sich Familienmitglieder nach einem Streit wieder vertragen.

Wenn nach dem langen Winter endlich der Frühling beginnt.

Wenn jemand nach einer Haftstrafe neu anfängt.

Wenn eine rettende Impfung kommt.

 

Freude, Erleichterung, Aufatmen, Mut fassen – das dazu gehörende Spektrum der Gefühle und Stimmungen ist breit.

Samstag, 20. März 2021

Die Frucht und der Kampf. Zwei gegensätzliche Kirchenerfahrungen

Diese Woche haben mich zwei sehr gegensätzliche Erfahrungen von Kirche bewegt.

Beim Meditieren der Texte des Sonntags, vor allem des Evangeliums (Joh 12,20-33) schien mir, dass diese Erfahrungen gut zu zwei Passagen des Sonntagsevangeliums passen.


Da ist zum einen meine Ausbildung – ich absolviere gerade zwei Wochen eines insgesamt sechswöchigen Kurses "Klinische Seelsorge Ausbildung" (KSA), der dieses Mal pandemiebedingt online stattfindet. Organisiert durch ein evangelisches Seelsorgeinstitut und mit einer Reihe evangelischer Pfarrer und SeelsorgerInnen als Teilnehmenden erfahre ich dort eine sehr schöne Weise, wie Kirche glaubwürdig ökumenisch miteinander arbeiten und beten kann.

Dienstag, 8. Dezember 2020

Heilszeit 8 – Rein in "Milchmann" von Anna Burns

Im folgenden Text wird der Freund der Erzählerin in den höchsten Tönen gelobt.

Und wie das geschieht, erinnerte mich doch sehr an das heutige Fest der "Unbefleckten EmpfängnisMariens" – Inhalt des Festes ist der Glaube daran, dass Maria von Geburt an rein war, also schon vorweg von den Leiden und Sünden des Menschseins geheilt, um Jesus auf die Welt zu bringen. Klingt vielleicht verrückt, aber nicht viel verückter als das folgende Liebesbekenntnis:

Donnerstag, 8. Oktober 2020

Gutes nicht übersehen! Zum Tod von Ruth Klüger

Nachdem ich bei meinem Freiwilligendienst vor fast zwanzig Jahren in der Ukraine mit vielen Überlebenden aus deutschen Konzentrationslagern zu tun hatte, las ich sehr eine Menge KZ-Erinnerungen.

Kein Zeugnis hat mich so nachhaltig beeindruckt wie das von Ruth Klüger, die am 6. Oktober diesen Jahres in Kalifornien gestorben ist.

Die analytische und völlig unpathetische Weise, den Schrecken ihrer Erfahrungen zu schildern, driftet nie ins Unpersönliche oder Empathielose. Trotz aller kritischen Härte spricht große Menschlichkeit und Weisheit aus ihrem Erinnerungsbuch "weiter leben".1

Beim Durchblättern meiner vor einigen Jahren erst gelesenen Ausgabe habe ich gerade eine Reflexion wiederentdeckt, die mich damals sehr nachdenklich machte.

Samstag, 12. September 2020

Wie lerne ich, gern zu vergeben? Predigt im Gefängnis

Mitten in die Predigtvorbereitung über das heutige Evangelium von der Vergebung (Mt 18,21-35) wird mir in der Nacht zu Freitag mein Fahrrad aus dem Hof geklaut. Das vierte geklaute Rad in acht Jahren in Berlin.
Da fällt es mir schwer, über Vergebung nachzudenken.
Weil ich selbst betroffen bin.
Sitze ich in der JVA jemandem gegenüber, der von seinen Straftaten erzählt, kann ich leichter Verständnis aufbringen. Ich bin ja nicht der Geschädigte, nur der Seelsorger, der dann die Lebensumstände und den Suchtdruck des Inhaftierten bedenkt und sich wohlwollend verhalten kann.
Aber wenn es um mich selbst geht, werde ich aggressiv.
Und dann dieses Evangelium!

Samstag, 21. März 2020

Knast im Kopf. Gedanken zu Haft und Ausgangssperre

"Das lasse ich mir nicht bieten! Das ist Nötigung!"

So oder ähnlich höre ich es von Zeit zu Zeit in seelsorglichen Einzelgesprächen in der Haftanstalt, wenn sich Inhaftierte über das Verhalten von Vollzugsbeamten aufregen. Das Gefühl für Beschränkungen der persönlichen Freiheit ist auch in Haft intensiv ausgeprägt. Nach dem Motto: Wenn schon inhaftiert, dann will ich wenigstens nicht noch mehr Einschluss in meiner Zelle als unbedingt nötig.

Da nun in der ganzen Republik Ausgangsbeschränkungen und Betretungsverbote eingeführt werden, fällt mir natürlich sofort ein, dass die Inhaftierten in den Haftanstalten dies tagtäglich erleben: eine strenge Reglementierung der Bewegungsfreiheit.

Donnerstag, 5. März 2020

Bibel-Mini 2 - Heimatloser Abraham

Es gibt in Christoph Heins Roman „Landnahme“ eine Schlüsselszene, in welcher der Nachkomme eines aus den ehemals deutschen Ostgebieten Vertriebenen nun fremdenfeindliche Parolen brüllt - und klar wird, wie kurz die Erinnerung währte. Es brauchte nur eine Generation, bis die Kinder der nach dem Krieg verunglimpften Flüchtlinge sich selbst als Herren im Lande fühlen.

In der Bibel existieren viele Stellen, die die Erinnerung daran wachhalten sollen, dass die Hörenden selbst Nachkommen eines Heimatlosen sind. Eine dieser Stellen findet sich im Buch Deuteronomium:

Mittwoch, 1. Januar 2020

Erhebet die Herzen. Eucharistie am Jahresanfang 

Ich liebe es, das Jahr mit einer Eucharistiefeier zu beginnen. Die Haltungen des Hörens, Betens, Singens, Kniens, Empfangens sollen mein Jahr prägen.

Heute war ich besonders berührt, als von Versöhnung und Frieden die Rede war. Aber auch die liturgischen Dialoge haben mich angesprochen: Priester und Gemeinde sagen sich am Beginn des eucharistischen Hochgebets gegenseitig Gottes Gegenwart zu. Dann fordert der Priester die Versammelten auf: „Erhebet die Herzen!“ und alle antworten: „Wir haben sie beim Herrn.

Nur gelingt das recht selten.

Freitag, 13. Dezember 2019

Geliebt 13 – Tolpatsch in "Der Widersacher" von Emmanuel Carrère

Jean-Claude Romand scheint ein durchschnittlicher Franzose mit einem durchschnittlichen Leben und einem guten Job zu sein. Eines Tages aber ermordet er erst seine Frau und seine beiden Kinder, zündet anschließend sein Haus an, tötet dann seine Eltern und versucht am Ende sich selbst das Leben zu nehmen. Emmanuel Carrère hat seine Geschichte recherchiert und in seinem Buch "Der Widersacher" zu sich selbst ins Verhältnis gesetzt. Hier erzählt er vom frühen Familienglück:

Mittwoch, 16. Oktober 2019

"Wie ein Baum am Wasser gepflanzt" Meine Kraftquellen und meine Früchte

Vor ein paar Tagen habe ich einen geistlichen Impuls für die Mitarbeiterinnen (und einen Mitarbeiter) eines Berliner Altenheims der Caritas gehalten. Das ging ungefähr so:


Das Bild des Baumes als Symbol des Lebens und der Kraft ist in vielen Religionen und auch im Christentum bekannt.
Menschen sind zwar keine Bäume – aber auch sie brauchen Wurzeln und auch sie bringen Früchte. Ein prominentes Bild aus der Bibel findet sich beim Propheten Jeremia:
Gesegnet der Mensch, der auf den HERRN vertraut und dessen Hoffnung der HERR ist. Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und zum Bach seine Wurzeln ausstreckt: Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, er hört nicht auf, Frucht zu tragen." (Jer 17,7f)

Samstag, 12. Oktober 2019

Jesu miese Erfolgsquote. Von Heilung und Dank und Glaube und Liebe

Im Vordergrund des Evangeliums vom Sonntag (Lk 17,11-19) steht Jesus als Heiler. 
Jedenfalls auf den ersten Blick. 
Denn schnell schiebt sich etwas ganz anderes in den Vordergrund – nämlich die Tatsache, dass da einer der Geheilten zu Jesus zurückkehrt, um ihm zu danken. Doch auch daran schließt sich in der Lesung noch ein weiteres Thema an: Die Frage, was für Jesus ein Erfolg gewesen wäre – die Heilung all dieser Kranken oder ihre dankbare Umkehr.
Es wird also in meiner Predigt drei Punkte geben: 1. Aussatz und Heilung, 2. Dankbarkeit und Glaube, 3. Erfolg und Misserfolg.

Samstag, 5. Oktober 2019

Gottes Großzügigkeit stärkt den Glauben

Ich habe gerade eine Woche Wanderexerzitien, das heißt eine Woche Wandern in Gebet und Schweigen, hinter mir. 
In den Bergen Österreichs klappt das (trotz wechselndem Wetter) ganz wunderbar. 
Dort wurde mir in gewisser Weise auch die Bitte erfüllt, die die Jünger im heutigen Evangelium vor Jesus bringen (Lk 17,5-10): „Stärke unseren Glauben." (v5)

Ich habe gespürt: Die Welt ist so voll von der Großzügigkeit Gottes. Wer sehenden Auges und offenen Herzens durch die Natur geht, kann erfahren: Gott teilt seine Gaben im Überfluss aus und wer sich diesem Reichtum öffnet (so wie ich es versucht habe), fühlt sich beschenkt. Dann wird Dankbarkeit sich ausbreiten. So jedenfalls war es bei mir. 

Einen Teil dieser Überfülle der Natur möchte ich hier mit Fotos andeuten.

Samstag, 30. März 2019

Die Heimkehr des Sohnes. Ein meditatives Puzzle

Heute mal eine Art Puzzle, aus dem ich die mir gemäßen Sätze zum Evangelium am Sonntag Laetare mit der Geschichte vom barmherzigen Vater herauspicken und zusammenstellen kann. 


Es sind noch Plätze frei.
Tübke-Villa, Leipzig, 2018.
Ich komme nach Hause.
Das heißt:

ich habe genug
ich brauche mich nicht mehr mit fremden Menschen umgeben
ich habe es geschafft
ich muss nicht mehr arbeiten
ich kann endlich ausruhen
ich darf mich anlehnen
ich muss nicht mehr funktionieren


Allerdings hatte ich ursprünglich nicht vor, zu dir zurück zu kommen.
Das heißt:

ich habe mich verschätzt
ich konnte mich nicht zurecht finden
ich musste aufgegeben
ich bin ein Versager
ich habe dich enttäuscht
ich fürchte mich vor dem, was jetzt kommt 
ich will mich nicht länger verkriechen
ich will dich eigentlich nicht sehen
ich erwarte nicht, dass du mich annimmst


Unerwartet stehst du in der Tür und wartest auf mich.
Das heißt:

Du hast mich nicht aufgegeben
Du willst dich nicht rächen
Du freust dich auf mich
Du möchtest mich bei dir haben
Du bist nachsichtig
Du gibst mir noch eine Chance
Du stehst auf meiner Seite
Du schaust großzügig auf meine Fehler 


Was ist meine Antwort darauf? 

Angebrannt und trotzdem schön.
Neukölln, 2017.

P.S. Ein titelgleicher Beitrag zu einem gänzlich anderen Thema findet sich hier.

Freitag, 18. Januar 2019

Reflexionen aus dem belanglosen Leben im Anschluss an die Hochzeit in Kana

Die Geschichte von der Hochzeit in Kana (Joh 2,1-10), bei der Jesus Wasser zu Wein wandelt, wird oft gedeutet als ein Zeugnis von Jesu Kraft, aus dem normalen Alltagsbestand (das zum Waschen, Trinken, Reinigen bestimmte Wasser) einen Genuss (der tolle Wein) zu machen.

Seit ich mich vor diesem Sonntag mit dem Text auseinandersetze, frage ich mich, ob ich dazu etwas schreiben kann.
Denn seit der Rückkehr aus dem Silvesterurlaub trudeln die Tage nur so an mir vorbei, ohne dass ich einen klaren Gedanken finden kann. Also auch keinen klaren dazu!?

Leere Rahmen - Bilder wie immer irgendwie dazu.
Rudow, Berlin, 2018.
Verstärkt wird dieses Gefühl, nichts zu sagen zu haben, durch die eher grundsätzlich Frage, ob ich in diesem Blog noch etwas schreiben will. Religiöse Themen muss ich gerade eher mit Gewalt an mich heranziehen, literarische Entdeckungen mache ich in den gerade gelesenen Büchern auch nicht wirklich.
Und überhaupt – wie bisher aus jedem biblischen Text eine Weisheit an den Haaren ziehen, das ist mir selbst ein bisschen suspekt, und doch weiß ich keine andere Art zu schreiben, keine andere zu denken vielleicht.
Im Endeffekt ist die Stimmung diesbezüglich: Lustlos, ausgelaugt, resigniert. Der Wein ist alle. 

Beste Voraussetzungen also, um nach der Verwandlung Ausschau zu halten, die das Evangelium verheißt...?!

Was ist also das Normale, das rangeschafft wird, damit Jesus etwas daraus macht?

In der Berliner Nasskälte bin ich dauerkränkelnd nach der Rückkehr aus der Toskana, wo alles sonnig, schön und auch ein wenig (aber wirklich nur ein wenig) kalt war.
Jetzt dagegen: Viel Grau, kein weiter Blick mehr, drückende Luft, Schmutz und Ekel in den Straßen.
Die Bücher, die ich gerade lese bzw. gelesen habe, sind nicht schlecht, aber auch nicht umwerfend, was ich vor allem daran merke, dass ich mir keine Notizen mache und keine Seiten merke, aber auch nicht hinwerfe. Na gut, letzteres liegt mir sowieso nicht.
Das Humboldt-Buch von Andreas Wulf war zwar anregend und spannend, aber irgendwann viel zu lang und sich in Neben- und Nachgeschichten verheddernd, außerdem voller Wiederholungen in enervierend immer gleicher Wortwahl.
Dann schleife ich immer noch Esther Kinskys „Hain" hinter mir her. Mein Eindruck, dass es keine Geschichte ist, die eine Entwicklung erzählt, sondern Miniaturen, die manchmal gar nicht schlecht sind, aber auch die sind nervtötend langsam und lang. Der Grundton der Trauer, der das Buch durchzieht, verbessert die Sache nicht.
Weiterhin die Einsicht, dass ich nicht viel zu sagen habe und auch keine ausreichend guten Worte, um das dann wenigstens gut zu präsentieren.
Die Arbeitsstellen könnten dissonanter nicht sein: Einmal fühle ich mich weitgehend überflüssig, einmal bin ich so gefragt, dass ich nur noch hinterher hetze und kein Gefühl für die Qualität meines Tuns mehr habe. Und viele Leute enttäuschen muss.
Die Kinder kränkeln auch, meine Frau arbeitet, wir sehen uns abends, reden etwas, gehen zu Bett.
Politische Ereignisse (Datenleck, Brexit-Chaos, Flüchtlingsschiffe, AfD-Querelen, US-Shutdown, Dauer-Klima-Krise) ziehen eher so neben mir vorbei, ohne dass ich den Eindruck habe, dass mich davon irgendetwas tiefer berühren kann.

Bei all dem fühle ich mich an einer belanglosen Oberfläche festgenagelt, matt, nutzlos und ohne Antrieb. „Bis zum Rand" gefüllte Wasser-Tage (vgl. v7).
Also suche ich mal die Perlen.

Kleines Glück. Trotz allem.
Toskana, 2018.
Was mich beglückt hat in diesen letzten Tagen: 

Die Facebook-Einträge eines ehemaligen Mitstudenten mit zeitversetzten Logbuch-Notizen über einen Aufenthalt in der Psychiatrie: knapp, eindrücklich, offen.
Die Stimme von SabineDevieilhe (zugegebenermaßen entdeckt, weil von youtube empfohlen), die wirklich eine grandiose Offenbarung ist.
Das Schreib- und Lesebedürfnis meiner vierjährigen Tochter.
Der Lesungstext vom Donnerstag, dem 17. Januar, meinem Tauftag – ein Aussätziger kommt zu Jesus und wird geheilt (Mk 1,40-45).
Ein paar kurze Begegnungen mit Kiezbekanntschaften auf der Straße.
Die Umarmungen meiner eineinhalbjährigen kranken Tochter.
Ein Foto, das ich am Mittwoch, 16.01., auf dem Weg zum Gefängnis aufgenommen habe.
Und schließlich der Stil der Essays von David Foster Wallace in „Der Spaß an der Sache", der mich einerseits deprimiert, weil auf den Boden der Realität holt, andererseits aber beflügelt, jetzt überhaupt wieder zu schreiben.

Wahrscheinlich ist es diese Sammlung schon. Ein Wein-Wunder.
Aufschreiben als Therapie und Weg zum Genuss.
Jedenfalls für mich. Jedenfalls ein wenig.

Sonntag, 6. Januar 2019

Die wollen nix haben, sondern was bringen! Predigtgedanken zum Dreikönigsfest

1. Auf der Suche
Die Geschichte ist altbekannt: Nach dem Matthäusevangelium (Mt 2,1-12) machen sich Weise aus einem fernen Land auf den Weg, um den neugeborenen König der Juden zu finden. Sie werden als "Magoi" bezeichnet und kennen sich mit Sternenkonstellationen aus, so dass sie in den deutschen Übersetzungen mal als Magier, mal als Sterndeuter, mal einfach als Weise bezeichnet werden. Von den alten Völkern des Ostens (im heutigen Irak und Iran) war bekannt, dass sie sich mit den Sternen beschäftigten, deshalb lag die Herkunftsbezeichnung nahe. Es waren also keine gläubigen Juden und trotzdem hatten sie Interesse daran, was in Israel an wichtigen Ereignissen passieren würde, wenn schon so besondere Sternenkonstellationen zu sehen waren. Ihre Daten aus den Sternen glichen sie darum bei den Schriftgelehrten Jerusalems mit den Angaben aus der Bibel ab (vv4-6).

Suche nach dem Richtigen.
Comenius-Garten, Neukölln, Berlin, 2018.
Die Sterndeuter bemerkten etwas Besonderes, das sie in ihrer Lebenswelt (Sternbeobachtung) anspricht. Sie deuten dieses Besondere als das Zeichen eines neuen Königs.
Und nun kommt das Entscheidende: Als sie das Zeichen für die Ankunft des neuen Königs gesehen haben, bleiben sie nicht in ihren Sesseln sitzen, sondern machen sich auf den Weg und suchen ihn.
Erst gehen sie dafür ins Zentrum der Macht dieses kleinen Landes, in den Königspalast nach Jerusalem – aber dort finden sie den neugeborenen König nicht. Also lassen sie sich beraten und gehen weiter.

Mir gefällt das: Losgehen auf ein Zeichen hin, das mir was sagt. Suchen. Mich nicht irre machen lassen, wenn ich nicht sofort am ersten Ort was finde. Und schließlich gut beraten weiter gehen.

Gott sagt ja im Alten Testament von sich: "Ihr werdet mich suchen und ihr werdet mich finden, wenn ihr nach mir fragt von ganzem Herzen. Und ich lasse mich von euch finden" (Jer 29,13f.).
Jesus bestätigt das später im Neuen Testament: "Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet! Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet." (Mt 7,7f)

Das ist auch an uns gerichtet: Wenn wir uns auf den Weg machen und Gott suchen, dann finden wir ihn. Nur müssen wir losgehen; manchmal jeden Tag neu.
Aber wie macht man das, werden manche sich fragen. Hier im Gefängnis würden ja viele sehr gern losgehen, egal wohin.
Der Theologe Karl Rahner hat die Antwort darauf kurz auf den Punkt gebracht: "Das Herz muss sich bewegen!" Auch wenn viele andere "mit der verdrossenen Lebensklugheit ihrer engen Herzen zu Haus sitzen bleiben und solche abenteuerliche Reisen des Herzens für Kindereien halten"1 – unser Herz soll sich auf den Weg machen und Gott suchen. Die Leute aus dem Osten haben das vorgemacht, während diejenigen, die nah dran waren, in Jerusalem sitzen geblieben sind.

Als Hinweis diente ihnen auf ihrer Suche zuerst der Stern ihrer Sehnsucht, dem auch wir folgen können – der Sehnsucht unseres Herzens nach Mehr, nach einem neuen Anfang, nach Gerechtigkeit, nach der großen Umarmung Gottes.
Dazu tritt die Heilige Schrift mit den Schriftkundigen, die sie ihnen auslegten. Und auch das können wir, lesen und uns die schwierigen Stellen auslegen lassen – angesprochen sein durch das Wort Gottes in der Bibel.
Für uns kommt nun noch das Wissen dazu, dass Gott nicht dort zu finden ist, wo die weltliche Macht ist, sondern dass wir uns einfach nur dem kleinen Kind in der Krippe zuwenden müssen. Dort ist Gott zu finden – in der Unschuld, im Kleinen, und in der Einfachheit.

2. Geschenke dabei
Die Anzahl der Suchenden bleibt uns der Evangelist schuldig, immerhin wird erwähnt, dass sie drei Geschenke mitbringen (v11), so dass wir getrost von drei Personen sprechen können. Dann hat jeder was in der Hand gehabt.
Vielleicht hatten auch sie das Problem, was man denn diesem Kind sinnvollerweise schenken kann.
Was sie letztlich mitbringen, wird von den Theologen traditionell so gedeutet, dass die Gaben für drei Funktionen Christi stehen. Sie weisen hin auf Jesus als Priester, König und Propheten. Der Weihrauch für das Priestersein mit seiner liturgisch-kultischen Aufgabe im Tempel, das Gold für das Königtum und seine Assoziation mit Macht und Reichtum, die Myrrhe, das "Bitterkraut" auf das bittere Schicksal des Propheten. 
All das sah in Jesu Leben natürlich anders aus als die Bibel es für Priester, Könige und Propheten des Volkes Israel berichtet, aber das ist eine andere Geschichte.
Sie bringen also etwas mit, das etwas aussagt über den Beschenkten.

Geschenke!?
Alt-Buchhorst, 2018.
Das ist aus zwei Gründen interessant.

Einmal: Die wollen nix haben, sondern die wollen was bringen. Wenn sie den neuen König besuchen und schon so einen langen Weg auf sich nehmen, hätte es ja durchaus sein können, dass wenigstens etwas für sie dabei herausspringen soll. Aber nein, sie bringen lieber etwas mit.

Und dann: Sie schenken nicht sinnlos etwas, das überall und zu jeder Zeit geschenkt werden könnte. Sondern sie haben sich Gedanken gemacht, was das für einer ist, zu dem sie kommen.
Sie wollen etwas schenken, was zu ihm passt und was ausdrückt, was ihnen an ihm wichtig ist.

Für unser Gottesverhältnis kann das heißen: Anstatt immer nur zu bitten und nur dann zu Gott zu kommen, wenn wir etwas haben wollen, könnten wir ihm etwas bringen.
Und zwar etwas, das etwas aussagt darüber, was uns an Gott wichtig ist.
Das kann eine Übung sein, so wie sie auch bei manchen längeren Gebets- und Meditationsübungen angedacht sind – wer ist Gott für mich und finde ich dementsprechend einen Namen für ihn. Bei seinen "Exerzitien auf der Straße" nennt der Jesuit Christian Herwartz das Beispiel einer Frau, die Gott als den erfahren hat, der sie schön ansieht – und ihn eben auch so benennt: "Du, die du mich schön ansiehst".2

Andere werden völlig andere Erfahrungen mit Gott machen:
Vielleicht fällt es mir nicht immer leicht, so wie oben beschrieben auf die Suche zu gehen und mich immer wieder neu nach Gott auszustrecken. Das ist so mühsam und ich bin so schwach. Dann passt als symbolisches Geschenk vielleicht eine Batterie, die mich ausdauernd genug macht. Oder ein Jojo, das immer wieder losgeht, wenn es ganz unten angekommen ist.
Vielleicht entdecke ich Gottes Spuren einfach nicht in meinem Leben, weil so vieles schief gegangen ist. Zu viele Scherben, zu viel Misslungenes und zu viel Enttäuschung. Dann kann ich Gott vielleicht eine Lupe bringen, damit ich ihn besser entdecken kann.
Oder vielleicht bin ich froh über etwas, das ich gelernt habe und dankbar für Dinge, die gelungen sind. Dann kann ich mein Lächeln bringen.

Das sind die Gaben, die wir vor Gott bringen können. Gaben, die sich durchaus auch verändern können auf dem Weg. Gaben, die zu uns und zu ihm passen.


3. Anders zurückkehren
Die weisen Männer waren wirklich sehr weise. Entweder hatten sie alle denselben Traum und fanden das so überzeugend, dass sie nicht mehr zu Herodes zurückgingen. Oder einer überzeugte die anderen von seinem Traum.
Oder es wurde ihnen klar, dass ihre Frage nach dem neuen König und das Erschrecken, das sie damit ausgelöst hatten (v2f), nichts Gutes bedeutete. Vielleicht wurden sie dann weise durch ihre Unvorsichtigkeit.
Wie dem auch sei, sie gingen jedenfalls auf einem anderen Weg zurück als sie gekommen waren.

Nachdem ich gerade aus einem Urlaub wiedergekommen bin, kann ich nur bestätigen, dass das besonders dann Sinn macht, wenn man die Umgebung näher kennenlernen will.
Aber auch darüber hinaus scheint eine Reise gut dafür zu sein, Veränderungen herbeizuführen.

Verändert.
Rudow, Berlin, 2018.


Wenn wir uns auf die Suche nach Gott machen und ihm das mitbringen, was wir ihm schon immer einmal geben wollten, dann werden vielleicht auch wir dadurch verändert.
Gerade wenn es, wie hier im Gefängnis ja nicht anders möglich, eine innere Reise, eben die Reise des Herzens sein wird, von der Karl Rahner sprach, dann werden wir nicht mehr genauso auf die Welt schauen wie zuvor.

Wer beim Besuch des Kindes in der Krippe mit Gott in Berührung kommt, wird mehr lieben und mehr verzeihen. Und er wird von Gott nicht mehr schweigen können.
Zwar werden die Sterndeuter in der Bibel nie wieder erwähnt, doch das muss nichts bedeuten. Auch wir werden in der Weltgeschichte vielleicht nie wieder erwähnt. Aber auch wir können von unserer Suche nach Gott sprechen und davon, was er für uns bedeutet, was wir ihm also bringen können.
Das macht uns zu anderen Menschen – und es verändert die Welt.


1   K. Rahner, Von der seligen Reise des gottsuchenden Menschen. Gedanken zum Fest der Erscheinung des Herrn, in: Geist und Leben 22 (1949) 405-409, hier: 409. – Zu finden auch unter https://www.geist-und-leben.de/component/docman/doc_download/954-22-1949-6-405-409-rahner-0.html und https://www.jesuiten.org/news/der-stern-leuchtet/.
2   C. Herwartz, Brennende Gegenwart. Exerzitien auf der Straße. Würzburg 2011, 21.