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Samstag, 20. Oktober 2018

Der Macht nahe sein? Enttäuschung auf ganzer Linie.

1.
Sie kennen das Gefühl wahrscheinlich und haben sicher auch schon das ein oder andere Mal zu hören bekommen, dass jemand sagt: Du bist eine Enttäuschung für mich.
Jemand hatte Erwartungen an Sie gestellt und sich etwas Schönes von Ihnen erhofft – und Sie haben versagt.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus meinem Berufsalltag:
An manchen Tagen im Gefängnis habe ich den Eindruck, dass ich nur enttäuschen kann.

Samstag, 15. September 2018

Hohle Bekenntnisse. Oder: Das Evangelium als Religionskritik.

Petrus hat es wirklich nicht leicht.
Da ist er nun der Erste aus dem Kreis der Jünger, der ausspricht, was allen auf den Lippen brennt – und dann ist sein nächster Schritt gleich ein solcher Patzer!

Der Hergang des Sonntagsevangeliums (Mk 8,27-35) ist schnell erzählt: Als Jesus seine Jünger fragt, für wen ihn die Leute halten, zählen sie ein paar Namen auf, die im Rahmen des religiös Bekannten und Erwartbaren bleiben. Mit der weiteren Frage, wer er für sie selbst ist, bekommt Petrus seine Chance: Jetzt kann er zeigen, was er begriffen hat und wie groß sein Vertrauen in Jesus ist – "Du bist der Messias!" (v29).

Samstag, 8. September 2018

"Ich atme nicht ohne die Stimme" Hilde Domin und der Atem des Lebens

Atem trägt Leben weiter.
Linum, 2018.
"Deine Stimme, die mich umarmt hat,
es ist viele Tage her,
ich habe jeden Tag
ein kleines Stück von ihr gegessen,
ich habe viele Tage
von ihr gelebt."

Samstag, 25. August 2018

Von zwei Gründen, kein Christ (mehr) zu sein.

Es gibt genügend Gründe, warum man der Meinung sein kann, es sei besser, kein Christ zu sein.
Ich fasse heute einmal zwei Beweggründe ins Auge, die weiter voneinander entfernt nicht sein können.
Es mögen nicht die gängigsten Gründe sein, aber sie sind auch nicht gänzlich ohne Relevanz.
1.
Derzeit schauen sehr viele US-Amerikaner und viele Menschen weltweit auf die ungeheuerlichen Taten von Priestern und Ordensleuten in den USA, die Kinder und Jugendliche zum Teil schwer sexuell missbraucht haben – und sie hören von der jahrelangen Vertuschung durch die Verantwortlichen.1

Dieses Thema raubt mir beim Schreiben alle Kraft.
Ich will keine Entsetzlichkeiten ausbreiten und mir wird schlecht, wenn ich lese, was genau passiert ist. Aber ich glaube, dass es wichtig ist, auszusprechen, in welcher Weise Kirchenleute hier auf die verschiedensten Weisen schuldig geworden sind.

Dienstag, 14. August 2018

Wen bevorzuge ich als Gefängnisseelsorger? Gedanken zu Mariä Himmelfahrt

Von Zeit zu Zeit werde ich gefragt, wie ich das denn mache bei meinen Gesprächen im Gefängnis. Ob ich nicht ab und zu der Meinung sei, ich hätte nun schon wieder dasselbe gehört wie gestern. Ob ich auch wirklich jede persönliche Tragik individuell würdigen könne. Und überhaupt, wie es denn sei, wenn so viele verschiedene Leute kommen und alle ernst- und wahrgenommen werden wollen – das ginge doch sicher nicht?!

Himmelwärts mit Hindernissen.
Vogelnetze, Zoologischer Garten, Berlin, 2017.
Tatsächlich muss ich sagen, dass das von meiner Tagesform abhängig ist.
Aber im Großen und Ganzen versuche ich, bei jeder Person, die mir gegenüber sitzt, ganz anwesend zu sein und ihr mit größtmöglichem Wohlwollen zu begegnen.
Ich kann und will nicht unterscheiden, wen ich mehr und wen ich weniger ernst nehme.
Kurz: Die wichtigste Person ist immer die gerade anwesende.

Wenn wir (bei aller bleibenden größeren Unähnlichkeit der Vergleichspartner in dieser Sache!) auch Gott als Seelsorger aller Menschen ansehen, der noch dazu immer bei jeder Person anwesend ist, hieße diese Aussage, dass ihm jede Person die wichtigste ist.
Das passt natürlich wunderbar zu grundlegenden Aussagen über Gott. Und auch dem modernen Bewusstsein für Gerechtigkeit kommt es entgegen.

Wie aber passt es zusammen mit dem, was die Kirche über Maria sagt, die der katholische Glaube mit so viel wunderbaren Wendungen und Namen besingt?
Man nehme nur die Marienlieder:
Maria ist dort die Gnadenreiche, Makellose, Engelsgleiche, Wunderschön prächtige, hohe und mächtige, liebreich holdselige himmlische Frau, Mutter der Barmherzigkeit, Patronin voller Güte, Pforte der Seligkeit, ...

Von Gott her geschaut scheint es da eine eindeutige Bevorzugung Mariens vor anderen Menschen zu geben.

Und bei allem Idealismus gibt es selbstverständlich auch für Seelsorger Personen, die einem näher sind als andere. Vielleicht würde ich sie nicht sooo ausufernd loben, aber die Unterschiede sind schon deutlich da, ob ich das nun will oder nicht.
Mit dem einen komme ich leichter ins Gespräch, mit anderen teile ich gemeinsame Erfahrungen (wie das Vatersein), andere kommen aus der gleichen Gegend wie ich...

Dieser Ungleichheit entkommt man auch bei Gott nicht.
Schon im Alten Testament zeigt sich, dass Gott recht wählerisch ist und manche Menschen vor anderen eindeutig bevorzugt – Abels Opfer nimmt er an, Kains will er nicht – was für Abel zum Verhängnis wird (vgl. Gen 4,1-8). Ähnlich geht es Joseph, dem Träumer, der von seinen Brüdern wegen der Liebe des Vaters und wegen seiner gottgesandten Träume beneidet und schließlich verkauft wird (vgl. Gen 37).
Schließlich erwählt Gott sich ein ganzes Volk auf Kosten der Anderen und verspricht sogar: "Weil du in meinen Augen teuer und wertvoll bist und weil ich dich liebe, gebe ich für dich ganze Länder und für dein Leben ganze Völker." (Jes 43,4)
Zugleich bekennen wir Gottes Willen, dass nicht nur einige, sondern „alle Menschen gerettet werden" (1Tim 2,4) und hoffen darauf, dass er am Ende der Tage die ganze Schöpfung heimholt zu sich.

Worauf will ich mit all dem hinaus?
Die Spannung zwischen der Vorstellung einer Gleichheit aller Menschen vor Gott und den biblischen Berichten einer eindeutigen Bevorzugung von Einzelnen ist krass.
Mir jedenfalls macht diese Spannung zu schaffen, vor allem angesichts der vielen besonderen Aussagen über Maria, von der unbefleckten Empfängnis über die jungfräuliche Geburt bis zu ihrer Aufnahme in den Himmel, die wir heute feiern.
Auch im Evangelium des Festes singt Maria davon, dass Gott Großes an ihr getan habe und alle Geschlechter sie nun selig preisen würden (vgl. Lk 1,49.48).

Wie lässt sich diese Spannung befriedigend auflösen?
Eine Lösung, die ich (größere Unähnlichkeit vorausgesetzt) für diese Spannung in meinem seelsorglichen Handeln gefunden habe, kam oben zur Sprache: Der aktuell Anwesende ist der Wichtigste. Auch wenn es mir bei jenen, die mir in irgendeiner Hinsicht ähnlicher sind, natürlich leichter fällt. 

Der Himmel steht uns offen!
Blankensteinpark, Friedrichshain, Berlin, 2018.
Vielleicht beruft auch Gott zur Mitarbeit an seinem Werk Leute, die ihm ähnlich sind1 – Maria wird gezeichnet als eine junge Frau, die sich bereitwillig einlässt auf die Geschichte Gottes mit ihr, als ein Engel ihr die Botschaft von der Geburt des wunderbaren Kindes bringt und die sich im heutigen Evangelium liebevoll um ihre schwangere Verwandte kümmert.
Tatsächlich erscheint Gott so im Neuen Testament: sich der Geschichte der Menschen öffnend und sie liebevoll begleitend.

Darüber hinaus stehen, wenn man genau hinsieht, Wohlwollen gegenüber allen und Bevorzugung Einzelner auch gar nicht in Widerspruch zueinander.
Auch die Aufnahme Mariens in den Himmel ist ja, wie betont werden muss, keine exklusive Auszeichnung nur für sie, sondern wird allen Menschen verheißen – aber zunächst nur von Maria ausgesagt.
Es ist dies die Konkretion einer allgemeinen Hoffnung, sichtbar geworden an Maria, der Mutter Jesu.2

Das vorausgesetzt, ist das heutige Fest ein Bekenntnis zu Gottes Kraft und Größe, an die wir Menschen nur ahnungsweise heranreichen: voller Liebe erhebt er eine Einzelne zu sich, um diese seine Liebe weiterfließen zu lassen auf alle. 



1   Inspiriert ist dieser Gedanke von J. Miles, Gott. Eine Biographie. 3. Aufl. München 2000, 102, wo es zu Gott in der Josephsgeschichte heißt: "Unterschwellig suggeriert der Text, daß Gott Joseph nicht bevorzugt hätte, wenn er nicht wie Joseph wäre, und da Joseph als liebevoll dargestellt worden ist, ist Gott vielleicht genauso. Wir bewegen uns hier, unnötig zu sagen, nicht im Bereich von Argumenten, sondern von Eindrücken." Trotzdem!
2   Vgl.zu diesem Gedanken: A. Müller / D. Sattler, Mariologie. In: In: T. Schneider (Hg.), Handbuch der Dogmatik 2. 2. Aufl. Düsseldorf 2002, 155-187, 186.

Samstag, 4. August 2018

"Ich weiß gar nicht, was der eigentlich will!" Gefängnispredigt von Brot und Liebe.

1. "Ich weiß gar nicht, was der eigentlich will!"
So denke ich manchmal, wenn ich mich mit Leuten unterhalte, die überzeugte Autofahrer sind und die versuchen, mir ihre Überzeugung zu erklären. Dass es so praktisch sei und schön und was weiß ich. Wo ein Auto doch meiner Meinung nach nur teuer und schmutzig ist und man jedes Mal ewig einen Parkplatz suchen muss. Außerdem ist man in Berlin ohne Auto sowieso schneller.

Man kann bei solchen Gelegenheiten sehr schnell in einen Konflikt hineingeraten, weil man mit zwei völlig unterschiedlichen Denkmustern im Kopf versucht, dem jeweiligen Gegenüber seinen Standpunkt klar zu machen.

So muss es wohl auch den Zuhörern Jesu mit ihm oft genug gegangen sein.
"Ich weiß gar nicht, was der eigentlich will!"

Montag, 30. Juli 2018

Eine religiöse Wahrnehmungsschule. Vom Zusammenhang der ignatianischen Spiritualität

Der spirituelle Weg, den Ignatius von Loyola vorschlägt, gleicht einer Wahrnehmungsschule, in der Sensibilisierungsübung und Reflexion miteinander verwoben sind.

Denn es gibt in der ignatianischen Spiritualität ein paar besonders prominente Übungen, die aus der Lebenserfahrung des Ignatius von Loyola in sein Exerzitienbuch eingeflossen sind und davon leben, dass der oder die Betende zunächst genau wahrnimmt und nicht sofort mit Gott zu sprechen anfängt.

Samstag, 28. Juli 2018

Die wunderbare Speisung. Vier Thesen zum Sonntagsevangelium

Die neutestamentliche Geschichte von der Speisung der 5000, die den Kern des heutigen Sonntagsevangeliums (Joh 6,1-15) bildet, ist so bekannt wie unverstanden.
Darum vier kurze Gedanken dazu, was die Bedeutung aufschließen könnte.
Dabei spielt für mich keine entscheidende Rolle, ob sie genau so historisch geschehen sind oder literarische Konstrukte darstellen.

Sonntag, 22. Juli 2018

Sicher ist nur die Unsicherheit. Ein Gedicht von Jan Twardowski

Im Rahmen der Gedanken, die hier unlängst über das Thema Ambiguität und Uneindeutigkeit abgelegt wurden (und die unter dem Suchwort "Vereindeutigung" auf dem Blog zu finden sind), ist mir dieser Tage bei der Vorbereitung meiner polnischsprachigen Gruppe in der JVA noch ein Gedicht von Jan Twardowski in die Hände gefallen.

Es heißt im Polnischen "Pewność niepewności", was korrekt übersetzt "Sicherheit der Unsicherheit" bedeutet. Leider hat die sonst sehr elegant und gut formulierende Übersetzerin Karin Wolff dies nicht eins zu eins übertragen – was aber dem Inhalt des Gedichts selbst (und seiner Übertragung) keinen Abbruch tut.


Rohre, irgendwohin.
Tübke-Villa, Leipzig, 2018.
Sicherheit – Unsicherheit1

Ich danke Dir dafür
daß Du das Unausgesprochene nicht ausgesprochen
das Unvollendete nicht vollendet
das Unbewiesene nicht nachgewiesen hast

Ich danke Dir dafür
daß Du Dir Deiner Unsicherheit sicher warst
daß Du an die unmögliche Möglichkeit geglaubt hast
daß Du in 'Religion' nicht weiter wußtest
und Tränen Dir im Halse würgten wie ein Pfirsichkern
dafür daß Du bist, der Du bist
und ohne zu reden
soviel mir von Gott erzählt hast



Ich lese hier:
Glaube im christlichen Sinne ist ein Beziehungsgeschehen, gegründet auf den Menschen, durch die wir Gott kennenlernen.
Diese Beziehung, sowohl jene zu den Zeugen als auch jene zu Gott, setzt ein Wagnis voraus. Nichts ist hier zu Ende gedacht, "nachgewiesen", vollends "ausgesprochen" oder einfach klar.

Der glaubwürdigste Zeuge des Glaubens an Gott ist darum einer, der seine Unsicherheiten und Zweifel nicht überspielt. Dem die Trauer den Hals zuschnürt trotz seiner Hoffnung, der nicht alle Fragen beantworten kann und sich vor allem seiner "Unsicherheit sicher" ist.

Gerade auf diese Weise muss er noch nicht einmal viele Worte machen, sondern ist Zeuge des lebendigen Gottes – durch seinen lebendigen, anfechtbaren und vorläufigen Glauben. 

Und Gott, der selbst als unfertiger Mensch zu uns Menschen kam, wird in einem solchen Akt des Vertrauens wohl auch am angemessensten verstanden.


Bildunterschrift hinzufügen
1   J. Twardowski, Bóg prosi o miłość. Gott fleht um Liebe. Ausgewählt und bearbeitet von Aleksandra Iwanowska. Krakau 2000, 141.

Montag, 16. Juli 2018

Wann ist mein Handy eigentlich aus? Zur Besinnung

Wann bin ich eigentlich mal nicht erreichbar auf dem Smartphone?
Solche Momente gibt es – aber, ich gebe es zu, nur sehr selten. Mein Telefon hat meinen Alltag fest im Griff, fester als ich will.
Dass es grundsätzlich ausbleibt, kommt nur an drei Punkten vor.

Samstag, 7. Juli 2018

Von Mutationen und Wunderblockern. Eine Predigt im Gefängnis

Das heutige Evangelium (Mk 6,1-6) ist ein Evangelium über Vorurteile, über die Bindung an die Familie und über die Voraussetzung von Wundern.

Wie wir schon vor ein paar Wochen gehört haben, versucht Jesus alles, um sich von seiner Familie abzugrenzen. Er emanzipiert sich radikal. Und doch versuchen jetzt Leute, die ihn von klein auf kennen, Jesus eben auf seine Familie zu reduzieren.
Sie können nicht glauben, dass dieser ihnen schon altbekannte Jesus plötzlich wirklich was Neues zu sagen hat: „Woher hat er das bloß?“ (v2) Wie kommt er denn auf so etwas, als Kind war er doch immer normal?! Was will er uns da plötzlich erzählen? Welche Fähigkeiten bildet er sich da ein? Kann er nicht einfach ein Zimmermann bleiben und nicht versuchen, jemand anderes zu sein?

Montag, 11. Juni 2018

Gespalten 2 – "agree to disagree" und Frank Richters Aufruf "Hört endlich zu!"

Da sich mir die Parallelen nur so aufdrängen, hier noch ein Beispiel zu dem Jesuswort des letzten Sonntagsevangeliums: Wenn etwas "in sich gespalten ist, kann es keinen Bestand haben." (Mk 3,24)
Frank Richter, ehemaliger Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, macht die zentrale Aufforderung seines aktuellen Büchleins auch zu dessen Titel: "Hört endlich zu!"1
 Darin beklagt er vornehmlich die weitgehende Diskursunfähigkeit sowohl vieler liberaler Bürger als auch jener "besorgten Bürger", die sich von der Globalisierung und allem Fremden unter Druck gesetzt fühlen, in ihrer Auseinandersetzung mit den Positionen der je andern Seite.

Mittwoch, 6. Juni 2018

Jesus der Influencer!?

Was ist das Influencer-Potenzial eines Jesus von Nazareth im 21. Jahrhundert?

Diese (vielleicht etwas unerwartete) Frage stellt sich mir, wenn ich auf die Lage des Christentums in unserer Zeit, in unserem Land schaue.
Und natürlich bin ich nicht der Einzige, der dies tut. Mit anderen Formulierungen fragen sich das auch eine aktuelle Publikation wie das „Mission Manifest“ oder die Mehr-Konferenz des Gebetshauses Augsburg, es fragt sich der Papst mit seinen eingängigen Sprachbildern, es fragen diverse Theologen und geistliche Autoren wie Heiner Wilmer, Anselm Grün und Tomas Halik, etwas fokussierter auf die Institution Kirche ebenso Erik Flügge, Martin Werle und Thomas Frings.
Und natürlich finden sie alle auch ihre jeweiligen Antworten darauf.
Nur dass eben keine Antwort bisher so fruchtbar ist, dass Christsein wieder in wäre.

Freitag, 1. Juni 2018

Ich entscheide mich nicht! Aufgeklärter Liberaler und kirchentreuer Katholik zugleich

Neulich hatte ich einen Arzttermin. Als wir mit Blick auf meine herumkrabbelnde Tochter darauf kamen, dass ich derzeit in Elternteilzeit bin, freute sich die Ärztin: "Ah, ein fortschrittlicher Arbeitgeber!"
Da konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen: "Ja, ich arbeite für die katholische Kirche."
Woraufhin sie erstaunt und fast entrüstet irgendetwas Relativierendes hinterhersagte.

Mittwoch, 30. Mai 2018

Gegenwart – Gemeinschaft – Gabe. Fronleichnamsschnipsel.

Heute feiert die Katholische Kirche auf der ganzen Welt das Fest Fronleichnam – die Erinnerung an die liebevolle Hingabe Christi und die Feier dieser Hingabe in den Gestalten von Brot und Wein.
Ich möchte an dieses Fest mit drei "G" heranführen – Gegenwart, Gemeinschaft, Gabe.

Mittwoch, 16. Mai 2018

Provokation mit Häkchen. Kommentar zu Erik Flügges "Eine Kirche für viele"

Ich bin nah dran an der Situation, die sich Erik Flügge in seinem neuen Buch wünscht.

Mit „Eine Kirche für viele statt heiligem Rest“ hat der Politikberater und Autor, der auch schon über die Probleme kirchlichen Sprechens publiziert hat, nun eine Art fundamentaler Strukturkritik vorgelegt. Es ist wieder ein Buch herausgekommen, das vor Pauschalisierungen und harten Worten nicht zurückschreckt.
Leichtgewicht oder Überflieger?
Berlin, 2018.
Kurz gesagt geht es ihm darum, dass möglichst viele Kirchenmitglieder mit der Kirche, der sie angehören, in Kontakt kommen. Derzeit würden aber, so schreibt er, Angebote für den Kern von 10 Prozent gemacht, der Rest zahle zwar Kirchensteuer, würde aber nie etwas von der Kirche sehen. Nötig seien deshalb statt Gebäuden und Strukturen in erster Linie face-to-face-Kontakte, konkret schlägt er Besuche von Hauptamtlichen und engagierten Ehrenamtlichen bei den inaktiven Christen vor. Ziel ist eine "Kirche für alle", die nicht auf ihren Immobilien hockt und jammernd wartet, wer noch kommt, sondern sich selbst in Bewegung bringt und zur "aufsuchenden Kirche" wird.1

Samstag, 5. Mai 2018

Biblische Mathematik: Demut + Offenheit = Liebe

Die Lesungen des Sonntags sind mal wieder besonders reich an wundervollen Texten, die noch dazu eine aussagekräftige Gleichung des Christlichen ergeben.

1. "Auch ich bin nur ein Mensch" (Apg 10,26)
Die Lesungen aus der Apostelgeschichte erzählen in der Osterzeit von den ersten Gemeinden und reflektieren die Verkündigung der Apostel. Im heutigen Abschnitt kommt Petrus nach Caesarea und der römische Hauptmann Cornelius fällt ihm zu Füßen.
Petrus antwortet ihm daraufhin: "Steh auf! Auch ich bin nur ein Mensch."
Der Moment größter religiöser Macht ist auch ein Moment größter Versuchung. Wie leicht könnte Petrus sich jetzt, wie er es im Beisein Jesu ja mehrfach tat, groß aufspielen und zeigen, was für ein toller Kerl er ist, wie glaubensstark und nah beim Herrn.
Nichts dergleichen tut er hier. Stattdessen macht er den Unterschied zwischen Mensch und Gott groß und zeigt sich demütig.

Samstag, 28. April 2018

"feeling so connected" – Die Bildrede vom Weinstock (Joh 15)

Es gibt einen Song von Peter Gabriel, "More than this", in dem eine Art mystischer Begegnung besungen wird. Ein Mann erwacht in der Frühe, geht aus dem Haus und läuft so lange er kann. Dann sieht er Bewegung in der Luft. Und da steht er, alles, was er hatte, ist fort und sogar noch mehr, dann steht er still und spürt, fühlt sich verbunden.

...there is something else there
when all that you had has all gone
and more than this
i stand
feeling so connected
and i'm all there
right next to you
...

(Peter Gabriel, More than this)1

Ich kenne die Religiosität von Peter Gabriel nicht, aber das Gefühl, nicht allein zu sein und sich mit etwas oder jemandem Größeres verbunden zu fühlen, ist eine urreligiöse innere Bewegung.

Samstag, 21. April 2018

"Ich habe noch andere Schafe" – Jesus Christus als Hirte aller Religionen?

Ein Satz im heutigen Sonntagsevangelium (Joh 10,11-18) macht mir regelmäßig zu schaffen. Nachdem Jesus sich als guter Hirte eingeführt hat, sagt er:

"Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten." (v16)

Wenn alle Christen Jesus als ihren Hirten ansehen und als seine Herde von ihm zu Gott geführt werden wollen, dann kann es sich bei denen, die als "andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind" bezeichnet werden, nicht um Christen handeln.

Es scheint mir also die Frage nach Jesus und seinem Verhältnis zu den Anhängern anderen Religionen zu sein, die in oben genanntem Satz auftaucht (jedenfalls möchte ich ihn hier einmal so lesen). Unzählige Schriften sind zu dieser Problematik verfasst worden, das Problem wurde von den verschiedensten Seiten gewälzt.1
Hier nur ein paar Gedanken dazu:

Mittwoch, 18. April 2018

Neues von Tieren und Menschen und Gott. Texte von J.M. Coetzee und Monika Maron

Menschen und Tiere haben mehr gemeinsam, als viele von uns, besonders von uns Fleischessern, wahrhaben wollen.
Zugleich sind sie nach christlicher Überlieferung stark voneinander unterschieden, ist der Mensch bestimmt, über das Reich der Tiere und Pflanzen zu herrschen (vgl. Gen 1,26.28).
Diese beiden Meinungen müssen sich nicht ausschließen. Aber Menschen, die eine dieser Meinungen vertreten, neigen dazu, die Unhaltbarkeit der je anderen Meinung zu betonen. Oder sie wenigstens nicht mehr hören zu müssen.
Hinter diesen Meinungen verbirgt sich auch die umfassendere Frage nach der Stellung des Menschen in der Welt, nach seiner Würde und seiner Aufgabe.

Zwei aktuelle Romane bieten für beide Meinungen prägnante Texte an.