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Samstag, 9. Juli 2016

Begegnungen mit einem blutenden Gott oder nur Dekonstruktion? "El Siglo de Oro" in der Gemäldegalerie Berlin

"Ich krieche fast hinein, aus solcher Nähe betrachte ich den am Kreuz hängenden Körper. Er ist von Nägeln durchschlagen, das Handgelenk und der Fußrücken. Rote Farbe ist aufgetragen, das ist das Blut. Auf dem Kopf eine Dornenkrone, auf dem Gesicht Blutstropfen. Ich würde sie abkratzen, doch ich habe Angst, ihn anzufassen. Gottes Sohn, das ist gefährlich."1

Solch eine emotionale Nähe zu Darstellungen des Gekreuzigten, wie sie Peter Esterhazy in seinem letzten Buch beschreibt, wirkt heute nahezu unverständlich – und doch können solche für den religiösen Gebrauch bestimmten Werke sogar im musealen Kontext eine erschreckend-berührende Kraft entfalten, wenn man beispielsweise die Skulptur des gekreuzigten Leichnams Jesu von Gregorio Fernández in der Ausstellung "El Siglo de Oro" in der Gemäldegalerie Berlin betrachtet und umschreitet. Und es gibt gleich eine ganze Reihe solcher Werke in dieser Ausstellung zu sehen.

Donnerstag, 30. Juni 2016

"Ich habe zu knien begonnen" – Ringen um den Glauben in "Gott braucht dich nicht"

Esther Maria Magnis erzählt ihre persönliche Geschichte mit und ohne und wieder mit Gott – und dabei wirft sie eine Unzahl philosophischer, existenzieller, theologischer Fragen auf, die sie in souverän eigener und eindringlicher Sprache präsentiert.
Kurz: ein Lesegenuss, der herausfordert und der, trotz mancher kleinen Längen, eine äußerst empfehlenswerte Lektüre für alle Glaubenden und mit Gott Ringenden ist. Formal handelt es sich dabei um einen Hybriden: neben essayistische Passagen treten Erinnerungen, neben Kommentaren zu grundsätzlichen Fragen stehen poetische oder romanhafte Passagen.

Donnerstag, 23. Juni 2016

Axt und Schlangenbrut - Predigte Johannes der Täufer Gewalt im Namen Gottes?

In Tagen wie diesen, wo religiös motivierte Gewalt und Hass auf Anderslebende an vielen Orten neu aufbrechen, stelle ich mir die Frage, wie die Gestalt von Johannes dem Täufer, dessen Geburtstag die Kirche heute begeht, dazu positioniert ist.
Die Evangelien malen ihn als den letzten Propheten der alten Zeit, mit dem schon die neue Zeit des Messias anbricht. Wie so viele alttestamentliche Gottesmänner eifert er für den Gott Israels und predigt in drastischen Bildern die innere Umkehr zu diesem Gott, deren äußeres Zeichen er mit seinen Taufen anbietet.
Seine Urteile über seine Zeitgenossen sind extrem: "Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt? ... Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen." (Lk 3,7.9)

Dienstag, 21. Juni 2016

Degradierung Gottes zum Bettler

Das passiert mir nicht so oft: Ich hänge noch etwas an einer meiner eigenen Formulierungen fest. Denn auf die Frage, wer Jesus für mich ist, schrieb ich unter anderem, dass er ein "Bettler am Rande meines Alltags“ sei.

Und je länger ich dem nachhänge, desto mehr muss ich zugeben, dass es nicht selten genau so ist: Gott steht am Rande meines alltäglichen Lebens und ich lasse ihn dort stehen. Da steht er und bittet, dass ich ihm Zeit schenke, damit er an meinem Leben teilhaben kann. Ich aber erkenne seinen Anspruch nicht an – oder ignoriere ihn.

Freitag, 17. Juni 2016

Selbstkritik als politische Tugend – Über Polen und Deutsche

Zurückblicken heißt immer auch, Geschichte zu deuten – gerade in Polen und Deutschland jedoch kommt es durch die verschiedenen Perspektiven auf die Geschichte regelmäßig zu Konflikten. In diesem Jahr allerdings wird am 17. Juni besonders an 25 Jahre freiwillige gute Nachbarschaft mit den Polen erinnert.

Was Deutsche, jedenfalls zu Teilen, in ihr kollektives Gedächtnis aufgenommen haben, ist eine (auf anderen Feldern bisweilen arg vernachlässigte) politische Tugend: die der Selbstkritik.
Als historisch angewandter Perspektivwechsel bezeichnet sie die Fähigkeit, sich auch mit den Schattenseiten der eigenen Kultur auseinander zu setzen. So kann sie bestenfalls Gewissen schärfen und Verantwortungsbereitschaft nähren.

Samstag, 11. Juni 2016

"Geliebt sein und noch nichts davon wissen" - Oder: Wo findet ein Mensch heute Vergebung?

Das Evangelium des Sonntags (Lk 7,26-8,3) handelt vom Besuch Jesu bei einem Pharisäer und der Begegnung mit einer "Sünderin", die Jesu Füße salbt und ein Gespräch über Vergebung in Gang bringt. Damit berührt diese Geschichte Fragen, die mich immer wieder beschäftigen: die Problematik von Vergebungsbereitschaft und Vergebungsmöglichkeit, die ich, unter anderen Vorzeichen als zur Zeit Jesu, gerade in unserer heutigen säkularen Gesellschaft für äußerst gewichtig halte.

Donnerstag, 9. Juni 2016

Freier glauben! Von den theologischen Vorzügen der Säkularisierung

Es gibt einen Gemeinplatz zum Thema Säkularisierung, der öffentlich fast unwidersprochen ist: Er geht davon aus, dass eine weniger religiös geprägte Gesellschaft (wie die unsere) automatisch auch schlechtere Bedingungen für die religiöse Praxis bedeutet.
Und bisweilen mag das auch so sein, dann nämlich, wenn Religion immer mehr ins Private gedrängt wird und öffentlich geäußerte religiöse Meinungen in dieser oder jener Weise unterdrückt oder gar diffamiert werden.
Ich glaube aber, dass es im Gegensatz zu diesen tatsächlich vorkommenden Fällen im Grundsatz genau andersherum ist – und dass aus christlich-theologischer Perspektive die Vorteile des Lebens in einer säkularisierten Umgebung überwiegen.

Dienstag, 7. Juni 2016

Mein Unglaube steht auf


... und verlässt den Raum. Immer mal wieder. Aber er kommt auch verlässlich wieder herein.

Jedenfalls der praktische, der alltägliche Unglaube.


Meine religiösen Überzeugungen und Vernunftgründe dagegen bleiben schön an ihrem Platz und gaukeln mir meine Religiosität vor. Ob sie sich den Raum teilen müssen mit meiner faktischen Gottlosigkeit schert sie meistens nicht. 

Mittwoch, 25. Mai 2016

Protzposaune oder Kenosis? Fronleichnam zwischen den Fronten

Oft sind mir Menschen, die ihre Überzeugung und Meinung mit aller Macht laut in die Welt hinausposaunen, etwas unsympathisch. Ich möchte lieber nicht behelligt werden von den vielen Vorteilen veganer Ernährung oder den ungeheuerlichen Verbrechen, derer sich die Politiker oder Asylsuchenden wieder einmal schuldig gemacht haben. Wer eine Vorliebe und einen wie auch immer ausgeprägten säkularen Glauben hat, möge damit glücklich werden ohne mir seine Gedanken dazu in die Magengrube zu rammen.

Samstag, 21. Mai 2016

Nicht tragbare Botschaft? - 100. Katholikentag im Osten

"Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen." (Joh 16,12)

Der Katholikentag in Leipzig naht geschwind. Einige Aufmerksamkeit ist ihm im Vorfeld ja deshalb zuteil geworden, als die Wahl für diesen 100. Jubiläums-Katholikentag auf eine Stadt im weitgehend entchristlichten Osten der Republik fiel.
Wenn ich vor diesem Hintergrund einen Blick auf das Evangelium des Dreifaltigkeitssonntags werfe, dann sticht mir der erste, oben zitierte Satz in die Augen – Jesu Botschaft ist größer als das, was in die Herzen der Menschen passt. Vielleicht bietet der Satz darum eine passende Einstimmung auf das Umfeld des großen Treffens am langen Fronleichnamswochenende.

Donnerstag, 19. Mai 2016

Der Heilige Geist relativiert alles – auch Bibel, Tradition und Amt

Wenn Pfingsten bedeutet, dass Gott selbst in seinem Geist mitten unter den Menschen gegenwärtig ist, dann bedeutet das eine Relativierung aller anderen Wege und Mittel, mit Gott in Verbindung zu treten, weil er ja schon unmittelbar da ist. Auch der wichtigsten christlichen Bezugsgrößen.

Sonntag, 1. Mai 2016

"Einen Tempel sah ich nicht ..." – Revolution der Unmittelbarkeit

Die Vertreter der revolutionären Utopie der einstmaligen Arbeiterbewegung werden sich zu den bekannten klamaukartigen Tumulten und Gewaltorgien auch in diesem Jahr wieder in Berlin und an anderen Orten zusammenfinden.
Da das Christentum eine Selbstentfremdung durch was auch immer ebenfalls ablehnt und vielmehr geschwisterliche Gerechtigkeit und umfassende Befreiung sucht, ließen sich auf inhaltlicher Ebene durchaus Berührungspunkte finden – mit den bewährten Abgrenzungen gegenüber Hass als Grundlage des Diskurses und brachialer Gewalt als Mittel seiner Durchsetzung.
Und mit einem anderen Ziel.

Sonntag, 24. April 2016

Treue gegenüber Koran und Grundgesetz – Gedanken über den Islam in Deutschland

Der Mann spricht mir aus dem Herzen!
Dass Kardinal Wölki sich in seinem heutigen "Wort des Bischofs" so eindeutig zur Religionsfreiheit geäußert, zur Gleichberechtigung der verschiedenen Religionen vor dem Recht bekannt und von den Diffamierungen der AfD distanziert hat, ist ihm hoch anzurechnen: "Wer 'Ja' zu Kirchtürmen sagt, der muss auch 'Ja' sagen zum Minarett."
Man muss den Islam noch nicht einmal mögen, um das zu sagen, man muss einfach nur dem Grundgesetz folgen.

Wenn man sich mit der durch die AfD nun einmal herbeigepöbelten Debatte ernsthafter und tiefer auseinandersetzen will, lohnt ein Blick in das 2009 erstmals erschienene wunderbare Buch "Wer ist wir"1 von Navid Kermani über "Deutschland und seine Muslime". Als in Deutschland geborener Sohn iranischer Einwanderer hat der Autor aus eigenem Erleben mit den Fragen von Identität, Fremdzuschreibungen und Minderheitenstatus zu tun – und reflektiert dies als gläubiger Muslim, Korankenner und Einheimischer in der deutschen Hochkultur.
Im genannten Buch benennt er eine Reihe heute hochaktueller Punkte, die ein sachlich-differenziertes Gegengewicht zu sonst oft zu hörenden Allgemeinplätzen bieten – und von denen ich einige aus genau diesem Grund hier referieren will.

Freitag, 15. April 2016

Amoris Laetitia 2 – Selbstkritik und Selbstbeschränkung der Kirche

Der Blick in das zweite Kapitel des päpstlichen Schreibens bietet einen Rundumschlag über die "Wirklichkeit und die Herausforderungen" (Kapitelüberschrift, AL 311) der Familie. [Hier Gedanken zum ersten Kapitel] Die Welt, in der Familien heute leben, soll wahrgenommen und reflektiert werden – nicht nur gesellschaftliche, sondern auch kirchliche Lichtblicke und Dunkelheiten kommen dabei in den Fokus und bieten spannende Verschiebungen zu bisherigen Äußerungen der Päpste zu diesen Themen.

Samstag, 19. März 2016

Josef der Vater - Zwei Gedanken von Andreas Knapp

Josef ist in der christlichen Tradition eher der Untergebutterte, der Verdeckte, der im Schatten von Mutter und Kind Stehende. Aber er tut immer, was getan werden muss und rettet beide.
Die Frömmigkeit hatte es von jeher leichter mit ihm als er es selbst in seinem Leben hatte – stets war er der Nicht-Echte und doch als Hausvater Benötigte; in der frommen Verehrung wird er zur treuen Seele, zum schweigenden Vorbild, zur irdischen Herkünftigkeit, zum menschlich-unvollkommen-gediegenen Abglanz des wirklichen Vaters, zum Handwerker und Ausbilder des späteren Erlösers.

Dienstag, 15. März 2016

Zumutung Demokratie – "Wechselseitige Anerkennung gleicher Freiheit"

"Demokratie unterstellt allen die Fähigkeit, ihre eigenen Angelegenheiten beurteilen zu können."1 Darum lässt sich am Beginn der Demokratie eine Art "Versprechen wechselseitiger Anerkennung gleicher Freiheit"2 denken, das die Grundlage der Demokratie bildet.
Noch stärker ausgedrückt mündet diese wechselseitige Freiheitsunterstellung dann in der These: "Mit der demokratischen Anerkennung unterstellen wir uns ein gleiches Urteilsvermögen."3
Denn wir sind zwar "nicht alle gleich klug, gebildet oder erfahren. Aber die Demokratie unterstellt allen das gleiche Vermögen, eigene und öffentliche Angelegenheiten zu beurteilen, wenn sie gleiche politische Entscheidungsrechte vergibt. Diese Unterstellung ist nicht als barmherzige Nivellierung bestehender intellektueller Unterschiede zu verstehen. Vielmehr ist politisches Urteilsvermögen keine Fähigkeit, die einfach mit Ausbildung oder Intellektualität zunehmen würde, wie nicht zuletzt die Verführbarkeit von Intellektuellen durch den Totalitarismus des 20. Jahrhunderts zeigt. Politische Urteilskraft betrifft die elementare Fähigkeit, beurteilen zu können, was für das eigene Leben richtig und wichtig ist und was nicht."4

Sonntag, 6. März 2016

"Und doch ist er da und erwartet uns" – Zwei Barmherzigkeitsevangelien

Mit den Evangelienlesungen der Fastensonntage kommen momentan Texte zu Gehör, die Gottes Barmherzigkeit ins Zentrum stellen. Die Ernsthaftigkeit der menschlichen Sünde wird jedoch nicht unter den Tisch gekehrt. Sie ist im Vergleich mit Gottes liebevoller Zuwendung allerdings chancenlos.

Montag, 8. Februar 2016

Beschnitten – Eine Entdeckung zur Nacktheit

Vor kurzer Zeit habe ich in der Sauna einen beschnittenen Mann nackt gesehen, zum ersten Mal in meinem Leben.
Im Nachdenken darüber ist mir auf einmal schlagartig klar geworden, was für eine wahnsinnige und nicht mehr aufhebbare Bindung diese Art von religiöser Initiation erzeugt.
Wie sehr die Zugehörigkeit zur Religion in den eigenen Körper eingeschrieben ist, so dass eine mentale Distanzierung vielleicht möglich ist, aber durch den eigenen Körper immer wieder konterkariert wird. 
Ich bin allenfalls durch meine Kette mit Kreuz und meinen Ehering ansatzweise ausdeutbar, beides ist aber reversibel an meinen Körper und kann jederzeit abgenommen werden. Für einen beschnittenen Mann dagegen kann jedes Duschen und jede Erfahrung von Nacktheit eine Erfahrung oder wenigstens Bewusstwerdung der eigenen Religion sein.

Donnerstag, 4. Februar 2016

Heilsame Enttäuschung über die Kirche – Dietrich Bonhoeffer am 110. Geburtstag

Dietrich Bonhoeffer hat nicht erst in der Zeit seiner größten Krisen im Gefängnis, sondern auch vorher schon alles auf Gott gestellt. Denn ihm war klar, dass Gott nicht an den Rändern voller Not und Ängste, sondern in der Mitte und Stärke des menschlichen Lebens gefunden werden will.
Das zeigt sich auch in Bonhoeffers Bild von kirchlicher Vergemeinschaftung, wie er es in der 1939 zum ersten Mal veröffentlichten Schrift "Gemeinsames Leben" zeichnet.
Konsequent denkt er von Gott her und sieht im Lichte dessen auch die inneren Grenzen christlicher Gemeinschaft sehr wohl – wie es wohl zu jeder Zeit und auch heute Menschen gibt, die sich an eine Pfarrgemeinde, eine geistliche Gemeinschaft oder einen Orden binden wollen und deren Grenzen trotzdem wahrnehmen.
Hier bietet Bonhoeffer einige Sehhilfen an, wie die Schwächen einer kirchlichen Nahgemeinschaft anzusehen sein könnten:

Mittwoch, 3. Februar 2016

Einen Orden verlassen – in Gesellschaft Jesu bleiben

Anfang Februar vor vier Jahren habe ich den Jesuitenorden verlassen. Ich bin in Frankfurt am Main in ein Auto gestiegen und mit kurzen Abstechern nach Berlin gefahren.
Das klingt zunächst einfach.
Aber diesem Tag ging selbstverständlich ein längerer Prozess voraus – und ihm folgte ebenso ein längerer Prozess.

Wenn ich jetzt, inzwischen als Ehemann und Vater (und ironischerweise am Ende des von Papst Franziskus ausgerufenen Jahr der Orden), darauf schaue, dann sehe ich einen langen inneren und äußeren Weg. Den werde ich hier nicht ausbreiten, wohl aber ein paar Gedanken – und Fragen. Gefühle und Zustände also anstelle von expliziten Gründen.