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Samstag, 7. November 2020

Ihr seid wichtig – seid auch bereit! Predigt zum Gleichnis von den zehn Jungfrauen

"Sie haben Ihre VPK1 leider doch erst übernächste Woche!"

"Bitte haben Sie noch etwas Geduld, ich brauche nur noch eine Unterschrift!"

"Der Teilanstaltsleiter möchte da noch einmal draufschauen, ich kann Ihnen erst in ein paar Tagen Bescheid geben."

"Der Psychologische Dienst ist gerade nicht besetzt, da müssen Sie leider noch warten."

"Leider bin ich bei dem Termin im Urlaub, mit dem Gespräch wird es erst im nächsten Monat was."

 

Sie kennen diese und viele andere Aussagen, die alle darauf hinauslaufen, dass Sie sehr geduldig sein müssen, bis in Ihrem Haftverlauf irgendetwas passiert.

Sie kennen damit auch das Gefühl beständiger Unsicherheit, ob nun demnächst eine entscheidende Änderung eintritt oder nicht.

Samstag, 10. Oktober 2020

Nimm die Einladung doch an! Und feiere mit! Eine Predigt zu Mt 22,1-10

Was für eine Enttäuschung! Was für eine Frechheit!

Aber auch:

Was für ein Choleriker! Was für eine brutale Überreaktion!

Der Text des Sonntagsevangeliums (Mt 22,1-10) lässt mich mit vielen starken Eindrücken und einer Reihe von offenen Fragen zurück.

Warum sind diese Leute so wenig interessiert an einem großen Fest? Warum fühlen sich alle hier so schnell gereizt und genervt?

Was ist diesem König an seinem Fest so wichtig, dass er sogar Leute, die gar nicht dabei sein wollen, dazuholt?

Ich nähere mich der ganzen Sache mal mit einer persönlichen Geschichte: 

Samstag, 19. September 2020

Supergerechtigkeit. Gefangen im Weinberg

Wie wird man einem Menschen und seinem Tun gerecht?

So fragt beispielsweise das Sonntagsevangelium (Mt 20,1-16) von der Bezahlung der Arbeiter im Weinberg.

Ich möchte auf diese Frage mit einer Provokation aus meiner Arbeitswelt antworten:

Gerecht wäre es, Menschen, die wegen eines Verbrechens inhaftiert sind, besonders anständig und zuvorkommend, besonders freundlich und hilfsbereit zu behandeln und ihnen besonders gute Chancen zu geben, sich weiter zu entwickeln.

Das ist erklärungsbedürftig: Wenn sie es zuvor nicht geschafft haben, (selbst)verantwortlich zu leben, werden sie es wohl kaum lernen, wenn sie in einer Haftanstalt wenig bis keine Möglichkeiten haben, auszuprobieren, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen.

Sie müssten also regulär die Möglichkeit bekommen, echte Verantwortung einzuüben, wo das heutige Gefängnis ihnen fast alle Entscheidungen abnimmt.

Samstag, 12. September 2020

Wie lerne ich, gern zu vergeben? Predigt im Gefängnis

Mitten in die Predigtvorbereitung über das heutige Evangelium von der Vergebung (Mt 18,21-35) wird mir in der Nacht zu Freitag mein Fahrrad aus dem Hof geklaut. Das vierte geklaute Rad in acht Jahren in Berlin.
Da fällt es mir schwer, über Vergebung nachzudenken.
Weil ich selbst betroffen bin.
Sitze ich in der JVA jemandem gegenüber, der von seinen Straftaten erzählt, kann ich leichter Verständnis aufbringen. Ich bin ja nicht der Geschädigte, nur der Seelsorger, der dann die Lebensumstände und den Suchtdruck des Inhaftierten bedenkt und sich wohlwollend verhalten kann.
Aber wenn es um mich selbst geht, werde ich aggressiv.
Und dann dieses Evangelium!

Samstag, 1. August 2020

Die Brotvermehrung. Oder: Wie Jesus mit seiner Massendemo umgeht und was gute MitarbeiterInnen ausmacht

Eine Klärung gleich zu Beginn: Diese Massenaufläufe, die Jesus laut Evangelium (Mt 14,13-21) verursacht hat, hätten unter Corona-Bedingungen natürlich sofort aufgelöst werden müssen. Keiner hatte eine Maske dabei, Brot wird von Hand zu Hand weitergereicht, Abstand wurde nicht eingehalten. Immerhin trug wohl niemand eine schwarz-weiß-rote Reichsflagge oder einen Aluhut.

Kurz: Das Evangelium hat wieder einiges an Stoff zu bieten. Es zeigt Jesus als Freund eines Knackis; präsentiert eine Basisanweisung für Christen; weist auf die Wichtigkeit von guten Mitarbeitern hin.

Samstag, 4. Juli 2020

"Kommt alle zu mir!" Jesus und die Kirchenaustrittszahlen.

In den letzten Tagen haben die hohen Kirchenaustrittszahlen von 2019 für einen Schock in der kirchlichen (Medien-)Landschaft gesorgt. 
270000 Menschen sind allein im letzten, an kirchlichen Skandalen immerhin nicht besonders reichen Jahr, aus der katholischen Kirche ausgetreten. Ebenso viele aus der evangelischen. Dass es so viele waren, erschreckt manche bis ins Mark: Sind wir so wenig einladend?

Ich persönlich glaube, dass sich da nur etwas deutlich zeigt, was bei den meisten der Menschen innerlich sowieso schon passiert war: Es ist die Abwendung von einer Institution, der man (jedenfalls im Westen Deutschlands) lange Zeit qua "normaler" Sozialisation angehörte. Ohne eigenen Entschluss. Bei Wegzug aus dem heimatlichen Umfeld fiel der Kontakt zur Kirche oft auch weg. Eine Art individueller Selbstaufklärung. Religion war schon lange irrelevant.

Ist die Darstellung dieser bislang verborgenen Realität in sichtbaren Austritten nun etwas schlechtes? Ich glaube nicht. Es ist eine Offenlegung.

Samstag, 20. Juni 2020

Fürchte dich nicht! Du bist ein wertvoller Mensch

Bist du ein wertvoller Mensch?
Wenn ja, woran erkennst du das?
Es sollte nicht an einer Uniform oder einer Hautfarbe hängen!
Was macht deinen Wert aus?
Kann man dir deinen Wert nehmen?
Und überhaupt: Was macht es aus, ob du wertvoll bist oder nicht?

Das sind einige der Fragen, die in mir auftauchten, als sich meine Aufmerksamkeit an einigen Zeilen des Sonntagsevangeliums festhakte.

Kunstvoll kurvt dieser Text (Mt 10,26-33) an verschiedene Themen heran – an den Stellenwert von Heimlichkeiten, an das Verhältnis von Leib und Seele, an die Bedeutung von missionarischen Bekenntnissen – und eben an die Frage nach dem Wert eines Menschen.

Samstag, 9. Mai 2020

Dreimal W: Den Weg kennen. Große Werke tun. Eine Wohnung finden.

Wir feiern wieder Gottesdienst. Aber kann man das wirklich eine Feier nennen – unter diesen vom Pandemieplan diktierten Bedingungen ? Ohne gemeinsamen Gesang, mit riesigen Abständen zwischen uns, ohne anschließendes Beisammensein?

Es ist das, was wir daraus machen! Wir können feiern, weil wir glauben, dass Gott in unserer Mitte sein will, wenn wir uns treffen. Egal unter welchen Umständen.

Mit meinen Gedanken war ich in den letzten Tagen immer wieder bei den Geschehnissen der letzten Tage des Krieges, an dessen Ende vor 75 Jahren vielerorts erinnert wurde. Unter welchen Umständen dort manchmal Gottesdienste gefeiert wurden.
Wie wird es diesen Menschen zumute gewesen sein, wenn sie in den Gottesdienst gegangen sind? Waren sie dankbar und erleichtert, dass alles vorbei ist? Oder doch eher verbittert über die Niederlage? Ängstlich angesichts der Besatzung und der vielen Unsicherheiten?

Auch wir haben einige der aktuellen Einschränkungen schon hinter uns – aber gerade hier im Gefängnis bestehen noch viele besondere Begrenzungen fort, vom Besuchsverbot bis zum Ausfall der Gruppenangebote.
Wie die Menschen damals stehen auch wir mit unseren unterschiedlichen Gefühlen vor Gott.

Samstag, 2. Mai 2020

Ein guter Hirte zeigt neue Perspektiven. Drei Punkte für den Knast

Ich brauche ab und zu einen, der weiß, wo es lang geht.
Nicht nur in Krisenzeiten wie jetzt, sondern auch sonst bin ich manchmal froh, wenn ich nicht alles selber wissen und machen muss.
Das ruft mir das Evangelium vom Guten Hirten (Joh 10,1-10) von diesem Sonntag ins Gedächtnis. Jesus stellt sich darin als Hirte vor, dem die Schafe vertrauen und folgen.

Ein erster Gedanke dazu:
Vertrauen ist entscheidend – wenn jemand Macht über mein Leben hat, will ich mich darauf verlassen können, dass er (oder sie) es gut mit mir meint.
Besonders in einem Kontext wie dem Justizvollzug, in dem die Inhaftierten den Bediensteten in besonderer Weise ausgeliefert sind, ist es essenziell, dass der Inhaftierte weiß, er kann sich auf die Anweisungen und Entscheidungen des Personals verlassen.

Sonntag, 29. März 2020

Lasst euch nicht anstecken! Sonntag im Gefängnis

1.
Heute war ich das erste Mal nach meiner Quarantäne wieder im Gefängnis. Gottesdienste dürfen zwar aktuell nicht stattfinden, aber mit den Inhaftierten, mit denen ich regelmäßig im Kontakt bin, wollte ich doch ein paar persönliche Worte wechseln. Und natürlich einen kleinen Gruß aus dem Evangelium vorbeibringen, natürlich einzeln und unter Einhaltung der derzeitigen Regeln.

Mein Eindruck: Abstand halten ist auf den Fluren der Hafthäuser sehr schwierig, denn während der Aufschlusszeiten sind alle unterwegs, um zu duschen, zu kochen, sich zu unterhalten, an den öffentlichen Apparaten zu telefonieren oder Dinge zu tauschen. Auch das Gespür für die Sinnhaftigkeit der Abstandsregeln schien mir wenig ausgeprägt, bisweilen ist es hier auch schon schwer, grundlegende hygienische Standards einzuhalten – wie soll man dann erst mit den erweiterten Regeln umgehen...

Samstag, 21. März 2020

Knast im Kopf. Gedanken zu Haft und Ausgangssperre

"Das lasse ich mir nicht bieten! Das ist Nötigung!"

So oder ähnlich höre ich es von Zeit zu Zeit in seelsorglichen Einzelgesprächen in der Haftanstalt, wenn sich Inhaftierte über das Verhalten von Vollzugsbeamten aufregen. Das Gefühl für Beschränkungen der persönlichen Freiheit ist auch in Haft intensiv ausgeprägt. Nach dem Motto: Wenn schon inhaftiert, dann will ich wenigstens nicht noch mehr Einschluss in meiner Zelle als unbedingt nötig.

Da nun in der ganzen Republik Ausgangsbeschränkungen und Betretungsverbote eingeführt werden, fällt mir natürlich sofort ein, dass die Inhaftierten in den Haftanstalten dies tagtäglich erleben: eine strenge Reglementierung der Bewegungsfreiheit.

Samstag, 15. Februar 2020

Innerlicher und intensiver! Was größere Gerechtigkeit heißen kann.

Es gibt beliebte Vorstellungen davon, wie Christen sein sollten:
Viele sagen, dass man von ihnen mehr erwarten könne als von anderen.
Sie sollten diejenigen sein, die sich auszeichnen durch Gutes. Die moralisch besser handeln. Die, wenn sie das nicht schaffen, sich wenigstens mehr bemühen. Und wenn auch das nicht klappt, dass sie immerhin zu ihren Fehlern stehen.

Mittwoch, 5. Februar 2020

Irgendwie unbeteiligt. Über kirchenpolitische Debatten.

Es ist so fern von mir, was da in der Kirche gerade passiert.
Vielleicht liegt es daran, dass ich mich aktuell wenig im katholischen Milieu bewege – und wenn, dann eher, um Persönliches zu besprechen und nicht Kirchenpolitik.

Und ich bin darüber selbst ein wenig überrascht, wie wenig mich das alles berührt – ein emeritierter Papst, der zurückgezogen leben und schweigen will, mischt sich mit diversen Vorworten und Artikeln immer wieder in aktuelle Debatten ein, ein getriebener US-Präsident versucht bei einem Pro-Life-March, sich katholisches Wählerklientel zu erobern, die deutschen Kardinäle Woelki und Müller betonen mehr oder weniger ungeniert und unhöflich ihre Missachtung der ersten Versammlung des Synodalen Wegs in der deutschen katholischen Kirche.

Es gäbe also Gründe genug, um sich aufzuregen oder mitzuschreiben.

Samstag, 1. Februar 2020

"Urlaub vom Galgen" Zum 75. Todestag von Alfred Delp

LL., heute ist ein harter Tag. Nun sind alle meine Freunde und Gefährten tot, nur ich bin zurückgeblieben. Hier jetzt der Einzige im Eisen. Was dahintersteht, weiß ich noch nicht, vermute jedoch nichts Gutes. …  Ich bin sehr müde vor Traurigkeit und Schrecken. Menschlich wäre es leichter, mitzugehen. …1

So schreibt der Jesuit Alfred Delp am 23. Januar 1945 in der Berliner Strafanstalt Tegel. Auf kleinen Zetteln notiert er seine Gedanken und Bitten und lässt sie durch den evangelischen Gefängnispfarrer Harald Poelchau an Freunde und Unterstützer übermitteln. Helmuth James von Moltke, Nikolaus Groß und Eugen Bolz waren an jenem 23. Januar hingerichtet worden, so wie es auch Delp für sich erwartete.
Doch er wurde erst am 02. Februar 1945, heute vor 75 Jahren, in Plötzensee hingerichtet.

Donnerstag, 23. Januar 2020

"Leb wohl, mein Herz." Helmuth James von Moltke schreibt den letzten Brief an seine Frau.

Helmuth James von Moltke gehört zu den großen Persönlichkeiten des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus. Als Mitinitiator des Kreisauer Kreises wollte er eine andere gesellschaftliche und ethische Ordnung errichten als jene, die vom NS-Regime erzwungen wurde.

Dafür bezahlte er am 23. Januar 1945, heute vor 75 Jahren, mit dem Leben. Er wurde hingerichtet in Plötzensee, dem Gefängnis, in dem ich derzeit als Gefängnisseelsorger arbeite.

Die letzten Monate vor seinem Tod stand er noch einmal in intensivem Kontakt mit seiner Frau Freya von Moltke. Nach der Verhaftung im Januar 1944 verbrachte Moltke die meiste Haftzeit im Gefängnis des Konzentrationslagers Ravensbrück.
Seit dem 28. September 1944 war er in Tegel inhaftiert.
Dort half der evangelische Gefängnispfarrer Harald Poelchau unter der beständigen Gefahr entdeckt und selbst hingerichtet zu werden, fast täglich die Briefe zwischen Freya und Helmuth zu schmuggeln. Sie sind ein Dokument der Liebe, publiziert als "Abschiedsbriefe Gefängnis Tegel. September 1944 – Januar 1945."1

Mittwoch, 22. Januar 2020

Regeltreue ist kein christliches Primärziel. Drei Fragen zum Tagesevangelium

Eigentlich sollte ich heute einen Gottesdienst im Haftkrankenhaus feiern. Aber durch verschiedene Umstände sitze ich nun zu Hause und stelle die Fragen, die sich aus dem Tagesevangelium (Mk 3,1-6) ergeben, einfach hier im Blog.

Sonntag, 5. Januar 2020

Aufbruch – Unglaube – Veränderung. Oder: Was ich dem Kinde bringen kann

Die Geschenke der drei Weisen aus dem Morgenland sind bekannt. Sie machten sich auf den Weg zum neugeborenen König der Juden und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. So berichtet es der Evangelist Matthäus (Mt 2,1-12).

Mit Blick auf die in der Bibel überlieferte Geschichte können wir uns inspirieren lassen, was unsere Geschenke sein könnten, die wir Gott bringen.

Montag, 30. Dezember 2019

Von Umbruch und Neuanfang. Geistliche Gedanken zum Jahreswechsel

Dieser Radiobeitrag ist als eine Art Mini-Feature am 31.12. um 19:05 Uhr auf rbb Kultur zu hören. Wer viel Zeit hat, kann ihn hier lesen:


Musik 1: Leonard Cohen, "It seemed the better way" (Anfang, Instrumental)

O-Ton 1: "Was mich immer wieder umtreibt, ist, dass ich nicht nur einmal, sondern mehrfach schon Äußerungen gehört habe, in denen es hieß: "Naja, das hättste Dir ja vorher überlegen sollen, ne? Jetzt biste ja im Gefängnis, ne?"

Der Inhaftierte Winfried, der in Wirklichkeit einen anderen Vornamen hat, lebt seit mehr als zwei Jahren in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Plötzensee. Er hat die Reaktionen seiner Umwelt erlebt, die meistens nicht freundlich waren:

Und das ist so 'ne Art Abwehrhaltung gegenüber Wünschen oder Zielen, die man hier im Vollzug erreichen möchte, um einen dadurch halt zu stoppen.
Und man braucht mir nicht sagen, dass ich mir das hätte früher überlegen müssen, da ich seit zweieinhalb Jahren jeden Tag 24 Stunden drüber nachdenke und es mich quält, hier zu sein. Aber ich möchte ja auch weiterkommen, mich weiter entwickeln, mich persönlich da rausarbeiten, ja, aber es führt halt, es führt halt, es führt kein Weg da raus. Man muss die Zeit absitzen und dann schauen, wie man zurecht kommt."

Dienstag, 24. Dezember 2019

Ich will hier raus! - Gott will hier rein! Oder: Weihnachten macht verletzlich

Wer will dort schon hin? – Mitten in der Provinz, nicht in der Stadt, nicht mal auf dem Dorf, sondern irgendwo außerhalb der menschlichen Siedlungen in einem heruntergekommenen Stall kommt das Kind zur Welt, das die Welt retten soll.

Wer will hier schon hin? – Keine Privatsphäre, kein Lieblingsessen, kein Internet, kein S-Bahnhof, keine Familienzimmer, keine Weihnachtsamnestie. Hier müssen Sie Weihnachten verbringen, im Haftkrankenhaus am Rande des Berliner S-Bahnrings, direkt neben der Stadtautobahn.

Aber was soll ich Ihnen sagen? Das, was Sie sich nicht ausgesucht haben, hat Gott sich ausgesucht.
Wenn Sie sagen: Ich will hier raus! - muss ich Ihnen antworten: Gott will hier rein.

Samstag, 7. Dezember 2019

Wolf und Lamm und Axt und Feuer. Eine Predigt am 2. Advent

Die Vielfalt der biblischen Visionen ist immer wieder erstaunlich.
Johannes der Täufer zerstört im Evangelium (Mt 3,1-12) die adventliche Besinnlichkeit durch seine drastische Sprache, wenn er ankündigt: "jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen" (v10).
Kurz davor aber haben wir gerade in der Lesung (Jes 11,1-10) gehört, wie der Prophet Jesaja eine göttliche Friedenszeit erhofft: "Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen" (v6).

Wie passt die Friedfertigkeit, die Jesaja verheißt, zu der Aggressivität des Johannes?
Verkündet der alttestamentliche Prophet einen anderen Gott oder eine andere Version von Gottes Herrschaft als der Vorläufer Jesu?