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Montag, 30. Dezember 2019

Von Umbruch und Neuanfang. Geistliche Gedanken zum Jahreswechsel

Dieser Radiobeitrag ist als eine Art Mini-Feature am 31.12. um 19:05 Uhr auf rbb Kultur zu hören. Wer viel Zeit hat, kann ihn hier lesen:


Musik 1: Leonard Cohen, "It seemed the better way" (Anfang, Instrumental)

O-Ton 1: "Was mich immer wieder umtreibt, ist, dass ich nicht nur einmal, sondern mehrfach schon Äußerungen gehört habe, in denen es hieß: "Naja, das hättste Dir ja vorher überlegen sollen, ne? Jetzt biste ja im Gefängnis, ne?"

Der Inhaftierte Winfried, der in Wirklichkeit einen anderen Vornamen hat, lebt seit mehr als zwei Jahren in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Plötzensee. Er hat die Reaktionen seiner Umwelt erlebt, die meistens nicht freundlich waren:

Und das ist so 'ne Art Abwehrhaltung gegenüber Wünschen oder Zielen, die man hier im Vollzug erreichen möchte, um einen dadurch halt zu stoppen.
Und man braucht mir nicht sagen, dass ich mir das hätte früher überlegen müssen, da ich seit zweieinhalb Jahren jeden Tag 24 Stunden drüber nachdenke und es mich quält, hier zu sein. Aber ich möchte ja auch weiterkommen, mich weiter entwickeln, mich persönlich da rausarbeiten, ja, aber es führt halt, es führt halt, es führt kein Weg da raus. Man muss die Zeit absitzen und dann schauen, wie man zurecht kommt."

Montag, 23. Dezember 2019

Geliebt 23 – Pferdeschwänze in "Monster" von Yishai Sarid

Yishai Sarids beeindruckendes Buch über die Erinnerung an den Holocaust ist als Brief eines Tourguides an seine Auftraggeber gehalten. Schonungslos erzählt er von seinen Eindrücken der israelischen Gruppen, die in Polen die Lager und Erinnerungsstätten besuchen. Hier spricht er über einen Besuch an den Orten des Aufstands im Warschauer Ghetto:

Sonntag, 22. Dezember 2019

Geliebt 22 – Thron in "Marzahn Mon Amour" von Katja Oskamp

Eine Glanzleistung der Menschenfreundlichkeit ist das Buch von Katja Oskamp, das in vielen kleinen "Geschichten einer Fußpflegerin" liebevoll die Menschen von Marzahn, dem riesigen DDR-Neubaugebiet im Nordosten Berlins, porträtiert. Das gut eingespielte Zusammenwirken von Stammkundschaft und Fußpflegerin zeigt sich auch als sich eine der ersten beschriebenen Kundinnen auf dem Fußpflegestuhl niederlässt:

Donnerstag, 12. Dezember 2019

Geliebt 12 – Anwaltspost in "Ein Post Scriptum" von Mascha Kaléko

Die große Dichterin Mascha Kaléko ist 1938 auf der Flucht vor den Schikanen der Nazis in die USA emigriert. Wie so viele deutsche Exilanten, die zuvor von der Sprache lebten, hat sie unter großen Problemen versucht, sich ein neues Leben aufzubauen.
Nach dem Krieg konnte sie zwar wieder ungehindert in Deutschland publizieren, kehrte aber nur zu Lesereisen und Besuchen in ihre alte Heimat zurück.
Hier ein Zitat-Gedicht von ihr:

Samstag, 23. November 2019

Herrschaftskritik. Eine Predigt am Christkönigssonntag

Gute Herrschaft lebt davon, dass sie anerkannt wird. Sonst wird sie zum Zwang.

Am Christkönigsfest geht es darum, was für eine Art von Herrschaft Gott in dieser Welt aufbauen will. Die Lesungen, die zu diesem Fest ausgewählt werden, weisen meistens darauf hin, dass Jesus im Unterschied zu den gängigen Herrschaftsmethoden ein Königtum von Gewaltfreiheit verkörpert.
Aber auch dies ist eine Herrschaft, und auch sie muss anerkannt werden, um eine gute Herrschaft zu sein. Aus Unzufriedenheit kann nichts wachsen.

Darum soll es in dieser Predigt gehen.

Samstag, 9. November 2019

In Freude und Bitterkeit: Die Erinnerung an den 09. November 1989.

Die Erinnerung an das große Ereignis von 1989 ist in diesem Jahr von Enttäuschung durchsetzt.

Enttäuscht sind die Ossis über jahrelang fehlende Wertschätzung, enttäuscht sind die Wessis über die Undankbarkeit nach massiven Investitionen in die marode Infrastruktur. Und drei Viertel der ganzen Republik sind 2019 enttäuscht über die Wahlergebnisse im scheinbar abgerutschten Osten.

Dabei begann alles so hoffnungsfroh.
Die nach Massenfluchten und Massendemonstrationen unter größtem inneren Druck vollzogene Öffnung der Grenzen, "sofort, unverzüglich", sie gab der DDR den Todesstoß.
Freiheit konnte neu beginnen.

Sonntag, 21. Juli 2019

Klare Ansage gefällig? Der 20. Juli und die Küchenarbeit

Welche Anmaßung in diesen Worten steckt!
Da kommt der Star aus Nazareth als Gast zu Maria und Marta, lässt sich bekochen und macht dann die Fleißigere der beiden Frauen runter, als sie ihre Schwester in der Küche braucht.
Jesus sagt den Frauen, was nach seiner Meinung die bessere Wahl ist, was wirklich zählt – ihm zuhören, anstatt in der Küche zu stehen.

Heute höre ich das mit einem gendersensiblen Ohr und ärgere mich über etwas diesen so selbstverständlich eingreifenden und sortierenden Mann, der den Frauen sagt, was dran ist.
Und es tauchen Fragen in mir auf: Gibt es nicht immer mehrere Perspektiven, die zu ihrem Recht kommen müssen? Sollten wir nicht allen Seiten Gerechtigkeit widerfahren lassen? Leben wir nicht in einer moralisch viel unübersichtlicheren Welt als damals?

Mittwoch, 22. Mai 2019

Großartiges Ich. Unverlierbare Würde. Über Maria und das Grundgesetz

Das Grundgesetz feiert Geburtstag.

Ich mag das Grundgesetz, also gratuliere ich gern.

Besonders denke ich, wie so Viele, an den ersten Satz.

"Die Würde des Menschen ist unantastbar." (Art 1, Abs. 1, Satz 1, GG)

Ein hoher Anspruch, der trotz der scheinbar einfachen Botschaft missverständlich bleibt.

So richtig klar ist schließlich nicht, was genau diese Würde überhaupt sein soll.

Mir fällt dazu ein Satz ein, den der Evangelist Lukas Maria in den Mund legt.

Der Mächtige hat Großes an mir getan.“ (Lk 1,49)

Mittwoch, 8. Mai 2019

"Bin ich das gewesen?" Arno Geiger und die Ambivalenzen des Kriegsendes

In Arno Geigers letztem Roman verbringt der österreichische Soldat Veit den größten Teil des Zweiten Weltkriegs auf dem Land im Salzkammergut. Dort lebt er "Unter der Drachenwand" (so der Buchtitel) und unter der ständigen Angst, doch noch für verwendungsfähig erklärt und erneut eingezogen zu werden.
Während einer Diskussion mit seinem in der Ortsverwaltung eingesetzten Onkel versucht er in einem kritischen Ausfall sich vom fernen Krieg innerlich zu distanzieren. Aber der Onkel steht dagegen – und schließlich gibt Veit zu:

Samstag, 27. April 2019

Evangelium der Wunden. Blicke auf Jesus, uns selbst und die Welt

Das Evangelium des Sonntags (Joh 20,19-31) handelt von Wunden. Und davon, dass die Wunden zu sehen sind. 

1. Gott mutet uns die Wunden der Welt zu
Die Geschichte vom Auferstandenen, der sich den Jüngern mit seinen Wunden präsentiert, passt damit leider nur zu gut in unsere Zeit.

Denn am Ostersonntag mussten wir die Bilder von den Anschlägen in Sri Lanka mit den vielen hundert Toten und Verletzten sehen. Während die Gläubigen in ihren Kirchen die Auferstehung Jesu feierten, wollten Andere sie schlimmstmöglich verletzen.

Samstag, 26. Januar 2019

Gott nicht loben! Eine Anklage aus Elie Wiesels "Die Nacht"

Wo war Gott in Auschwitz? Warum hat er zugelassen, dass sein auserwähltes Volk millionenfach ermordet wird?
Fragen nach der Rechtfertigung Gottes beschäftigen jüdische und christliche Theologen seit langem, ohne dass sie sich letztgültig beantworten lassen.1

Der Holocaustüberlebende Elie Wiesel, der 2016 im Alter von 87 Jahren gestorben ist, hat in seiner frühen Erinnerungserzählung "Die Nacht" den Zorn eines gläubigen Juden am Neujahrsfest Rosch Haschana festgehalten. Die Häftlinge versammelten sich auf dem Lagergelände von Auschwitz zum Gebet:

Donnerstag, 13. Dezember 2018

Mittwoch, 12. Dezember 2018

Dienstag, 4. Dezember 2018

Ankunftszeit 4 – Verzweifelt in "Der Reisende" von Ulrich Alexander Boschwitz

Es ist eine erschütternde Abstiegsgeschichte, die der junge Autor Ulrich Alexander Boschwitz 1938 niederschreibt (2018 erstmals erschienen). Wie viele deutsche Juden erlebt auch sein Romanheld Otto Silbermann die Erschütterungen in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft als radikalen Umsturz seines bisher so geordneten Lebens. Nach einigen Tagen der Angst ist der Kaufmann kurz in seine von einem SA-Trupp durchsuchte Wohnung zurückkehrt, um einige Dinge an sich zu nehmen.

Kein Bleiben...?
Fassade des Willy-Brand-Hauses, Berlin-Kreuzberg 2015.
"Er war im Schlafzimmer angelangt und ließ sich auf sein Bett fallen. Ich muss fort, dachte er und schloss die Augen. 'Ach, ich möchte bleiben, schlafen ... Und nun zur Grenze? Aber dem bin ich niemals gewachsen. Das kann ich doch gar nicht. Heimlich über die Grenze...' Er schüttelte sich bei dem Gedanken. 'Was wollen die Leute eigentlich alle von mir?', fragte er dann leise. "Ich will doch nichts, als in Ruhe leben, mein Brot verdienen ... Die Grenze! Ich und die Grenze – mein Gott!'
Er sprang auf!"1

Es ist klar, dass Silbermann hier nicht bleiben kann.
Verzweiflung und Müdigkeit führen einen inneren Kampf in ihm, und doch spürt er genau: Die Ankunft ruft schon nach Aufbruch. Hier ist kein Bleiben.

Das Gefühl der Gefahr ist uns Heutigen möglicherweise unbekannt, aber das Gefühl des Gehetztseins von einem Ort zum nächsten kennen die meisten von uns.
Und der Advent soll anders sein – aber er kippt doch oft genug um in Hast. Nicht Ankunft, sondern Flucht würde er in manchen Fällen richtiger lauten.

Die Anregung für heute: Welcher Ort hilft mir, um ruhig zu werden? Wo kann ich mich fallen lassen und entspannen?



Mehr zu U.A. Boschwitz' Roman findet sich hier.


1   U.A. Boschwitz, Der Reisende. Stuttgart 2018 (Original 1938), 105f.

Samstag, 10. November 2018

Soldaten zu Bischöfen!? St. Martin und das Ende des Ersten Weltkriegs

Ein Gedanke zum gemeinsamen Feiertag von Weltkriegsende, in Frankreich derzeit mit großem Aufwand gefeiert, und dem Gedenken des Tagesheiligen Martin von Tours:

Das große Sterben auf den Schlachtfeldern und die inneren Verletzungen der heimgekehrten Soldaten prägen meinen Blick auf den Ersten Weltkrieg. Die überlebenden "Kriegszitterer" entsprachen nicht dem damals vorherrschenden Bild des heroischen Kämpfers, der ausgezogen war, um seiner Nation auf dem Schlachtfeld Ehre zu erringen.
Für die Deutschen war es zudem die Heimkehr in eine völlig neu entstehende politische Ordnung. "Mit Gott für Kaiser und Reich" (so ein Filmtitel von 1916) waren sie ausgezogen – zurück kamen sie im Gefühl, von Gott verlassen zu sein und Kaiser und Reich verloren zu haben. Bodenlos.

Stabilität und Fliehkräfte.
Neukölln, Berlin, 2018.
Wie geordnet wirkt auf mich dagegen die Welt der ausgehenden Antike:
Martin quittierte im römischen Heer seinen Dienst, weil das christliche Bekenntnis und der Kriegsdienst nicht zusammengingen.
Sein Werdegang vom Soldaten zum Bischof entwickelte sich der Legende nach zwar entgegen seinem Willen, aber es war ein Weg hinein in kirchliche Verantwortung als christliche Aufgabe.

Martin ist von seinen Kriegszügen in ein Leben der inneren Stabilität hineingegangen. Klare mentale Verhältnisse in seinem klaren Einstehen für den christlichen Glauben stelle ich mir vor, auch wenn die Kirche seiner Zeit ebenfalls durch umwälzende Krisen und Konflikte ging.

Für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wiederum ist bekannt, dass die christlichen Kirchen als stabilisierende Faktoren das Leben der einzelnen Gläubigen prägten, die nach dem Krieg Halt suchten. Eine Hinwendung zur Religion scheint nach den Schrecken eines Krieges psychologisch also durchaus nachvollziehbar.

Vielleicht findet sich hier die passendste Parallele zwischen Weltkriegsende und dem Heiligen Martin:
Im Krieg wird das ganze menschliche Welterleben erschüttert. Christsein kann ein möglicher Weg sein, dies zu verarbeiten. Dafür ist Martin ein prominentes Beispiel. Für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg allerdings muss man konstatieren, dass viele Menschen zunehmend die Nation für den richtigen Weg hielten, mit den Herausforderungen der Zeit umzugehen. 


Der Verfasser der Biographie des Heiligen Martin, Sulpicius Severus, stellt uns das Auftreten Martins vor dem Kaiser unter dem Stichwort des Dienstes vor: "Bis heute habe ich dir gedient, Herr, jetzt will ich meinem Gott dienen und den Schwachen. Ich will nicht mehr länger kämpfen und töten. Hiermit gebe ich dir mein Schwert zurück."

Die Sehnsucht nach Frieden trieb ihn zu Gott und die Sehnsucht nach Gott trieb ihn zum Frieden. 


Kritischer Nachsatz: Ich frage mich (gänzlich unhistorisch), warum dieser fromme Christ Martin unbedingt ein kirchliches Leitungsamt erhalten musste. Verdammter Klerikalismus! Weshalb diese Fixierung auf den Bischof? Hätte das Zeugnis eines Getauften, das Leben eines "einfachen" Eremiten (der er zeitweise war) nicht eine besondere, andere Strahlkraft entwickeln können?
Ich ärgere mich, dass Martin sich nicht heftiger gegen seine Inthronisierung zur Wehr gesetzt hat, um mit seinem Leben als christlicher Laie zu zeigen, wie lebendiges Christsein aussehen kann.

Allerdings ... (und nun folgen alle legitimen historischen und theologischen Gegengründe, die ich hier tunlichst nicht aufführe)

Donnerstag, 8. November 2018

"Es sind zu viele Juden im Zug" – Gedanken zum 9. November

"Es sind zu viele Juden im Zug, dachte Silbermann."1

Das sagt kein Antisemit, sondern die Hauptperson in Ulrich A. Boschwitz' wiederentdeckten und in diesem Jahr erstmals herausgegebenen Roman "Der Reisende". Silbermann, wohlhabender Unternehmer im Deutschland der 1930er Jahre ist selbst Jude und, wie der Titel verrät, auf Reisen. Dies ist er jedoch nicht zum Vergnügen, sondern Silbermann befindet sich auf der Flucht. Er ist in den Strudel der nationalsozialistischen Machtdemonstrationen und Ausschreitungen jener Jahre geraten und sieht sein gesamtes bisheriges Leben zerstört.
Vom ehemaligen Geschäftspartner wurde er über den Tisch gezogen, SA-Schlägertrupps haben seine Wohnung verwüstet, seine Frau ist zu ihrem Bruder geflohen, der ihn selbst jedoch nicht beherbergen will und vor lauter Angst, irgendwo dauerhaft zu bleiben, reist der zunehmend gestresste und paranoide Silbermann immer wieder quer durch Deutschland.

Mittwoch, 8. August 2018

Wo Liturgie und Widerstand sich treffen. Notizen

Die Feier der Liturgie schafft einen fragilen Begegnungsraum zwischen Gott und Mensch.

Damit dieser Raum entstehen kann, müssen die Versammelten von sich selbst absehen können und Gott suchen. Hinaustreten aus der eigenen Lebenswirklichkeit und tastend eintreten in die Sphäre des Himmels. Denn im Mittelpunkt dieses liturgischen Begegnungsraumes stehen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern Gottes Lobpreis. Alles Weitere tritt erst später dazu.

Montag, 11. Juni 2018

Gespalten 2 – "agree to disagree" und Frank Richters Aufruf "Hört endlich zu!"

Da sich mir die Parallelen nur so aufdrängen, hier noch ein Beispiel zu dem Jesuswort des letzten Sonntagsevangeliums: Wenn etwas "in sich gespalten ist, kann es keinen Bestand haben." (Mk 3,24)
Frank Richter, ehemaliger Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, macht die zentrale Aufforderung seines aktuellen Büchleins auch zu dessen Titel: "Hört endlich zu!"1
 Darin beklagt er vornehmlich die weitgehende Diskursunfähigkeit sowohl vieler liberaler Bürger als auch jener "besorgten Bürger", die sich von der Globalisierung und allem Fremden unter Druck gesetzt fühlen, in ihrer Auseinandersetzung mit den Positionen der je andern Seite.

Dienstag, 8. Mai 2018

"Niemals im Leben vergessen". Heinrich Bölls Kriegsende

Im Mai 1945 muss es wieder sehr kalt gewesen sein.
Noch am 01. Mai notiert Heinrich Böll in seinem Tagebuch "Schnee-Morast"1 für sein Kriegsgefangenenlager in Attichy nordöstlich von Paris.

Dementsprechend fühlt sich der spätere Literat auch: "Kälte, Schmutz Elend, Hunger und Jammer, Jammer!"2 sind die Stichworte während dieser Zeit, die er wie alles in seinen Tagebüchern in äußerst knappen Worten festhält. Diese Schlaglichter beschreiben nichts, sie deuten nur auf das, was die hauptsächlichen Emfindungen gewesen sein müssen. Besonders der Hunger zieht sich seitenlang als immer wiederkehrende Notiz über die Seiten jener Wochen.
Unordnung und Dreck.
Müllrose, 2017.

Freitag, 26. Januar 2018

Die Gewalt der Gefolterten. Zum Holocaustgedenken

Wenn ich an die Opfer der NS-Diktatur denke, dann in den meisten Fällen an die Überlebenden. Sie, die Zeitzeugen, die inzwischen Uralten, die Gezeichneten, die mit Überleben Beschenkten oder Gestraften, sie können sagen und zeigen, wie es war und wie es danach ist.
Das hat auch mit meinem Freiwilligendienst in der Ukraine zu tun, als ich 2001/2002 einige Überlebende in Lemberg besucht habe.

Diese Überlebenden tragen ihre Gewalterfahrungen über Jahrzehnte mit sich herum. Manche ertragen sie mit Alpträumen, andere mit Schweigen, wieder anderen hilft es, mit sehr vielen Worten zu erzählen und persönlich Zeugnis abzulegen.
Und nicht wenige reagieren auf die Gewalterfahrungen mit Härte und eigener Gewalt.